Wulfenit

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wulfenit
gelbliche, tafelige Wulfenit-Kristalle aus der „San Francisco Mine“, Sonora, Mexiko
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Wul[1]

Andere Namen
  • Gelbbleierz
  • Melinose
  • Molybdän-Bleierz
  • Molybdän-Bleispat
  • Molybdängelb[2]
Chemische Formel Pb[MoO4]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VI/G.01
VI/G.01-030

7.GA.05
48.01.03.01
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal
Kristallklasse; Symbol tetragonal-dipyramidal; 4/m[3]
Raumgruppe I41/a (Nr. 88)Vorlage:Raumgruppe/88[4]
Gitterparameter a = 5,43 Å; c = 12,11 Å[4]
Formeleinheiten Z = 4[4]
Häufige Kristallflächen tafelig nach [001], pyramidal {011}[5]
Zwillingsbildung Kontaktzwillinge nach {001}
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5 bis 3
Dichte (g/cm3) gemessen: 6,5 bis 7,5; berechnet: 6,88 bis 7,48[5]
Spaltbarkeit deutlich nach {011}; undeutlich nach {001} und {013}[5]
Bruch; Tenazität schwach muschelig bis uneben; spröde
Farbe gelb, orange, rot; selten farblos, hell- bis dunkelblau, grünlich, rötlichbraun bis schwarz
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis undurchsichtig
Glanz Fettglanz bis Diamantglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nω = 2,405[6]
nε = 2,283[6]
Doppelbrechung δ = 0,122[6]
Optischer Charakter einachsig negativ[6]
Achsenwinkel 2V = 8° (gemessen)[6]

Wulfenit, auch als Molybdän-Bleierz bzw. -Bleispat, Gelbbleierz oder auch Molybdängelb bekannt, ist ein häufig vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfate (und Verwandte, siehe Klassifikation)“. Es kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem mit der idealisierten chemischen Zusammensetzung Pb[MoO4], ist also chemisch gesehen ein Blei-Molybdat.

Wulfenit ist durchsichtig bis durchscheinend und entwickelt meist dünne, tafelige oder bipyramidale Kristalle, kann aber auch in körnigen bis derben Aggregaten auftreten. Sichtbare Kristallflächen weisen einen fettähnlichen bis diamantähnlichen Glanz auf. Die Farbe von Wulfenit variiert überwiegend zwischen gelb, orange und rot.

Etymologie und Geschichte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wulfenit wurde erstmals im Jahre 1785 in Bad Bleiberg im österreichischen Bundesland Kärnten gefunden und nach seinem Erstbeschreiber Franz Xaver Freiherr von Wulfen (1728–1805) benannt, einem österreichischen Naturforscher.

Anlässlich des 175. Jubiläums seiner Namensgebung wurde Wulfenit 2020 zum „Mineral des Jahres“ in Österreich gewählt und die Gültigkeitszeit aufgrund eingeschränkter Durchführbarkeit öffentlicher Aktionen während der COVID-19-Pandemie auch auf das Jahr 2021 verlängert.[7]

In der zuletzt 1977 überarbeiteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Wulfenit zur Mineralklasse der „Sulfate, Chromate, Molybdate, Wolframate“ und dort zur Abteilung der „Molybdate und Wolframate“, wo er zusammen mit Paraniit-(Y), Powellit, Scheelit und Stolzit die „Scheelit-Gruppe“ mit der System-Nr. VI/G.01 bildete.

Die von der International Mineralogical Association (IMA) verwendete 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Wulfenit in die erweiterte Klasse der „Sulfate (einschließlich Selenate, Tellurate, Chromate, Molybdate und Wolframate)“ und dort in die Abteilung der „Molybdate und Wolframate“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der möglichen Anwesenheit zusätzlicher Anionen und Kristallwasser, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Ohne zusätzliche Anionen oder H2O“ zu finden ist, wo es zusammen mit Fergusonit-(Ce), Fergusonit-(Nd), Fergusonit-(Y), Formanit-(Y), Powellit, Scheelit und Stolzit die unbenannte Gruppe 7.GA.05 bildet.

Die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Wulfenit dagegen in die Klasse der „Phosphate, Arsenate und Vanadate“ und dort in die Abteilung der „Molybdate und Wolframate“ ein. Hier ist er zusammen mit Stolzit in der nach ihm benannten „Wulfenit-Reihe“ mit der System-Nr. 48.01.03 innerhalb der Unterabteilung „Wasserfreie Molybdate und Wolframate mit A XO4“ zu finden.

Kristallstruktur

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wulfenit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem in der Raumgruppe I41/a (Raumgruppen-Nr. 88)Vorlage:Raumgruppe/88 mit den Gitterparametern a = 5,43 Å und c = 12,11 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Farbloser, durchscheinender Wulfenit

In reiner Form ist Wulfenit farblos und durchsichtig bzw. durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung auch weiß. Durch Fremdbeimengungen von Calcium, Vanadium, Arsen, Chrom und/oder Titan kann er jedoch eine große Bandbreite an Farben annehmen, die von Hellgelb über Orange nach Rot reicht. Auch hell- bis dunkelblaue, grünliche, rötlichbraune bis schwarze Kristalle sind bekannt.

Wulfenit wird durch Säuren zersetzt und bildet mit Schwefelsäure und Ethanol eine blaue Lösung. Vor dem Lötrohr zerknistert Wulfenit und schmilzt leicht. Zusammen mit Kohle kann er zu Blei reduziert werden.[8]

Modifikationen und Varietäten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die bisher einzige bekannte Varietät ist der wolframhaltige Chillagit. Dieser wurde erstmals im Kupfer-, Blei- und Silbertagebau Christmas Gift nahe Chillagoe im australischen Bundesstaat Queensland entdeckt und 1912 durch Albert Thomas Ullman zunächst als neue Mineralart beschrieben.[9] Neuere Untersuchungen durch Christine M. Jury, Peter Leverett, Peter A. Williams, Ian R. Plimer und David E. Hibbs konnten allerdings nachweisen, dass Chillagit ein Mischkristall der Reihe Wulfenit–Stolzit (Pb[WO4]) mit der entsprechenden Mischformel Pb[(Mo,W)O4] ist.[10]

Bildung und Fundorte

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Perfekte, dipyramidale Wulfenite mit in der Mitte anhängenden Calcitkriställchen aus der „Ojuela Mine“, Durango, Mexiko

Als typisches Sekundärmineral bildet sich Wulfenit durch Oxidation aus Galenit. Begleitminerale sind Anglesit, Cerussit, Vanadinit und andere. Häufig treten auch Pseudomorphosen von Wulfenit nach Galenit, Cerussit und Anglesit auf.

Als häufige Mineralbildung ist Wulfenit an vielen Fundorten anzutreffen, wobei bisher (Stand 2013) rund 1600 Fundorte als bekannt gelten.[11] Neben seiner Typlokalität Bad Bleiberg wurde das Mineral in Österreich unter anderem noch an vielen weiteren Orten in den Gailtaler Alpen, Karnischen Alpen, Gurktaler Alpen, Karawanken und den Hohen Tauern von Kärnten bis Salzburg, bei Annaberg und anderen Stellen in Niederösterreich, bei Kaltenegg und Arzberg am Semmering in den Fischbacher Alpen und dem Obertalbach-Tal in der Steiermark sowie an verschiedenen Orten in Tirol gefunden.

In Deutschland fand man Wulfenit an vielen Stellen im Schwarzwald in Baden-Württemberg, an einigen Stellen in Niederbayern, Oberbayern und der Oberpfalz, an einigen Fundpunkten im hessischen Odenwald, in der Umgebung von Düren und Mechernich in der Eifel sowie bei Velbert und Flandersbach (Region Flandersbach) in Nordrhein-Westfalen; bei Dannenfels, Imsbach und Nothweiler in Rheinland-Pfalz; bei Neudorf und Straßberg in Sachsen-Anhalt; an vielen Orten im sächsischen Erzgebirge sowie bei Neumühle/Elster, Gräfenroda und Weitisberga in Thüringen.

Weitere Fundorte liegen unter anderem in Algerien, Argentinien, Australien, Belgien, Bolivien, Chile, China, Deutschland, Frankreich, Gabun, Italien, Kanada, Demokratische Republik Kongo, Marokko, Namibia, Norwegen, Tschechien, Vereinigtes Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[12]

Durchsichtig-roter, dicktafeliger Wulfenit in Schmucksteinqualität

Bei lokaler Anhäufung wird Wulfenit aufgrund seines hohen Blei- und Molybdängehaltes als Erz abgebaut. Auch wenn Wulfenit mitunter schöne und klare Kristalle ausbildet, ist er als Schmuckstein für die kommerzielle Schmuckindustrie aufgrund seiner geringen Härte uninteressant. Von versierten Hobbyschleifern facettiert kann er für Sammler dennoch zu einem begehrten Tausch- oder Kaufobjekt werden.[13][14]

Anwendung findet Wulfenit als aktiver Kristall in akustooptischen Modulatoren, bei denen durch akustische Wellen Dichteschwankungen im Kristall erzeugt werden. Diese Dichteschwankungen wirken dann wie ein optisches Gitter und lenken Teile der einfallenden Lichtstrahlen je nach akustischer Frequenz ab.

  • W. Haidinger: Handbuch der Bestimmenden Mineralogie, enthaltend die Terminologie, Systematik, Nomenklatur und Charakteristik der Naturgeschichte des Mineralreiches. Braumüller & Seidel, Wien 1845, S. 499–506 (rruff.info [PDF; 512 kB; abgerufen am 24. September 2018]).
  • Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 620–621 (Erstausgabe: 1891).
  • C. Lugli, Luca Medici, D. Saccardo: Natural wulfenite: structural refinement by single-crystal X-ray diffraction. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Monatshefte. Band 6, Nr. 6, 1999, S. 281–288 (englisch).
  • Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 153.
Commons: Wulfenit – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Wulfenit – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
  • Mineralstand Kärnten. Wulfenit. In: www.indra-g.at. Indra Günther, Februar 2012; (Mineral-Kurzbeschreibung und Literaturliste).

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 3. August 2024]).
  2. Archiv der Pharmazie, Jahresausgabe 1841, S. 204 Volltext in der Google-Buchsuche
  3. David Barthelmy: Wulfenite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 3. August 2024 (englisch).
  4. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 419 (englisch).
  5. a b c Wulfenite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 54 kB; abgerufen am 3. August 2024]).
  6. a b c d e Wulfenite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 3. August 2024 (englisch).
  7. Das Mineral des Jahres 2021: Wulfenit. In: mineraldesjahres.at. Archiv der „Arbeitsgemeinschaft Mineral des Jahres“, abgerufen am 3. August 2024.
  8. Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 620 (Erstausgabe: 1891).
  9. A. T. Ullmann: A new mineral. In: Journal and Proceedings of the Royal Society of New South Wales. Band 46, 1912, S. 186 (englisch, online verfügbar auf biodiversitylibrary.org [abgerufen am 31. Oktober 2018]).
  10. Christine M. Jury, Peter Leverett, Peter A. Williams, Ian R. Plimer, David E. Hibbs: Mineralogical note: the status of 'chillagite'. In: Australian journal of mineralogy. Band 7, Nr. 1, 2001, S. 39 (englisch, Abstract bei der Western Sydney University online [abgerufen am 31. Oktober 2018]).
  11. Localities for Wulfenite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 3. August 2024 (englisch).
  12. Fundortliste für Wulfenit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgeerufem am 3. August 2024.
  13. Walter Schumann: Edelsteine und Schmucksteine. Alle Arten und Varietäten. 1900 Einzelstücke. 16., überarbeitete Auflage. BLV Verlag, München 2014, ISBN 978-3-8354-1171-5.
  14. Wulfenit (mit Bildbeispielen geschliffener Wulfenite). In: realgems.org. Abgerufen am 2. August 2024.