Zum Inhalt springen

Die Frau von Bosenstein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Ignaz Hub
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Die Frau von Bosenstein
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 72–76
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[72]
Die Frau von Bosenstein.[2]

Um ihren Herrn von Bosenstein
Hat längst verschmerzt den Trennungsharm,
Noch in der Blüthe Rosenschein,
Die Frau in ihres Buhlen Arm.

5
Es war zum Kreuzessiege

Gezogen fern der Ritter,
Zu des Erlösers Wiege,
Ein Sarazenenschnitter.

Sie praßt in Lüsten Tag und Nacht,

10
In sündlicher Genüsse Wahl;

Nie hat sie treulich mehr gedacht
Des Ehgemals beim Schwelgermahl.
Bei weingefüllten Humpen
Wie jubelts heut im Chore!

15
O seht, da hinkt in Lumpen

Ein Weib herein zum Thore!

In ihrer sieben Kinder Kreis,
Als käm’ das Unglück selbst zu Gast,
Fleht um ein Stücklein Brod sie heiß,

20
Gemagert zum Gerippe fast.

Jedoch mit finstrer Stirne
Die Herrin höhnt die Arme:
„Wie kamst du, Bettlerdirne,
Zu solchem Kinderschwarme?

25
Fürwahr! das nenn’ ich Uebermuth,

Hier ist für Hungrige kein Ort!
Hinaus mit euch, Zigeunerbrut!
Sonst hetz’ ich euch mit Hunden fort.“ –
Die Bettlerin im Grimme

30
Stößt aus den Fluch in Zähren:

„So mögst zur Schmach du, Schlimme,
Einst Sieben zumal gebären!“

Sie wankt von dannen leidesvoll,
Man spottet noch der Gramgestalt;

[73]
35
Ob auch die Tafel überquoll,

Der Kinder Jammern taub verhallt.
O Felsenherz der Reichen,
Tyrannisch im Genusse!
Habt ihr für Warnungszeichen

40
Kein Ohr, im Ueberflusse?


Die Strafe schlich auf leiser Zeh’
Zur üpp’gen Frau von Bosenstein;
Nach sieben Monden brach das Weh
Des Fluchs auf sie mit Macht herein.

45
Der Jubel hat am längsten

Ergossen seine Lieder;
Sie kam mit Qual und Aengsten
Mit sieben Knaben nieder.

Doch bald weiß ihr versteckter Sinn

50
Für diese Schande Höllenrath,

Beredet schlau die Dienerin
Zur unheilvollen Frevelthat:
„Auf stillen Pfaden schleiche,
– Wer sieht dir’s angeschrieben? –

55
Hinab zum Dickenteiche,

Ersäuf’ die bösen Sieben!“

Die Zofe steht im Schilf am Teich,
Im Sack die Kindlein kläglich schrei’n;
Sie sprach: „Ich schaff’ euch Ruh’ sogleich!“

60
Anknüpfend einen schweren Stein.

Der See, vom Morgenrothe
Umblutet, rauscht im Becken,
Als ob er zürnend drohte,
Den Rächer stracks zu wecken.

65
„Gut Zeit!“ – Ein Mann im Pilgerkleid

Ihr plötzlich an der Ferse stund:
„Was kreischt in deinem Sack so, Maid?“
„Ei, Herr, sind neugeborne Hund!“
Sie wurde blässer, röther.

[74]
70
Er heischt im strengen Basse:

„Zeig her die jungen Köter,
Ob mit gefällt die Rasse!“

Was muß er sehn! Er starrt. „Gottlob!“
So ruft er aus, vor Zorn erblaßt,

75
„Daß ich aus dieser Tauf’ euch hob,

Und mir versagt ein Stündlein Rast!
Nun, Falsche, offenbare
Der Rabenmutter Namen!“ –
Die Magd gesteht das Wahre,

80
Ihr möcht’ die Zung’ erlahmen.


Da sträubt sich ihm das Haar empor,
Sein Auge rollt in Zornesgluth:
Das ist die Treu’, die sie mir schwor,
So hielt sie mir das Haus in Huth!

85
Dir sey geschenkt das Leben,

Doch ihr mag Gott genaden!“
Drauf eilt in’s Schloß voll Beben
Er, mit dem Sack beladen.

Er tritt hinein zum Rittersaal,

90
Zur Hand die Zeugen ihrer Schuld;

Da buhlten bei vertrautem Mahl
Die Schwelger um der Dame Huld.
„Hört an, ich bring’ euch Kunde
Von gräulichem Verbrechen!“

95
Die Herrlein in der Runde,

Sie halten inn’ im Zechen. –

„Sagt an, welch eine Strafe soll
Ereilen solch unmenschlich Weib,
Hinmordend, grauser Tücke voll,

100
Die Frucht von ihrem eignen Leib?“

Man stutzt. – „Die,“ rief ein Spasser,
„Vermauert harr’ des Todes
Bei einem Kruge Wasser
Und einem Laibe Brodes!“

[75]
105
„Sei’s!“ donnert Herr von Bosenstein

Und wirft den Pilgermantel hin:
„Ins Mauergrab verstoßen seyn
Soll alsobald die Sünderin!“
Sie sinkt entsetzt vom Stuhle,

110
Vernichtet war ihr Hoffen.

Im Blute lag ihr Buhle,
Vom Racheschwert getroffen.

 *     *     *

Wo dort die Gottschläg felsherab
Durchs enge Thal sich bricht die Bahn,

115
Gähnt noch das Edelfrauengrab,

Das einst die Büßerin umsahn.
Noch steht in alter Kunde
Von ihrem Stamm geschrieben,
Davon der Name „Hunde

120
Von Bosenstein“ geblieben.

  1. Obige dichterische Bearbeitung weicht in einigen Nebenumständen ab.
  2. [75] Alte Ruine in der Pfarrei Ottenhöfen, zwei und eine halbe Stunde östlich von Achern; liegt auf einem Auslaufer des Melkereikopfs, ist mit tiefen zum Theil von der Natur gebildeten Gräben umgeben und nur noch in wenigen Ueberresten vorhanden. Ob die Burg römischen Ursprungs ist, wie Einige behaupten, mögen wir nicht entscheiden. Jedenfalls scheint sie ein hohes Alter zu haben. Im fünften Jahrhundert baute, wie man wissen will, ein alemannischer Edler, Namens von Stein, in diesem wilden Thale eine Burg, die jedoch während der Völkerwanderung wieder zerstört wurde, während auch das alte Geschlecht erlosch. Kaiser Otto I. soll diese Herrschaft einem andern Adligen, der im Jahr 960 das Schloß wieder aufbaute und Bosenstein nannte, gegeben haben. Die Sage von der Frau von Bosenstein lautete im Munde des Volkes folgendermaßen: Zu der stolzen und hartherzigen Gattin desselben sei einst eine Bettlerin mit sieben Kindern gekommen, aber von derselben wegen solchen Leibessegens gescholten und höhnisch abgewiesen worden. Da habe die Bettelfrau die Verwünschung ausgestoßen, daß die Edeldame mit einer gleichen Zahl von Kindern auf Einmal niederkommen möge. Dies ging in Erfüllung und die Rittersfrau wurde an Einem Tage von sieben Kindern entbunden. Um dies zu verhehlen, sollte eine vertraute Magd sechs derselben im benachbarten Weiher ertränken. Der Ritter, von einem Zuge heimkehrend, begegnete der Dienerin zufällig auf dem [76] Wege zum Teiche, sah, daß sie etwas in einem Sacke trug und fragte nach seinem Inhalt. „Eine Brut Hündlein, die ich ertränken soll!“ lautete die Antwort. Verdacht schöpfend gebot er ihr, den Sack aufzubinden, sah die neugebornen Kindlein darin und vernahm mit Entsetzen das Geständniß der beabsichtigten Missethat. Er gab hierauf treuen Leuten die Kinder zum Erziehen, und veranstaltete nach sieben Jahren ein Festmahl auf seiner Burg. Da wurde gespielt, gescherzt und mancherlei erzählt. Unter Anderen fragte der Ritter, welche Strafe wohl einer Frau gebühre, welche ihre Kinder aus der Welt geschafft habe. Rasch erwiederte die Schuldbewußte: „Eine solche Rabenmutter verdient bei einem Laib Brod und einem Krug Wasser lebendig eingemauert zu werden!“ Somit hatte sie sich selbst ihr Urtheil gesprochen. Die todtgeglaubten sechs Knaben wurden herein gerufen, die Strafe gerecht befunden, und die Edelfrau lebendig eingemauert. Soweit die Sage.[1] – Noch zeigt man im hintersten Gottschlägthale hinter dem Wasserfalle in der Felswand eine Nische, welche das Volk „Edelfrauenloch“ nennt. Auch der Dickenteich, worin die Kinder ertränkt werden sollten, wird noch gezeigt. Der Sage mag eine historische Wahrheit zu Grunde liegen, und noch lebt eine Familie „Hund,“ welche von jenem Geschlechte, das von diesem Vorfalle gleichen Namen führte, abstammen soll, in selbiger Gegend.
    (Vergl. „Universal-Lexikon von Baden.“ S. 161.)

    Krieg von Hochfelden in seiner „Geschichte der Grafen von Eberstein etc.“ S. 8, erzählt eine ähnliche Sage: „Irmentraut, die Gemahlin Isenbart’s, Herrn zu Altdorf, eines Zeitgenossen Karl’s des Großen, gebar, von einem armen Weibe verwünscht, zwölf Knaben auf einmal. Den Zorn des abwesenden Gatten befürchtend, gab sie elf derselben einer alten Dienerin, sie zu ertränken. Dieser begegnete Isenbart. Auf die Frage, was sie da trage, erwiederte sie: „Junge Hunde (Welfen), um sie ins Wasser zu werfen.“ Isenbart deckte den Korb auf, erfuhr das beabsichtigte Verbrechen, ließ die Kinder insgeheim erziehen, führte sie nach sechs Jahren ihrer erschrockenen Mutter vor und verzieh ihr großmüthig. Von den zwölf Knaben ward einer Bischof, von den übrigen leiten die Welfen von Altdorf, die Herzoge von Franken, die Grafen von Hohenzollern, von Heiligenberg, jene von Tockenburg, die Gebharde, Herzoge von Alemannien, die Grafen von Eberstein, deren erster Eberhard geheißen habe, die Grafen von Oettingen, die Grafen zu Wölpe, so wie jene von Calw und von Katzenellenbogen, ihren Ursprung ab.