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ADB:Printzen, Marquard Ludwig Freiherr von

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Artikel „Printzen, Marquard Ludwig Freiherr von“ von Albert Naudé in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 26 (1888), S. 596–600, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Printzen,_Marquard_Ludwig_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 17:20 Uhr UTC)
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Printzen: Marquard Ludwig Freiherr v. P., preußischer Diplomat, Oberhofmarschall, Chef der Verwaltung der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten unter König Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I. P. wurde am 14. April 1675 zu Berching im Bisthum Eichstädt geboren, woselbst sein Vater, der kurbrandenburgische Generalmajor Johann Friedrich v. P., die Winterquartiere bezogen hatte. Schon mit 13 Jahren, am 4. October 1688, auf der Universität zu Frankfurt immatriculirt, studirte P. 6 Jahre unter Becmann, Lith und dem älteren Cocceji, schrieb eine Abhandlung „de tutelis principum“ und begab sich darnach, dem Brauche der Zeit folgend, auf Reisen in das Ausland, nach Holland – dort besuchte er die Utrechter Universität – nach England, Italien und Oesterreich. Frühzeitig trat P., der schon als Student die Aufmerksamkeit des Kurfürsten erregt [597] hatte, in den brandenburgischen Staatsdienst ein, außerordentlich schnell gelangte er zu den höchsten Stellungen. Er begann als Diplomat. 1698 weilte er in Mitau am Hofe der verwittweten Herzogin von Kurland, einer Schwester Friedrichs III., um der Wittwe in der Verwaltung des Landes mit seinem Rathe beizustehen. Im Herbste desselben Jahres betraute der Kurfürst den 23jährigen mit dem wichtigen Gesandtschaftsposten in Moskau; rasch gewann P. die Gunst des Czaren Peter, bald zählte er zu den nahen Vertrauten desselben. Im J. 1699 zum Schloßhauptmann ernannt, ging P. als Gesandter an den Hof von Cassel, doch schon am Schlusse des folgenden Jahres kehrte er nach Rußland zurück. Auf der Reise nach Moskau entledigte er sich zunächst in Mitau der vom Kurfürsten ihm mitgegebenen Aufträge, begab sich alsdann in das sächsische Lager vor Riga und ebenso in die belagerte, von den Schweden vertheidigte Stadt. Es war Printzen’s Werk, daß Peter I. den neuen König von Preußen sogleich mit vieler Bereitwilligkeit anerkannte, am 5. Juli (st. vet.) 1701 wurde P. in feierlicher glänzender Audienz von dem russischen Herrscher als königlicher Abgesandter empfangen. Jedoch dem feingebildeten jungen Deutschen behagte nicht das wilde Treiben am Moskauer Hofe; obschon der Czar ihn vielfach auszeichnete und den St. Andreasorden ihm verlieh, so erbat er doch noch im J. 1701 seine Abberufung, um endlich wieder „ein ordentliches Leben“ führen zu können. Nach der Heimkehr aus Rußland wurde P. nach Bayreuth gesandt zur Hochzeit der Herzoginwittwe von Kurland mit dem Markgrafen von Bayreuth. Hier in Franken ist P. zum ersten Male in geistlichen Angelegenheiten thätig, auf dem Gebiete, auf welchem er die Hauptwirksamkeit seines reiferen Mannesalters entfalten sollte; er setzte es bei dem strenglutherischen Magistrate von Nürnberg durch, daß den Reformirten der öffentliche Gottesdienst in der Vorstadt zugestanden ward. Nach dem Tode von Fuchs (s. A. D. B. VIII, 170) ward P. im J. 1704 zum Director des Lehnswesens ernannt, und am 22. Mai 1705, erst 30 Jahre alt, zum Wirkl. Geheimen Staats- und Kriegsrath, zum Mitgliede der höchsten Regierungsbehörde in Preußen, befördert. Zugleich mit der letzteren Würde empfing P. ein neues Gehalt von 4000 Thalern, und da er die Schloßhauptmannschaft „nebst allen Emolumentis“ beibehielt, so berechnete man seine öffentlichen Einnahmen damals auf 11 bis 12000 Thaler.

Während des nordischen Krieges nahm der König wiederholt die erprobte diplomatische Geschicklichkeit Printzen’s und seine in den Angelegenheiten des Ostens erworbene Erfahrung in Anspruch. Karl XII. hatte die größten Nachbarländer Preußens überwältigt, hatte Polen erobert und Stanislaus Lesczinski zum Könige wählen lassen, hatte die Sachsen besiegt und das Kurfürstenthum mit seinem Heere besetzt; schon befürchtete man eine Vereinigung zwischen den Schweden und den in Süddeutschland eingedrungenen Franzosen. Da die preußischen Truppen in Oberitalien gegen Frankreich fochten, so war Friedrich I. bei einem etwaigen Zwiespalt mit Schweden zum Widerstand wenig gerüstet, er suchte sich daher dem siegreichen Schwedenkönige zu nähern, er plante ein Tripelallianz zwischen Schweden, Preußen und Kurbraunschweig zum Schutze der evangelischen Glaubensgenossen in Schlesien, Ungarn und der Pfalz, er hoffte gegen Anerkennung des neuen polnischen Königs von Karl XII. den Erwerb der Stadt Elbing, des Bisthums Ermland und eines mehr oder weniger großen Verbindungsstriches zwischen Pommern und Altpreußen zu erlangen. In diesen Fragen sollte P. mit dem König von Schweden unterhandeln; viermal ward er an Karl XII. abgesandt, im August 1705 nach Warschau, im September und November 1706, sowie im Mai 1707 in das schwedische Hauptquartier in Sachsen. Printzen’s Aufgabe war schwierig und bot wenig Aussicht auf Erfolg, er hatte Vieles zu fordern, nur Geringes zu bieten. Die Tripelallianz kam nicht zu Stande, von den Erwerbungen [598] in Polnisch-Preußen mußte man absehen; immerhin aber hielten die Missionen Printzen’s ein leidliches Verhältniß zwischen den beiden Mächten aufrecht, der preußische Hof sprach im Februar 1707 die Anerkennung des Stanislaus aus, und Karl XII. erkannte Preußens Recht auf die Stadt Elbing an. Friedrich I., so wenig er von dem Ergebniß der Unterhandlungen befriedigt war, würdigte doch die Bemühungen Printzen’s, er verlieh ihm im J. 1706 den neugestifteten Orden vom Schwarzen Adler.

Printzen widmete sich von jetzt an ausschließlich der inneren Verwaltung; eine stark ausgesprochene Neigung führte ihn zur Beschäftigung mit den Kirchen- und Schulangelegenheiten. Wiewohl ein erklärter Gegner des am Ruder befindlichen Ministeriums der drei Reichsgrafen, stieg er doch in den folgenden Jahren von Stufe zu Stufe, es wurden ihm nach und nach alle die höheren Aemter übertragen, die in das Gebiet der geistlichen und Unterrichts-Angelegenheiten fielen. 1707 ward er Decernent für die Universitäten, im folgenden Jahre Verwalter des Mons Pietatis, 1709 Präsident des kurmärkischen Consistoriums, Director des Kirchenraths am Dom, Director des Joachimsthalschen Gymnasiums und Curator für alle preußischen Universitäten, 1710 Protector der Societät der Wissenschaften, 1711 Director des Oranienburgischen Waisenhauses, 1713 Präsident des neu errichteten reformirten Oberkirchendirectoriums, welches die sämmtlichen evangelisch-reformirten Gemeinden des preußischen Staates, mit Ausnahme derer in Cleve-Mark-Ravensberg, zum ersten Mal zu einer Einheit zusammenschloß, am 14. September 1714 auch Präsident des französisch–reformitten Oberconsistoriums, 1718 Director der königlichen Bibliothek, der Antiquitäten und Medaillen, der Naturalien und der Kunstkammer, endlich 1724 Director des Obercollegium Medicum. P., der selbst aus einer reformirten Familie stammte, hat sich besonders um die Entwicklung der evangelisch-reformirten Kirchen- und Schulverfassung in Preußen vielfache Verdienste erworben; wenige Monate, nachdem er der neuen reformirten Oberbehörde vorgesetzt war, erschien am 24. October 1713 das „ewig währende pragmatische Gesetz der reformirten Kirche“, die „königlich-preußische evangelisch-reformirte Inspections-, Presbyterial-, Classical-Gymnasien- und Schulordnung.“ (Mylius I, 1. S. 447 ff.) Auf die Thätigkeit Printzen’s für Kirche und Schule in Preußen kann hier nur hingewiesen werden, sie verdiente wol im Einzelnen noch aufgeklärt zu werden. Zusammen mit dem Kronprinzen, mit Ilgen und Kameke bildete P. die Opposition gegen die gewissenlose Wirthschaft des Grafen Kolbe v. Wartenberg. Ausgangs des Jahres 1710 wurde Wartenberg gestürzt. P. empfing den Auftrag, den arg verwahrlosten Zustand der Hofrentei zu untersuchen und die maßlosen Ausgaben für Küche und Keller einzuschränken. 1712 erhielt P. neben seinen vielen Würden auch das früher von Wittgenstein verwaltete Amt eines Oberhofmarschalls. Und nicht bloß als Gesandter, als Leiter von Kirche, Schule, Universität und als Vorsteher des Hofstaates ist P. thätig gewesen, auch im auswärtigen Ministerium, im Justiz- und Steuerwesen hat er zeitweise mit Hand angelegt: der Wirkungskreis der höchsten Beamten in Preußen war noch kein fest umschlossener, Männer von hervorragender Geschäftskenntniß und von erprobter Redlichkeit fanden Verwendung in den verschiedensten Zweigen der Verwaltung. Als Friedrich Wilhelm I. nach seiner Thronbesteigung im Cabinetsministerium (dem Departement der auswärtigen Affairen) das Collegialsystcm zum ersten Mal einrichtete, bestellte er P. und Christoph v. Dohna neben Rüdiger v. Ilgen zu Cabinetsministern. Bei der Reform des Kammergerichts gehörte P. der für diese Reform eingesetzten Commission an, zu der Reorganisation des General-Commissariats wurde er herangezogen, er unterzeichnete neben Kameke und Ilgen das neue Reglement vom 7. März. 1712. Um das verrottete Finanzwesen der Städte zu ordnen, setzte Friedrich [599] Wilhelm I. außerordentliche Commissionen ein, 1712 ist P. für das Steuerwesen in Magdeburg thätig, 1714–16 arbeitet er in Gemeinschaft mit Kraut, um die Berliner Stadtverwaltung zu prüfen und in geregelte Bahnen überzuleiten.

Der Charakter Printzen’s erscheint in den Urtheilen der Zeitgenossen in einem sehr günstigen Lichte. Bei keinem andern der damaligen preußischen Beamten – und welch’ hervorragende Männer sammelten sich um Friedrich Wilhelm I. – werden die persönlichen Vorzüge so einstimmig anerkannt. Als besonders hervorstechender Zug galt bei P. seine große Frömmigkeit, sein festes Gottvertrauen; in den Mußestunden bildete seine Lieblingslectüre die alte Hausbibel, welche mit Gebeten und Familienaufzeichnungen von seiner Hand gefüllt war, allein in den Jahren 1714–1725 soll er 22 mal die Bibel von Anfang bis zu Ende durchgelesen haben; mit regem Eifer sorgte er für eine christliche Erziehung seiner Kinder; auf seinen Landgütern galt es ihm als erste Pflicht, daß allerorten eine Kirche erbaut wurde. Gerühmt wird seine gründliche Gelehrsamkeit auch in weltlichen Dingen, besonders in den Rechten und in den humanistischen Wissenschaften, vor den Gelehrten besaß er viele Hochachtung, und dieselbe blieb von der Gegenseite nicht unerwidert: der Kanzler Ludewig in Halle widmete ihm seine vermischten Schriften. Schon als Student zeichnete sich P. vor den Altersgenossen aus: als Kurfürst Friedrich III. die Frankfurter Universität mit seinem Besuche beehrte, da ward der „schöne Printzen“ als der gelehrteste, der fleißigste und der schönste auserkoren, um im Namen derer von Adel den Landesherrn in einer Ansprache zu bewillkommnen. Mit kurzen, treffenden Worten wird P. in seiner Grabschrift genannt: religionis stator. pietatis exemplar. bonarum litterarum et solidae eruditionis non patronus magis quam ipse cultor. Ein Wohlthäter der Armen kam er mit Freundlichkeit auch dem geringen Manne entgegen; in höheren Kreisen war sein Umgang geschätzt wegen seiner feinen gewählten Formen, die den vollendeten Hofmann bekundeten. In der That alles Eigenschaften, die es wohl erklärlich machen, daß gerade P. als Vorsteher des Hofstaates und als oberster Leiter von Kirchen und frommen Stiftungen, von Schulen und Universitäten ausgewählt wurde; für die Prüfung und Ordnung in anderen Verwaltungszweigen hingegen empfahlen ihn seine allseitig anerkannte Lauterkeit und sein praktischer Geschäftssinn. Ilgen erklärte wohl dem Könige: P. könnten Se. Majestät nicht entbehren, wenn anders die Geschäfte vorwärts gehen sollten. Mit Freimuth trat P. seinem königlichen Herrn entgegen, die Neuerungen Friedrich Wilhelms im Lehnswesen dünkten ihm ungerecht, er tadelte sie und bat um den Abschied. „Nein, mein lieber Printzen“, so soll Friedrich Wilhelm geantwortet haben, „nichts als der Tod soll uns scheiden.“ Und das Wort des Königs ging in Erfüllung. Bis zum letzten Tage seines Lebens verblieb der treue Diener in seinen zahlreichen Aemtern. Ein früher Tod raffte den unermüdlich thätigen schon mit 50 Jahren dahin: er starb in Berlin am 8. November 1725.

Der Tod Printzen’s rief eine ganze Litteratur über ihn hervor; die preußischen Universitäten, die Societät der Wissenschaften und verschiedene Geistliche beeiferten sich ihren geschiedenen Schutzherrn zu feiern. Gute Nachrichten über Printzen’s Leben enthält die „Gedächtniß-Schrift etc.“ von Elsner, dem Rector des Joachimsthalschen Gymnasiums; in zweiter Linie kommen in Betracht die allerdings etwas panegyrisch gehaltenen: „Oratio funebris Francofurtana“ von Prof. Westermann, die „Oratio Duisburgensis“ von Prof. Withof, die in der Berliner Societät von Prof. Gundling gelesene „Laudatio funebris“. (Diese sowie eine Anzahl von poetischen Nachrufen gesammelt als: „Wohlverdientes Ehrengedächtniß dem … Printzen aufgerichtet.“ Berlin, Grynaeus. Folioband 8 u. 1874 der Berliner kgl. Bibliothek.) Im Laufe des 18. Jahrhunderts erschienen mehrfach [600] größere und kleinere Biographien. Zunächst erschien das wol sicher von David Faßmann herrührende: Todtengespräch zwischen Printzen und dem Kanzler Distelmeyer (das Exemplar der kgl. Bibliothek ohne Jahreszahl), darin auch ein Bildniß Printzen’s. Der Freiherr v. Loën gab 1749 in seinen „Kleinen Schriften“ (Bd. I, S. 33 ff.) eine Charakterzeichnung. Die Lebensbeschreibungen in der „Collectio“ von Küster (1731, Bd. I, Th. 4. S. 24 ff.), in Moser’s „Patriotischem Archiv“ (1784, Bd. I, S. 344 ff.), in den „Charakterzügen aus dem Leben Friedrich Wilhelm’s I.“ (1789, Bd. X, S. 63 ff.), die meisten Angaben in Cosmar-Klaproth’s „Staatsrath“ (1805, S. 394 ff.) sind direct oder indirect aus Elsner oder Loën übernommen.

Von neueren Werken sind für einzelne Begebenheiten aus Printzen’s Leben zu vergleichen: Droysen, Preuß. Politik, Bd. IV, 1 u. 2. – Isaacsohn, Preuß. Beamtenthun, Bd. II u. III. – Schmoller, Städtewesen unter Friedrich Wilhelm, Th. IV, Zeitschr. f. preuß. Gesch. Bd. XI. – Lehmann, Preußen u. d. kathol. Kirche, woselbst eine größere Zahl von Schriftstückrn aus der Zeit von Printzen’s Verwaltung abgedruckt sind. – Neben den gedruckten Werken sind in obiger Darstellung die Acten des kgl. Geh. Staatsarchives in Berlin benutzt.