Constitution vom 4. Nov. 1814
oder Grundgesetz des Königreichs Norwegen, gegeben in der Reichsversammlung zu Eidswold den 17. Mai 1814: und nunmehr in Folge der Vereinigung der Reiche Norwegen und Schweden näher bestimmt in Norwegens außerordentlichem Storthing zu Christiania, den 4. Nov. 1814.
Wir Repräsentanten des Norwegischen Reichs bei dem den 7. October 1814 in Folge der Bekanntmachung vom letztverflossenen 16. August in Christiania versammelten außerordentlichen Storthing, thun kund:
Nachdem wir, wie unsere Bekanntmachung vom 21. v. M. ergiebt, am Tage zuvor, nach reifer Ueberlegung beschlossen hatten, daß das Königreich Norwegen in Zukunft, wie ein selbstständiges Reich, mit dem Königreiche Schweden unter einem Könige vereinigt seyn solle, jedoch unter Beibehaltung seines Grundgesetzes, mit den zum Glück des Reichs und in Gemäßheit dieser Vereinigung nothwendigen Veränderungen, haben wir diese in nähere Erwägung gezogen, und deshalb zugleich mit den zu dem Ende zu Folge der zu Moß geschlossenen Constitution von letztverflossenem 14. August ernannten Königlichen Commissarien unterhandelt. Demnach haben wir beschlossen, gleichwie wir hierdurch beschließen und festsetzen, daß anstatt der von der Reichsversammlung zu Eidswold den letztverflossenen 17. Mai gegebenen Constitution, folgende, theils auf dieselbe gebauten, theils in Gemäßheit der Vereinigung getroffenen Bestimmungen inskünstige gelten und von allen und jeden Beikommenden beobachtet und unverbrüchlich befolgt werden sollen.
A.
§. 1. Das Königreich Norwegen ist ein freies, selbstständiges, untheilbares und unabhängiges Reich, mit Schweden [470] unter einem Könige vereinigt. Seine Regierung ist eingeschränkt und erblich monarchisch.
§. 2. Die Evangelisch-Lutherische Religion bleibt die öffentliche Religion des Staats. Die Einwohner, die sich zu derselben bekennen, sind verpflichtet, ihre Kinder in derselben zu erziehen. Jesuiten und Mönchsorden werden nicht geduldet. Juden sind ferner vom Zugang ins Reich ausgeschlossen.
Ueber die ausübende Macht, den König und die Königliche Familie.
§. 3. Die ausübende Macht ist bei dem Könige.
§. 4. Der König soll sich stets zur Evangelisch-Lutherischen Religion bekennen, sie aufrecht erhalten und sie beschützen.
§. 5. Die Person des Königs ist heilig; Ihm kann nichts zur Last gelegt, und er kann nicht angeklagt werden. Die Verantwortlichkeit liegt seinem Rathe ob.
§. 6. Die Erbfolge ist lineal und agnatisch, so wie sie sich in der von Schwedens Reichsständen beschlossenen und vom Könige angenommenen Successionsordnung vom 26. September 1810, welche diesem Grundgesetz in Uebersetzung beigefügt wird, bestimmt findet. Unter die Erbberechtigten ist auch der Ungebohrne zu rechnen, der sogleich seine gehörige Stelle in der Erblinie einnimmt, wenn er nach seines Vaters Tode gebohren wird. Wenn ein zu Norwegens und Schwedens vereinigten Kronen erbberechtigter Prinz gebohren wird, soll sein Name und die Zeit seiner Geburt dem ersten zu haltenden Storthing angezeigt und in dessen Protokoll bemerkt werden.
§. 7. Ist kein zur Erbfolge berechtigter Prinz vorhanden; so kann der König Norwegens Storthing zu gleicher Zeit wie Schwedens Ständen seinen Nachfolger vorschlagen. Sobald der König seinen Vorschlag dargelegt hat, sollen die Repräsentanten beider Völker aus ihrer Mitte eine Committee erwählen, welche das Recht hat, die Wahl zu bestimmen, falls der Vorschlag des Königs nicht durch Stimmenmehrheit von den Repräsentanten jedes [471] Volks besonders genehmigt wird. Die Anzahl der Mitglieder in dieser Committee, welche aus eben so vielen von jedem Reiche bestehen soll, und die Ordnung, die bei der Wahl befolgt werden muß, wird durch ein Gesetz festgesetzt, welches der König zu derselben Zeit Norwegens Storthing und den Schwedischen Reichsständen vorschlägt. Aus der versammelten Committee tritt einer durch das Loos aus.
§. 8. Das Volljährigkeitsalter des Königs wird durch ein Gesetz festgesetzt, welches nach Uebereinkunft zwischen dem Norwegischen Storthing und den Schwedischen Ständen gegeben wird, oder falls sie sich darüber nicht vereinigen können, durch eine von den Repräsentanten beider Reiche ernannte Committee, mit den im vorstehenden 7. §. angeführten Bestimmungen. Sobald der König das im Gesetz bestimmte Alter erreicht hat, erklärt er sich öffentlich für mündig.
§. 9. Sobald der König, als volljährig, die Regierung antritt; so legt er vor dem Storthing folgenden Eid ab: „Ich gelobe und schwöre, das Königreich Norwegen in Uebereinstimmung mit dessen Constitution und Gesetzen zu regieren, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort!“ Ist das Storthing zu der Zeit nicht versammelt; so wird dieser Eid schriftlich im Staatsrathe niedergelegt und vom Könige auf dem ersten Storthing feierlich wiederhohlt, entweder mündlich oder schriftlich durch den von ihm dazu Beauftragten.
§. 10. Die Krönung und Salbung des Königs geschieht, nachdem er volljährig geworden, in der Kirche zu Drontheim, zu der Zeit und mit den Ceremonieen, die er selbst festsetzt.
§. 11. Jedes Jahr hält sich der König, wenn nicht wichtige Hindernisse entgegen stehen, einige Zeit in Norwegen auf.
§. 12. Der König wählt selbst einen Rath aus Norwegischen Bürgern, welche nicht jünger als 30 Jahre sind. Dieser Rath soll wenigstens aus einem Staatsminister und sieben andern Mitgliedern bestehen. Eben so kann der König einen Vicekönig oder Statthalter bestellen. Der König vertheilt die Geschäfte unter die Mitglieder des Staatsraths, [472] so wie er dies für dienlich erachtet. Um Sitz im Staatsrathe zu nehmen, kann der König, oder in seiner Abwesenheit der Vicekönig (oder Statthalter in Vereinigung mit den Staatsräthen) bei außerordentlichen Gelegenheiten, außer den gewöhnlichen Mitgliedern des Staatsraths, andere Norwegische Bürger dazu berufen, nur keine Mitglieder des Storthings. Vater und Sohn, oder zwei Brüder, dürfen nicht zu gleicher Zeit im Staatsrathe Sitz nehmen.
§. 13. Während der Entfernung des Königs überträgt er in den Fällen, die er selbst vorschreibt, dem Vicekönige oder Statthalter, zugleich mit wenigstens fünf Mitgliedern des Staatsraths, die innere Verwaltung des Reichs. Diese sollen in des Königs Namen und an seiner Statt die Regierung führen. Sie sollen sowohl den Bestimmungen dieses Grundgesetzes unverbrüchlich nachleben, als den besondern damit übereinstimmenden Vorschriften, die der König ihnen als Instruction ertheilt. Ueber die solchergestalt entschiedenen Sachen haben sie dem Könige einen unterthänigen Bericht zu erstatten. Die Geschäfte werden durch Stimmenabgebung abgemacht, wobei im Falle, daß die Stimmen gleich sind, der Vicekönig oder Statthalter, oder in deren Abwesenheit das erste Mitglied des Staatsraths zwei Stimmen hat.
§. 14. Vicekönig kann nur der Kronprinz oder sein ältester Sohn seyn, aber nicht eher, bis sie das für den König bestimmte Alter der Volljährigkeit erreicht haben. Zum Statthalter wird entweder ein Normann oder ein Schwede ernannt. Der Vicekönig soll im Reiche wohnen, und darf sich nicht länger als drei Monate im Jahre außerhalb desselben aufhalten. Wenn der König gegenwärtig ist, hört die Function des Vicekönigs auf. Ist kein Vicekönig, aber ein Statthalter vorhanden, hört gleichfalls dessen Function auf, da er in solchem Falle bloß der erste Staatsrath ist.
§. 15. Bei dem Könige verbleiben stets während seines Aufenthalts in Schweden der Norwegische Staatsminister und zwei Mitglieder des Staatsraths, welche letztere jährlich umwechseln. Sie haben dieselben Pflichten und dieselbe constitutionelle Verantwortlichkeit, als die sich in Norwegen [473] befindende (im 13. §. genannte) Regierung, und allein in ihrem Beiseyn sollen die Norwegischen Angelegenheiten vom Könige entschieden werden. Alle Anträge Norwegischer Bürger an den König sollen erst bei der Norwegischen Regierung eingeliefert und mit deren Bedenken versehen werden, ehe sie abgemacht werden. Ueberhaupt müssen keine Norwegische Sachen erledigt werden, ohne daß das Bedenken der Norwegischen Regierung eingehohlt ist, wofern nicht wichtige Hindernisse solches verbieten. Der Norwegische Staatsminister trägt die Sachen vor, und bleibt für die Uebereinstimmung den Expeditionen mit den gefaßten Beschlüssen verantwortlich.
§. 16. Der König ordnet allen öffentlichen Kirchen- und Gottesdienst, alle Zusammenkünfte und Versammlungen wegen Religionssachen an, und sieht darauf, daß die öffentlichen Lehrer der Religion die ihnen vorgeschriebenen Normen befolgen.
§. 17. Der König kann Anordnungen geben und aufheben, die den Handel, den Zoll, die Nahrungszweige und die Polizei betreffen; doch dürfen sie nicht der Constitution und den vom Storthinge gegebenen Gesetzen widerstreiten. Sie gelten provisorisch bis zum nächsten Storthinge.
§. 18. Der König läßt überall die Schätzungen und Abgaben eintreiben, welche das Storthing auflegt. Die Norwegische Staatscasse verbleibt in Norwegen, und ihre Einkünfte werden allein zu den Bedürfnissen Norwegens angewendet.
§. 19. Der König wacht darüber, daß das Staatseigenthum und die Regalien auf die vom Storthing bestimmte und für das Gemeinwesen nützlichste Weise angeordnet und verwaltet werden.
§. 20. Der König hat das Recht, im Staatsrathe Verbrecher zu begnadigen, nachdem das Unheil des höchsten Gerichts gesprochen und dessen Bedenken eingezogen ist. Der Verbrecher hat die Wahl, ob er des Königs Gnade annehmen, oder sich der ihm zuerkannten Strafe unterwerfen will. In den Sachen, welche das Odelsthing vor dem Reichsgerichte einleiten läßt, kann keine andere Begnadigung, als Befreiung von der erkannten Lebensstrafe Statt finden.
[474] §. 21. Der König erwählt und bestellt, nachdem er seinen Norwegischen Staatsrath vernommen hat, alle Civil-, Geistliche- und Militairbeamten. Diese schwören der Constitution und dem Könige Gehorsam und Treue. Die Königlichen Prinzen dürfen keine Civilämter bekleiden; doch kann der Kronprinz oder sein ältester Sohn zum Vicekönige ernannt werden.
§. 22. Der Statthalter des Reichs, der Staatsminister und die übrigen Mitglieder des Staatsraths, so wie die Beamten, welche bei dessen Comptoiren angesetzt sind, Gesandte und Consuln, bürgerliche und geistliche, höhere obrigkeitliche Personen, Regierungschefs und Chefs anderer Militaircorps, Commandanten in den Festungen und Oberbefehlshaber auf den Kriegsschiffen können ohne vorgängiges Urtheil vom Könige verabschiedet werden, nachdem er hierüber das Bedenken des Staatsraths gehört hat. In wiefern den solchergestalt verabschiedeten Beamten Pension zu bewilligen ist, wird vom nächsten Storthing entschieden. Inzwischen genießen sie zwei Drittheile ihres vorher gehabten Gehalts. Andere Beamten können vom Könige nur suspendirt werden, und sollen dann sogleich vor die Richterstühle gestellt werden; aber sie dürfen nicht anders, als nach Urtheil abgesetzt, auch nicht gegen ihren Willen versetzt werden.
§. 23. Der König kann nach seinem Gutbefinden, zur Belohnung für ausgezeichnete Verdienste, die öffentlich bekannt gemacht werden müssen, Orden ertheilen, aber keinen andern Rang noch Titel, als den, den jedes Amt mit sich führt. Der Orden befreiet keinen von den gemeinschaftlichen Pflichten und Lasten der Staatsbürger, auch führt er nicht vorzüglichen Anspruch auf Staatsämter mit sich. Beamte, die in Gnaden verabschiedet werden, behalten den Titel und Rang ihrer bekleideten Aemter. Keine persönliche oder gemischte, erbliche Vorrechte dürfen irgend Jemand für die Zukunft verliehen werden.
§. 24. Der König wählt und verabschiedet, nach eigenem Gutbefinden, seinen Hofstaat und seine Hofbedienten.
§. 25. Der König hat den Oberbefehl über des Reiches Land- und Seemacht. Sie kann ohne des Storthings Einwilligung nicht vermehrt noch vermindert werden. Sie [475] darf nicht zum Dienste fremder Mächte überlassen werden, und kein Kriegsvolk einer fremden Macht, mit Ausnahme von Hülfstruppen gegen feindlichen Ueberfall, darf ohne die Einwilligung des Storthings in das Reich gezogen werden. In Friedenszeiten sollen keine andre als Norwegische Truppen in Norwegen, und keine Norwegische Truppen in Schweden stationirt seyn. Doch kann der König in Schweden eine Norwegische Garde und Norwegische Freiwillige haben, uns kann für eine kurze Zeit, höchstens sechs Wochen im Jahre, die nächsten Truppen von der Kriegsmacht beider Reiche zu Waffenübungen innerhalb der Gränzen eines der beiden Reiche zusammenberufen; indeß darf nicht in irgend einem Falle mehr Kriegsvolk als 3000 Mann von allen Waffengattungen in Friedenszeiten von des einen Reichs Kriegsmacht in das andere Reich gezogen werden. Zum Angriffskrieg dürfen Norwegens Truppen und Ruderflottille nicht ohne Einwilligung des Storthings gebraucht werden. Die Norwegische Flotte soll ihre eigenen Werfte, und im Frieden ihre Stationen oder Häfen in Norwegen haben. Die Kriegsfahrzeuge des einen Reichs dürfen nicht mit den Seeleuten des andern besetzt werden, außer in so fern diese sich freiwillig miethen lassen. Die Landwehr und die übrigen Norwegischen Truppen, die nicht zu den Linientruppen gerechnet werden können, dürfen nie außer Norwegens Gränzen gebraucht werden.
§. 26. Der König hat das Recht die Truppen zusammen zu berufen, Krieg anzufangen und Frieden zu schließen, Verbindungen einzugehen und aufzuheben, Gesandte zu schicken und anzunehmen. Will der König Krieg ankündigen; so soll er der Regierung in Norwegen seine Gedanken mittheilen, und ihr Bedenken darüber einhohlen, zugleich mit einem vollständigen Berichte über den Zustand des Reichs, in Hinsicht seiner Finanzen und seiner Vertheidigungsmittel u. s. w. Nachdem dies geschehen ist, beruft der König den Norwegischen Staatsminister und die Norwegischen so wie die Schwedischen Staatsräthe zu einem außerordentlichen Staatsrathe, und setzt dann die Gründe und Umstände fest, die in diesem Falle in Erwägung gezogen werden müssen, wobei zugleich die Erklärung der Norwegischen Regierung über den Zustand dieses Reichs, so wie [476] ein ähnlicher Bericht über die Lage Schwedens vorzulegen ist. Ueber diese Gegenstände fordert der König ihr Bedenken, welche sie ein jeder für sich zu Protokoll geben sollen, unter der Verantwortlichkeit, die das Grundgesetz bestimmt; und dann hat der König das Recht, den Beschluß, den er für den nützlichsten für den Staat hält, anzunehmen und auszuführen.
§. 27. Alle Staatsräthe sollen, wenn sie nicht gesetzliche Abhaltung haben, im Staatsrathe gegenwärtig seyn, und es kann in demselben kein Beschluß gefaßt werden, wenn nicht über die halbe Anzahl der Mitglieder gegenwärtig ist. In den Norwegischen Sachen, welche nach dem 15. §. in Schweden abgemacht werden, darf kein Beschluß gefaßt werden, wenn nicht entweder der Norwegische Staatsminister und ein Norwegischer Staatsrath, oder beide Norwegische Staatsräthe gegenwärtig sind.
§. 28. Die Vorstellungen über die Besetzung der Aemter und andre Sachen von Wichtigkeit (ausgenommen diplomatische und eigentlich militairische Commandosachen) sollen im Staatsrathe von dem Mitgliede vorgetragen werden, zu dessen Fache sie gehören, und die Sachen werden von ihm dem im Staatsrathe gefaßten Beschlusse gemäß expedirt.
§. 29. Gestattet ein gesetzliches Hinderniß es einem Staatsrathe nicht, zu erscheinen, und die zu seinem Fache gehörenden Sachen vorzutragen; so sollen sie von einem andern Staatsrathe vorgetragen werden, den der König, wenn er zugegen ist, oder im entgegengesetzten Falle der, der den Vorsitz im Staatsrathe führt, in Vereinigung mit den andern Staatsräthen dazu bestellt. Werden so viele durch gesetzliche Hindernisse abgehalten, zu erscheinen, daß nicht mehr als die Hälfte der bestimmten Anzahl Mitglieder gegenwärtig ist; so sollen auf gleiche Weise andre Beamte bestellt werden, Sitz im Staatsrathe zu nehmen, in welchem Falle unverzüglich darüber an den König berichtet wird, welcher entscheidet, ob sie in dieser Function bleiben sollen.
§. 30. Im Staatsrathe wird über alle die Sachen, die darin verhandelt werden, ein Protokoll geführt. Ein jeder, der Sitz im Staatsrathe hat, ist verpflichtet, seine [477] Meinung mit Freimüthigkeit zu sagen, welche der König verbunden ist zu hören. Indeß ist es diesem vorbehalten, seinen Beschluß nach seinem eigenen Ermessen zu fassen. Findet irgend ein Mitglied des Staatsraths, daß des Königs Beschluß der Staatsform oder den Reichsgesetzen widerstreitet, oder augenscheinlich für Norwegen schädlich ist; so ist es seine Pflicht, kräftige Vorstellungen dagegen zu machen, und seine Meinung im Protokolle beizufügen. Derjenige, der nicht solchergestalt protestirt hat, wird angeschen, als wenn er mit dem Könige einig gewesen, ist dafür verantwortlich, und kann vom Odelsthing vor dem Reichsgerichte zur Rechenschaft gezogen werden.
§. 31. Alle vom Könige selbst ausgefertigte Befehle (mit Ausnahme der militairischen Commandosachen) sollen von dem Norwegischen Staatsminister contrastgnirt werden.
§. 32. Die Beschlüsse, die die Regierung in Norwegen während der Abwesenheit des Königs faßt, werden in des Königs Namen ausgefertigt, und von dem Vicekönige oder Statthalter und vom Staatsrathe unterzeichnet. Contrasignirt werden sie von dem, der die Sache vorträgt, da er für die Uebereinstimmung der Expedition mit dem Protokolle, worin die Resolution eingeführt ist, verantwortlich seyn muß.
§. 33. Alle Vorstellungen über Norwegische Sachen werden, so wie die Expeditionen, die nach Anleitung derselben geschehen, in Norwegischer Sprache abgefaßt.
§. 34. Der Thronerbe von Norwegen führt, wenn er der Sohn des regierenden Königs ist, den Titel Kronprinz. Die übrigen, die ein Erbrecht auf die Krone haben, heißen Prinzen, und die Königlichen Töchter Prinzessinnen.
§. 35. Sobald der Thronerbe sein achtzehntes Jahr vollendet hat, ist er berechtigt Sitz im Staatsrathe zu nehmen, doch ohne Stimme oder Verantwortung.
§. 36. Kein Prinz von Geblüt darf sich ohne Erlaubniß des Königs vermählen. Handelt er dagegen; so verwirkt er sein Recht auf Norwegens Krone.
§. 37. Die Königlichen Prinzen und Prinzessinnen sollen für ihre Personen vor keinem andern als dem Könige oder dem, den er zum Richter über sie verordnet, belangt werden.
[478] §. 38. Sowohl der Norwegische Staatsminister, als die beiden Norwegischen Staatsräthe, die dem Könige folgen, haben Sitz und berathschlagende Stimme in dem Schwedischen Staatsrathe, wenn in demselben Gegenstände verhandelt werden, welche beide Reiche betreffen. In solchen Sachen muß zugleich das Bedenken des in Norwegen befindlichen Staatsraths eingezogen werden, wofern nicht die Sachen eine so schleunige Entscheidung erheischen, daß dazu keine Zeit ist.
§. 39. Stirbt der König und ist der Thronfolger noch unmündig; so sollen der Norwegische und der Schwedische Staatsrath sogleich zusammentreten, um gemeinschaftlich die Einberufung zum Storthinge in Norwegen und zum Reichstage in Schweden auszufertigen.
§. 40. Bis dahin, daß die Repräsentanten beider Reiche versammelt sind und eine Regierung während der Minderjährigkeit des Königs angeordnet haben, steht ein, von einer gleichen Anzahl Norwegischer und Schwedischer Mitglieder zusammengesetzter, Staatsrath der Verwaltung im Reiche, unter Beobachtung ihrer gegenseitigen Grundgesetze, vor. Der Norwegische und der Schwedische Staatsminister, die im vorbenannten zusammengesetzten Rathe Sitze haben, werfen das Loos darüber, wer darin den Vorsitz haben soll.
§. 41. Die in den beiden vorhergehenden §§. bestimmten Verhaltungsregeln sollen auch Statt finden, so oft es zufolge der Regierungeform von Schweden, dem Schwedischen Staatsrathe, in der Eigenschaft als Staatsrath, zukommt, die Regierung zu führen.
§. 42. Was die fernern Bestimmungen betrifft, welche in den, in den §§. 39, 40 und 41 angeführten Fällen nothwendig sind; so schlägt der König auf dem nächsten Norwegischen Storthing und Schwedischen Reichstage ein Gesetz vor, das auf dem Grundsatze vollkommener Gleichheit zwischen beiden Reichen beruht.
§. 43. Die Wahl der Vormünder, die die Regierung für den unmündigen König führen, soll nach denselben Regeln und nach derselben Weise vorgenommen werden, wie oben im 7. §. für die Wahl eines Thronfolgers vorgeschrieben worden ist.
[479] §. 44. Diejenigen, welche in den §§. 40 und 41 angeführten Fällen der Regierung vorstehen, sollen, die Norweger vor dem Norwegischen Storthing, folgenden Eid ablegen: „Ich gelobe und schwöre, der Regierung in Uebereinstimmung mit der Constitution und den Gesetzen vorzustehen, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort!“ Die Schweden leisten den Eid vor den Schwedischen Reichsständen. Wird zu der Zeit kein Storthing oder Reichstag gehalten; so wird der Eid schriftlich im Staatsrathe niedergelegt, und nachher auf dem nächsten Storthing oder Reichstage wiederhohlt.
§. 45. Sobald ihre Staatsverwaltung aufhört, sollen sie vor dem Könige und dem Storthing von derselben Rechenschaft ablegen.
§. 46. Unterlassen die Beikommenden, in Uebereinstimmung mit dem 39. und 41. §. sogleich das Storthing zusammen zu berufen; so liegt es dem höchsten Gericht, als eine unbedingte Pflicht, ob, sobald 4 Wochen verflossen sind, diese Zusammenberufung zu veranstalten.
§. 47. Die Leitung der Erziehung des unmündigen Königs muß, wenn dessen Vater darüber nicht eine schriftliche Bestimmung hinterlassen hat, auf die im 7. und 43. §. vorgeschriebene Art festgesetzt werden. Es muß eine unabweichliche Regel seyn, daß dem unmündigen Könige hinlänglicher Unterricht in der Norwegischen Sprache ertheilt wird.
§. 48. Ist der männliche Königsstamm ausgestorben, und kein Thronfolger erwählt; so soll ein neues Königsgeschlecht auf die im 17. §. vorgeschriebene Weise gewählt werden. Inzwischen wird es mit der ausübenden Macht nach dem 43. §. gehalten.
§. 49. Das Volk übt die gesetzgebende Macht durch das Storthing (Reichsversammlung) aus, welches aus zwei Abtheilungen besteht, einem Lagthing (gesetzgebenden Körper) und einem Oldesthing (den Grundeigenthümern).
[480] §. 50. Stimmberechtigt sind nur Norwegische Bürger, welche 25 Jahre zurückgelegt haben, im Lande fünf Jahre wohnhaft gewesen sind, sich daselbst aufhalten und entweder
- 1) Beamte sind oder gewesen sind;
- 2) Landbesitz haben, oder länger als fünf Jahre matriculirtes Land gebaut haben;
- 3) Bürger in Handelsstädten sind, oder in einer Kauf- oder Landstadt Grundbesitz haben, dessen Werth wenigstens 300 Rthlr. beträgt.
§. 51. Ein Mannzahlregister über alle Stimmberechtigte Einwohner soll in jeder Kaufstadt vom Magistrat und in jedem Kirchspiel vom Vogt oder Prediger verfaßt werden. Die Veränderungen, welche in denselben nachher vorfallen möchten, werden unverzüglich darin aufgeführt. Jeder soll, ehe er in dieß Verzeichniß eingeführt wird, öffentlich zu Gericht der Constitution Treue schwören.
§. 52. Das Stimmrecht wird suspendirt wegen gerichtlicher Anklage eines Verbrechens, Unmündigkeit, wegen Fallit, bis die Gläubiger volle Bezahlung erhalten haben, es sey dann, daß der Concurs durch Feuersbrunst oder anderes nicht zuzurechnendes und erweisliches Unglück verursacht wird.
§. 53. Das Stimmrecht wird verloren durch Verurtheilung zum Zuchthaus, zur Karre oder zu einer andern entehrenden Strafe; durch den Eintritt in die Dienste einer fremden Macht, ohne die Einwilligung der Regierung; durch Erwerbung des Bürgerrechts in einem fremden Staate; durch die Ueberführung, Stimmen erkauft, seine eigene Stimme verkauft, oder in mehr als einer Wahlversammlung gestimmt zu haben.
§. 54. Die Wahl- und Districtsversammlungen werden jedes dritte Jahr gehalten. Sie müssen vor dem Ausgang des Decembermonats zu Ende gebracht seyn.
§. 55. Die Wahlversammlungen werden auf dem Lande in der Hauptkirche des Kirchspiels, in den Kauf- und Handelsstädten in der Kirche, auf dem Rathhause oder einer andern dazu bequemen Stelle gehalten. Sie werden auf dem Lande von dem Prediger und seinen Gehülfen, in den Städten von den Magistraten und Vorstehern geleitet. [481] Die Abgebung der Stimmen geschieht in der Ordnung, die das Mannszahlregister ergiebt. Streitigkeiten über das Stimmrecht werden von den Leitern der Versammlung entschieden, von deren Erkenntniß man an das Storthing provociren kann.
§. 56. Ehe die Wahlen beginnen, soll die Constitution vorgelesen werden, in den Städten von der ersten Magistratsperson, auf dem Lande vom Prediger.
§. 57. In den Städten wird für jede 50 stimmberechtigte Einwohner ein Wahlmann ernannt. Diese Wahlmänner versammeln sich innerhalb acht Tage darauf auf der von der Obrigkeit dazu bestimmten Stelle, und ernennen entweder aus ihrer eigenen Mitte, oder unter den übrigen Stimmberechtigten in ihrem Wahldistrict, ein Viertheil ihrer eigenen Anzahl, um auf den Storthing zu erscheinen und Sitz zu nehmen, so daß 3 bis 6 einen wählen, 7 bis 10 zwei, 11 bis 14 drei, 15 bis 18 vier, welches die höchste Anzahl ist, die ein Ort senden kann. Hat eine Handelsstadt weniger als 150 stimmberechtigte Einwohner; so sendet sie ihre Wahlmänner zu der nächsten Stadt, um in Vereinigung mit deren Wahlmännern zu stimmen, und dann werden beide Städte als ein District angesehen.
§. 58. In jedem Kirchspiel auf dem Lande ernennen die stimmberechtigten Einwohner in Verhältniß ihrer Anzahl die Wahlmänner dergestalt, daß bis 100 einen wählen, 100 bis 200 zwei, 200 bis 300 drei, und so weiter im nämlichen Verhältniß. Diese Wahlmänner versammeln sich innerhalb eines Monats darauf auf einer vom Amtmann dazu bestimmten Stelle, und ernennen dann entweder aus ihrer eigenen Mitte, oder unter den andern Stimmberechtigten im Amte ein Zehntheil ihrer eignen Zahl, um auf dem Storthing zu erscheinen und Sitz zu nehmen, so daß 5 bis 14 einen wählen, 15 bis 24 zwei, 25 bis 34 drei, 35 und darüber vier, welches die größte Anzahl ist.
§. 59. Die im 57. und 58. §. festgesetzten Bestimmungen gelten zum nächsten Storthing. Wird dann befunden, daß die Repräsentanten der Kaufstädte mehr oder weniger als ein Drittheil von den Repräsentanten des [482] ganzen Reiches ausmachen, muß das Storthing für die Zukunft diese Bestimmungen so verändern, daß die Repräsentanten der Kaufstädte sich zu denen des Landes wie ein zu zwei verhalten, und muß die Zahl der Repräsentanten im Ganzen nicht geringer als 75 und nicht größer als 100 seyn.
§. 60. Die sich im Reiche befindenden Stimmberechtigten, die wegen Krankheit, Militairdienste oder anderer gesetzlicher Abhaltung nicht erscheinen können, können denjenigen, die die Wahlversammlungen leiten, ehe diese beendigt sind, ihre Stimmen einsenden.
§. 61. Keiner kann zum Repräsentanten gewählt werden, wofern er nicht 30 Jahr alt ist und sich 10 Jahr lang im Reiche aufgehalten hat.
§. 62. Die Mitglieder des Staatsraths und die Beamte, die bei dessen Comtoiren angesetzt sind, Hofbediente und Pensionisten des Hofs können nicht zu Repräsentanten erwählt werden.
§. 63. Jeder, der zum Repräsentanten erwählt wird, ist pflichtig, die Wahl anzunehmen, wofern er nicht daran durch Hindernisse abgehalten wird, die von den Wahlmännern gesetzlich anerkannt werden, deren Erkenntniß die Beurtheilung des Storthings unterworfen werden kann. Derjenige, der zwei auf einander folgende Male als Repräsentant aus einem ordentlichen Storthing erschienen ist, ist nicht verbunden, die Wahl zu dem darauf folgenden ordentlichen Storthing anzunehmen. Wird ein Repräsentant durch gesetzliche Ursache verhindert, auf dem Storthing zu erscheinen; so tritt der, welcher nächst ihm die mehresten Stimmen hatte, in seine Stelle.
§. 64. Sobald die Repräsentanten erwählt sind, werden sie mit einer Vollmacht versehen, die auf dem Lande von der Obrigkeit, und in den Städten von dem Magistrat, so wie von sämmtlichen Wahlmännern unterschrieben ist, zum Beweis dessen, daß sie auf die in der Constitution vorgeschriebene Weise ernannt sind. Die Gesetzlichkeit[WS 1] dieser Vollmachten wird vom Storthing beurtheilt.
§. 65. Jeder Repräsentant ist zur Vergütung seiner Reisekosten nach und von dem Storthing, aus der Staatscasse, [483] und seines Unterhalts während der Zeit, die er dem Storthing beiwohnt, berechtigt.
§. 66. Die Repräsentanten sind auf ihrer Reise zum und vom Storthing, so wie während ihres Aufenthalts bei derselben von aller persönlichen Haft befreit, wenn sie nicht in öffentlichen Verbrechen betroffen ergriffen werden; auch können sie nicht, außer von den Versammlungen des Storthings, zur Verantwortung wegen ihrer daselbst geäußerten Meinungen gezogen werden. Jeder ist verpflichtet, sich nach der daselbst angenommenen Ordnung zu richten.
§. 67. Die auf vorstehende Weise erwählten Repräsentanten machen das Storthing des Königreichs Norwegen aus.
§. 68. Das Storthing wird in der Regel den ersten Werkeltag im Februarmonat jedes dritte Jahr in der Hauptstadt des Reichs eröffnet, wenn der König nicht wegen außerordentlicher Umstände, wie feindlichen Einfalls oder ansteckender Krankheit, dazu eine andere Stadt im Reiche bestimmt. Solche Bestimmung muß dann bei Zeiten bekannt gemacht werden.
§. 69. In außerordentlichen Fällen hat der König das Recht, das Storthing außer der gewöhnlichen Zeit zusammenzuberufen; der König erläßt dann eine Bekanntmachung, die in allen Kirchen der Stiftsörter[WS 2] wenigstens sechs Wochen vor der Zeit verlesen werden muß, wo die Mitglieder des Storthings an dem bestimmten Orte zusammen kommen sollen.
§. 70. Ein solches außerordentliches Storthing kann vom Könige, wenn er es für gut befindet, aufgehoben werden.
§. 71. Die Mitglieder des Storthings fungiren als solche während dreier auf einander folgender Jahre sowohl bei dem außerordentlichen, als dem ordentlichen Storthing, welches inzwischen gehalten wird.
§. 72. Wird ein außerordentliches Storthing noch zu der Zeit gehalten, da das ordentliche zusammentreten soll; so hört die Wirksamkeit des ersten auf, sobald das letzte versammelt ist.
§. 73. Kein Storthing kann gehalten werden, wenn nicht zwei Drittheile seiner Mitglieder gegenwärtig sind.
[484] §. 74. Sobald das Storthing sich constituirt hat, eröffnet der König, oder der, den er dazu bestellt hat, dessen Verhandlungen mit einer Rede, worin er dasselbe von dem Zustande des Reichs und den Gegenständen unterrichtet, worauf er besonders die Aufmerksamkeit des Storthings hinzulenken wünscht. In des Königs Gegenwart darf keine Berathschlagung Statt finden. Das Storthing erwählt unter seinen Mitgliedern ein Viertheil, welches das Lagthing ausmacht; die übrigen drei Viertheile bilden das Odelsthing. Jedes Thing hält seine Versammlungen abgesondert und ernennt seinen eignen Präsidenten und Secretair.
§. 75. Es kommt dem Storthing zu:
- 1) Gesetze zu geben und aufzuheben; Schätzungen, Abgaben, Zoll und andre öffentliche Lasten aufzulegen, welche doch nicht länger gelten, als bis zum 1. Julius des Jahrs, da das neue ordentliche Storthing versammelt ist, wofern sie nicht von diesem ausdrücklich neuert werden;
- 2) Anleihen auf den Credit des Reichs zu eröffnen;
- 3) Aufsicht über das Geldwesen des Reichs zu führen;
- 4) die zu den Staatsausgaben nöthigen Geldsummen zu bewilligen;
- 5) zu bestimmen, wie viel dem Könige und dem Vicekönige jährlich für ihren Hofstaat ausbezahlt werden soll, und die Apanage der Königlichen Familie festzusetzen, welche jedoch nicht in festem Eigenthum bestehen darf;
- 6) sich das in Norwegen existirende Regierungsprotokoll und alle öffentliche Berichte und Papiere (mit Ausnahme eigentlicher militairischer Commandosachen) vorlegen zu lassen, nebst beglaubigten Abschriften oder Auszügen aus den beim Kriege, durch den Norwegischen Staatsminister und die in Schweden befindlichen zwei Staatsräthe geführten Protokollen, oder den daselbst vorgelegten öffentlichen Papieren;
- 7) sich die Bündnisse und Tractaten mittheilen[WS 3] zu lassen, die der König für den Staat mit fremden Mächten eingegangen ist, mit Ausnahme der geheimen Artikel,
[485] die jedoch den öffentlichen nicht widerstreiten dürfen;
- 8) jeden aufzufordern, vor dem Storthing zu erscheinen, mit Ausnahme des Königs und der Königlichen Familie: doch gilt dieß für die Königlichen Prinzen nicht, insofern sie andre Aemter als das des Vicekönigs bekleiden;
- 9) die inzwischen bestandenen Gagen- und Pensionslisten zu revidiren, und darin die Veränderungen zu machen, die für nöthig gefunden werden;
- 10) fünf Revisoren zu ernennen, die jährlich die Rechnungen des Staats durchsehen, und Auszüge aus denselben durch den Druck bekannt machen sollen, daher diese Rechnungen jedes Jahr vor dem 1. Julius diesen Revisoren zugestellt werden sollen;
- 11) Fremde zu naturalisiren.
§. 76. Jedes Gesetz soll auf den Odelsthing entweder von dessen eigenen Mitgliedern, oder von der Regierung, durch einen Staatsrath zuerst vorgeschlagen werden. Ist der Vorschlag daselbst angenommen; so wird er an das Lagthing gesandt, welches ihn entweder genehmigt oder verwirft, und im letzten Fall ihn mit beigefügten Bemerkungen zurückschickt. Diese werden vom Odelsthing in Erwägung gezogen, welches entweder den Gesetzesvorschlag hinlegt, oder ihn wiederum mit oder ohne Veränderung an das Lagthing sendet. Ist der Vorschlag vom Odelsthing zweimal dem Lagthing vorgelegt, und von diesem zum zweitenmal mit einer Zurückweisung zurückgesandt; so tritt das ganze Storthing zusammen, und dann wird mit zwei Drittheilen seiner Stimmen über den Vorschlag entschieden. Zwischen jeder solchen Berathschlagung müssen wenigstens drei Tage verfließen.
§. 77. Hat ein vom Odelsthing vorgeschlagener Beschluß den Beifall des Lagthing oder des versammelten Storthing erhalten; so wird er durch eine Deputation von beiden Abtheilungen des Storthings an den König gesandt, wenn er gegenwärtig ist, oder im entgegengesetzten Fall an den Vicekönig oder an die Norwegische Regierung, mit dem Antrag auf Ertheilung der Königlichen Sanction.
[486] §. 78. Bewilligt der König den Beschluß; so versieht er ihn mit seiner Unterschrift, wodurch er Gesetz wird. Genehmigt er ihn nicht; so sendet er ihn an das Odelsthing mit der Erklärung zurück, daß er es nicht dienlich findet, den Beschluß zu sanctioniren.
§. 79. In diesem Fall darf der Beschluß nicht mehr von dem dann versammelten Storthing dem Könige vorgelegt werden, der sich auf dieselbe Weise benehmen kann, wenn das nächste ordentliche Storthing denselben Beschluß aufs neue vorschlägt. Wird er aber, nachdem er abermals erwogen worden, von dem dritten ordentlichen Storthing wiederum auf beiden Thingen unverändert angenommen, und dann dem Könige mit dem Begehren vorgelegt, daß Seine Majestät Ihre Sanction einem Beschlusse nicht verweigern möchten, welche das Storthing, nach der reiflichsten Ueberlegung, als nützlich ansieht; so wird er Gesetz, wenn auch des Königs Sanction nicht erfolgt, ehe das Storthing sich trennt.
§. 80. Das Storthing bleibt so lange versammelt, als es für nöthig findet, doch nicht über drei Monate, ohne des Königs Erlaubniß. Wenn es vom Könige aufgehoben wird, nachdem es seine Verrichtungen zu Ende gebracht hat, oder die bestimmte Zeit versammelt gewesen ist, ertheilt der König zugleich seine Resolution auf die bereits vorher nicht abgemachten Beschlüsse, indem er sie entweder bestätigt oder verwirft. Alle die, welche er nicht ausdrücklich annimmt, werden angesehen, als ob sie von ihm verworfen wären.
§. 81. Alle Gesetze werden in der Norwegischen Sprache und (die im 79. §. ausgenommenen) in des Königs Namen, unter dem Siegel des Norwegischen Reichs und in folgenden Ausdrücken ausgefertigt: „Wir N. N. thun kund und zu wissen, daß Uns ein Beschluß des Storthings von Dato vorgelegt ist, so lautend: (Hier folgt der Beschluß.) Daher haben Wir angenommen und bekräftigt, wie Wir denselben hierdurch als Gesetz annehmen und bekräftigen, unter Unserer Hand und des Reichs Siegel.“
§. 82. Die Sanction des Königs ist nicht erforderlich zu den Beschlüssen des Storthings, wodurch es sich 1) als Storthing nach der Constitution versammelt erklärt; 2) es [487] seine innere Polizei bestimmt; 3) es die Vollmachten der anwesenden Mitglieder annimmt oder verwirft; 4) es Erkenntnisse über Wahlstreitigkeiten bestätigt oder verwirft; 5) es Fremde naturalisirt; 6) und endlich auch nicht zu dem Beschlusse, wodurch das Oldesthing den Staatsrath oder Andere unter Verantwortung setzt.
§. 83. Das Storthing kann das Bedenken des höchsten Gerichts über wichtige Gegenstände einziehen.
§. 84. Es wird bei offenen Thüren gehalten, und seine Verhandlungen werden durch den Druck bekannt gemacht, ausgenommen in den Fällen, wo das Gegentheil durch Stimmenmehrheit beschlossen wird.
§. 85. Der, der einem Befehl gehorcht, dessen Absicht dahin geht, die Freiheit und Sicherheit des Storthings zu stören, macht sich dadurch der Verrätherei gegen das Vaterland schuldig.
§. 86. Die Mitglieder des Lagthings machen zugleich mit dem höchsten Gerichte das Reichsgericht aus, welches vom Oldesthinge eingeleitet worden, entweder gegen die Mitglieder des Staatsraths oder des höchsten Gerichts, wegen Amtsverbrechen, oder gegen die Mitglieder des Storthings, wegen der Verbrechen, die sie, als solche, begehen möchten. Im Reichsgerichte hat der Präsident des Lagthings den Vorsitz.
§. 87. Der Beklagte kann, ohne deshalb irgend eine Ursache anzugeben, von den Mitgliedern des Reichsgerichts bis zu einem Drittheile perhorresciren, doch so, daß das Gericht nicht weniger als funfzehn Personen ausmacht.
§. 88. Das höchste Gericht urtheilt in letzter Instanz. Es darf nicht aus weniger Mitgliedern als dem Justitiarius und sechs Beisitzern bestehen.
§. 89. In Friedenszeiten ist das höchste Gericht nebst zwei Officieren, welche der König dazu verordnet, die zweite und letzte Instanz in allen den Kriegsgerichtssachen, welche entweder den Verlust des Lebens oder der Ehre, oder eine Freiheitsberaubung auf längere Zeit als drei Monate betreffen.
[488] §. 90. Von den Urtheilen des höchsten Gerichts findet in keinem Falle eine Berufung Statt, noch können sie einer Revision unterzogen werden.
§. 91. Keiner kann, ehe er 30 Jahre alt ist, zum Mitglied des höchsten Gerichts bestellt werden.
§. 92. Zu Aemtern im Staate dürfen allein Norwegische Bürger ernannt werden, welche sich zu der Evangelisch-Lutherischen Religion bekennen, der Constitution und dem Könige Treue geschworen haben, und die Landessprache reden, auch 1) entweder im Reiche von Aeltern gebohren sind, die damals Unterthanen des Staats waren, oder 2) in fremden Landen von Norwegischen Aeltern gebohren sind, weiche zu der Zeit nicht Unterthanen eines andern Staats waren, oder 3) die den 17. Mai 1814 ihren beständigen Aufenthalt im Reiche hatten, und sich nicht geweigert haben, den Eid abzulegen, Norwegens Selbstständigkeit zu behaupten, oder die 4) sich hernach während zehn Jahre im Reiche aufhallen, oder die 5) vom Storthinge naturalisirt werden. Doch können Fremde zu Lehrern bei der Universität und den gelehrten Schulen, zu Aerzten und Consuln an fremden Orten bestellt werden. Keiner kann zu einem Oberbeamten ernannt werden, ehe er 30 Jahre alt ist, noch zu einer Magistratsperson, zum Unterrichter und Vogt, ehe er 25 Jahre alt ist.
§. 93. Norwegen haftet für keine andre Schuld, als seine eigne Nationalschuld.
§. 94. Es soll veranstaltet werden, daß auf dem ersten, oder, wenn dies nicht möglich ist, auf dem zweiten ordentlichen Storthing ein neues allgemeines Civil- und Criminalgesetzbuch gegeben wird. Inzwischen bleiben die jetzt geltenden Gesetze des Staats in Kraft, insofern sie diesem Grundgesetze oder den inzwischen erlassenen provisorischen Anordnungen nicht widerstreiten. Die gegenwärtigen permanenten Schätzungen bleiben ebenfalls bis zum nächsten Storthing.
§. 95. Keine Disspensationen, Protectoria, Moratoria oder Erhebungen dürfen bewilligt werden, nachdem das neue allgemeine Gesetz in Kraft gesetzt ist.
[489] §. 96. Keiner kann gerichtet werden als nach dem Gesetze, noch anders als nach Urtheil bestraft werden. Die peinliche Frage darf nicht Statt finden.
§. 97. Keinem Gesetze darf rückwirkende Kraft gegeben werden.
§. 98. Mit den Sporteln, die an die Bedienten des Gerichts erlegt werden, dürfen keine Abgaben an die Staatskasse verbunden seyn.
§. 99. Keiner kann eingezogen und gefangen gehalten werden, außer in den vom Gesetze bestimmten Fällen und auf die durch die Gesetze vorgeschriebene Weise. Für unbefugten Arrest, oder ungesetzlichen Aufenthalt stehet der Beikommende den Gefangenen zur Rechenschaft. Die Regierung ist nicht berechtigt, die militairische Macht gegen Mitglieder des Staats anzuwenden, außer in den von der Gesetzgebung bestimmten Formen; es wäre denn, daß eine Versammlung die öffentliche Ruhe störte, und sie sich nicht augenblicklich trennte, nachdem die den Aufruhr betreffenden Artikel des Landesgesetzes das drittemal laut von der Civilobrigkeit verlesen sind.
§. 100. Die Druckfreiheit soll Statt finden. Keiner kann wegen irgend einer Schrift, die er hat drucken oder herausgeben lassen, von welchem Inhalte sie auch seyn mag, gestraft werden, wofern er nicht selbst vorsätzlich und offenbar Ungehorsam gegen die Gesetze, Geringschätzung der Religion, Sittlichkeit, oder der constitutionellen Gewalten, oder Widersetzlichkeit gegen deren Befehle an den Tag gelegt oder andere dazu gereizt, oder falsche und ehrenkränkende Beschuldigungen gegen Jemand vorgebracht hat. Freimüthige Aeußerungen über die Verwaltung des Staats oder irgend einen andern Gegenstand sind einem jeden erlaubt.
§. 101. Neue und beständige Beschränkungen der Nahrungsfreiheit dürfen in Zukunft niemals für Jemand erlassen werden.
§. 102. Hausinquisitionen dürfen nicht Statt finden, außer in Criminalfällen.
§. 103. Denjenigen, die hiernach falliren, wird keine Freistätte zugestanden.
§. 104. Eigenthum und Grundbesitz kann in keinem Falle verwirkt werden.
[490] §. 105. Erfordert das Bedürfniß des Staats, daß einer sein bewegliches oder unbewegliches Eigenthum zu öffentlichem Gebrauche hergiebt; so gebührt ihm aus der Staatekasse voller Ersatz.
§. 106. Sowohl die Kaufsummen als die Einkünfte der geistlichen Beneficien und Güter sollen bloß zum Besten der Geistlichkeit und zur Beförderung der Aufklärung angewandt werden. Das Eigenthum milder Stiftungen kann nur zu deren Nutzen verwandt werden.
§. 107. Das Odels- und Aasaedesrecht[WS 4] soll nicht aufgehoben werden. Die nähern Bedingungen, unter welchen es zum größten Nutzen für den Staat und zum Besten des Landvolks beibehalten werden soll, werden von dem ersten oder dem nächstfolgenden Storthinge bestimmt.
§. 108. In Zukunft sollen keine Grafschaften, Baronien, Stammhäuser und Fideicommisse errichtet werden.
§. 109. Jeder Bürger des Staats ist im Allgemeinen gleich verpflichtet, eine gewisse Zeitlang sein Vaterland zu vertheidigen, ohne Hinsicht auf Geburt oder Vermögen. Die Anwendung dieses Grundsatzes, und die Einschränkungen, denen sie unterzogen werden muß, so wie die Bestimmung, inwiefern es für das Reich dienlich ist, daß die Vertheidigungs- und Wehrpflicht mit dem 25. Jahre aufhöre, wird der Entscheidung des ersten ordentlichen Storthings überlassen, nachdem durch eine Committee alle Aufklärungen erlangt sind. Inzwischen verbleiben die jetzt geltenden Bestimmungen in Kraft.
§. 110. Norwegen behält seine eigne Bank und sein Münzwesen, welche Einrichtungen durch das Gesetz bestimmt werden.
§. 111. Norwegen hat das Recht seine eigne Kauffahrteiflagge zu haben. Seine Kriegsflagge bleibt eine Unionsflagge.
§. 112. Zeigt die Erfahrung, daß irgend ein Theil dieses Grundgesetzes des Königreichs Norwegen verändert werden muß; so soll der Vorschlag dazu auf einem ordentlichen Storthinge vorgelegt und durch den Druck bekannt gemacht werden. Allein es kommt erst dem nächsten ordentlichen Storthing zu, zu bestimmen, ob die vorgeschlagene Veränderung Statt finden soll oder nicht. Doch muß solche [491] Veränderung niemals den Principien dieses Grundgesetzes widerstreiten, sondern allein Modificationen in einzelnen Bestimmungen betreffen, die den Geist dieser Constitution nicht verändern; auch müssen zwei Drittheile des Storthings in solcher Veränderung einig seyn.
Christiania, in Norwegens außerordentlichem Storthing, den 4. Nov. 1814.
Christie,
(L. S.) p. t. Präsident.
L. Weidemann.
Daß das Grundgesetz des Norwegischen Reichs, wie es Wort für Wort vorgeschrieben steht – mit Vorbehalt des constitutionellen Rechts der Schwedischen Reichsstände in den Stücken, welche Veränderungen oder Modificationen in der Regierungsform des Schwedischen Reichs mit sich führen – zwischen unserm Allergnädigsten Könige und Herrn, Karl dem Dreizehnten, Könige von Schweden, Norwegen, der Gothen und Wenden etc. durch uns unterzeichnete, bevollmächtigte Commissaire vor Höchstdessen Augen und dem jetzt in Christiania versammelten außerordentlichen Storthinge des Norwegischen Reichs verhandelt und beschlossen worden: wird hierdurch mit unsern Namensunterschriften und untergedruckten Siegeln attestirt und bekräftigt.
Christiania, den 4. Nov. 1814.
M. Rosenblad.
B. v. Platen. Graf Wetterstedt.
G. F. Wirsén. A. G. Mörner.
C. v. Rosenstein. J. D. Valerius.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Gesetzlich|lichkeit
- ↑ Vorlage: Stifsörter
- ↑ Vorlage: mitheilen
- ↑ Vorlage: Ockls- und Aasardesrecht (vgl. Braekstad: The Constitution of the Kingdom of Norway. London 1905, S. 49 Internet Archive)