Eines Vaters Wehklage
(Nach dem Englischen des John Prince. *)[1]
Hell schien der Mond, und seinen blassen Schimmer
Ausweinend in mein kümmerliches Zimmer,
Verlieh er drin viel silberfarbnen Duft
Der schlummerstillen, träumerischen Luft.
Das schrecklich räthselvollste der Gespenster,
Da hat der Tod, ich war umsonst verschanzt,
An meinem Herd sein Banner aufgepflanzt.
Der Blume gleich, die schon im Lenz geknickt,
Hab ich in ihr mein sterbend Kind erblickt.
Noch hielt ich zitternd es auf meinen Knien,
Als es vom Tode schon gestempelt schien,
Sein letzter Seufzer mir zum Herzen sprach,
Entflohen war, still ohne Kampf, sein Geist,
Da fühlt ich mich auf immerdar verwaist.
Bald ward er, den gehegt ich und gepflegt,
Mitleidige Seelen schlossen einen Kreis,
Still betend standen sie, und weinten leis.
Der Pfarrer sprach; ich aber hörte nur
Den einen dumpfen Ton, der klanglos schwur:
Bald ist der Liebe letzter Dienst geschehn.“
Im Weltgewühl den Schmerz zu übermannen.
Ja, du mein Trost und deiner Mutter Stolz,
Du bist dahin! doch ward dir eine Welt,
Wo man der Tugend keine Netze stellt.
Du darfst im Licht und in der Wahrheit sein,
Derweil ich hier gefangen und allein,
Wenn sich die Elemente rings empören;
Allein! ein Harfenspiel, das halb zertrümmert,
Nur fürder noch in Klagetönen wimmert.
Ich traure heimlich: würde sonst ja mehren
Den tiefen Schmerz, um den sie seufzt und weint,
Der ausgeprägt in jedem Zug erscheint.
Und schauen, dein gedenkend, in die Flammen,
Die langes Leben lügnerisch versprach.
Wir denken jedes Blicks und Wortes dann,
Das, zu dem Herzen sprechend, dir’s gewann,
Und schaun die Schätze an, die schon seit Jahren
Und die wir hüten nun, dem Geizhals gleich,
(Dein Kleid, dein Spielzeug macht uns überreich!)
Bis wenn sie leichter wird die Herzenslast,
Zur Ruh wir gehen, oder doch – zur Rast.
Zu herzen dich, wenn heimgekehrt ich war,
Beim Spiele zu hören dich, dein herzlich Lachen,
Und Sonntags deine Schritte zu bewachen, –
’s war schön! schön wenn du kindlich mir entdeckt
Und dich die Macht der Wissenschaften lehrte.
Das war mein Wunsch: dein kindlich frommes Walten,
Die reine Seele rein dir zu erhalten,
Dich wahre vor dem Flattersinn der Jugend,
Und so, geschützt vor des Versuchers Stricken,
Wollt’ ich in’s Weltgewühl hinaus dich schicken.
Dann wollt’ ich sterben; und zum Vatersegen
Fest überzeugt, du werdest einst erscheinen
An deines Vaters schlichtem Grab zu weinen.
So war mein Wunsch; doch wollte Gott mir zeigen
Wie wenig Weisheit unsrem Wissen eigen;
Und fühlen muß ich, wie so klein ich bin.
Des Himmels ewge Freuden dir zu geben;
Hier aber sei mit nimmermüder Hand
Die – säßest du noch auf des Vaters Knien –
Für dich mein Sohn wie aufbewahrt erschien’.
Die eine Hoffnung bleibt mir auf der Welt:
Daß wenn dereinst die Erdenhülle fällt,
Ich wiederfinde meinen Herzenssohn.
- ↑ *) Ein Fabrikarbeiter in Manchester.