Wehrgangkirche Dörnthal
Die Wehrgangkirche Dörnthal ist ein denkmalgeschütztes evangelisch-lutherisches Kirchengebäude in Dörnthal, einem Ortsteil von Olbernhau im Erzgebirgskreis (Sachsen). Die Fachliteratur bezeichnet seit 1957 eine Gruppe von Wehrkirchen in den Orten Dörnthal, Großrückerswalde, Lauterbach und Mittelsaida, irrtümlich als Wehrgangkirche; richtiger ist Wehrkirche, weil diese Kirchen keinen Wehrgang, sondern ein auf den steinernen Außenmauern ruhendes komplettes Blockbau-Wehrgeschoss aufweisen.[1] Das Gebäude ist eine der ältesten Kirchen im mittleren Erzgebirge.[2]
Geschichte und Architektur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Einwohner errichteten Wehrkirchen im Allgemeinen auf Anhöhen, da sie Angriffe dort sicherer abwehren konnten. Bei den erzgebirgischen Wehrgangkirchen überragt das massive Untergeschoss ein – zum Teil auch überkragender – Aufbau, der mit einer Balkenlage zum teilweise abgeschlossenen Wehrgang wird. Der Wehrgang stammt aus der Zeit um 1500.[3] Die Stämme der zwei Meter hohen Blockwand sind bis zu 38 cm stark, darin sind für kniende Verteidigung Schießscharten und Öffnungen eingesägt. Als Verteidigungswaffen dienten Jauche, heißes Wasser, Steine und andere geeignete Mittel.[4]
Die 1346 errichtete Kirche in Dörnthal steht auf einem Hügel in einer Höhe von 635 m im Oberen Dorf.[3] Der Wehrgang ist nach allen Seiten abgeschlossen.[5] Von 1520 bis 1539 wurde der heutige Altarraum als polygonaler Anbau an der Ostseite ausgeführt.[4] Auf der Rückseite des Gebäudes befindet sich ein bei Renovierungsarbeiten freigelegter Fries mit der Jahreszahl 1581.[4] Dem Dach wurde 1610 ein Dachreiter aufgesetzt, der 1773 und 1857 erneuert wurde. Der spitzbogige, profilierte Türstock an der Südseite des Kirchenschiffes weist auf eine Entstehung im 13. Jahrhundert hin.[5] Den heutigen Eingang der Kirche bildet das sogenannte Vorhäusel aus dem 17. Jahrhundert,[4] der barocke Dachreiter stammt aus dem 18. Jahrhundert.[5] Die Kassettendecke aus der Zeit um 1500 gilt als ein wichtiger Bestandteil der Kirche, geschmückt mit sechsblättrigen Rosen und Heiligenbildern.[5] Die Decke, dem Zeitgeschmack entsprechend 1847 verputzt, wurde 1932 wieder freigelegt.[4] Den Altarraum überspannt ein Schlingrippengewölbe. Kleine Rippenbogen schmücken kleine Köpfe, ihre Mitte Kreuzblumenmotive.[4]
Ausstattung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Kanzel ist eine Arbeit des 16. Jahrhunderts
- Der Altar wurde um 1500 angefertigt, er ist dreiflügelig ausgeführt. Im Mittelteil werden die Darstellungen der Heiligen Laurentius, Martinus und Erasmus gezeigt. Links davon ist die Mutter Anna mit Maria und Jesus als Kind und rechts der Apostel Johannes zu sehen. Eine Restaurierung der Flügelrückseiten wurde nicht vorgenommen, die vorhandenen Reste wurden gesichert.
- Das Taufbecken aus Sandstein wurde 1610 angefertigt und von Elisabeth von Steinberg gestiftet[4]
- Die Orgel mit dem vergoldeten Prospekt wurde von 1843 bis 1847 vom Orgelbauer Carl Gottfried Jeheber (1800–1855) aus Dresden aufgestellt.[5] Sie verfügt über 15 Register auf zwei Manualen und Pedal.[6]
Glocken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das ursprüngliche Glockengeläut von 1894 wurde im Ersten Weltkrieg als kriegswichtig beschlagnahmt und danach zeitnah erneuert. Diese Glocken wurden im Zweiten Weltkrieg ebenfalls zu Rüstungszwecken entfernt. 1957 wurden neue Eisenhartgussglocken gegossen, die aufgrund des rostenden Materials keine lange Lebensdauer haben und deshalb erneuert werden sollten.[4] 2008 wurden drei neue, von der Glockengießerei Grassmayr in Innsbruck gegossenen Glocken aus Bronze zum ersten Mal geläutet.[7] Die drei Bronzeglocken hängen in einem Glockenstuhl, der wie auch die Glockenjoche aus Eichenholz gefertigt ist und für die neuen Glocken ertüchtigt wurde.[8]
Im Folgenden eine Datenübersicht des Geläutes:[8]
Glocke | Durchmesser | Masse | Schlagton |
---|---|---|---|
1 | 1080 mm | 775 kg | g′ |
2 | 906 mm | 460 kg | b′ |
3 | 832 mm | 390 kg | c″ |
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde. Hrsg.: Evangelischen Landeskirchenamt Sachsens. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, ISBN 978-3-374-02871-9, S. 287 (Mit einem Geleitwort von Jochen Bohl und Fotografien von Klaus-Peter Meißner).
- Werner Spickenreuther Erzgebirgische Wehrgangkirchen (= Das Christliche Denkmal. Heft 78). 4., überarbeitete Auflage. Union Verlag VOB, Berlin 1986, DNB 860837777; 5. Auflage: Berliner Verlagsanstalt, Berlin 1990, ISBN 3-372-00053-6; [Neuausgabe:] (= Kleine Kunstführer. Nr. 12250; Das Christliche Denkmal. Heft 78). 1. Auflage. Fotos: Constantin Beyer. Schnell und Steiner, Regensburg 1996, ISBN 3-7954-4053-X.
- Yves Hoffmann: Baugeschichtliche Untersuchungen an den erzgebirgischen Wehrkirchen zu Dörnthal, Großrückerswalde, Lauterbach und Mittelsaida. In: Dirk Höhne und Reinhard Schmitt (Hrsg.): Wehrhafte Kirchen und befestigte Kirchhöfe. Langenweißbach 2015, ISBN 978-395741-025-2, S. 201–230.
- Yves Hoffmann: Die keramischen Kopfkonsolen im spätgotischen Chor der Wehrkirche zu Dörnthal im Erzgebirge. In: Regina Smolnik (Hrsg.): Keramik in Mitteldeutschland – Stand der Forschung und Perspektiven (= Veröffentlichungen des Landesamtes für Archäologie. 57). Dresden 2012, S. 215–226.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Sehenswertes im Ortsteil Dörnthal – Wehrkirche. In: echt-erzgebirge.de. Gemeindeverwaltung Pfaffroda, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 5. Mai 2016 .
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Yves Hoffmann und Stan Lindner: Zur Sanierung und zu baugeschichtlichen Untersuchungen an der Wehrkirche zu Mittelsaida im Erzgebirge. In: Burgenforschung aus Sachsen. 18/2 (2005), ZDB-ID 1130530-7, S. 92–122.
- ↑ Wehrgangkirche. Großrückerswalde. In: denkmalschutz.de, abgerufen am 1. Juni 2021 (Wehrgangkirche Dörnthal erwähnt).
- ↑ a b Wehrkirche in Dörnthal. In: ins-erzgebirge.de, abgerufen am 1. Juni 2021 (Baujahr der Kirche, Bauzeit des Wehrganges).
- ↑ a b c d e f g h Wehrkirche Dörnthal. In: Adventskalender der TU Chemnitz 2006. TU Chemnitz, abgerufen am 1. Juni 2021 (Texte und Fotos: Verteidigungsmittel, freigelegtes Fries von 1581, Umgestaltung der Kassettendecke, Gewölbe im Altarraum, Stifterin des Taufsteines, Geläut).
- ↑ a b c d e Sehenswertes im Ortsteil Dörnthal – Wehrkirche. In: echt-erzgebirge.de. Gemeindeverwaltung Pfaffroda, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 5. Mai 2016; abgerufen am 1. Juni 2021 (zu Dachreiter, Türstock, Kassettendecke, Kanzel, Altar, Taufbecken und Orgel).
- ↑ Orgel Databank: Dörntal, Sachsen - Wehrkirche; hier auch Abbildung der Orgel und ihre Disposition.
- ↑ Wilfried Saworski: Dörnthaler weihen ihre neuen Kirchenglocken. In: Freie Presse. 3. Juli 2008, abgerufen am 1. Juni 2021 (Artikelanfang frei abrufbar).
- ↑ a b Rainer Thümmel: Glocken in Sachsen. Klang zwischen Himmel und Erde. Hrsg.: Evangelischen Landeskirchenamt Sachsens. 2., aktualisierte und ergänzte Auflage. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2015, ISBN 978-3-374-02871-9, S. 305 (Mit einem Geleitwort von Jochen Bohl und Fotografien von Klaus-Peter Meißner).
Koordinaten: 50° 44′ 14,6″ N, 13° 21′ 27,7″ O