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Seite:Die Edda (1876).djvu/345

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Anonym: Edda

vielmehr sind einige derselben als Sinfiötla-Lock und Drâp Niflunga gleichfalls in Prosa geschrieben, und den Liedern selbst fehlt es nicht an prosaischen Eingängen, Schlüßen und Zwischensätzen, welche sie erläutern und vervollständigen sollen, während jene selbständigen Prosastücke zwischen die Heldenlieder eingeschoben scheinen damit der Leser aus ihnen eine Übersicht der ganzen Sage gewinnen könne. Endlich kann das sogar in Frage gestellt werden ob dieser kostbaren Sammlung der Namen Edda gebühre. Wir werden sehen, daß er in Bezug auf das jüngere Werk kaum zu beanstanden ist, und da dieß aus den Liedern schöpft und beide an den mythischen Überlieferungen des Nordens einen gemeinschaftlichen Gegenstand haben, so war es natürlich, sie mit gleichem Namen zu bezeichnen. Die erhaltenen Handschriften unserer Sammlung legen ihr aber diesen Namen noch nicht bei. Der Bischof Brynjulf Swendsen zu Skalholt jedoch, welcher im Jahr 1643 die älteste derselben, den sogenannten codex regius, auffand, setzte der Abschrift, welche er davon besorgen ließ, mit eigener Hand den Titel Edda Sæmundar hinns frôda, Edda Sämund des Gelehrten, vor und dieß ist das einzige Zeugniss dafür, daß diesem Buch der Name Edda gebühre. Auf keinem festern Grunde beruht es zugleich, wenn es dem Sämund zugeschrieben wird. Für den Verfaßer der Lieder soll er damit nicht ausgegeben werden, nur die Rolle des Sammlers wird ihm zugedacht: aber auch dafür wißen wir die Gründe nicht, welche den Bischof Brynjulf zu solcher Annahme bestimmten. Die Lieder selbst sind mit wenigen Ausnahmen so altertümlich, daß sie aus christlicher Zeit nicht herrühren können; das Solarlied aber muß ihr angehören, da es christliche und heidnische Vorstellungen mischt, weshalb es als nicht eddisch von uns ausgeschloßen wird, obgleich es sich in allen Handschriften findet; jedoch liefern wir es, seiner großen Schönheit wegen, in einem Anhange nach. Daß es von Sämund gedichtet sei, hat Bergmann in seiner Untersuchung über Gylfaginning (La fascination de Gulfi, Strassbourg et Paris 1861) wahrscheinlich gemacht. Gleichen Ursprung schreibt man auch dem dritten Gudrunenlied zu.

Es bleibt hienach zweifelhaft ob die Sammlung der Eddalieder von Sämund angelegt sei; daß sie nicht von ihm gedichtet sind, ist ganz entschieden, wenn wir von jenen beiden absehen, deren später Charakter eine solche Annahme eher möglich macht. Die echten alten Lieder werden überhaupt nicht auf Island gedichtet sein: den Isländern gebührt nur das Verdienst der Erhaltung und Aufzeichnung; sie brachten sie schon aus dem Mutterlande mit hinüber. Wann sie dort entstanden seien, läßt sich nicht


Empfohlene Zitierweise:
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/345&oldid=- (Version vom 18.8.2016)