Lyde
eine Erzählung.
Euer Beyfall macht mich freyer,
Mädgen, hört ein neues Lied.
Doch verzeyht, wenn meine Leyer
Nicht von jenem heil’gen Feuer
Hört’s, und denket nach dabey:
Daß, wenn zwey sich zärtlich küssen,
Gern sich sehn, und ungern missen,
Lyde brannt’ von einem Blikke
Für Aminen, er für sie;
Doch ein wiedriges Geschikke
Hinderte noch beyder Glükke,
Wenn die Töchter unser sind;
Aeltern habet hundert Augen,
Mädgen, wenn sie List gebrauchen,
Listig hoft sie eine Stunde
Ihre Wächter los zu seyn.
Endlich kommt die Schäferstunde,
Und von ihrem heissen Munde
Er noch manchen süssen Kuß.
Doch er ward so vieler Beute
Ueberdrüssig. Jede Freude
Ist wohl bey des Blutes Wallen,
Denkt er immer Liebe da?
Liebt sie mich denn wohl vor allen?
Oder hab ich ihr gefallen?
Ach, wie quält mein Vater mich!
Fern soll ich die Heerde führen -
Himmel! Dich soll ich verlieren!
Liebste, nein, ich komme wieder,
Doch, der beste Freund von mir,
[Hier sah sie zur Erde nieder]
Singet angenehme Lieder,
Weint, und geht es weinend ein.
Ungern flieht Amin sein Glükke,
Listig bleibt der Freund zurükke,
Viel singt er von Glut und Liebe,
Sie wird feurig, er wird kühn.
Sie empfindet neue Triebe,
Und Gelegenheit macht Diebe.
Euch vom Irrthum zu befreyn.
Glaubet nie den Schein der Sachen,
Sucht euch ja gewiß zu machen,