Sprossvokal
Der Sprossvokal (auch: Anaptyxe, griechisch ἀνάπτυξις anáptyxis „Entfaltung“; sanskr. Svarabhakti, „der Vokal aus der mittleren Reihe“) ist eine Unterkategorie der Lauteinschaltung, also ein Vorgang, bei dem durch Änderung der Silbenstruktur die Aussprache erleichtert wird. Dies geschieht in diesem Falle durch silbenbildenden Einschub eines Vokals, besonders vor l, m und r.
Vorkommen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Sprossvokal ist im Deutschen selten. Allerdings trat das Phänomen vereinzelt vom Übergang des Mittelhochdeutschen zum Frühneuhochdeutschen und Neuhochdeutschen auf.
Beispiele:
- im Affekt: [ ] für „du darfst“
- Dialekt: rheinisch Dorəf für „Dorf“, berlinisch rauəs für „raus“ oder wienerisch Fəloridsduəf für „Floridsdorf“
- als Lautwandelerscheinung: mittelhochdeutsch viure → neuhochdeutsch Feuer (Apokope von auslautendem e und Diphthongierung von iu [ ]).
Sprossvokale finden sich vermehrt bei Deutschlernenden, deren Muttersprache einen weniger ausgeprägten Konsonantenreichtum aufweist. Typischerweise ist anfangs zu beobachten, dass die Schüler versuchen, durch Einschiebung von Sprossvokalen Konsonantencluster leichter sprechbar zu machen.
Beispiele:
- [ ] für „Brot“
- [ ] für „Innsbruck“
- [ ] für „Schnaps“
- [ ] für „Strumpf“
Auch bei Kleinkindern kann man im Zuge des Erstspracherwerbs den ausspracheerleichternden Einsatz von Sprossvokalen beobachten.
Beispiele:
Sandara für „Sandra“
Büst! für „Pst!“
Es ist durchaus möglich, dass eine Anaptyxe in ein neu entstehendes Wort übernommen wird.
Beispiel:
Kuruş (türkische Währungseinheit) aus Groschen
Quellen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werner Abraham: Terminologie zur neueren Linguistik. 2., völlig neu bearb. u. erw. Aufl. Band 2, M–Z. Niemeyer, Tübingen 1988, ISBN 3-484-10605-0.
- Helmut Glück (Hrsg.): Metzler Lexikon Sprache. Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01519-X.