An die Sonne
Preis dir, die du dorten heraufstrahlst, Tochter des Himmels!
Preis dem lieblichen Glanz
Deines Lächelns, der alles begrüsset und alles erfreuet!
Trüb in Schauern und Nacht
Lang dem lechzenden Blik:
Aber liebevoll stiegst du früh aus dem rosigen Schoose
Deiner Wolken empor,
Wektest uns auf die Morgenröthe; und freundlich
Ueber die Berg’ und verkündete deine süsse Hervorkunft.
Schnell begann nun das Graun
Sich zu wälzen dahin in ungeheuern Gebürgen.
Dann erschienest du selbst,
Ach! wie Liebende nun
Lange getrennt liebäugelt der Himmel zur Erden, und diese
Lächelt zum Liebling empor;
Und es küssen die Wolken am Saume der Höhe die Hügel;
Alle Fluren baden in deines Angesichts Abglanz
Sich; und es wirbelt der Chor
Des Gevögels aus der vergoldeten Grüne der Wälder
Freudenlieder hinauf;
Seelig die ganze Natur!
Und dieß alles o Sonn’! entquoll deiner himmlischen Liebe.
Vater der Heil’gen vergieb,
O vergieb mir, daß ich auf mein Angesicht falle
Aber nun schwebet sie fort im Zug der Purpurgewölke
Ueber der Könige Reich,
Ueber die unabsehbarn Wasser, über das Weltall:
Unter ihr werden zu Staub
Ach! die Erde ist selbst
Grabeshügel geworden. Sie aber bleibt in der Höhe,
Lächelt der Mörderin Zeit
Und erfüllet ihr groses Geschäft, erleuchtet die Sphären.
Herrlichstes Fürbild der Edeln! mit mildem freundlichem Blicke
Unsre Wohnung, bis einst
Vor dem Schelten des Ewigen sinken die Sterne
Und du selbsten erbleichst.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Die Autorschaft des Textes ist nicht zu hundert Prozent geklärt. Eduard Bülow ordnet die Chiffre W. einem nicht genannten Freund Schillers zu, mit der Begründung, die Texte unter diesem Kürzel haben weder Uebung in der Form, noch poetische Anschauung und sie stammen wahrscheinlich insgesammt von einem jungen erregbaren Freunde Schillers her, der sich von dem Schwunge des Dichters mit in die Höhe reißen ließ und nur oben nicht auf eignen Füßen stehen konnte, sondern platt hinfiel.
Auch Eduard Boas schließt Schiller aus, da die Texte dieser Chiffre zwar wortreich[e], aber gedankenarm[e] seien. Er vermutet eher Petersen als Verfasser dieser Oden.
Allerdings befindet sich laut Aug. Henneberger eine ältere Fassung des Gedichts im Nachlass von Christophine Reinwald, der Schwester von Friedrich Schiller. (Mitgeteilt in Aug. Henneberger: Dtsch. Museum 1859, S. 778 u. 945.) Dies veranlasste Edmund Goetze das Gedicht – sowie alle weiteren Texte, die das Kürzel W. tragen – Schiller zuzuordnen.
Genaueres in:- Edmund Goetze: Grundrisz zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen von Karl Goedeke. Zweite ganz neu bearbeitete Auflage. Fünfter Band - Vom siebenjährigen bis zum Weltkriege. Zweite Abteilung. Dresden: Verlag von L. Ehlermann, 1893, Seite 166f.
- Eduard Boas; Wendelin von Maltzahn (Hrsg.): Schiller’s Jugendjahre. – Zweiter Band. Hannover: Carl Rümpler, 1856. Seite 198 f.
- Friedrich Schiller; Eduard Bülow (Hrsg.): Anthologie auf das Jahr 1782 von Friedrich Schiller — Mit einer einleitenden Abhandlung über das Dämonische und einem Anhange neu herausgegeben von Eduard Bülow. Heidelberg: Verlag von Bangel & Schmitt; Hoffmeister’sche Univ.-Buchhandlung, 1850. Seite XXXIX.