Trostberg in Tyrol
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Nicht leicht kann eine Straße reicher an gefälligern Abwechselungen seyn und überraschendere Kontraste darbieten, wie der alte Heerweg von Innsbruck nach Verona über den niedrigsten der Alpenpässe, welche Deutschland mit Italien verknüpfen, den nämlichen, den die römischen Legionen zogen, als sie die Eroberung unseres Vaterlandes versuchten.
Gleich hinter Innsbruck zieht sich die Straße, an der Abtei Wildau vorbei, aufwärts, und der Reisende betritt den klassischen Boden Tyrols. Von hier bis Brixen ist nämlich jede Meile ein Schlachtfeld, auf dem nach der heldenmüthigen Erhebung der Tyroler am 8. April 1809 zur Abschüttelung des verhaßten Baiern-Jochs, dieses kleine Bergvolk gegen die ungeheuerste Uebermacht kämpfte; nicht für die Freiheit, sondern für die angestammte alte Herrschaft Oesterreichs, das eine so seltene und so großherzige Hingebung übel vergalt und die Betrogenen ihrem Schicksal überließ. Am Iselberge, über den die Straße zieht, erfochten die tapfern Bergbewohner jenen berühmten Sieg über das französisch-bayerische Heer, in dessen Folge acht tausend Mann das Gewehr streckten und eine Menge von Napoleons welterobernden Adlern und Fahnen das Loos traf, neben den Gnadenbildern auf den Tyroler Bergen als Trophäen zu prangen. – Vom Isel ist ein prächtiger Rückblick auf das eben verlassene Innsbruck. Von der nächsten Station, Schönberg, schaut man in das Stubeyer Thal hinein, das seines Gletschers wegen oft besucht wird; dann geht es das angenehme Sillthal hinauf durch den Flecken Mattrey und das Dorf Steinach, von wo der Weg zum Brenner-Paß bequem und in weiten Schlangenwindungen hinansteigt. Der höchste [90] Punkt des Col liegt 4264 Pariser Fuß über dem Meere; aber der beschneiete Gipfel des Berges ist 2000 Fuß höher. Das Posthaus steht auf der Schärfe des Kammes und aus seinen Fenstern hat man entzückende Aussichten in die Bergwelt und in sonnige Thäler nach Italien hin. – An der Seite der tobenden Eisaok, welche bei’m Dorfe Brenner einen schönen Wasserfall bildet, kommt man nach fünfstündigem Abwärtssteigen nach Sterzing, einem artigen Städtchen von 1300 Einwohnern, der URBS STYRIACORUM der Römer. Unfern von demselben ragt wie ein Riese der 8000 Fuß hohe Schneeberg in die Wolken. – Immer in engem Thale und zuweilen in tiefer schauerlicher Schlucht läuft der Weg fort bis nach Mittenwald. Diese ganze Strecke vertheidigte Hofer mit seinen Tyrolern Schritt vor Schritt mit verzweifelter Tapferkeit gegen die fremden Unterdrücker, und ein Bergkessel bei dem genannten Dorfe ist die Stelle, wo der Held eine seiner gelungensten Waffenthaten ausführte. Als nämlich die 4000 Mann starke Vorhut des vereinigten Heeres der Franzosen und Baiern bis hierher vorgedrungen war, sahen diese den Ausgang durch Verhaue und Gräben gesperrt. Sie machten Anstalt aufzuräumen, als auf ein gegebenes Zeichen plötzlich von allen Bergen rings umher große Felsblöcke sich lösten (welche die Tyroler zu dem Zwecke gelockert, mit Stricken aber festgehalten hatten) und auf die entsetzten Feinde mit Lavinendonner herabstürzten. – Ueber 2000 Mann wurden zerschmettert und der fliehende Rest fiel von den Kugeln und Kolbenschlägen der ihnen nacheilenden Bauern. Fast keiner entrann. So groß war die Wirkung dieser That auf das Hauptheer, daß dieses sich bis zum Fuße des Brenner zurückzog, und es, obschon an Zahl der Handvoll Bergschützen zwanzigfach überlegen, lange nicht wagte, seine Angriffsoperationen zu erneuern. –
Ein tiefes Defilee, das sich nach rechts und links häufig in malerische Bergthäler öffnet, und an den Schlössern Sporchenstein und Reiffenstein vorbei, dann bei Mühlbach dem alten Raudeneck vorüber, führt, leitet in das freundliche Pusterthal, und Brixen, die größte Stadt desselben, liegt ausgebreitet da. Hier weht zuerst italische Luft und die sonnigen Bergwände sind mit Reben, Kastanien und Feigen bepflanzt, welche gut gedeihen. Aber weiter abwärts verengt sich das Thal von neuem zur Schlucht, und die dunkeln Schatten der hohen Berge verscheuchen die südliche Vegetation wieder. – Hinter Clausen (5 Stunden von Brixen) wird die Gegend schauerlich wild, Bergkegel thürmt sich an Bergkegel auf, und ein eisiger Wind, hoch von den entferntern Schnee- und Gletscherwüsten kommend, bläst aus allen Schluchten. Durch dieses Labyrinth windet sich die Straße bald rechts und links an der Puster fort, die unten im tiefen Felsbett braust, bis zum Dorfe Kollman, welches die Poststation zwischen Brixen und Botzen bildet. Gleich hinter diesem in einem von hohen Bergen umgebenen, freundlichen Thale liegenden Orte erfreut den Reisenden eine der herrlichsten Berglandschaften Tyrols. Seltsam erheben sich auf einem von Himmel und strahlenden Schnee- und Eisalpen geformten Hintergrunde eine Menge Bergpyramiden hinter- und übereinander, und Burgruinen und alterthümliche Schlösser prangen auf den meisten ihrer Gipfel.
[91] Unter allen ragt die Bergveste Trostberg hervor, hoch auf unzugänglichen Felszacken, und mit ihren sieben Thürmen wie ein Obelisk gen Himmel strebend. Diese Burg, eine der ältesten des Landes und eine der besterhaltenen, befindet sich in einem bewohnbaren Zustande, und war in der Zeit des Faustrechts, als die räuberische Gewalt noch die Löwenhaut trug, welche sie in civilisirterer Zeit zu unbequem fand und darum ablegte, eine der gefürchtetsten Zollstätten und der Schrecken aller des Wegs ziehenden Fuhr- und Handelsleute. Ohne Zweifel hatten ihre Besitzer das Lokal gut gewählt. An der Straße, auf der sich Venedigs Handel mit dem Norden bewegte, war das Adlernest, nach damaliger Weise Krieg zu führen, so gut als unangreifbar, weswegen auch alle Zerstörungsversuche unschädlich an ihm vorübergingen. Wie durch Wunderkraft auf den spitzigen Felsen in räthselhaftem Gleichgewicht gehalten, ist es nur durch eine Brücke zugänglich, welche über eine 200 Fuß tiefe, breite Schlucht zum befestigten Nachbarberge führte, und war die Zugbrücke aufgezogen, so saßen diese Zöllner der alten Zeit sicher in ihrem Horste und konnten jeder sich ihnen nahenden Uebermacht spotten.
In den verödeten Hallen dieser merkwürdigen Burg, mit ihren Verließen und Folterkammern, waltet noch ganz des Ritterthums romantischer Geist, und sie wäre vortrefflich geeignet, um zu einem Gegenstück von Götz von Berlichingen zu begeistern, dessen Dichter freilich kein Göthe von Gesinnung seyn dürfte.