Zaza-Sprache

iranische Sprache, die vom Zaza-Volk in der Türkei gesprochen wird
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Zazaisch oder Zazaki ist die Sprache der Zaza in der östlichen Türkei.

Zazaisch

Gesprochen in

Türkei, Irak, Georgien, Kasachstan
Sprecher 2 - 3 Millionen
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in -
Sprachcodes
ISO 639-1

ISO 639-2 (B) ira (T) –

Viele Zaza und manche Sprachwissenschaftler verwenden auch die Sprachbezeichnung Dimli. Die Anzahl ihrer Sprecher wird auf zwei bis drei Millionen geschätzt. Sie wird vor allem in Ostanatolien gesprochen, durch Migrationsprozesse der letzten Jahrzehnte ist sie auch in West-, Mittel- und Nordeuropa verbreitet. Das Zazaki gehört zum iranischen Zweig der indogermanischen Sprachen.

Zur Bezeichnungsfrage, Herkunft, Beziehung zu anderen Sprachen und zum historischem Hintergrund siehe den Artikel Zaza.

Die sprachliche Einordnung des Zazaki

Zazaki als eigenständige nordwestiranische Sprache

Die Zaza-Sprache wird auch heute noch aus politischen und kulturellen Gründen oft als eine kurdische Sprache, ja sogar als ein „kurdischer Dialekt“ betrachtet. (Zum politischen Hintergrund dieser Einschätzung siehe den Artikel Zaza.) Dagegen stellt die Iranistik (die Wissenschaft der Erforschung der iranischen Sprachen) eindeutig fest: Zazaki ist eine eigenständige Sprache des nordwestlichen Zweigs der iranischen Sprachen, zu dem unter anderem auch die kurdischen Sprachen Kurmandschi und Sorani gehören. Innerhalb dieses nordwestlichen Zweiges bilden die kurdischen Sprachen - zusammen mit zentraliranischen Dialekten - eine genetische Untergruppe, das Zaza bildet demgegenüber zusammen mit dem Gorani eine selbständige Untereinheit Zaza-Gorani, die möglicherweise engere Beziehungen zum Belutschi auffweist. (Siehe unten die Klassifikation der nordwestiranischen Sprachen.)

Schon Sprachforscher des 19. Jahrhunderts (z.B. Peter Lerch) belegten, dass das Zazaki kein Dialekt des Kurdischen, sondern eine eigenständige Sprache innerhalb der iranischen Sprachfamilie ist. Dies bekräftigten die deutschen Iranisten Oskar Mann und Karl Hadank mit ihren vielfältigen Untersuchungen, aus denen 1932 die erste umfangreiche wissenschaftliche Grammatik des Zazaki unter dem Titel Mundarten der Zaza hervorging. Frühere Ansichten, Zazaki sei eine „kurdische Sprache im weiteren Sinne“ (so z.B. Ferdinand Justi 1880), gelten heute als überholt. (Näheres im Abschnitt zur Forschungsgeschichte.)

Die Zaza-Sprache weist auffällige Gemeinsamkeiten mit der ausgestorbenen mitteliranischen Sprache Parthisch auf, die das südwestiranische Persische und seine Vorgängersprachen nicht teilen. Allerdings kann man nicht nachweisen, dass das Parthische eine unmittelbare Vorgängersprache des Zaza gewesen sei. (Zur Herkunftsfrage der Zaza und ihrer Sprache siehe den Artikel Zaza.)

Klassifikation der nordwestiranischen Sprachen

Die folgende Klassifikation beschreibt genauer die genetische Stellung des Zaza und der kurdischen Sprachen innerhalb der Gruppe der nordwestiranischen Sprachen. Einen Gesamtüberblick über die iranischen Sprachen und ihre Klassifikation bietet der Artikel Iranische Sprachen.

  • Nordwestiranisch   24 Sprachen, 31 Mio. Sprecher
    • Medisch † (altiranisch)
    • Parthisch: † (mitteliranisch)
    • Kaspisch
    • Kurdisch-Zentraliranisch
      • Kurdisch : Kurmandschi (Nordwest-Kurdisch) (15-20 Mio), Sorani (Zentral-Kurdisch, Kurdi) (4 Mio), Südkurdisch (3 Mio)
      • Zentraliranisch : Tafreshi, Mahallati-Chunsari, Kashani-Natanzi, Gazi, Yazdi-Kermani-Nayini, Kaviri, Sivandi
    • Zaza-Gorani : Zaza (Zazaki, Kirmanjki, Kirdki, Dimli, 'So Be') (1.5 Mio), Gorani (Bajalani, Shabaki, Hawrami u.a.) (400-500 Tsd)
    • Belutschi (Baloči) (6 Mio)

Möglicherweise bilden Zaza-Gorani und Belutschi eine eigene genetische Einheit, diese Ansicht wird aber nicht von allen Forschern geteilt.

Zur Forschungsgeschichte der Zaza-Sprache

Bereits 1650 berichtete der türkische Reisende Evliya Çelebi darüber, dass die Sprache der Zaza sich deutlich von den „anderen kurdischen Arten“ abhebe und eine wechselseitige Verständigung zwischen dem Zaza und anderen „kurdischen Dialekten“ nicht möglich sei. Der russische Linguist Peter Lerch rechnete in einem Bericht von 1856 über die Völker Ostanatoliens die Zaza ohne genauere Untersuchung generalisierend zu den Kurden. F. Müller 1864 betrachtete das Zaza wie das Kurmandschi als Dialekte des Neupersischen (!), F. Spiegel 1871 und W. Tomaschek 1887 bemerkten dagegen die großen Unterschiede zwischen dem Zaza und Kurmandschi.

Als Erster untersuchte Oskar Mann (seit 1906) die grammatische Struktur des Zaza in aller Gründlichkeit, das er dabei als eigenständige nicht-kurdische Sprache erkannte. Er sah das Zaza in einem engerem Zusammenhang mit dem Gorani. Seine Klassifikation des Westiranischen hat in der Iranistik im Wesentlichen bis heute Bestand.

Ein entscheidender Schritt in der Forschungsgeschichte war die Veröffentlichung der ersten Zaza-Grammatik von K. Hadank auf Basis des Materials von O. Mann im Jahre 1932. Diese erschien unter dem Titel Mundarten der Zaza als 10. Band der Serie der Kurdisch-Persischen Forschungen der Preußischen Akademie der Wissenschaften und behandelt vor allem den Süddialekt des Zaza. Als Resultat dieser Forschungsarbeit war nun völlig klar, dass das Zaza phonologisch, morphologisch, syntaktisch und lexikologisch eine eigenständige Sprache innerhalb des Nordwest-Iranischen darstellt. Hadank sah - wie Mann - eine besondere Nähe des Zaza zum Gorani, die Unterschiede zu den kurdischen Sprachen werden deutlich herausgearbeitet.

J. Gippert wies 1996 auf die Gemeinsamkeiten des Zaza mit dem mitteliranischen Parthischen hin, die sich deutlich vom Persischen abheben. Damit ist auch die Einordnung des Zaza als nordwestiranische Sprache endgültig bestätigt worden. (Persisch ist demgegenüber eine südwestiranische Sprache.)

Einen detaillierten Überblick über die Forschungsgeschichte - insbesondere über sämtliche Belege der Eigenständigkeit des Zaza gegenüber den kurdischen Sprachen und den Versuch mancher kurdischer Wissenschaftler, das Zaza als eine kurdische Sprache darzustellen - gibt Z. Selcan in seiner umfangreichen Zaza-Grammatik von 1998, die den Norddialekt (Dersim-Dialekt) zugrunde legt.

Zazaki als Schriftsprache

Obwohl das Zazaki schon seit Jahrhunderten in der Türkei gesprochen wurde, hat man es lange nicht schriftlich fixiert. Das älteste literarische Werk ist die religiöse Schrift Mewlid von Ehmedê Xasi aus dem Jahre 1898. Dieses Werk wurde 1899 in arabischer Schrift und (erst) 1984 in lateinischer Schrift veröffentlicht. Ein weiteres bedeutsames zazaisches Werk ist Biyîşê Pêxemberî (Mewlûda Nebî) aus dem Jahre 1903 von Usman Efendîyo Babij, es wurde erst 1933 in Damaskus in arabischer Schrift veröffentlicht.

In lateinischer Schrift wurden Zazaki-Texte seit Anfang der 1980er Jahre in Deutschland, Schweden und Frankreich in mehreren Kulturzeitschriften publiziert. Ein wichtiger Autor ist Malmîsanij.

Zur Dokumentation der zazaischen Sprache wurden in den Jahren 2001 und 2002 in einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt wichtige Quellen für ein zazaisch-deutsches Textkorpus zusammengetragen. Dies enthält längere Tonbandaufzeichnungen, handschriftlich festgehaltene Sprüche und Sprichwörter und spezielle lexikalische Listen.

Dialekte

Es lassen sich mehrere Dialekte bzw. Dialektgruppen des Zazaki unterscheiden. Ludwig Paul (1998) führt folgende auf:

  • Norddialekte (Alevi-Dialekte): Dersim, Hınıs-Varto
  • Zentraldialekte: Palu, Bingöl
  • Süddialekte: Çermik, Siverek, Çüngüş, Gerger
  • Randdialekte: Mutki, Aksaray, Sarız
  • Übergangsdialekte: Kulp, Lice, Ergani, Maden

Die sprachliche Struktur der Zaza-Sprache

Die Beispiele der folgenden Darstellung sind zu einem großen Teil der unten zitierten Grammatik von Zülfü Selcan (1998) entnommen, sie gelten damit also vor allem für den nördlichen Zaza-Dialekt (Dersim-Dialekt).

Das Phonemsystem

Die Konsonanten des Zaza sind in der folgenden Tabelle nach Bildungsart und -ort dargestellt:

Artikulationsort stimmhaft/-los labial dental alveol. alv-palat. velar uvular laryng.
Verschlusslaute stimmlos p t ts (ç) tš (ç) k q .
stimmhaft b d dz (c) dʒ (c) g . .
Reibelaute stimmlos f . s š (ş) x . h
stimmhaft v . z ž x . .
Halbvokale stimmhaft w . . j (y) . . .
Nasale stimmhaft m n . . . . .
Lateral stimmhaft . l . . . . .
Vibranten stimmhaft . r / ŕ . . . . .

In Klammern die übliche Darstellung der Phoneme in heutigen Zaza-Texten, die auf dem türkischen Alphabet basiert. Die Laute /ts/ und /tš/ werden beide durch [ç] und die Laute /dz/ und /dʒ/ beide durch [c] wiedergegeben.

Das stimmlose /x/ entspricht dem deutschen /ch/ in „ach“, das stimmhafte /x/ dem deutschen Zäpfchen-r.

Es gibt im Zaza zwei /r/-Laute, die hier mit [r] und [ŕ] wiedergegeben werden. Beides sind stimmhafte Vibranten (Zungen-r). /ŕ/ wird intensiver als /r/ artikuliert. Die Unterscheidung hat Phonemcharakter, wie folgende Beispiele zeigen:

  • pere "Geld", aber peŕe "Flügel"
  • tore "Brauch", aber toŕe "Fangnetz"
  • bırak "Liebhaber", aber bıŕak (auch bırrek) "Säge"

Die Vokale des Zaza sind /i, e (ê), ε (e), a, o, u, ü,  (ı)/, es gibt keine phonemische Unterscheidung von Lang- und Kurzvokalen. (In Klammern die in heutigen Zaza-Texten verwendeten Zeichen.)

Das phonologische System des Zaza weist einige typische nordwestiranische Merkmale auf, dazu gehören: Zaza /z/ (< iran. /*dz/) und Zaza /b/ (< iran. /*dw/) Z.B. Zaza ber, pers. dar „Tür“).

Nominalmorphologie

Nominale Kategorien

Das Nomen (Substantiv, Adjektiv, Pronomen) des Zaza besitzt folgende Kategorien:

Nr Kategorie Realisierungen
1 Genus Maskulinum (m) / Femininum (f)
2 Numerus Singular (sg) / Plural (pl)
3 Kasus primär: Rectus / Obliquus; sekundäre Kasus vom Obliquus abgeleitet
4 Definitheit bestimmt (unmarkiert) / unbestimmt (markiert)
5 Attributierung siehe unten

Split-Ergativität

Der meist (so auch bei Z. Selcan) „Nominativ“ genannte Rectus wird als Subjekt des intransitiven Verbums (in allen Tempora) und als Subjekt des transitiven Verbums im Präsens verwendet, im Präteritum für das direkte Objekt (also als „Akkusativ“) des transitiven Verbs. Der Obliquus wird für das direkte Objekt des transitiven Verbs im Präsens und für den Agens im Präteritum benutzt.

Das Zazaki ist also eine sog. Split-Ergativ-Sprache, da die Ergativkonstruktion nur in einigen, aber nicht allen grammatischen Situationen auftritt. Eine eigentliche Ergativkonstruktion tritt nur bei transitiven Verben im Präteritum auf, der Obliquus ist dann der „Ergativ“, der Rectus der „Absolutiv“.

Es ergibt sich damit folgende Verteilung der Kasusfunktionen im Zaza:

Funktion Intrans. Verb Transit. Präsens Transit. Präteritum
Subjekt (Agens) Rectus Rectus Obliquus (Ergativ)
Direktes Objekt . Obliquus Rectus (Absolutiv)

Zwei Beispiele, die das Prinzip illustrieren:

  • malım cirani beno doxtori
Analyse: malım-Ø (Lehrer, RECTUS) ciran-i (Nachbar, OBLIQ) ben-o (bringen, PRÄS-Form) doxtor-i (Arzt, OBLIQ)
Übersetzung: „der Lehrer bringt den Nachbarn zum Arzt“
  • malımi ciran berd doxtori
Analyse: malım-i (OBLIQ) ciran-Ø (RECT) berd-Ø (bringen, PRÄTERIT-Form) doxtor-i (OBLIQ)
Übersetzung: „der Lehrer brachte den Nachbarn zum Arzt“

Dazu weitere Details und Beispiele im Abschnitt über die Verbalmorphologie.

Kasusbildung

Die regelmäßige Kasusbildung der (definiten) Substantive wird an den Beispielen lazek m. „der Junge“, çêneke f. "„das Mädchen“ und domoni „die Kinder“ aufgezeigt:

Die regelmäßige Deklination im Zaza

Kasus Präpos. sg. m. sg. f. pl. Bedeutung
Rectus . lazek-Ø çênek-e domon-i siehe oben
Obliquus . lazek-i çênek-e domon-u(n) siehe oben
Genitiv (yê) lazek-i çênek-e domon-u(n) des Jungen etc
Dativ . lazek-i-rê çênek-e-rê domon-u-rê für ...
Separativ . lazek-i-ra çênek-e-ra domon-u-ra von ... weg
Sublativ 1 . lazek-i-ro çênek-e-ro domon-u-ro auf ... hinauf
Adessiv . lazek-i-de çênek-e-de domon-u-de bei ...
Allativ (e)ra lazek-i çênek-e domon-u zu ... hin
Sublativ 2 (e)ro lazek-i çênek-e domon-u auf ... hinauf
Illativ (e)de lazek-i çênek-e domon-u in ... hinein
Komitativ ...ve lazek-i-ra çênek-e-ra domon-u-ra zusammen mit ...
Vokativ . laz-o! çên-ê! domon-ênê! Junge! etc

Die Endungen der primären Kasus sind also wie folgt verteilt:

Kasus sg.m. sg.f. pl.
Rectus -e -i
Obliquus -i -e -u(n)

Alle weiteren (sekundären) Kasus basieren auf dem Obliquus, von dem sie durch Suffixe oder Präpositionen nach dem obigen Schema abgeleitet werden. (Die Kasusbezeichnungen für die lokativen Fälle schwanken in der Fachliteratur, die hier verwendeten entsprechen der Kasus-Nomenklatur des Metzeler Lexikon Sprache.)

Definitheit

Nomina ohne weitere Kennzeichnung (etwa durch Artikel) drücken definite Formen aus (lazek „der Junge“). Indefinite Formen erhalten die Endung /-ê/ (lazek-ê „ein Junge“). Es ergeben sich durch Kontraktion, Elision und Hiattilgung einige phonetische Besonderheiten. Dazu folgende (etwas vereinfachte) Beispiele:

definit indefinit Bedeutung zur Bildung
lazek lazek-ê der / ein Junge regelmäßig
hêga hêga-ê das / ein Feld regelmäßig
çerme çerm-ê das / ein Fell Kontraktion e-ê > ê
koli koli-y-ê das / ein Holz Einschub des y nach i
kardi kard-ê das / ein Messer Kontraktion i-ê > ê
manga mang-ê die / eine Kuh Kontraktion a-ê > ê

Im Plural wird das Unbestimmtheitssuffix durch /taê/ ersetzt: taê lazek-i „einige Jungen“.

Attributierung

Zusätzlich zu Genus, Numerus, Kasus und Definitheit (siehe oben) wird durch Morpheme am Nomen die Attributierung ausgedrückt, und zwar nur im attributiven, in der Regel aber nicht im prädikativen Fall (davon gibt es Ausnahmen).

Dabei gilt folgende Regel: bei prädikativer Verwendung bleibt (wie im Deutschen) das Substantiv unverändert, das prädikativ gebrauchte Adjektiv erhält eine Suffixkopula oder ein Verbalsuffix, das dem Genus und Numerus des Substantivs entspricht. In der attributiven Verwendung wandert - völlig anders als im Deutschen - diese Kopula als „Attributierungssuffix“ an das zu bestimmende Substantiv, das nachgestellte Adjektiv erhält die normalen Kasusendungen des Nomens. Es gibt also beim Übergang von der prädikativen zur attributiven Verwendung einen "Über-Kreuz-Tausch" der Suffixe von Substantiv und Adjektiv.

Dazu folgende Beispiele:

Funktion Kasus Genus Substantiv Adjektiv Bedeutung
Prädikativ Rectus m.sg. her-Ø gêwr-o der Esel (her) ist grau (gêwr)
. . f.sg. her-e gêwr-a die Eselin ist grau
. . pl. her-i gêwr-(i)ê die Esel sind grau
Attributiv Rectus m.sg. her-o gêwr-Ø der graue Esel (Rectus)
. . f.sg. her-a gêwr-e die graue Eselin (Rectus)
. . pl. her-ê gêwr-i die Esel sind grau (Rectus)
Attributiv Obliquus m.sg. her-ê gêwr-i den grauen Esel (Obl.)
. . f.sg. her-a gêwr-e die graue Eselin (Obl.)
. . pl. her-un-ê gêwr-un die grauen Esel (Obl.)

Die Attributierungs-Suffixe sind fett gedruckt.

Izafe-Bindung

Wie in den meisten iranischen Sprachen gibt es auch im Zaza die Izafe-Bindung. Die Izafe (oder Ezafe) ist ein Verbindungssuffix (ursprünglich - in der mitteliranischen Periode - ein angehängtes Relativpronomen), das zwischen einem Substantiv und seinem nachgestellten Genitivattribut eingefügt wird. Hierbei steht das nachgestellte Genitivattribut im Obliquus. Für das Verbindungssuffix (Izafe) gilt folgendes Schema in Abhängigkeit von Genus und Numerus des voranstehenden Beziehungssubstantivs:

Kasus sg.m. sg.f. pl.
Rectus -a
Obliquus -a -un-ê

Dazu folgende Beispiele (her „Esel“, ciran „Nachbar“, das Verbindungssuffix ist fett gedruckt):

Kasus Form mit Izafe Bedeutung
Rectus her-ê ciran-i der Esel des Nachbarn
. her-a ciran-i die Eselin des Nachbarn
. her-a ciran-e die Eselin der Nachbarin
. her-ê ciran-i die Esel des Nachbarn
. her-ê ciran-u die Esel der Nachbarn
Obliquus her-ê ciran-i den Esel des Nachbarn
. her-a ciran-i die Eselin des Nachbarn
. her-a ciran-e die Eselin der Nachbarin
. her-un-ê ciran-i die Esel des Nachbarn
. her-un-ê ciran-u die Esel der Nachbarn

Allerdings erlaubt das Zaza auch bei einigen wenigen Substantiven eine Umstellung der Genitivverbindung, bei der das Genitivattribut vor seinem Beziehungswort steht. Zum Beispiel kann „aus der Hand (dest) des Jungen (lazek)“ heißen:

  • dest-ê lazek-i-ra   normale Folge, Genitivattribut nachgestellt, Izafe /-ê/
  • lazek-i dest-ra   Umstellung, Genitivattribut im Obliquus vorangestellt, keine Izafe

Pronomina

Das Personalpronomen des Zazaki unterscheidet im Singular und der 3. Person Plural die Kasus Rectus und Obliquus. Zum Vergleich sind die Pronomina des Kurmandschi beigefügt.

Personalpronomen

Pers/Num Zaza
Rectus
Zaza
Obliquus
Kurmandschi
Rectus
Kurmandschi
Obliquus
1.sg. ez mı(n) ez min
2.sg. tu to tu te
3.sg.m. u / o ey (dey) ew
3.sg.f. a ae (dae) ew
1.pl. ma ma em me
2.pl. sıma sıma hûn we
3.pl. i / ê ine (dine) ew wan

Die alternativen Pronomina dey, dae und dine im Obliquus repräsentieren nur Lebewesen und werden nur in den östlichen Dersim-Dialekten in speziellen Fällen verwendet.

Verbalmorphologie

Verbale Kategorien

Die komplexe Verbalmorphologie des Zaza kann hier nur angedeutet werden. Man unterscheidet finite und infinite Verbalformen. Die finiten Verbalformen weisen folgende Kategorien auf:

Nr Kategorie Realisierungen
1 Person 1., 2. und 3. Person
2 Numerus Singular (sg.), Plural (pl.)
3 Genus Maskulinum (m.), Femininum (f.) (nur in der 3.sg.)
4 Tempus Präsens, Präteritum, Perfekt; Imperfekt, Plusquamperfekt; teilw. Futur
5 Modus Indikativ, Kontinuativ (Verlaufsform), Konjunktiv, Imperativ
6 Diathese Aktiv, Passiv

Von den fünf Tempora unterscheiden Präsens, Präteritum und Perfekt nach Person, Numerus und Genus, während Imperfekt und Plusquamperfekt diese Kategorien nicht besitzen. (Das Plusquamperfekt unterscheidet 1. sg./pl.)

Die infiniten Verbalformen sind zwei Infinitive (auf /-ene/ und /-is/) und zwei Partizipien (Agentiv-Partizip und Präterital-Partizip), auf die hier nicht näher eingegangen wird.

Split-Ergativität

Besonders auffällig ist - im Vergleich zum Deutschen, aber auch zu vielen anderen Sprachen - der Kasustausch von Rectus und Obliquus für Agens bzw. Patiens beim transitiven Verbum im Präsens und Präteritum, also die sog. Split-Ergativität. (Genauere Erklärung im Abschnitt „Nominalmorphologie“.)

Hier einige Beispiele, die diesen auffälligen Sachverhalt verdeutlichen (malım „Lehrer“, ciran „Nachbar“, doxtor „Arzt“, ben- Präsensstamm, berd- Präteritumstamm eines Verbs mit der Bedeutung „bringen“):

Beispiele im Präsens:

Subjekt
Rectus
Objekt
Obliq.
Prädikat Ziel
Obliq.
Übersetzung
malım-Ø ciran-i ben-o doxtor-i der Lehrer bringt den Nachbarn zum Arzt
malım-e ciran-i ben-a doxtor-i die Lehrerin bringt den Nachbarn zum Arzt
malım-e ciran-e ben-a doxtor-e die Lehrerin bringt die Nachbarin zum Arzt
malım-i ciran-u ben-ê doxtor-u die Lehrer bringen die Nachbarn zu den Ärzten

Im Präsens besteht Kongruenz zwischen Subjekt und Prädikat. Im Präteritum vertauschen sich (bei transitiven Verben) die Endungen von Subjekt und Objekt, Kongruenz besteht zwischen Objekt und Prädikat.

Beispiele im Präteritum (transitives Verb):

Subjekt
Obliq.
Objekt
Rectus
Prädikat Ziel
Obliq.
Übersetzung
malım-i ciran-Ø berd-Ø doxtor-i der Lehrer brachte den Nachbarn zum Arzt
malım-i ciran-e berd-e doxtor-i die Lehrerin brachte den Nachbarn zum Arzt
malım-e ciran-e berd-e doxtor-e die Lehrerin brachte die Nachbarin zum Arzt
malım-u ciran-i berd-i doxtor-u die Lehrer brachte die Nachbarn zu den Ärzten

Naheliegend ist eine Erklärung des Präteritums als Passivform „Der Nachbar (Rectus) wurde vom Lehrer (Obliquus) zum Arzt gebracht“.

Verbalstämme

Das Verbum im Zaza besitzt drei Verbalstämme: Präsens-, Konjunktiv- und Präteritalstamm. Die Bildung der Tempora und Modi von den Verbalstämmen zeigt folgendes Schema:

Stamm davon gebildete Formen
Präsensstamm Indikativ, Kontinuativ Präsens
Konjunktivstamm Konjunktiv, Imperativ Präsens
Präteritumstamm alle anderen Tempora und Modi

Im Folgenden werden einige Konjugationsparadigmata des Verbums dargestellt.

Indikativ und Kontinuativ Präsens

Indikativ und Kontinuativ Präsens werden vom Präsensstamm gebildet (Beispiel wan-en „lesen“):

Num/Pers Indik. Präs. Bedeutung Kontin. Präs. Bedeutung
1.sg. (ez) wan-en-(une) ich lese ez-o wan-en-(une) ich lese gerade
2.sg. (tu) wan-en-a du liest tu-ya wan-en-a du liest gerade
3.sg.m. (u) wan-en-o er liest u-yo wan-en-o er liest gerade
3.sg.f. (a) wan-en-a sie liest a-wa wan-en-a sie liest gerade
1.pl. (ma) wan-en-ime wir lesen ma-o wan-en-ime wir lesen gerade
2.pl. (sıma) wan-en-ê ihr lest sıma-ê wan-en-ê ihr lest gerade
3.pl. (i) wan-en-ê sie lesen i-ê wan-en-ê sie lesen gerade

Der Kontinuativ wird also durch Suffixe (Kopula) am Subjekt aus dem Indikativ Präsens gebildet. Diese Endungen können durch /-na-/ (Nahdeixis) und /-ha -/ (Ferndeixis) erweitert werden, z.B. tu-na-wa ben-a „du bringst gerade hin“ und tu-ha-wa ben-a „du bringst gerade weg“.

Konjunktiv und Imperativ Präsens

Konjunktiv und Imperativ Präsens werden vom Konjunktivstamm gebildet (Beispiel wan- „lesen“):

Num/Pers Konjunk. Präs. Bedeutung Imperativ (Präs.) Bedeutung
1.sg. (ke) (ez) bı-wan-ine (dass) ich lese . .
2.sg. (tu) bı-wan-ê du lesest (tu) bı-wan-e lies!
3.sg.m. (u) bı-wan-o er lese (u) bı-wan-o er soll lesen!
3.sg.f. (a) bı-wan-o sie lese (a) bı-wan-o sie soll lesen!
1.pl. (ke) (ma) bı-wan-ime (dass) wir lesen (ma) bı-wan-ime lesen wir!
2.pl. (sıma) bı-wan-ê ihr leset (sıma) bı-wan-ê lest!
3.pl. (i) bı-wan-ê sie lesen (i) bı-wan-ê sie sollen lesen!

Präteritum

Alle anderen Tempora und Modi werden vom Präteritumstamm (siehe oben) gebildet. Wie auch in anderen iranischen Sprachen kongruiert das transitive Verb im Präteritum und Perfekt mit dem Objekt, das im Rectus steht. Die intransitiven Verben kongruieren in allen Tempora - also auch im Präteritum - mit dem Subjekt. Dadurch unterscheidet sich die Formenbildung intransitiver und transitiver Verben im Präteritum. Als Beispiele werden konjugiert men-d-ene „bleiben“ (intransitiv) und wen-d-ene „lesen“ (transitiv).

Num/Pers Indik. Prät.
intransit.
Bedeutung Indik. Prät.
transitiv
Bedeutung
1.sg. (ez) mend-u(ne) ich blieb mı u/a/i wend- Ø/e/i ich las es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)
2.sg. (tu) mend-a du bliebst tu .... wend- ... du last es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)
3.sg.m. (u) mend-Ø er blieb ey .... wend- ... er las es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)
3.sg.f. (a) mend-e sie blieb ae .... wend- ... sie las es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)
1.pl. (ma) mend-ime wir blieben ma ... wend- ... wir lasen es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)
2.pl. (sıma) mend-i ihr bliebt sıma... wend- ... ihr last es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)
3.pl. (i) mend-i sie blieben ine... wend- ... sie lasen es (ihn) / sie (f)/ sie (pl)

Das Kongruenzverhalten des transitiven Präteritums wird deutlicher, wenn man das Schema nach dem Objekt ordnet, das im Rectus steht: Beispiel berd-ene „wegbringen“. Die Subjekte sind beliebig gewählt:

Num/Pers Indik. Prät.
transitiv
Bedeutung
1.sg. (tu) ez berd-une du brachtest mich weg
2.sg. (mı) tu berd-a ich brachte dich weg
3.sg.m. (ae) u berd-Ø sie brachte ihn weg
3.sg.f. (ey) a berd-e er brachte sie weg
1.pl. (ine) ma berd-ime sie brachten uns weg
2.pl. (ma) sıma berd-i wir brachten euch weg
3.pl. (sıma) i berd-i ihr brachtet sie weg

Wörtliche Bedeutung (1.sg.) „ich wurde weggebracht, und zwar von dir“.

Perfekt

Das Perfekt wird wie das Präteritum vom Präteritalstamm (siehe oben) gebildet und unterscheidet ebenso intransitive und transitive Formen. Es entspricht semantisch nicht dem deutschen Perfekt, sondern beschreibt vom Sprecher nicht direkt beobachtete oder erlebte oder auch bezweifelte Handlungen. Die Beispiele entsprechen denen für das Präteritum (siehe oben).

Num/Pers Indik. Perf.
intransit.
Bedeutung Indik. Perf.
transitiv
Bedeutung
1.sg. (ez) mend-o ich bin geblieben mı u/a/i wend- o/a/ê ich habe es/sie (f)/sie (pl) gelesen
2.sg. (tu) mend-a du bist geblieben tu ... wend- ... du hast es/sie (f)/sie (pl) gelesen
3.sg.m. (u) mend-o er ist geblieben ey ... wend- ... er hat es/sie (f)/sie (pl) gelesen
3.sg.f. (a) mend-a sie ist geblieben ae ... wend- ... sie hat es/sie (f)/sie (pl) gelesen
1.pl. (ma) mend-ime wir sind geblieben ma ... wend- ... wir haben es/sie (f)/sie (pl) gelesen
2.pl. (sıma) mend-ê ihr seid geblieben sıma... wend- ... ihr habt es/sie (f)/sie (pl) gelesen
3.pl. (i) mend-ê sie sind geblieben ine... wend- ... sie haben es/sie (f)/sie (pl) gelesen

Auf die Formenbildung der anderen Tempora und Modi kann hier nicht eingegangen werden. Dazu wird auf Z. Selcan (1998) verwiesen.

Literatur

  • Selcan, Zülfü: Grammatik der Zaza-Sprache. Nord-Dialekt (Dersim-Dialekt). Wissenschaft & Technik Verlag, Berlin 1998. ISBN 3928943960. (Basis für den grammatischen Teil dieses Artikels.)
  • Paul, Ludwig: Zazaki. Grammatik und Versuch einer Dialektologie. Beiträge zur Iranistik, 18. Wiesbaden 1998.
  • Blau, Joyce: Gurani et Zaza. in R. Schmitt (ed.) Compendium Linguarum Iranicarum. Reichert Verlag, Wiesbaden 1989. ISBN 3882264136. (Relativ knapp und nicht immer richtig.)
  • Grubu, Vate: Ferhenge Kirmanchki - Tirki (Wörterbuch Zazaki - Türkisch). Avesta Verlag, Istanbul 2001. ISBN 9757112984.