Richard Courant

deutsch-amerikanischer Mathematiker

Richard Courant (* 8. Januar 1888 in Lublinitz, Oberschlesien; † 27. Januar 1972 in New York) war ein deutsch-amerikanischer Mathematiker.

Richard Courant (1969)

Richard Courant wurde 1888 in Lublinitz, Schlesien, geboren. Sein Vater Siegmund Courant war ein kleiner Geschäftsmann, der einer weitverzweigten jüdischen Familie entstammte. Seine Mutter Martha Courant, geborene Freund, war Tochter eines Geschäftsmanns aus dem benachbarten Oels. Edith Stein war eine Cousine väterlicherseits von Richard Courant.

Seine Eltern zogen in seiner Jugend oft um: nach Glatz, Breslau und schließlich 1905 nach Berlin. Richard besuchte zunächst das Gymnasium in Glatz und später das humanistische König-Wilhelms-Gymnasium in Breslau. Nach ersten Anlaufschwierigkeiten galt er dort als sehr guter Schüler. Die Geschäfte des Vaters gingen nicht sehr gut, und er musste im Jahr 1901 Insolvenz anmelden. Schließlich entschloss sich der Vater, seine geschäftlichen Aktivitäten nach Berlin zu verlegen. Richard Courant jedoch, der schon früh begonnen hatte, selbstständig Geld als Privatlehrer neben der Schule zu verdienen, blieb in Breslau zurück. Zum Wintersemester 1906/07 nahm er ein Studium an der Universität Breslau auf, zunächst im Fach Physik, später Mathematik. Er fand die Vorlesungen eher unbefriedigend und ging nach Zürich und anschließend nach Göttingen, wo er Assistent von David Hilbert wurde. 1910 promovierte Courant dort über das Thema Über die Anwendung des Dirichletschen Prinzips auf die Probleme der konformen Abbildung und habilitierte sich 1912.

Er wurde bereits am 8. August 1914 zum Ersten Weltkrieg eingezogen und nahm fünf Tage später am Vormarsch durch Belgien nach Frankreich teil.[1] Dort erlebte er ein „desaströses Kommunikationschaos“, worauf er sich für die Entwicklung einer neuartigen Erdtelegraphie[2] einsetzte (direkte Übertragung elektrischer Signale im Boden). Zur Mitarbeit gewann er dabei Carl Runge, Peter Debye und Paul Scherrer. Bald wurde er verwundet und wieder aus dem Kriegsdienst entlassen. Danach kehrte er nach Göttingen zurück, wo er, nach zwei Jahren in Münster, 1922 zum Professor und später zum Leiter des mathematischen Instituts ernannt wurde. Ab 1925 war er Mitglied der Göttinger Akademie der Wissenschaften.[3]

Nach der Machtergreifung wurde Courant trotz des Frontkämpferprivilegs am 13. April 1933 in den Ruhestand versetzt, er verließ Deutschland im Sommer 1933. Er verbrachte ein Jahr in Cambridge und ging anschließend nach New York, wo er 1936 Professor wurde. Dort baute er mit Kurt Friedrichs, den er aus Göttingen mitbrachte, und dem jungen Peter Lax ein mathematisches Forschungszentrum auf. Das Courant Institute for Mathematical Sciences (wie es seit 1964 heißt) an der New York University gehört zu den weltweit angesehensten Instituten für Angewandte Mathematik. 1953 wurde Courant in die American Philosophical Society und 1955 in die National Academy of Sciences gewählt.

Nach kurzer Ehe mit Nelly Neumann war Courant in zweiter Ehe seit 1919 mit Nerina (Nina) Runge verheiratet, einer Tochter von Carl Runge. Sein Sohn Ernest Courant war ein bekannter Physiker, und seine Tochter Gertrude Moser ist Biologin und Ehefrau des Mathematikers Jürgen Moser.

 
Umschlagseiten der zweiten Auflage der Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung von 1930/1931, Neudruck 1948

Richard Courant gründete und leitete ab 1922 erfolgreich das Mathematische Institut der Universität Göttingen und war auch Initiator sowie Bauherr des von der amerikanischen Rockefeller Foundation finanzierten und 1927 bis 1929 errichteten Institutsneubaus Bunsenstraße 3/5.[4]

Courant war ein herausragender Mathematiker. Er entwickelte die Finite-Elemente-Methode von Walter Ritz (Verfahren von Ritz) weiter, die später von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern viel benutzt wurde (fand aber zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Courant 1943[5] bei Ingenieuren keine Aufmerksamkeit), und klärte ihre mathematischen Grundlagen. Die Methode ist heute u. a. ein Standard-Verfahren bei der numerischen Lösung partieller Differentialgleichungen, weil oft konkrete Fehlerabschätzungen möglich sind. Insbesondere in der Quantenmechanik wird sie standardmäßig eingesetzt.

Sein Lehrbuch Methoden der mathematischen Physik mit David Hilbert ist auch über 80 Jahre nach seinem Erscheinen ein Standardwerk. Es beruht auf Vorlesungen von Hilbert, ist aber nahezu vollständig von Richard Courant geschrieben.

Daneben existiert ein zweibändiges Lehrbuch aus den 1920er-Jahren (Vorlesungen über Differential- und Integralrechnung) für Studenten in den ersten beiden Semestern. Diese zwei Bände sind ebenfalls zeitlos und werden deshalb (sozusagen als „Kontrast“) immer noch verkauft, weil sie im Gegensatz zu den abstrakteren modernen Darstellungen sehr anschaulich und verständlich sind.

Im Bereich der numerischen Strömungssimulation ist Richard Courant vor allem für die Courant-Friedrichs-Lewy-Zahl bekannt, die für die Berechnung hyperbolischer partieller Differentialgleichungen wichtig ist. Weiterhin ist nach ihm der Satz von Courant-Fischer benannt, der eine Darstellung der Eigenwerte einer symmetrischen oder hermiteschen Matrix als minimalen beziehungsweise maximalen Rayleigh-Quotienten angibt (Minimum-Maximum-Prinzip).

In seiner Dissertation hatte sich Richard Courant mit dem Dirichlet-Prinzip und seiner Anwendung in der Uniformisierungstheorie beschäftigt. Darauf kehrte er in späteren Arbeiten über Minimalflächen und konforme Abbildungen zurück.

Sein Buch mit Herbert Robbins „Was ist Mathematik?“ (zuerst 1941 erschienen) gilt als eine erstklassige Einführung.

Ehrungen

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Göttingen-Weende, Richard-Courant-Weg

Schriften

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Literatur

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Commons: Richard Courant – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Arne Schirrmacher: Die Physik im Großen Krieg. Physik Journal 13 (2014), Nr. 7, S. 43–48.
  2. Hans Schäfer: Das Abhorchen von Ferngesprächen und die Erdtelegraphie im Felde. In: Polytechnisches Journal. 334, 1919, S. 93–97.
  3. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Band 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 62.
  4. Historische Persönlichkeiten Göttingens in der Mathematik. Richard Courant. In: math.uni-goettingen.de. Abgerufen am 1. Juni 2022.
  5. Courant Variational methods for the solution of problems of equilibrium and vibrations, Bulletin AMS, Band 49, 1943, S. 1–23, (Online)
  6. Ehrenbürger/innen der Stadt Göttingen. In: stadtarchiv.goettingen.de. Stadtarchiv Göttingen, abgerufen am 26. August 2022 (Verleihung am 28. August 1953).
  7. a b Walter Nissen, Siegfried Schütz: Göttinger Gedenktafeln. Ein biographischer Wegweiser. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2016, ISBN 978-3-525-30081-7, S. 48 f.
  8. Thomas Appel: Göttinger Künstlerlexikon. Maler – Grafiker – Bildhauer – Architekten. Vom 14. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2022, ISBN 978-3-86395-504-5, S. 164 (Digitalisat auf univerlag.uni-goettingen.de).
  9. Gerd Tamke, Rainer Driever: Göttinger Straßennamen. 3. neu überarbeitete, wesentlich erweiterte Auflage, Göttingen 2012 (= Veröffentlichung des Stadtarchivs Göttingen, 2). Digitalisat im Internet ohne Seitenzählung, abgerufen am 1. Juni 2022, PDF-Seite 177.
  10. Gedenktafeln für Personen. In: stadtarchiv.goettingen.de. Stadtarchiv Göttingen, abgerufen am 26. August 2022.