Das Hündchen von Bretten (Simrock)
Zu Bretten überm Stadtthor steht
Ein Hündchen ohne Schwanz,
Und über seinem Haupte weht
Ein hart verdienter Kranz.
Vergnügt in schweren Ketten,
Dem sagt man: „Wahrlich, dir geschieht
Noch wie dem Hund von Bretten.“
Dem Hündchen ward, dem treuen Thier,
Und sicher so ergeht es Dir,
Der sich im Dienst nicht schont.
Es war von seinem Herrn, wie Du,
Zu Manchem abgerichtet,
Die Chronik hats berichtet.
Wohl mochte kein geplagt’rer Gaul
Im ganzen Städtchen seyn;
Gab er ihm einen Korb in’s Maul,
Beim Metzger Fleisch und Bratwurst gar,
Und Weißbrod bei dem Bäcker,
Im Korbe sagt’ ein Zettel klar,
Was nöthig war dem Schlecker.
Und ließ sich nie verführen,
Nur einen Bißen von dem Schmaus
Des Herren anzurühren,
Wenn es ihn treulich heimgebracht;
Ward ihm von seiner schweren Fracht
Ein Knöchlein nur beschieden.
Sein Herr, der evangelisch war,
Hielt wenig auf die Fasten,
An keinem Freitag rasten.
Der Hund, der täglich fasten muß,
Geht seinen Weg bescheiden,
Nicht kann er, wie ein Klerikus
Da führt ihn einst sein Mißgeschick
Zu einem Fleischer hin,
Der als ein echter Katholik
Streng hielt die Disciplin;
Von einer Wurst geschrieben,
Ihn das Gelüste baß verdrießt,
Hätt’ es ihm gern vertrieben.
Im frommen Eifer hat er gleich
Ihm auf dem Block mit Einem Streich
Das Schwänzlein abgehackt;
Das legt’ er in den Korb dem Hund:
„Da hast du Fleisch, nun trolle,
Daß ich’s ihm schenken wolle!“
Das Hündchen, bis zum Tode wund,
Lief doch, der Pflicht gedenk,
Und trug dem Herrn sogleich zur Stund’
Legt’ ihm den Korb noch vor den Fuß
Und streckte sich daneben;
Das war sein letzter, stummer Gruß,
Dann haucht’ es aus sein Leben. –
Den Lohn erwarb er doch,
Weil er sein Leben lang um Nichts
Im sauern Dienste kroch.
Du mühe dich, nach seinem Brauch,
So mag Dir nach dem Tod wohl auch
Die Ehre wiederfahren.