Die Sozialdemokraten seien die einzige Partei der Mitte, sagt Scholz und rechnet mit der politischen Konkurrenz ab, mit «Kreml-Lautsprechern», «Heissspornen» und «Zockern».
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz liegt in den Umfragen zwar weit hinter seinem Herausforderer Friedrich Merz, holt aber auf. Beim Wahlkampfstart am Samstag in der Berliner Parteizentrale zeigte sich Scholz aufgeräumt und kämpferisch. Er positionierte sich als Friedenskanzler, nannte die SPD die einzige Partei der Mitte und rechnete mit der politischen Konkurrenz ab. «Heute beginnt die Aufholjagd», hatte zuvor schon der Parteichef Lars Klingbeil gerufen.
«Manche haben uns ja schon abgeschrieben», sagte Scholz. Dieselben Leute hätten die SPD auch 2021 schon abgeschrieben gehabt. «Hört nicht auf sie. Ihr wisst, wie Wahlkampf geht, ich weiss, wie Wahlkampf geht, da werden sich einige noch ganz schön wundern», sagte Scholz in Richtung der etwa 500 Teilnehmer der «Wahlsiegkonferenz» im Willy-Brandt-Haus. Bei der letzten Bundestagswahl hatte die Scholz-SPD in den Umfragen noch bis Juli zurückgelegen, den Trend dann aber gedreht und letztlich die Wahl gewonnen.
Auch auf den Vorwurf, er instrumentalisiere den Ukraine-Krieg zu Wahlkampfzwecken, ging Scholz ein: «Der Krieg in Europa ist ein Thema, ob der Bundeskanzler darüber redet oder nicht. Die Bürger haben das Recht darauf, zu wissen, wer wo steht, und zwar vor der Wahl.» Das richtete sich vor allem an den Herausforderer Friedrich Merz. Der Unionskandidat will der ukrainischen Armee erlauben, mit den vom Westen gelieferten Waffen Ziele in Russland anzugreifen, und ist offen für die Lieferung des Marschflugkörpers Taurus, was Scholz ablehnt.
Scholz teilte die politische Konkurrenz in Bezug auf deren Positionen im Ukraine-Krieg in zwei Lager ein. «Die Kreml-Lautsprecher reden gern von Frieden, aber was sie meinen, ist eine Friedhofsruhe über Tausenden von Gräbern», so Scholz – gemeint dürften AfD und BSW sein, die sich beide für Friedensverhandlungen mit Russland starkmachen.
Das andere Extrem seien «die Heisssporne, die seit drei Jahren pausenlos noch weitreichendere Waffen fordern und die Augen davor verschliessen, dass dieser Krieg auf ganz Europa, ja vielleicht auf die ganze Welt übergreifen kann». Damit sind die Verteidigungspolitiker von FDP und CDU gemeint, und natürlich Friedrich Merz.
Scholz nahm sich ausserdem erneut die FDP vor und betonte, für «Spieler» und «Zocker» sei kein Platz in seiner Regierung: «Und deshalb war es notwendig, dass ich Herrn Lindner vor die Tür gesetzt habe.» Der Finanzminister Christian Lindner und seine FDP hätten die Bundesregierung «über Monate hinweg systematisch sabotiert» und ihren Erfolg verhindert. Die FDP sei eine marktradikale Klientelpartei.
Auch die anderen Parteien seien nicht in der politischen Mitte verortet. Die Grünen stünden für viele Menschen für Gängelung und staatliche Bevormundung. Und die CDU habe die Mitte ebenfalls verlassen. «Der soziale Flügel der CDU wurde völlig an den Rand gedrängt», sagte Scholz. «Aus einem ‹Bis-hierher-und-nicht-weiter-Konservatismus› ist ein ‹Von-hier-aus-zurück-Konservatismus› geworden.» Wahlen würden aber in Deutschland in der Mitte entschieden, immer.
Nicht ganz zutreffend rief Scholz: «Jetzt steht fest: Am 23. Februar wird ein neuer Bundestag gewählt.» Das ist zwar sehr wahrscheinlich, fest steht es aber nicht – es wurde ja noch nicht einmal die Vertrauensfrage gestellt. Zumindest theoretisch ist denkbar, dass ihm das Vertrauen doch von einer Mehrheit der Abgeordneten ausgesprochen wird. Der neue Bundestag wird infolge des reformierten Wahlrechts deutlich kleiner ausfallen. Von der derzeitigen Rekordgrösse von 733 Sitzen schrumpft der Bundestag auf 630 Sitze.
An der «Wahlsiegkonferenz» nehmen rund 500 Wahlkreiskandidaten und ihre Teams teil. Für den Strassenwahlkampf in der winterlichen Kälte wurden im Willy-Brandt-Haus rote Schals verteilt. Sie tragen in Weiss die Aufschrift «Soziale Politik für Dich». Die Parteichefin Saskia Esken kündigte «einen kurzen, einen knackigen Wahlkampf» an – trotz der Kälte sei man schon auf Betriebstemperatur. Es sind 85 Tage bis zur Wahl.