Rezension über:

Garth Fowden: Qusayr 'Amra. Art and the Umayyad Elite in Late Antique Syria (= The Transformation of the Classical Heritage; XXXVI), Oakland: University of California Press 2004, XXIX + 390 S., ISBN 978-0-520-23665-3, GBP 32,50
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Rezension von:
Isabel Toral-Niehoff
Seminar für Alte Geschichte, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg/Brsg.
Redaktionelle Betreuung:
Matthias Haake
Empfohlene Zitierweise:
Isabel Toral-Niehoff: Rezension von: Garth Fowden: Qusayr 'Amra. Art and the Umayyad Elite in Late Antique Syria, Oakland: University of California Press 2004, in: sehepunkte 6 (2006), Nr. 4 [15.04.2006], URL: https://www.sehepunkte.de
/2006/04/7744.html


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Garth Fowden: Qusayr 'Amra

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Der Autor dieses wunderbaren Buches hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Anhand des Bildmaterials eines einzigen Gebäudes möchte er das Gesamtpanorama einer Epoche entwerfen, nämlich die der Umayyadenkalifen. Dieser Versuch hat unter anderem seine Rechtfertigung in der schwierigen Quellenlage, denn diese Zeit, die so wichtig für die Konstitution des Islams als Religion und Staat ist, wird uns in der arabischen Historiografie nur durch die verzerrende Brille der späteren Abbasiden vermittelt. Umso wichtiger ist es, auch andere, zeitnahe Quellen zu erschließen, und so kündigt Fowden programmatisch an: "Our task is to find whether the bathhouse in the Wadi al-Butum may also help to impart to our understanding of its historical patron and his circle a perspective more immediate revealing than what we read in the classical Arabic political narratives" (30).

Garth Fowden, einer der brillantesten Schüler von Peter Brown, bringt für dieses Vorhaben die besten Voraussetzungen mit. Selbst ein vorzüglicher Kenner der griechisch-römischen Spätantike, hat er in letzter Zeit zunehmend seinen Fokus auf den Übergang zwischen Antike und Islam gerichtet, wobei er als Mitarbeiter der Forschergruppe "Late Antiquity and Early Islam" seinen Schwerpunkt auf die Kontinuität zwischen beiden Epochen legt. Um arabische Quellen im Original zu lesen, hat er es auch nicht gescheut, dafür diese komplizierte Sprache zu erlernen. Diese Kenntnisse kommen diesem Buch, das auf der methodisch sorgfältigen Kontrastierung des Bildmaterials mit umfangreichem arabischem Schriftmaterial fußt, sehr zugute. Fowden beweist aber in diesem Buch nicht nur eine erstaunliche sprachliche Kompetenz, sondern hat es auch verstanden, ein Gefühl für die Besonderheiten arabischer Literatur und Bildersprache zu entwickeln und ein suggestives Panorama des "imaginaire" der umayyadischen Führungsschicht zu zeichnen. Dabei sind ihm die methodischen caveats dieser Herangehensweise bewusst, wie er vor allem in der "Introduction" und "Appendix" beweist.

Zunächst einmal widmet sich aber sein erstes Kapitel den wissenschaftlichen "Irrungen und Wirrungen", welche der Entdeckung dieser Anlage 1898 folgten: "Musils Fairy-Tale Castle" (1-30). Seinerzeit durch den extravaganten Einzelgänger und prominenten Wüstenforscher Alois Musil entdeckt, löste es bald eine vehement geführte wissenschaftliche Kontroverse aus, die sich an der chronologischen Einordnung entzündete. Erst in den Siebzigerjahren erfolgte von Neuem eine wissenschaftliche Expedition, der allerdings leider durch falsche Rekonstruktionen einiges zum Opfer fiel; diese Fehler wurden durch eine teilweise "Derestauration" im Jahre 1996 wieder rückgängig gemacht; seitdem ist Qusayr Amra ein zentraler touristischer Anziehungspunkt in Jordanien. Damit ist Qusayr Amra auch ein lehrreiches Beispiel für die negative Wirkung sowohl wissenschaftlicher Eifersüchteleien wie auch kulturpolitischer und touristischer Interessen auf die Deutung und Restaurierung archäologischer Überreste.

Anschließend (31-247) widmet sich Fowden dann den thematisch gruppierten Freskenzyklen, welche das Innere der Anlage verzieren. Um den Überblick zu behalten, empfiehlt sich ein Blick auf die praktische Skizze auf Seite 41, welche die genaue Platzierung der Bilder wiedergibt.

Der Kern dieser Anlage besteht aus einem dreischiffigen Empfangsraum und einer daran angeschlossen Badanlage. Fowden beweist zunächst schlüssig, dass sie nur kurze Zeit verwendet wurde und vornehmlich als Jagd- und Lustschlösschen diente (46-57) und untersucht im Anschluss die Fresken des Bades, die seinerzeit großes Aufsehen - speziell auch in der muslimischen Öffentlichkeit - erregten, da viele nackte Frauen abgebildet sind. Er weist dabei eine Kombination von griechisch-römischen antiken mythologischen Reminiszenzen und arabischen Vorstellungen von Luxus und Hofleben nach (64-84). Vor allem in dem dritten Kapitel, das den Jagdszenen gewidmet ist (85-114), wendet Fowden seine Kenntnis arabischer Literatur fruchtbar an: Zwar stammt die Idee, die altarabische Poesie zur Interpretation dieser Fresken zu verwenden, schon von Alois Musil, ist aber hier zum ersten Mal mit aller methodischen Sorgfalt angewandt worden.

Sehr interessant auch das Kapitel, das sich der ikonografischen Darstellung des Fürsten widmet (115-141): Die Gleichsetzung mit Adam unter Verwendung spätantiker christlicher Vorbilder, aber mit klarem Hinweis auf die islamische Interpretation als "Khalifat Allah" beweist von Neuem, welche eminente Rolle dieser alttestamentlichen Figur im religiösen Bewusstsein aller Monotheismen der Spätantike zukam.

In den folgenden beiden Kapiteln (142-196) identifiziert Fowden überzeugend die abgebildeten Personen mit dem Umayyadenkalifen al-Walid II (743-44) und seiner Familie.

Erst das siebte Kapitel behandelt das berühmte Bild der sechs Könige im südlichen Ende der westlichen Halle. Seine Interpretation, dass es sich um ein inhaltlich sasanidisches Motiv handelt (wie schon von früheren Forschern wie Herzfeld angemerkt), aber inspiriert von spätantik christlichen hagiografischen Darstellungen, wirkt überzeugend. Schade, dass eine vollständige Reproduktion oder Skizze des Freskos in dem Buch fehlt, denn dies hätte es erleichtert, seiner Argumentation zu folgen.

Die letzten beiden Kapitel sind abschließend den zentralen Schlussfolgerungen gewidmet. Zunächst geht Fowden der Frage nach, über welche Kanäle das Wissen um antike Mythologie und ihren Bedeutungshorizont Eingang in den frühen Islam fand (257-272). Anschließend versucht er, Qusayr Amra im Rahmen auch der anderen umayyadischen Wüstenschlösser (Qasr, pl. Qusur) zu sehen: "to summarize: the typical Syrian or Jordanian qasr served primarily as the residence of a prosperous man [...]. It afforded easy access to the capital [...] combined with space for military exercises, a change of air and pace, and a refuge in times of plague or political eclipse. It was also a symbol of status"(288). Einzelne Individuen wie offenbar der Erbauer von Qusayr Amra gaben darüber hinaus dem hedonistischen Aspekt besondere Bedeutung, außerdem dienten diese Anlagen als ideale Ausgangspunkte für Jagdexpeditionen.

Abschließend formuliert Fowden die Kernthese seines Buches (Umayyad Selfrepresentation 291-324): Ganz im Sinne der Kontinuitätsforschung der Gruppe "Late Antiquity and Early Islam" ist sein Hauptthema "the heavy legacy of the past", aber dies soll seines Erachtens nicht zu mechanistisch ausgelegt werden, denn "our aim is to understand the mix - rather than just the constituent parts - of the Qusayr Amra recipe" (296). Griechische, koptische, sasanidische und arabische Elemente ergeben hier eine neue Synthese, die in ihrer Kombination spezifisch syrisch ist (298), aber von den Umayyaden zusätzlich arabisch überformt wurde.

In der Analyse dieses Amalgams erweist sich dieses Buch somit nicht nur als bedeutender Beitrag zur Kenntnis der Umayyadenzeit, sondern darüber hinaus auch für die Rezeptions- und Akkulturationsforschung, indem es an einem konkreten Beispiel zeigt, wie das Erbe der Spätantike von einem "barbarischen Randvolk" adaptiert und kreativ umgesetzt wurde.

Zu bedauern ist einzig, dass die Illustrationen nicht nur alle in Schwarz-Weiß, sondern auch recht klein und undeutlich geraten sind; eine umfassende Skizze aller Fresken, um sich ein generelles Bild zu machen, wäre zudem sehr hilfreich gewesen.

Isabel Toral-Niehoff