Von wem wollen die Deutschen künftig regiert werden? Eine neue Umfrage gibt Einblicke

Eine Neuauflage des Ampelbündnisses ist laut aktuellen Erhebungen extrem unpopulär. Aber auch Schwarz-Grün stösst auf Ablehnung. Die Wähler bevorzugen demgegenüber eine andere Regierungskoalition.

Oliver Maksan, Berlin 4 min
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Der mutmassliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (rechts) benötigt mindestens einen Koalitionspartner, um regieren zu können.

Der mutmassliche künftige Bundeskanzler Friedrich Merz (rechts) benötigt mindestens einen Koalitionspartner, um regieren zu können.

Liesa Johannssen / Reuters

Nur keine Neuauflage des gerade zerbrochenen Regierungsbündnisses von SPD, Grünen und FDP: Darin sind sich die Deutschen mit Blick auf die Bundestagswahl im Februar 2025 über alle Lager hinweg einig. Der NZZ vorliegende Erhebungen des Erfurter Meinungsforschungsinstituts Insa belegen dies. Satte 63 Prozent der Befragten lehnen die in Deutschland wegen der Parteifarben «Ampel» genannte Koalition ab. Nur 6 Prozent wünschen eine Fortsetzung. Keine denkbare Koalitionsoption hat weniger Befürworter. Selbst ein politisch ausgeschlossenes Bündnis aus SPD, AfD und BSW fände mehr Zustimmung (10 Prozent).

Der Insa-Chef Hermann Binkert fasst die Ergebnisse der Ende November durchgeführten Untersuchung so zusammen: «Ein Ampelbündnis ist out. Koalitionen mit AfD und Grünen sind bei den Wählern unbeliebt.» Doch von wem wollen die Deutschen künftig stattdessen regiert werden?

Die Union führt in den Umfragen

Folgt man aktuellen Umfragen nicht nur von Insa, dürften CDU und CSU als stärkste Kraft (32,5 Prozent) die kommende deutsche Regierung anführen und den sich um seine Wiederwahl bewerbenden sozialdemokratischen Bundeskanzler Olaf Scholz ablösen. Nach Lage der Dinge würden Bündnisse, die wenigstens 43 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können, derzeit bereits über eine absolute Mehrheit der Sitze im nächsten Bundestag verfügen.

Dies rührt daher, dass nach derzeitigem Stand mehrere Parteien an der für den Einzug ins deutsche Parlament entscheidenden 5-Prozent-Hürde scheitern würden, darunter FDP (4,5 Prozent), Linkspartei (3,5 Prozent) und sonstige Parteien (6,5 Prozent).

Rein rechnerisch hätten demnach Zweierbündnisse mit der SPD (15 Prozent) und den Grünen (11 Prozent) bereits eine parlamentarische Mehrheit. Mit der zweitplatzierten AfD (19,5 Prozent) käme die Union sogar auf eine absolute Mehrheit der Stimmen. Der Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat ein Bündnis mit der Rechtspartei AfD indes kategorisch ausgeschlossen.

Eine solche rein rechnerisch mögliche Koalition fänden ausweislich der Umfrage mehrheitlich auch nur die Wähler der AfD (eher) gut. 60 Prozent sprechen sich dafür aus, während die Anhänger aller anderen Parteien mehrheitlich dagegen sind (mit Ausnahme potenzieller Wähler des linken Bündnisses Sahra Wagenknecht). Insgesamt sprechen sich 55 Prozent der Deutschen gegen ein schwarz-blaues Bündnis aus. 14 Prozent sind indifferent, 19 Prozent fänden es (eher) gut.

Die Deutschen wollen die grosse Koalition

Ein Bündnis mit der SPD, also eine Neuauflage der in Deutschland bis 2021 regierenden sogenannten grossen Koalition, findet die Mehrheit der Deutschen hingegen entweder (eher) gut (22 Prozent) oder steht dem wenigstens nicht ablehnend gegenüber (34 Prozent). Nur 34 Prozent sind dagegen. Auch die Anhänger von CDU und CSU bevorzugen ein Bündnis mit den Sozialdemokraten vor allen anderen möglichen Koalitionen. 36 Prozent finden es (eher) gut, und 34 Prozent sind wenigstens indifferent. Nur 25 Prozent lehnen es ab. Bei Anhängern der SPD ist die Zustimmung sogar noch grösser (45 Prozent).

Ein Bündnis mit den Grünen unter ihrem Kanzlerkandidaten Robert Habeck hingegen finden nur 13 Prozent der Deutschen gut. Eine Mehrheit von 52 Prozent hingegen will nicht von Schwarz-Grün regiert werden. Unter den Anhängern der Union ist die Ablehnung genauso gross. Anders bei Anhängern der Grünen. 41 Prozent finden eine Koalition mit CDU und CSU entweder (eher) gut oder wenigstens weder gut noch schlecht (36 Prozent). Schwarz-Grün ist demnach aus Sicht grüner Wähler und Sympathisanten die beliebteste Option.

Tatsächlich haben die Grünen auf ihrem jüngsten Parteitag in Wiesbaden die Union zwar immer wieder kritisiert, aber auf zwischen den Parteien umstrittenen Politikfeldern wie der Migrationsfrage doch auch künftig grundsätzliche Kompromissbereitschaft erkennen lassen. Dies kann als Offenheit für ein schwarz-grünes Bündnis interpretiert werden.

Söder nähert sich den Grünen an

Auch seitens der Union gab es jüngst Annäherungsversuche. So rückte der bayrische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder von seiner lange vertretenen grundsätzlichen Ablehnung eines schwarz-grünen Bündnisses ab. In einem Interview machte er sich stattdessen die Linie des CDU-Chefs Merz zu eigen, wonach ein Bündnis mit «diesen Grünen» nicht möglich ist. Soll heissen: Wenn sie sich aus Unions-Sicht hinreichend bewegen, wäre ein Bündnis denkbar.

Die Chefs der Unionsparteien wissen dabei, wie unpopulär die Grünen bei ihren Wählern sind. Gleichzeitig wollen sie sich für künftige Verhandlungen zur Regierungsbildung Optionen offenhalten.

Am ehesten dem Wählerwillen entspräche nach derzeitigem Stand dabei ein Bündnis mit der SPD. Der Christlichsoziale Söder hat dafür aber jüngst Bedingungen genannt. «Eine grundlegende Wende bei Migration und Bürgergeld ist für uns elementar», sagte Söder in einem Interview.

Sollten Dreierbündnisse erneut nötig werden, stiesse eine sogenannte Deutschland-Koalition auf die geringste Ablehnung. Gemeint ist damit ein Bündnis von Union, SPD und FDP. Nur 45 Prozent sind dagegen, während fast ebenso viele entweder indifferent wären (30 Prozent) oder es sogar befürworteten (13 Prozent). Bei keiner anderen denkbaren Konstellation finden sich ähnliche Werte. Voraussetzung wäre freilich, dass den Liberalen der Wiedereinzug in den Bundestag gelingt.