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VON AUSSTELLUNGEN
UND SAMMLUNGEN
■W^IEN. Kirchliche Kunst in der Sezession. Stilisti-
" sehe Tendenzen führen immer zur Verein-
fachung, Vereinfachung zur Monumentalität. Die
Wiener Sezession hat bisher stets einer raumgestal-
tenden, sehr streng architektonischen Kunst zu-
gestrebt, und dieser Impuls, welcher von der Klimt-
Gruppe ausgegangen war, zittert nun bei den Zurück-
gebliebenen noch nach. Dafür ist das Thema,
welches für die Eröffnungsausstellung gewählt wurde,
bezeichnend. — Eine Reform der kirchlichen Kunst
wird angestrebt. Sie soll aus dem teils in Stilkopie,
teils in Marktware bestehenden Schematismus ihrer
Uebungen gerissen werden. Sie soll wieder Gesetz-
mäßigkeit, soll Ethik atmen. Sie soll — wie die
christliche Religion es ja in gewissen Epochen
getan — aus der Zeitkunst schöpfen, mit der Zeit-
kunst gehen. — Und wunderbar laufen die Fäden
solcher Entwicklungssehnsucht zusammen. Denn
innerhalb der Kirche selbst sind Kunstströmungen
lebendig, die mit dem Wiener Stilgefühl starke Be-
rührungspunkte zeigen. Die Beuroner Mönche,
welche im Kloster Beuron eine Kunstschule er-
richtet haben, greifen mit aller Entschiedenheit auf
primitive archaische Kunstformen zurück. Wir
sehen davon ab, hier des näheren auf diese äußerst
interessanten Aeußerungen klösterlicher Kunstideale
einzugehen, da eine ausführliche Würdigung dieser
Schule in diesem Blatte geplant ist. — Der große
Hauptsaal der Sezession enthält nebst der Kol-
lektion der Beuroner Kunst einen sehr gelungenen
dekorativen Wandentwurf, den die Mitglieder der
Sezession mit ihren Arbeiten schmückten. Archi-
tekt Plecnik hat einen Teil eines Baptisteriums
gestaltet. Diese sehr einfache, würdige Gliederung
bildet den Rahmen für verschiedene malerische
Konzeptionen. Den Hauptaccent gibt Ferdinand
Andri's Dreifaltigkeit, welche die Concha ziert.
Eine Freske von weitschwingender Rhythmik. Meister-
haft ist desselben Künstlers Taufbeckenfigur des
heiligenjohannes. Diese vergoldete Holzskulptur
ist durch den Ausdruck der Kontemplation, der
beinahe buddhahaften Uebersinnlichkeit von reinster
Wirkung. — Der Akt der Taufe im bildlichen Vor-
gang schmückt den unteren Teil der Baptisterium-
wand. Hier haben die Maler Engelhardt, Jett-
mar, Müller, König u. a. m. sich bemüht, eine
stille, gläubige Stimmung auszulösen. Am nächsten
ist dem wohl König gekommen, der in seinem
Christus zustrebenden Schacher eine wirklich
rührende Figur geschaffen hat. — Wir glauben nicht,
daß es einer einheitlichen Stimmung förderlich war,
gerade gegenüber der streng stilistischen Apsis
Mehoffer's Entwürfe zu den Glasfenstern einer
Kathedrale anzubringen. Was dort gebunden, er-
scheint hier gelöst. Ein heftiges, glühendes Kolorit,
ein Rausch von Gesten, eine Orgie von flammender
Inbrunst. Ausgeführt werden diese im realistischen
Leben wurzelnden Visionen modern religiöser Typen
wohl von charakteristischer Kraft zeugen. Hier muß
noch, da von Glasmalerei die Rede ist, auf ein
aufblühendes junges Talent, auf Karl Ederer,
aufmerksam gemacht werden. Er hat das Glasfenster
hinter der Apsis gemalt und mit wirklich naiver
Schaffensfreude Tiere und Blüten zu reizvoller
Ornamentik gebildet. — Der Ausstellung »Christ-
liche Kunst« wurde ein Seitensaal kapellenartig
ausgestaltet. Die Ziele dieser Vereinigung diver-
gieren vollständig mit dem von den Beuronern und
der Sezession angeschlagenen Akkord. Es sind
Einzelleistungen gewiß oft künstlerischer Qualität,
die aber doch ganz im Bann der Imitation sich be-
finden. Sie stehen mit dem Gedanken einer regene-
rierten Kirchenkunst nur in losem Zusammen-
hang. — Und eigentlich ganz des Zusammenhangs
mit dem angeschlagenen Thema entbehrt die Vor-
führung von Bildern, die allerdings einen religiösen
Vorgang illustrieren, aber rein weltlich, ohne irgend
welche Rücksicht auf hierarchische Zwecke. Stuck,
Uhde, Gauguin, Denis, Corinth u. a. m. bildeten
einen sie anregenden Stoff, rein malerisch, ohne jemals
an kirchliche Wirkung zu denken. Es sind viel eher
Museums- als Altarbilder. Nur Besnard, der mit sei-
nem Skizzenfries für die Kirche von B er c k vertreten
ist, sucht innerhalb der ihm eigenen freien Art nach
Stil, weil es ihm eben direkt um die Raumschmückung
zu tun war. — So ist der Eindruck, welchen der
Beschauer von der Ausstellung »Kirchliche Kunst<
erhält, kein einheitlicher. Ein Programm ist mit
vieler Verve aufgestellt, aber nur zum Teil durch-
geführt worden. Es geht wohl an, will man einer
These eindringliche Wirkung verleihen, Beispiel
und Gegenbeispiel nebeneinander zu geben. Aber
es müßte diese Art der Aussprache bewußt geübt
und dem Publikum vor allem klar gemacht werden.
Wenn aber die Wiener Sezession zeigen wollte, wie
man Kunst wieder mit den Forderungen streng
hierarchischer Kultuszwecke vereinen kann; wenn
sie dies durch Beuron bereits dokumentieren
konnte, so hätte sie diese Accente klar und unver-
mengt wirken lassen sollen. Eine selbstzweckliche
Bilderschau, und sei sie noch so vortrefflich, kann
nur als willkürlich eingefügt, als Raumfüllsel emp-
funden werden. b. z.
DERLIN. Nach einer Pause von mehreren Jahren
bringt der Salon Paul Cassirer wieder einmal eine
große Liebermann-Ausstellung, die darum beson-
deres Interesse verdient, weil sie mit Ausnahme des
»Tennisplatz« von 1902, des Jungen, der angesichts
des Meeres auf ein Pferd voltigiert, von 1901 und
der »Reiter am Strande« von 1903, nur neuere und
der Oeffentlichkeit unbekannte Bilder des Künst-
lers aus den letzten Jahren bringt. Mag Max Lieber-
mann als Präsident der Berliner Sezession und als
oft gar zu temperamentvoller Mensch auch viele
Gegner haben — niemand, selbst sein ärgster Feind
kann in ihm nicht den Künstler unterschätzen. Denn
Liebermann ist nicht nur einer der besten deutschen
Maler, sondern auch einer von jenen wenigen, die
immer auf der Höhe geblieben sind, nicht nur, weil
er ehrgeizig, sondern vor allem darum, weil er
immer ein unermüdlicher Arbeiter, auch an sich
selbst war. Gewiß: er hat Werke von ungleicher
Güte geschaffen, aber kaum eines, das ohne künst-
lerische Qualitäten ist. Man hat ihm vorgeworfen,
daß er Vorbilder und sich mit Hilfe dieser immer
wieder aufgefrischt habe. Aber was ist damit gegen
seine Kunst bewiesen, der man ein äußerst persön-
liches Gepräge unmöglich bestreiten kann? Sind
wir, wie schon Goethe betont, doch alle kollektive
Wesen, und wie weniges haben wir, das wir im
reinsten Sinne unser Eigentum nennen! Wenn Lieber-
mann über Millet, Rembrandt und Menzel zu Manet
gekommen ist und von allen diesen Meistern gelernt
hat, so ist das nicht ein Zeichen von Unfähigkeit,
sondern höchstens eines von Intelligenz, zumal
auf Grund solcher Befruchtung doch immer nur
echte Liebermanns entstanden sind. Und das Merk-
würdigste ist, daß der Künstler dann von stärkster
Wirkung ist, wenn er Dinge malt, die seine ange-
nommenen Vorbilder überhaupt nicht gesehen haben.
Niemals hinterlassen seine Schöpfungen einen grös-
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VON AUSSTELLUNGEN
UND SAMMLUNGEN
■W^IEN. Kirchliche Kunst in der Sezession. Stilisti-
" sehe Tendenzen führen immer zur Verein-
fachung, Vereinfachung zur Monumentalität. Die
Wiener Sezession hat bisher stets einer raumgestal-
tenden, sehr streng architektonischen Kunst zu-
gestrebt, und dieser Impuls, welcher von der Klimt-
Gruppe ausgegangen war, zittert nun bei den Zurück-
gebliebenen noch nach. Dafür ist das Thema,
welches für die Eröffnungsausstellung gewählt wurde,
bezeichnend. — Eine Reform der kirchlichen Kunst
wird angestrebt. Sie soll aus dem teils in Stilkopie,
teils in Marktware bestehenden Schematismus ihrer
Uebungen gerissen werden. Sie soll wieder Gesetz-
mäßigkeit, soll Ethik atmen. Sie soll — wie die
christliche Religion es ja in gewissen Epochen
getan — aus der Zeitkunst schöpfen, mit der Zeit-
kunst gehen. — Und wunderbar laufen die Fäden
solcher Entwicklungssehnsucht zusammen. Denn
innerhalb der Kirche selbst sind Kunstströmungen
lebendig, die mit dem Wiener Stilgefühl starke Be-
rührungspunkte zeigen. Die Beuroner Mönche,
welche im Kloster Beuron eine Kunstschule er-
richtet haben, greifen mit aller Entschiedenheit auf
primitive archaische Kunstformen zurück. Wir
sehen davon ab, hier des näheren auf diese äußerst
interessanten Aeußerungen klösterlicher Kunstideale
einzugehen, da eine ausführliche Würdigung dieser
Schule in diesem Blatte geplant ist. — Der große
Hauptsaal der Sezession enthält nebst der Kol-
lektion der Beuroner Kunst einen sehr gelungenen
dekorativen Wandentwurf, den die Mitglieder der
Sezession mit ihren Arbeiten schmückten. Archi-
tekt Plecnik hat einen Teil eines Baptisteriums
gestaltet. Diese sehr einfache, würdige Gliederung
bildet den Rahmen für verschiedene malerische
Konzeptionen. Den Hauptaccent gibt Ferdinand
Andri's Dreifaltigkeit, welche die Concha ziert.
Eine Freske von weitschwingender Rhythmik. Meister-
haft ist desselben Künstlers Taufbeckenfigur des
heiligenjohannes. Diese vergoldete Holzskulptur
ist durch den Ausdruck der Kontemplation, der
beinahe buddhahaften Uebersinnlichkeit von reinster
Wirkung. — Der Akt der Taufe im bildlichen Vor-
gang schmückt den unteren Teil der Baptisterium-
wand. Hier haben die Maler Engelhardt, Jett-
mar, Müller, König u. a. m. sich bemüht, eine
stille, gläubige Stimmung auszulösen. Am nächsten
ist dem wohl König gekommen, der in seinem
Christus zustrebenden Schacher eine wirklich
rührende Figur geschaffen hat. — Wir glauben nicht,
daß es einer einheitlichen Stimmung förderlich war,
gerade gegenüber der streng stilistischen Apsis
Mehoffer's Entwürfe zu den Glasfenstern einer
Kathedrale anzubringen. Was dort gebunden, er-
scheint hier gelöst. Ein heftiges, glühendes Kolorit,
ein Rausch von Gesten, eine Orgie von flammender
Inbrunst. Ausgeführt werden diese im realistischen
Leben wurzelnden Visionen modern religiöser Typen
wohl von charakteristischer Kraft zeugen. Hier muß
noch, da von Glasmalerei die Rede ist, auf ein
aufblühendes junges Talent, auf Karl Ederer,
aufmerksam gemacht werden. Er hat das Glasfenster
hinter der Apsis gemalt und mit wirklich naiver
Schaffensfreude Tiere und Blüten zu reizvoller
Ornamentik gebildet. — Der Ausstellung »Christ-
liche Kunst« wurde ein Seitensaal kapellenartig
ausgestaltet. Die Ziele dieser Vereinigung diver-
gieren vollständig mit dem von den Beuronern und
der Sezession angeschlagenen Akkord. Es sind
Einzelleistungen gewiß oft künstlerischer Qualität,
die aber doch ganz im Bann der Imitation sich be-
finden. Sie stehen mit dem Gedanken einer regene-
rierten Kirchenkunst nur in losem Zusammen-
hang. — Und eigentlich ganz des Zusammenhangs
mit dem angeschlagenen Thema entbehrt die Vor-
führung von Bildern, die allerdings einen religiösen
Vorgang illustrieren, aber rein weltlich, ohne irgend
welche Rücksicht auf hierarchische Zwecke. Stuck,
Uhde, Gauguin, Denis, Corinth u. a. m. bildeten
einen sie anregenden Stoff, rein malerisch, ohne jemals
an kirchliche Wirkung zu denken. Es sind viel eher
Museums- als Altarbilder. Nur Besnard, der mit sei-
nem Skizzenfries für die Kirche von B er c k vertreten
ist, sucht innerhalb der ihm eigenen freien Art nach
Stil, weil es ihm eben direkt um die Raumschmückung
zu tun war. — So ist der Eindruck, welchen der
Beschauer von der Ausstellung »Kirchliche Kunst<
erhält, kein einheitlicher. Ein Programm ist mit
vieler Verve aufgestellt, aber nur zum Teil durch-
geführt worden. Es geht wohl an, will man einer
These eindringliche Wirkung verleihen, Beispiel
und Gegenbeispiel nebeneinander zu geben. Aber
es müßte diese Art der Aussprache bewußt geübt
und dem Publikum vor allem klar gemacht werden.
Wenn aber die Wiener Sezession zeigen wollte, wie
man Kunst wieder mit den Forderungen streng
hierarchischer Kultuszwecke vereinen kann; wenn
sie dies durch Beuron bereits dokumentieren
konnte, so hätte sie diese Accente klar und unver-
mengt wirken lassen sollen. Eine selbstzweckliche
Bilderschau, und sei sie noch so vortrefflich, kann
nur als willkürlich eingefügt, als Raumfüllsel emp-
funden werden. b. z.
DERLIN. Nach einer Pause von mehreren Jahren
bringt der Salon Paul Cassirer wieder einmal eine
große Liebermann-Ausstellung, die darum beson-
deres Interesse verdient, weil sie mit Ausnahme des
»Tennisplatz« von 1902, des Jungen, der angesichts
des Meeres auf ein Pferd voltigiert, von 1901 und
der »Reiter am Strande« von 1903, nur neuere und
der Oeffentlichkeit unbekannte Bilder des Künst-
lers aus den letzten Jahren bringt. Mag Max Lieber-
mann als Präsident der Berliner Sezession und als
oft gar zu temperamentvoller Mensch auch viele
Gegner haben — niemand, selbst sein ärgster Feind
kann in ihm nicht den Künstler unterschätzen. Denn
Liebermann ist nicht nur einer der besten deutschen
Maler, sondern auch einer von jenen wenigen, die
immer auf der Höhe geblieben sind, nicht nur, weil
er ehrgeizig, sondern vor allem darum, weil er
immer ein unermüdlicher Arbeiter, auch an sich
selbst war. Gewiß: er hat Werke von ungleicher
Güte geschaffen, aber kaum eines, das ohne künst-
lerische Qualitäten ist. Man hat ihm vorgeworfen,
daß er Vorbilder und sich mit Hilfe dieser immer
wieder aufgefrischt habe. Aber was ist damit gegen
seine Kunst bewiesen, der man ein äußerst persön-
liches Gepräge unmöglich bestreiten kann? Sind
wir, wie schon Goethe betont, doch alle kollektive
Wesen, und wie weniges haben wir, das wir im
reinsten Sinne unser Eigentum nennen! Wenn Lieber-
mann über Millet, Rembrandt und Menzel zu Manet
gekommen ist und von allen diesen Meistern gelernt
hat, so ist das nicht ein Zeichen von Unfähigkeit,
sondern höchstens eines von Intelligenz, zumal
auf Grund solcher Befruchtung doch immer nur
echte Liebermanns entstanden sind. Und das Merk-
würdigste ist, daß der Künstler dann von stärkster
Wirkung ist, wenn er Dinge malt, die seine ange-
nommenen Vorbilder überhaupt nicht gesehen haben.
Niemals hinterlassen seine Schöpfungen einen grös-
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