Kloster Himmelreich
„Nimm an den Ring, ihn trug mein Schwesterlein,
Eh’ zu dem See sie ging im Hertha-Hain,
Wo sie der Göttin Opfer wollte seyn!“ –
Friedhilde sank zurück, wie lichter Schnee,
Ihr seyd kein Christ, Ihr opfert noch im See?“
„Vieledle Frau! – Herr Siegbert! – seyd mir mild:
Bin ich kein Christ, so trag’ ich Speer und Schild
Und herzlich lieb’ ich Eure Friedehild!“ –
Schwör’ ab den Götzenfrohn, in dem du bist:
Dann wird Friedhilde dein in kurzer Frist!“
Der Jüngling geht und – kehret nimmermehr.
Friedhilde weint, es stirbt ihr Vater hehr,
„Will Gott mich einsam, gut, so will ich’s seyn!
Ade, Ade, du Burg auf hohem Stein,
Im Walde bau’ ich nun die Wohnung mein!“ –
Nun überwölbten Eichen ihr Gemach,
Wenn sie am Kreuz davor laut betend sprach.
Gemildert ward ihr Schmerz in wenig Zeit,
Vom Kreuz herab trof Himmelssüßigkeit,
Und Friede füllte sie und Seligkeit.
Da that kein Thier dem andern was zu leid,
Und Ur und Bär stand vor ihr, wie gefeit.
Die Singevöglein bauten Nester hier,
Und Hirsch und Reh und allerlei Gethier,
Und, brach sie einen grünen Zweig, so kam
Das all’ heran und Jedes aß und nahm,
Sie heilete sie auch, war Eines lahm.
Was sie gepflanzt, trug reichlich überall;
Ihr auf das Haupt und sang mit süßem Schall.
Trat sie im rothen Morgenlicht hervor,
Sang jedes Vöglein mit ihr Morgenchor,
Am höchsten stieg der Lerche Lied empor!
Und Bienenschwärme flogen aus und ein
Durch ihre Zell’ und bauten Waaben drein.
So lebte sie allda in Einsamkeit:
Da kam einst, um die Abendglockenzeit,
Er betete mit ihr und als sie schwieg,
Sank hin der Leib und ihre Seele stieg
Empor zum Himmel aus der Erde Krieg.
Da kam rings jedes Vögelein heran
Ihr stilles Grab zu graben nun begann.
Da kamen Hirsch dazu und Elenn’ auch
Mit ihren Schaufeln aus dem grünen Strauch,
Und gruben allda mit, nach Menschenbrauch.
Trug jeglich Thier ein grünes Zweiglein dar,
Die Vöglein aber Blumen in ihr Haar.
Der Engel legte dann den Stein hinauf
Und schrieb sodann der Frommen Lebenslauf
Einst jagte Grißo einen Hirsch zu Wald,
Der machte bei Friedhildens Grabe Halt,
Des Jünglings Speer verlor da die Gewalt!
Denn als er mächtig ihn erhub und da
Die wunderbare Schrift am Grabe sah,
War ihm Friedhildens Friedenszauber nah,
Und schuf ihn um, den Kühnen, daß er gleich
Abschwur die Götzen; fromm und mild und weich,
Er baut ein Kloster da: das Himmelreich.
That Buße drin und schor sein blondes Haar,
Und lebt im Himmelreiche[WS 1] manch ein Jahr,
Bis dann sein Ende wie Friedhildens war.
*) Die ursprüngliche Sage berichtet, daß Grißo, nachdem er sich taufen ließ und den christlichen Namen Lukas angenommen, eine Einsiedelei neben dem Grabe der Geliebten erbauen ließ, darin er Gott aufs Eifrigste diente, verirrte Wanderer mit Speis’ und Trank erquickte und sie wieder auf den rechten Weg wies. Zahlreiche Wallfahrer pilgerten zu der Zelle des heiligen Mannes, und als ihn eines Tages ein Engel Gottes von dieser Welt genommen, ward an der Stelle, wo seine Siedelei stand, zum Andenken seiner wunderbaren Bekehrung eine Kapelle erbaut und dem heiligen Michael gewidmet, wovon der Berg den Namen Michaelsberg erhielt. Ausführlicher erzählt dies folgende Legende von F. W. Krummacher.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Himelreiche