Nachtbild (Christen)
[71]
Nachtbild.
Nacht bedeckt den kleinen Friedhof.
In dem dumpfen Leichenhause
Flackert zitternd einer Lampe
Rothe Flamme. – Heiser knarren
Sorgsam von dem Tode trennen.
Meine Hand hat sichern Druckes
Sie geöffnet; wie im Schlafe
Aber wandelnd, dacht’ ich nimmer,
Leise, wie mit Geisterstimmen
Klagt der Wind dort in den Weiden,
Pochet zürnend an die Fenster,
Flüstert mit den kranken Blumen,
Treibet mit den Wetterhähnen
Auf dem Thurm sein ächzend Spiel,
Flieget wimmernd um das Häuschen,
Daß die Fenster ängstlich klirren
Jener bangen rothen Flamme
Schwankend Leuchten schien ein Winken,
Dem ich folgte, traumbefangen,
Und nun steh’ ich in dem engen
Ich allein bei einem Todten.
– – – –
Auf zwei Schragen und zwei Brettern
Ruht der Todte, alt und häßlich,
Nur in Lumpen eingehüllet;
Deren zuckend rothe Lichter
Öfter wie ein Lächeln gleiten
Über die erstarrten Züge
Des verkommenen Gesellen.
Suchte seine wildgeballten,
Nun im Tod gekrampften Hände
Fromm zu falten, wie bei Jenen,
Deren Leben schloß ein Beten. –
Ruht der Todte, still und einsam,
Schläft den letzten, traumlos, leeren,
Ewigen Schlaf.....
[73] Noch am Morgen jagten Bosheit,
Unverständlich – Rohheit, Kaltsinn
Ruhlos ihn von Thür zu Thüre,
Und des Abends wankte jener
Unglücksel’ge, wie betrunken,
Aus den kranken, trock’nen Augen,
Aber Trotz zuckt um die Lippen,
Als die Buben, die ihm folgten,
Näher trabten, um das Unthier
Auf Befehl der weisen, milden
Obrigkeit von dannen hetzet.
Vagabund! so klingt es lachend
Aus dem Munde wilder Kinder;
Aus dem Mund der klugen Alten;
Vagabund! schreit roh der Büttel;
Vagabund! so ächzt er selber,
Weitertaumelnd. – – –
Todesmüde sinkt er nieder.
Fern verklinget das Gejohle
Jener tugendsamen Meute,
[74] Die ihn hetzte und befriedigt
Zu dem Herde. –
Dunkel senket schon die Nacht sich
Nieder auf die stille Erde,
Und es senket auch die Nacht sich
Des Gehetzten, des Verfluchten;
Über seinem armen Antlitz,
Grau, wie Spinngeweb’ gebreitet,
Liegen Elend und Verzweiflung.
Und starrt finster nach dem einz’gen
Trüben Sterne, der herabschaut,
Auf sein Elend. –
Und es lösen von dem Steine
Und sie zucken, zittern, haschen
Nach den dunklen Nebelschatten.
Wild empor sind sie gerichtet,
Eine stumme, fürchterliche,
Wild empor noch schreit der Augen
Gottverneinend herbe Klage.
Aber plötzlich sinken nieder
[75] Seine Arme; es verlöschen
Von dem schwarzen Himmel knisternd
Fällt der einz’ge Stern hernieder,
Und ein Windstoß, zaust die Haare
Einer Leiche .....
– – – – –
Die da wittern, wo das Aas liegt,
Das sie nährt sammt ihren Jungen?
War es des Geschäftes Eifer,
Der ihn trieb, Dich aufzusuchen?
Sich zu nähren von den Todten,
An dem Grenzstein fand Dich, einsam,
Kalt und todt der – Todtengräber.
Mit den rauhen, derben Händen
Das bestimmt ist für die Leichen
Jener, die am Wege sterben;
Für die Gott- und Weltverlass’nen
Ist dies Stübchen, ist der Schragen. –
Dort im letzten Friedhofwinkel,
Einsam, wie er Dich gefunden,
[76] Für gar kargen Lohn der Alte,
Er allein kann Dich verwerthen:
Und doch trug auf seinen Händen
Dich ein Mensch zum Ort des Friedens,
Und es schlug ein Menschenherz
Einmal doch an Deinem Herzen.....
Noch im Tode, giebt er Dir nun,
Was im Leben Dir wohl nimmer
Ist geworden: Licht und Ruhe
Dach und Hände, die Dich nimmer
– – – – – –
Nacht bedeckt den kleinen Friedhof,
In dem dumpfen Leichenhause
Flackert ängstlich knisternd, zuckend,
Jener Lampe rothe Flamme,
Dem ich folgte traumbefangen –
Und noch steh’ ich in dem engen
Schaurig-öden, kahlen Stübchen, –
Ich alleine bei dem Todten! –