Abstract
Die tschechoslowakische Literaturwissenschaft leistete einen wichtigen Beitrag zur Theorie der Weltliteratur in Gestalt des slowakischen Theoretikers Dionýz Ďurišin (1929-1997), der die Kategorie Weltliteratur mit Hilfe von Begriffen wie „interliterarische Gemeinschaft“ oder „interliterarischer Zentrismus“ definierte. In seiner Monografie Was ist Weltliteratur? beschrieb er drei damit einhergehende Bedeutungen: 1. die Summe von Nationalliteraturen; 2. eine qualitativ wertende Auswahl innerhalb einzelner Literaturen; 3. ein interliterarisches Netz, das Beziehungen und Kontexte einbezieht. Ďurišins bevorzugtes Konzept der Weltliteratur als literaturtheoretischem Phänomen wurde in zahlreichen Werken der westlichen Komparatistik aufgegriffen (C. Guillén, P. Casanova; H. Bhabha; etc.) Vor allem der US-amerikanische Komparatist D. Damrosch führte diese Idee in seiner Monografie What is World Literature? (2003) weiter, in der er Weltliteratur nicht als Kanon, sondern als ästhetische Rezeption von Texten, zum Beispiel durch Übersetzungen, definiert.