Trutzkaiser
Trutzkaiser.
„In diesen schlimmen Zeiten wer baut mir einen Thurm,
Darin mein Haupt kann ruhen bei Hagel und bei Sturm?
Der Hagel schlägt die Saaten; die meinen sind der Ruhm,
Die schlägt so leicht kein Hagel, kein Sturmwind wirft sie um!
Der starr und unbezwinglich aufs Land herniederschau’?
So wie im Sonnenlichte aufs Volk der Herrscher blickt,
So sey der Thurm ein König, der sich vor Niemand bückt!“
So sprach der Pfälzer Kurfürst, da trat ein Both’ herein,
Ein andrer Both’ in Eile, der trug ein Pergamen,
Blaß waren seine Wangen vom schnellen Ritt zu sehn.
Der Kurfürst nahm die Rollen und las mit raschem Blick,
Und rief: „Hier mag man schauen, wie launig das Geschick!
Mein Feind, der Kaiser aber macht mir im Plan ’nen Riß.
Das nenn’ ich viel gewogen auf ein geringes Blatt,
Kurfürst soll mich nun nimmer benennen Land und Stadt,
Ein Brief besiegt den Degen, den nie bezwang die Schlacht;
Er wiegt das leichte Blättchen, der Degen unverzagt,
„Ei!“ – ruft er dann mit Lächeln, – „Das hab’ ich stets gesagt:
Es sind gar schlimme Zeiten, wenn solch ein Wetter droht,
Da sucht ein armer Kriegsmann ein Häuslein in der Noth.
Bei Sanct Georg! Gemächlich spricht er die Acht hier aus.
Drum, wenn’s behagt dem Kaiser, in Wien so zu geruh’n,
Bringt’s auch der Pfalz nicht Schande, nach gleichem Sinn zu thun!
Schafft mir kunstfert’ge Meister von allen Enden her!
Die Lust am Bauen hab ich von meinem Stamm geerbt,
Doch sehn’ ich mich nach Ruhe, von Narben tief gekerbt.
Langweil’ger alter Kaiser! nicht acht’ ich deiner Acht!
Mir hat mehr Lorbeerreißer, als dir, die Zeit gebracht!
Dran sich umsonst zerschlagen die Flügel mag dein Sturm!“ –
So kam’s zu langem Kampfe und Mancher nach der Schlacht
Schlief nach dem langen Tage die längste düstre Nacht.
Weit scholl im teutschen Lande des starken Friedrichs Lob;
Die Acht ward weit verkündet seit jenem Tag im Maj,
So oft man sprach das Wörtlein, der Pfälzer lacht dabei;
Wie sollt’ er auch sie scheuen? Kein Mann im ganzen Land
Hätt’ zu der Acht Vollstreckung geliehen seine Hand.
Der von dem hohen Berge ins Land herniederschaut.
„Wie tauf’ ich doch mein Thürmlein?“ – Der Kurfürst fragt und lacht, –
„Nichts bleibe ohne Namen was meine Kraft vollbracht!
Nun denn, zu Schutz und Trutze brauch’ ich Gevattern auch,
Mein Schutz ist Schwerteseisen, mein Trutz sey dieser Thurm!
Trutzkaiser soll er heißen und trotzen jedem Sturm![1]
- ↑ [516] „Er hat selbigen (den Thurm Trutz-Kaiser) der Kurfürst Friederich I. im Jahr 1461 oder 1462 erbaut, als er sich des Erzbischofs und Kurfürsten Diether von Mayntz annahm, ihn wider seine Feinde
beschützen half und deßwegen von dem Papst in den Bann, vom Kayser aber in die Acht erklärt, und von verschiedenen Armeen zugleich angegriffen wurde. Um aber zu zeigen, daß er weder nach dem päpstlichen Banne, noch der Kayserlichen Achts-Erklärung etwas fragte, ließ er diese Veste gegen das Ende der Speyerer Vorstadt in der Mitte des Geißbergs aufwerfen und selbige Trutz-Kaiser nennen. Weil aber dieses Schloß oder Schantz in dem dreißigjährigen Krieg sehr verfallen und verdorben worden, ließ Kurfürst Karl Ludwig solches wiederum ausbessern und auf’s Neue befestigen; schaffte den verhaßten und dem Ansehen Kayserlicher Majestät zuwiderlaufenden Namen ab, und ließ es nach der Figur, die sie hatte, den Stern oder Sternschantz nennen; zu dem Ende gab er im J. 1666 im September einen scharfen Befehl heraus, des Inhalts, daß künftighin bei hoher Straf sich Niemand mehr sollte gelüsten lassen, die neue Sternschantz Trutz-Kaiser zu heißen, und sollten diejenigen, so sie einmahl also nennten, um einen Ducat, zum zweitenmahl um zwo, zum Drittenmahl um drey Ducaten, zum viertenmahl aber gar am Leib gestraft werden. Im letzten Französischen Krieg ist sie völlig zerstört und zu einem Steinhaufen gemacht worden, so daß man anjetzo nichts als die bloßen Rudera davon siehet.“
(S. Kaysers „Histor. Schauplatz.“ Seite 168–69.)