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ADB:Franck, Sebastian (spiritualistischer Schriftsteller)

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Artikel „Franck, Sebastian“ von Franz Weinkauff in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 214–219, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Franck,_Sebastian_(spiritualistischer_Schriftsteller)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 21:12 Uhr UTC)
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Band 7 (1878), S. 214–219 (Quelle).
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Franck: Sebastian F., geboren in der schwäbischen Reichsstadt Donauwörth 1499 – er nannte sich in seinen Schriften F. von Wörd, Francus Wördensis –, gestorben in Basel 1542. Seine Familienverhältnisse und frühesten Lebensschicksale sind unbekannt. Durch einen Brief M. Frecht’s, Pfarrers in Ulm, an den Straßburger Reformator M. Butzer (30. October 1533) steht fest, daß F. als ihr „notus sodalis“ in dem der Universität incorporirten Dominicanercolleg zu Heidelberg seine theologischen und humanistischen Studien betrieben und vollendet hat, während sie beide auch an der Universität immatriculirt waren; Frecht war Student 1514–18, Butzer, seit 1517 Baccalaureus der Theologie, magister studentium des Collegs. F., um 1524 geweihter katholischer Priester im Bisthum Augsburg, ward später evangelischer Prädicant im nürnbergischen [215] Flecken Gustenfelden; befreundet und gleichgesinnt mit dem strenglutherischen Gegner der „Schwärmer“ (Schweizer) Althamer übersetzte er dessen „Diallage“ („Vereinigung der streitigen Sprüche in der heil. Schrift“, Nürnberg 1528) und bekämpfte den Mißbrauch der Lehre vom Glauben, noch stärker in dem Büchlein „Vom Laster der Trunkenheit“ (o. O. 1528. 1531 u. ö.), worin er klagt, daß noch nirgend eine wahre apostolische Gemeinde, mit Bann gegen die offenen Sünder, zu finden sei. Zerfallen mit dem Luthertum und (wie Frecht ihn später beschuldigt) der Täuferei verdächtig, wol weil er mit Johann Brenz die Gewaltmaßregeln gegen die Täufer mißbilligte, verzichtete er auf sein Amt und lebte in Nürnberg, seit dem 17. März 1528 verheirathet mit Ottilia Behaim, wahrscheinlich einer Schwester der bekannten Schüler Dürer’s.[1] Die Reichsstadt Nürnberg, der Sitz des Reichsregiments, der Mittelpunkt aller Bestrebungen in Kunst und Wissenschaft, der Tummelplatz der verschiedensten reformatorischen Geister, bot ihm für seine historischen und ethnographischen Studien litterarische Hülfsmittel und anregenden Umgang und für die Weiterentwicklung seiner Ansichten einen gewaltigen Denkstoff. Im Herbste des Theuerungsjahres 1529 nach der in religiösen Dingen am freiesten gesinnten Reichsstadt Straßburg übergesiedelt, mit Bünderlin, Schwenckfeld, Servet, Campan befreundet, mit den Täufern wohlbekannt, gab er daselbst im Jan. 1530 eine „Türkenchronik“ und am 5. September 1531 eine „Chronica, Zeitbuch und Geschichtbibel“ heraus, worin er im Gegensatz zu den drei antipapistischen sich gegenseitig verketzernden Parteien der Lutherischen, Zwinglischen und Täufer die anbrechende Richtung eines freien unparteiischen unsectischen Christenthums der Gesinnung und des Lebens, einer unsichtbaren geistlichen von Gott selbst unmittelbar regierten, alle Gläubigen und Gottliebenden unter allen Völkern umfassenden Kirche vertrat. In dieser Welt- und Kirchengeschichte, welche in 3 Theilen die Welt vor Christus, die Kaiser und weltlichen Historien, die Päpste und die geistlichen Händel schildert, waren die heidnischen Sibyllen, Philosophen und Poeten ebenbürtig neben die jüdischen Propheten gestellt, die auf eine nationale, religiöse, sociale Umgestaltung zielenden Grundgedanken der reformatorischen Bewegung durch Auszüge aus den Schriften den Erasmus, Hutten’s, der Reformatoren, Radicalen, Täufer und „Ketzer“ dargelegt, das Papstthum wegen der „heidnischen“ Mißbräuche und der Entstellungen des Urchristenthums als der überführte Antichrist behandelt, Luther’s Hartnäckigkeit in der Abendmahlsfrage getadelt, die Lehren der Täufer vielfach widerlegt, jedoch der unbedingten Religionsfreiheit das Wort geredet und der Obrigkeit das Recht zur Todesstrafe an sogenannten Irrgläubigen oder Ketzern offen abgesprochen. Als Erasmus, wol durch Butzer aufmerksam gemacht und verhetzt, sich beim Straßburger Rath über diese aufrührerische Chronik beklagte, in der er als Ketzer figurire, wurde F. gefänglich eingezogen, am 30. December 1531 mit Weib und Kind aus der Stadt gewiesen und der Verkauf der Chronik untersagt, auch sein von Kehl aus im Frühjahr 1532 gestelltes Gesuch, ihm die Rückkehr und den Druck des „Weltbuchs“ (als 4. Theil der Chronik) zu gestatten, abgeschlagen und allen Buchhändlern verboten, dies Werk in Verlag zu nehmen. F. zog nach der Reichsstadt Eßlingen, ernährte sich als Seifensieder und gewann sich Freunde unter den Räthen des Reichskammergerichtes. Im Sommer 1533 kam er mit seiner Waare nach der Reichsstadt Ulm, erwarb sich die Gunst des Bürgermeisters Bernhard Besserer und seines Sohnes Georg und erhielt durch ihre Fürsprache beim Rath die Erlaubniß, sich daselbst niederzulassen. Zur Beruhigung der Geistlichen hatte er, da ein passender Nachfolger für den am 20. Juni d. J. verstorbenen Hauptprediger Conrad Sam noch nicht gefunden war, in seiner Supplik an den Rath sich ausdrücklich jedes kirchliche Amt verbeten, da er als unabhängiger und freier [216] Mann sich der Schriftstellerei widmen wolle. Im Sommer 1534 war er in Hans Varnier’s Druckerei beschäftigt und zwar mit zwei eigenen Werken, den „Paradoxa“ (280 Sätze einer „göttlichen Philosophie und deutschen Theologie“) und einer Verdeutschung von Erasmus’ „Encomion Moriae“ (mit drei theologischen Anhängen). Zu gleicher Zeit ließ er bei Ulrich Morhart in Tübingen, mit des würtembergischen Reformators Ambr. Blaurer’s Erlaubniß, das „Weltbuch“ oder die „Cosmographei“ erscheinen,, eine Beschreibung der Länder und Völker, ihrer Sitten, Religionen und Einrichtungen in 4 Theilen; der letzte handelte von dem neuentdeckten Amerika. Am 28. October 1534 schenkte ihm der Rath, trotz Frecht’s geheimer Abmahnungen, auf sein Ansuchen das Bürgerrecht, unter der Bedingung, daß er nicht in des Kaisers oder des Königs Ungnade fallen und keine gefährlichen Bücher abfassen dürfe. Als nun Varnier die beiden Bücher, ohne die Censur und Zulassung Frecht’s und der andern Schulpfleger einzuholen, auf die Frankfurter Herbstmesse brachte, so klagte Frecht, dem F. die ersten vier Paradoxen als Probe zugeschickt, brieflich über den „verdächtigen F.“ bei Butzer, welcher damals mit Melanchthon die Wittenberger Concordie plante. Ein Schreiben des von Melanchthon aufgehetzten Landgrafen Philipp von Hessen an Ulms „Fünf-Geheimen“ drohte, falls man nicht den Aufrührer und Wiedertäufer ausweise, mit Aufkündigung des freundschaftlichen Verhältnisses. Als am 3. Mai 1535 der Bürgermeister Jörg Besserer ohne jedes Verhör F. die Ausweisung ankündigte, wandte sich dieser als rechtmäßiger Bürger an den Rath (Anfang Juni), legte seine Unschuld dar und erklärte gegen kaiserliche Ungnade durch fortdauernde Freundschaft mit Räthen des Kaisers und des Königs sicher gestellt zu sein. Man solle ihm nur noch den Druck seiner „Germania“ oder „Chronik der Deutschen“ gestatten, da er die Schriftstellerei aufgeben und eine Buchdruckerei anlegen wolle. Gegen Frecht und die Schulpfleger vertheidigte er sich in einer ausführlichen Declaration und Apologie an den Rath (3. Septbr.), indem er sich zugleich über die freie Gütergemeinschaft der Christen und über die sächsische Concordie aussprach. Als Frecht, von Butzer und Bullinger aufgestachelt, einen förmlichen Widerruf und die eidliche Verpflichtung zu 10 von Butzer aufgestellten Artikeln verlangte und diese Confession und Revocation durch den Druck zu veröffentlichen beabsichtigte, erklärte B. Besserer in seinem Bedenken (30. October): daß der Rath selbst diese Artikel nicht glaube und annehme, überhaupt nicht gesonnen sei, wieder unter die alte geistliche Zwingherrschaft gerathen zu wollen; es genüge Franck’s Zustimmung zur Ulmer Kirchenordnung, keinesfalls aber solle er vertrieben werden. Auch der Rath entschied auf Franck’s Bittschrift zu seinen Gunsten (5. November). F. versprach nichts wider die Prädicanten zu schreiben und weder Eigenes noch Fremdes ohne Censur zu drucken. So betrieb nun F. vom Herbst 1535 bis Sommer 1538 die Buchdruckerei und hatte stattliches Auskommen. Die abgewiesenen Widersacher suchten, zumal seit Frecht mit seinen geistlichen „Vätern“ Butzer und Blaurer die Wittenberger Concordie (Ende Mai 1536) mitunterzeichnet hatte, sich dadurch an F. zu rächen, daß sie ihm materiell schadeten, indem sie in der Regel seine eigenen größeren Schriften unter nichtigen Gründen zurückwiesen, so daß er sich gezwungen sah, sie an fremde Verleger „umb ein Badgeld zu verschlaudern“; so seine „Germania“ (erschienen im August 1538 o. O.), seine „Guldin Arch“ (die Hauptpunkte des Christenglaubens mit Stellen der Bibel, Kirchenväter und heidnischen Denker und Dichter bewährt), sein „Verschlossen Buch“ (eine Bibelconcordanz mit Hervorhebung der Widersprüche). Als am 13. Mai 1538 die „Guldin Arch“ in Augsburg bei G. Steyner erschien (schon am 1. August erfolgte ein zweiter Abdruck) und in der Vorrede die ewige Artikelmacherei der Gelehrten und der vom praktischen christlichen Leben ablenkende Sacramentsstreit getadelt und das apostolische [217] Glaubensbekenntniß und die zehn Gebote als die allein nöthigen Stücke eines Christen aufgestellt waren, da erhob sich ein neuer Sturm gegen F. wie gegen den in Ulm weilenden Schwenckfeld. Wiederum erkannte man ohne jedes mündliche oder schriftliche Verhör F. das Bürgerrecht ab (15. Juli 1538); dagegen protestirte er in einer Supplik an den Rath (26. Juli) „in die Luft“, da er die Anklagen der Widersacher nicht kenne. Seine Zusage von 1535, nichts ohne die Censurverordneten zu drucken, habe er gehalten und, wie der Rath selbst, nur vom Druck in Ulm verstanden. Zu seiner „Arch“ habe er die Erlaubniß der Augsburger Censoren, zu seiner „Germania“ die des ganzen Rathes in Frankfurt. Für den Nachdruck seiner Bücher sei er nicht verantwortlich, zumal dies ohne sein Wissen, Willen und Genieß geschehe. Er bat auf seine Familienverhältnisse Rücksicht zu nehmen, auf sein schwaches Weib, das erst neulich wie vom Tod wieder auferstanden, nachdem sie anderthalb Jahr in Contract gelegen, auf seine vier unerzogenen Kinder, deren drei bürgerlich zünftig in Ulm geboren seien. Vergebens versuchte die für die Angelegenheiten Franck’s und Schwenckfeld’s ernannte Commission einen friedlichen Vergleich. Frecht wollte den Wittenbergern zeigen, daß Ulms vielgeschmähte und verdächtigte Geistlichkeit durchaus mit diesen „Sectirern“ nicht colludire oder mitheuchele. Auf der Kanzel wurde geschimpft und getobt; vor dem Rathe in Eingaben, die F. nie zu Gesicht bekam, Franck’s Leben und Schriftstellerei roh und leidenschaftlich angegriffen und verleumdet, ja selbst eine offenbare Lüge nicht gescheut. Als dennoch der Rath mit seiner Endentscheidung zögerte, reichte Frecht mit sämmtlichen Geistlichen die Bitte um ihren Abschied ein. So sah sich der Rath gezwungen, sowol Schwenckfeld als F. den Aufenthalt in Ulm zu kündigen (8. Januar 1539). F. zog am 10. Juli mit Weib und Kind (drei Knaben, 2 Mädchen, das älteste Kind 7 Jahr alt, das jüngste, „Christoffer“, am 15. Mai 1539 geboren) nach Basel, wo er sich mit dem Buchdrucker Nicolaus Brylinger vergesellschafte. In ihrem gemeinsamen Verlag erschien ein lateinisch-griechisches Neues Testament: „Basileae apud N. Brylinger et S. F.“, 1541, 8., ein zweiter Abdruck 1542, 8.; im J. 1543 druckt dasselbe Brylinger schon allein ohne F. Seinen Verfolgern und „falschen Brüdern“ antwortete F. in seinem „Verschlossen Buch“ o. O. 1539 mit einer milden und frommen „Apologie“ seiner Werke und durch eine „Schriftgemäße Auslegung des Psalm 74“ gegen die falschen Zungen und Ehrabschneider. Den Hofpredigern, die jeden Krieg der Fürsten „heiligten“, wies er in seinem „Kriegbüchlein des Friedens – wider den Krieg“, o. O. 1539 (er nannte sich Friedreich Wernstreit, d. h. wehre den Streit) nach, wie der Krieg nicht in das Reich Christi gehöre und als ein teuflisch, viehisch, unmenschlich Ding Land und Leute verderbe, während durch Friede, Liebe und Einigkeit Seele, Leib, Ehre und Gut gefördert werde. Frecht erhielt für seinen rechtgläubigen Eifer auf dem Theologenconvent zu Schmalkalden (25. März 1540) die glänzendste Genugthuung. Er brachte die von Melanchthon’s Hand geschriebene Declaratio sammt einer deutschen Paraphrase heim, wornach die Gläubigen vor dem irrigen Rottengeist Franck’s und der satanischen Ketzerei Schwenckfeld’s gewarnt und ihnen das Ansehen der von der Obrigkeit verordneten Prediger eingeschärft wurde. Jeder müsse sich zu einem äußerlichen Haufen halten und nur diesen für die alleinseligmachende Kirche Christi anerkennen; dürfe aber nicht mit F. glauben, daß alle äußeren Confessionen und Kirchen von gleichem Werthe seien, daß man den Glaubensbekenntnissen (Symbolen) keine die Gewissen bindende Gewalt geben dürfe, oder daß in allen Secten der Christenheit sich wahre Christen fänden.

Franck’s letzte Werke waren: „Die deutschen Sprichwörter“, Frankfurt 1541, und eine zweite, verbesserte Auflage der „Paradoxa“, o. O. im August 1542. [218] Die nachgelassene Schrift „Vom Reiche Christi“ ist nur in holländischer Uebersetzung (Gouda 1600) bekannt. Erst nach Franck’s Tod erschien Luther’s Verdammung des „Beelzebub“, als Vorrede zu Freder’s „Dialogus dem Ehestand zu Ehren“ (sächsisch 1543, hochdeutsch 1545), welchen F. in seinen „Sprichwörtern“ geschmäht haben sollte. Das größte Lob Franck’s als eines ächten freien Protestanten liegt gerade in Luther’s Vorwurf, daß F. sich zum Richter und Meister mache über den Buchstaben der heil. Schrift und alles nach dem Geiste beurtheile, daß er es gewagt habe, nach eigenem Ermessen und Erkennen zu leben, zu denken und zu fühlen und seiner selbst Meister zu sein. Melanchthon pflegte den „giftigen Feind der Fürsten und Gelehrten“ vor seinen Studenten lächerlich zu machen als Indoctae Francus conditor historiae. F. hat als makelloser Charakter und geistreicher Selbstdenker vorgezogen, lieber in Armuth und Noth zu leben, als seine gewonnene Ueberzeugung zu opfern und um des Gewinnstes oder der Ruhe willen auf eines Meisters Worte zu schwören; er hat als volksthümlicher Schriftsteller die Grundgedanken der Reformation festgehalten und ohne die „Bauernempörung“ zu billigen, die freieren socialen und politischen Anschauungen vertheidigt; er hat als „treuer Eckart“ dem deutschen Volke, das er liebte, „den Laien“ von protestantischem Standpunkt aus zuerst eine Weltchronik, eine Erdbeschreibung, eine Geschichte des deutschen Vaterlandes in musterhaftem Deutsch geboten, das Nationallaster der Trunksucht und die Kriegslust der Fürsten als Quellen alles socialen Unheils bekämpft und die Sprichwörter als „des Volkes Weisheit“ (nach Agricola’s Vorgang) gesammelt und geistvoll erklärt. Freilich hat er auch mit kühnem Freimuth der Fürsten Tyrannei, Raubgier und Liederlichkeit als ihrem Adler und Thierwappen entsprechend gezeichnet, den Geburtsadel als ein heidnisch Stücklein, die Landsknechte und den Schwarm der unnützen Beamten als eine Landplage, den wankelmüthigen, in Glaubenssachen dem Fürsten blind folgenden „Herr Omnes“ als unsinnigen „Pöbel“ und die Monarchie als eine von Gott aus Noth nach der Sündflut über die böse verdorbene Welt verhängte Staatsverfassung dargestellt, dagegen die socialen und politischen Einrichtungen der Reichsstädte, in denen er lebte, zumal ihre Armenpflege gerühmt, den Krieg unter den Christen wie die Todesstrafe gegen Verbrecher verworfen und die Grundsätze allgemeiner Geistes- und Gewissensfreiheit, wie eines freien, in christlicher Mildthätigkeit sich äußernden Communismus gepredigt. Er hat dem Dünkel der Gelehrten und dem Fanatismus der Parteien, ihrem lieblos verketzernden Buchstabendienst und obrigkeitlich privilegirten Kirchenthum die Wärme eines gotterfüllten menschenliebenden Herzens entgegengesetzt, das in weitherziger Glaubensduldung das christliche Leben nicht blos in jeder evangelischen Confession, sondern auch Papisten, Juden und Türken noch als liebe Brüder anerkannte und mit der Zeit durch Gottes Weltregierung eine Annäherung und Versöhnung erhoffte. Er hat stets von den Autoritäten und Büchern hinweg auf Gott als „die selbständige wesentliche Wahrheit“ und auf das Zeugniß unsers Herzens und der innern Erfahrung hingewiesen, und bei allen religiösen und nationalen Verschiedenheiten die Einheit und Gleichheit des Menschengeschlechtes und die All-Liebe des unparteiischen Gottes betont, der in der Geschichte und der Natur – beide „ein offenes Buch und lebendige Bibel“ – noch leichter zu erkennen sei als in seinem Wort.

Seine stets von unparteiischer Wahrheitsliebe zeugenden und überall des Lesers freies Urtheil herausfordernden Schriften haben, in vielen Ausgaben bis in das 17. Jahrh. wiederholt gedruckt, der wachsenden Intoleranz, Priesterherrschsucht und Dogmenverknöcherung lange Zeit kräftig entgegengewirkt und in holländischer Uebersetzung bei dem Glaubenskampf der Niederlande gegen die spanische Tyrannei und Inquisition als Waffe und Trost gedient.

[219] K. Hagen, Deutschlands litterarische und religiöse Verhältnisse im Reformationszeitalter, Bd. III. S. 314–96. – H. Bischof, S. F. und die deutsche Geschichtsschreibung, 1857. – C. A. Hase, S. F. der Schwarmgeist, 1869. – F. Latendorf, S. F.’s erste namenlose Sprichwörtersammlung vom J. 1532, m. Erläut. u. cultur- u. litteraturgeschichtl. Beilagen, 1876. Vgl. dazu die ausführliche und neues Material liefernde Rec. in der Jenaer Lit. Zeit. 1877, Nr. 22. – Uebersicht der ganzen Litteratur über F. u. kritisches Verzeichniß der Schriften von F. in Birlinger’s Alemannia, 1876, fg.: S. F. von Donauwerd, nach urkundlichen Quellen.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 215. Z. 11 v. o.: Ottilia Behaim wird wol nicht Schwester der beiden Gebrüder, Schüler Dürer’s, gewesen sein, vielmehr eine Schwester des Georg Behaim, Pfarrers und Propsts zu St. Lorenzen und des Lorenz Behaim, s. Allg. D. Biogr. II. S. 276. Sie war vorher mit Wolfgang Eisen, einem reichen Kaufmann, verheirathet und durch dessen 1524 erfolgten kinderlosen Tod eine begehrungswerthe Partie. Ihrer wird auch von Pastor Seidemann S. 31 in seinem „Jakob Schenk“ gedacht. Daß Ottilia sich nicht nach ihres Mannes, auch eines Eingewanderten, Namen, sondern nach ihres Vaters Namen nannte, ist ein Vorgang, der auch sonst vorkommt. [Bd. 7, S. 796]