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Manuskript

Wiens sozialer Wohnungsbau

Österreichs Hauptstadt genießt den Ruf einer lebenswerten Großstadt. Das liegt auch am sozialen Wohnungsbau, der als vorbildlich gilt – nicht zuletzt wegen eines strengen Mietrechts.

Der Stephansdom in Wien steht in der lebenswertesten Großstadt der Welt. Mehrfach schon stand die österreichische Hauptstadt im entsprechenden Ranking der britischen Wochenzeitung „Economist“ an der Spitze. Denn Bildung, Kultur, Umwelt, Sicherheit und das Netz von Bussen, U-Bahnen und Straßenbahnen sind hier vorbildlich, was auch diese Wiener bestätigen: 

„Die Infrastruktur, die öffentlichen Verkehrsmittel sind genau super. / Da brauchen wir uns nicht genieren, da sind wir gut drauf.“

Auch der soziale Wohnungsbau genießt in Wien einen sehr guten Ruf, auch für ihn muss man sich nicht genieren, schämen. Die „Wiener Wohnen“ ist die größte städtische Hausverwaltung Europas. Ihr gehören die rund 220.000 Wohnungen der Stadt, und an weiteren 200.000 ist sie über Genossenschaften beteiligt. Sozial geförderte Wohnblocks heißen in Wien „Gemeindebauten“. Es gibt etwa 1800 von ihnen, in denen rund 500.000 Menschen wohnen – verteilt auf alle Bezirke der Stadt.

Egal, ob jemand in einem inner- oder außerstädtischen Bezirk lebt: Die Grundmiete ist überall gleich. Selbst wenn jemand in einem besser gelegenen Bezirk lebt, muss er nicht mehr bezahlen. 

Die Stadtgeografin Yvonne Franz, die Wohnungsmarkt, Stadtentwicklung und soziale Innovation Wiens erforscht, ist regelmäßig in der Stadt unterwegs, dieses Mal im 15. Bezirk. Der hat sich teilweise gewandelt – vom Schmuddelbezirk hin zu einem vermeintlichen Hipster-Paradies. In vielen Städten ist das der Ausgangspunkt für das Verdrängen alteingesessener Mieter*, für die Gentrifizierung. Doch im 15. Bezirk ist dies kein großes Problem, sagt Yvonne Franz: 

„Eigentlich ist nur ein Haus an der Ecke saniert, alle anderen sind so mal ’n bisschen besser, mal ’n bisschen weniger gut im Schuss. Das ist eben: Je fragmentierter ein Akteursmarkt ist wie der Wohnungsmarkt, desto mehr kann nebeneinander bestehen.“

Ein Grund für Mietsteigerungen in Ballungsräumen ist häufig, dass alte Gebäude umfangreich saniert, modernisiert, werden. Im 15. Wiener Bezirk ist der Markt fragmentiert. Er besteht aus Gebäuden in unterschiedlich gutem Zustand: Gebäude, die noch gut in Schuss sind, noch eine gute Qualität haben, stehen neben solchen, die in schlechterem Zustand sind. Ein Wiener Geheimnis des sozialen Wohnens ist darüber hinaus im internationalen Vergleich nicht nur die Mischung, sondern auch das strenge Mietrecht, so Yvonne Franz:

„Zwei Drittel des Wiener Wohnungsmarktes ist in einer Form reguliert oder reglementiert im Sinne von entweder Gemeindebau oder gemeinnütziger genossenschaftlicher Wohnbau. Das heißt, das ist ’n extremer Puffer, ein Preispuffer, am gesamten Wohnungsmarkt, denn es bleibt dann dieses ‚Pi mal Daumen‘ ein Drittel privater Wohnungsmarkt, wo die gewöhnlichen Marktmechanismen in der Preisentwicklung zuschlagen. Das heißt, das macht auch Wien aus im internationalen Kontext.“

Dass Wien weitgehend von extrem hohen Mieten wie in München oder London verschont bleibt, hängt laut Yvonne Franz damit zusammen, dass nur in etwa, Pi mal Daumen, ein Drittel der Wohnungen auf dem Markt in Privathand ist, zwei Drittel dagegen in städtischem oder genossenschaftlichem Besitz sind. Sie dienen als Puffer, sorgen dafür, dass das Mietniveau nicht immer weiter steigt.

Der bekannteste Gemeindebau Wiens liegt im 19. Bezirk: der 1930 eröffnete Karl-Marx-Hof. Er ist ein rund 150.000 Quadratmeter großer Gebäudekomplex mit hohen Durchgangsbögen, Wohnungen, Wegen, Gärten und Plätzen, bis zu fünf Stockwerke hoch und umgeben von massigen, roten Mauern mit hohen Fahnenmasten.

„Das sind die Eingangsgitter, die so in Rot gehalten [sind] …“

Werner Bauer läuft durch einen Torbogen. Er ist Ausstellungsmacher im sogenannten Waschsalon im Karl-Marx-Hof. Dessen glatte, teils mit Kunstfiguren verzierte Fassade ist schlicht, mit kleinen Fenstern und Balkonen. Der Komplex ist, wie Werner Bauer sagt: 

„Ein kunterbunter Mischmasch der unterschiedlichsten Bautraditionen und Stile. Vorbild Schlossanlage, Vorbild Klosterhöfe oder Freihöfe.“

Die Gebäude sind teilweise Höfen von Schlössern, Klöstern oder Freihöfen nachempfunden. Das waren im Mittelalter und in der frühen Neuzeit Höfe innerhalb einer Stadt, die Adligen oder Geistlichen gehörten, die dafür keine Steuern zahlen mussten. Alle Baustile und Bautraditionen stellen einen Mischmasch, eine Mischung dar. Der Karl-Marx-Hof ist das Symbol des „Roten Wien“, der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1934. Konservative und Rechte sahen in dem Gebäudekomplex eine Provokation der linken, sozialdemokratischen Stadtregierung. Für rund 5000 Menschen bedeutete er damals jedoch den Umzug aus muffigen Mietskasernen in einen Gemeindebau. Für sie gab es nun Waschküchen, Toiletten und Bäder mit fließend Wasser sowie Bibliotheken, Ärzte und Apotheken und Möbelgeschäfte, die in die Zukunft wiesen, wie Yvonne Franz erläutert:

„In dieser Zeit, man nennt das ja auch die Geburtsstunde des ‚Roten Wiens‘, wurde ja nicht nur der Gemeindebau erfunden, sondern es war ja auch die Geburtsstunde von Sozialpolitik. Für das Image Wiens spielt es eine sehr große Rolle, weil der Gemeindebau natürlich eine Strahlkraft nach außen hat.“

Nach wie vor lebt jeder Zweite in Wien in einer geförderten Wohnung – und das sind Menschen mit unterschiedlicher sozialer Herkunft. Etwa 75 Prozent der Wienerinnen und Wiener erfüllen nämlich die Grundvoraussetzungen für eine städtische Wohnung. Es gibt zum Beispiel eine hohe Einkommensobergrenze von 44.000 Euro netto für eine Einzelperson im Jahr. Doch auch in Wien gerät der Wohnungsmarkt unter Druck. Bodenpreise und Baukosten steigen und im Jahr 2025 könnte Wien auf rund zwei Millionen Bewohner anwachsen. Bis zu 30 Prozent eines Nettoeinkommens sollten laut Yvonne Franz höchstens in Miete und Nebenkosten fließen. Selbst in Wien sei das inzwischen aber oft mehr. Vor allem Alleinerziehende, Arbeitssuchende oder Geflüchtete hätten es auf dem Wohnungsmarkt heutzutage schwer. Die Stadt sieht sich daher bei der weiteren Entwicklung in der Pflicht, so Franz:

„Und wenn wir momentan die Neubautätigkeit im Wohnbau ansehen, wo das vonstattengeht in großem Maßstab, sind das die sogenannten Stadtentwicklungsgebiete, und da ist primär die Stadt Wien auch quasi als Verwalter und Manager dieser Stadtentwicklungsgebiete sehr daran interessiert, das in Kooperation mit gemeinnützigen Wohnbauträgern zu machen.“

Statt auf Gemeindebauten soll nun verstärkt auf genossenschaftliche Wohnungen von gemeinnützigen Trägern gesetzt werden. Hier sind die Mieten um etwa 20 Prozent günstiger als in Wohnungen auf dem privaten Markt. Entsprechend groß ist die Nachfrage.

Wien hat geringere Mieten als London oder München, weil ...
Als „Rotes Wien“ wird ... bezeichnet.
Um in Wien Anspruch auf eine städtische Wohnung zu haben, ...

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