Rezension über:

Lars Bisgaard / Sigga Engsbro / Kurt Villads Jensen u.a. (eds.): Monastic Culture. The Long Thirteenth Century. Essays in honour of Brian Patrick McGuire, Odense: University Press of Southern Denmark 2014, 328 S., 7 Farbktn., ISBN 978-87-7674-774-9, DKK 325,00
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Rezension von:
Ralf Lützelschwab
Friedrich-Meinecke-Institut, Freie Universität Berlin
Redaktionelle Betreuung:
Andreas Fischer
Empfohlene Zitierweise:
Ralf Lützelschwab: Rezension von: Lars Bisgaard / Sigga Engsbro / Kurt Villads Jensen u.a. (eds.): Monastic Culture. The Long Thirteenth Century. Essays in honour of Brian Patrick McGuire, Odense: University Press of Southern Denmark 2014, in: sehepunkte 14 (2014), Nr. 11 [15.11.2014], URL: https://www.sehepunkte.de
/2014/11/25691.html


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Lars Bisgaard / Sigga Engsbro / Kurt Villads Jensen u.a. (eds.): Monastic Culture. The Long Thirteenth Century

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Aus der Welt der Zisterzienserforschung ist er nicht wegzudenken: der bis zu seiner Emeritierung 2012 an der Universität von Roskilde lehrende Brian Patrick McGuire gehört mit seinen überaus profunden und methodisch anregenden Arbeiten zu den einflussreichsten Ordensforschern überhaupt. McGuire kam - kurz zuvor in Oxford promoviert - 1971 nach Dänemark, wo er das einführte, was der noch stark von der deutschen Tradition beeinflussten dänischen Forschung fehlte: vor allem der Blick auf mittelalterliche Mentalitäten und die stärkere Berücksichtigung von Aspekten der Spiritualität. Kurt Villads Jensen bemerkt denn in seiner Einleitung (Introduction, 7-12) zu Recht: "[...] he has been instrumental in teaching historians to take medieval men seriously." (10) Der Ordo Cisterciensis stand stets im Zentrum von McGuires Forschungen. Sein Werk über die Zisterzienser in Dänemark avancierte rasch zum Standardwerk [1], seine Beschäftigung mit Exempelliteratur zisterziensischer Provenienz beeinflusste maßgeblich die in den Folgejahren vorgelegten kritischen Editionen. [2] Kaum ein Werk der vergangenen Jahrzehnte war innerhalb der Ordensforschung derart umstritten wie seine Biografie Aelreds von Rievaulx [3], in der McGuire an einem Einzelfall das demonstrierte, was zuvor von ihm bereits monografisch aufgearbeitet worden war: das Phänomen von Freundschaft im Kloster. [4] Für die noch zu schreibende "große" Biografie Bernhards von Clairvaux [5] verweist McGuire zwar gerne auf die Fähigkeiten Michael Caseys, dürfte selbst jedoch besser als jeder andere imstande sein, dieses Werk zu schreiben und damit die nun über hundert Jahre alte Biografie aus der Feder Elphège Vacandards zu ersetzen. [6]

Die im zu besprechenden Sammelband enthaltenen Artikel gehen auf Vorträge zurück, die auf einer zu Ehren von Brian Patrick McGuire veranstalteten Tagung in Odense 2011 gehalten wurden. Man behandelte dort Themen, die die Forschungsinteressen McGuires unmittelbar berühren. Damit wurde gleichzeitig der status quo der aktuellen, äußerst vitalen Ordensforschung im skandinavischen Raum abgebildet. 13, überwiegend von skandinavischen Mediävisten verfasste Beiträge richten den Blick auf die monastische Kultur im Norden Europas. Chronologisch wird dabei das "lange" 13. Jahrhundert abgedeckt, das (zumindest in diesem Fall) von 1150-1350 reicht.

Gert Melvilles einleitender Beitrag schlägt einen weiten Bogen und behandelt die Innovationskraft der mittelalterlichen Orden (The Innovational Power of Monastic Life in the Middle Ages, 13-32). [7] Mittelalterliche Klöster werden bei ihm zu Innovationslaboratorien, in denen vieles entwickelt und erprobt wurde, was später in saeculum überführt und erfolgreich angewandt werden konnte - nicht zuletzt der Umgang mit dem eigenen Ich, weist das Kloster trotz aller institutionell-gemeinschaftlichen Verfasstheit doch einen individuellen Weg zum Heil. Dem christlichen Europa wurde so demonstriert, wie sich individuell er- und gelebte Religiosität und praktische Rationalität miteinander verbinden und sich gegenseitig nutzbringend ergänzen konnten.

Der Geschichte der dänischen Zisterzienser widmen sich Sigga Ensbro (An Ideal Clerical Administrator? Reflections on the Thirteenth-Century Biography of Bishop Gunner, 57-79), Kirsi Salonen ("Ex magno devotionis fervore...". Danish Cistercians and the Apostolic Penitentiary in the Later Middle Ages, 285-296), Thomas Riis (Monasteries as Cultural Centres: The Case of Schleswig-Holstein with Lübeck and Hamburg, 103-117), Christian Lovén (Lordship over Monasteries in twelfth and thirteenth century Sweden and Denmark, 110-147) und Kurt Villads Jensen. Letzterer richtet den Blick auf eine undatierte, wohl aus den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts stammende Predigtsammlung, die im späten 14. Jahrhundert im Zisterzienserkloster Løgum in Süddänemark kopiert wurde (A Cistercian Sermon Collection from Løgum, 81-100). Heute wird die aufgrund ihres Inhalts klar zisterziensischem Umfeld zuzuweisende Sammlung in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle (Signatur: Y c 2 in quarto) aufbewahrt. Wenn sie, wie vom Autor behauptet, für den internen Gebrauch bestimmt war "to provide inspiration for preaching within the walls of the monastery" (84), dann stellt sich die Frage, wie häufig in dänischen Zisterzienserklöstern tatsächlich gepredigt worden ist - oder sollten hier Kapitelansprachen mit denjenigen Anlässen gleichgesetzt worden sein, an denen der Abt predigen musste (was rund ein Dutzend Mal im Jahr geschah)? Der Beitrag verdeutlicht, dass Dänemark noch mit einer Vielzahl ungehobener Predigtschätze aufwarten kann: eine Beschäftigung mit ihnen lohnt.

Mit zisterziensischer Präsenz in Schweden befassen sich zwei Beiträge. Während Catharina Andersson den sozialen Hintergrund der schwedischen Zisterzienser beleuchtet (Male Monastic Recruitment among the Cistercians in Medieval Sweden, c. 1143-1450, 149-175) - ein aufgrund der defizitären Quellenlage nicht ganz einfaches Unterfangen -, spürt Elisabet Regner den Netzwerken nach, in die die Abtei Alvastra eingebunden war (Networks, Contacts, and Change in Alvastra Abbey, c. 1185-1350, 177-195). Sie stützt sich dabei - anders als alle anderen Beiträge - auf Zeugnisse materieller Kultur und analysiert die Artefakte, die bei Ausgrabungen in der Abtei in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zum Vorschein gekommen, bisher jedoch unbearbeitet geblieben sind.

Zwei weitere Aufsätze nehmen einen Orden in den Blick, dem im europäischen 13. Jahrhundert eine nicht zu unterschätzende Rolle zukam und dessen Angehörige vielerorts in direkte Konkurrenz zu den Zisterziensern traten - McGuire spricht in diesem Zusammenhang von "the darlings of the ecclesiastical establishment" (304). Die Rede ist von den Dominikanern. Johannes Schütz bietet Einblick in seine jüngst erschienene Dissertation [8] und spürt der Rolle der skandinavischen Predigerbrüder bei der Herausbildung einer Expertenkultur nach (Dominican Experts in Medieval Scandinavia: The Order of Preachers and the Dissemination of Knowledge in Northern Societies, 219-238). Auch hier finden sich - verdeutlicht am Beispiel des um 1300 wirkenden Lektors Mathias Ripensis - Hinweise auf von der Forschung bisher kaum erschlossene Predigten im dänischen Raum: Mathias gilt als Verfasser zweier umfangreicher Predigtsammlungen, von denen eine erhalten geblieben ist. Johnny Grandjean Gøgsig Jakobson fragt in seinem Beitrag danach, wer die Dominikaner denn überhaupt bestellt habe (Who ordered the Dominicans? Initiators behind Dominican Convent Foundations in Northern Europe, c. 1216-1350, 241-267), unterscheidet dabei vier Phasen der Ausbreitung und analysiert die unterschiedlichen sozialen Gruppen, die eine dominikanische Ansiedlung in den nordischen Städten unterstützten - von Bischöfen über Kanoniker und Adlige bis hin zu Bürgern.

Ein knappes Schlusswort McGuires, eine Bibliografie seiner veröffentlichten Werke (309-318) und ein Register der Namen und Sachen (319-328) beschließen einen Band, der einer noch immer stark auf den burgundischen Kernraum fokussierten Zisterzienserforschung eindrucksvoll die wichtige Rolle des ordo cisterciensis auch an der Peripherie vor Augen führt. Die Mehrzahl der Beiträge beschreibt nicht nur den aktuellen Forschungsstand, sondern entwickelt weitere daraus abgeleitete Forschungsdesiderate - sicherlich nicht das Schlechteste, was über eine Festschrift gesagt werden kann.


Anmerkungen:

[1] The Cistercians in Denmark: Attitudes, Roles and Functions in Medieval Society, Kalamazoo 1982.

[2] Z.B. A Lost Clairvaux Exemplum Collection Found: The Liber visionum et miraculorum compiled under Prior John of Clairvaux 1171-79, in: Analecta Cisterciensia 39 (1983), 26-62.

[3] Brother and Lover. Aelred of Rievaulx, New York 1994.

[4] Friendship and Community: The Monastic Experience 350-1250, Kalamazoo 1988.

[5] Vgl. einstweilen: The Difficult Saint. Bernard of Clairvaux and his Tradition, Kalamazoo 1991.

[6] Elphège Vacandard: Vie de saint Bernard, abbé de Clairvaux, 2 Bde., Paris 1895.

[7] Vgl. Gert Melville: Im Spannungsfeld von religiösem Eifer und methodischem Betrieb. Zur Innovationskraft der mittelalterlichen Klöster, in: Denkströme. Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 7 (2011), 72-92.

[8] Johannes Schütz: Hüter der Wirklichkeit. Der Dominikanerorden in der mittelalterlichen Gesellschaft Skandinaviens, Göttingen 2014.

Ralf Lützelschwab