Rasiermesser

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Rasiermesser, hergestellt von DOVO Solingen, einem der weltweit führenden Hersteller von klassischen Rasiermessern.

Ein Rasiermesser ist ein sehr scharfes Messer für die Nassrasur, bestehend aus einer länglichen Stahlklinge und einem Griff. Die Klinge ist zumeist aus rostendem Stahl gefertigt und hohl geschliffen. Für den Griff werden Materialien wie Holz, Perlmutt, Horn oder auch Kunststoff verwendet. Für die Lagerung und den Transport kann die scharfe Klinge in den Griff eingeklappt werden. Rasiermesser dieser modernen Bauart dominierten in der „Goldenen Ära“ des Rasiermessers im 19. Jahrhundert die Nassrasur und werden heute noch von professionellen Barbieren, im privaten Bereich jedoch kaum noch verwendet.

Im Gegensatz zu Rasierhobeln und Systemrasierern fallen bei einem Rasiermesser nach der Anschaffung keine weiteren Kosten für Wechselklingen an. Zudem können mit einem Rasiermesser glattere Rasuren erzielt werden.[1] Jedoch bedarf die Benutzung einer gewissen Übung, um Verletzungen zu vermeiden. Die Klinge muss vor jeder Rasur auf einem Streichriemen abgezogen und in regelmäßigen Abständen nachgeschliffen werden, um die Schärfe der Schneide zu erhalten.

In Abgrenzung zum klassischen Rasiermesser wird ein Rasiermesser mit Wechselklinge als Shavette bezeichnet.

Geschichte

Rasiermesser aus der Bronzezeit

Die ersten Rasiermesser in Europa stammen aus der mittleren Bronzezeit (etwa 1600 v. Chr.) Derartige Funde wurden in Deutschland und Skandinavien relativ häufig gemacht. Die Rasiermesser der Bronzezeit bestehen aus ausgedengelter Bronze und sind messerartig oder halbmondförmig. Man benutzte zwei- und einschneidige Messer. Bei ersteren wurde vorwiegend der Griffteil verziert, bei letzteren auch Blatt und Rücken.

Zur Zeit des Römischen Reiches unterlag die Verwendung von Rasiermessern der jeweiligen Mode; insbesondere von der Regierung Hadrians bis zu den späten Severern und von der Herrschaft des Gallienus zur Römischen Tetrarchie war das Rasieren eine selten geübte Praxis.[2] Rasiermesser bestanden zumeist aus einer Klinge aus Bronze oder gehärtetem Eisen, an deren Ende ein aus verschiedenen Materialien und bisweilen aufwändig verzierter Griff angebracht war.[2] In Pompeji gefundene Exemplare von frühen Klapp-Rasiermessern mit 12 Zentimeter langen trapezförmigen Klingen und Griffen aus Elfenbein gehörten als Luxusobjekte zum Hausstand höherer Schichten.[2]

Stillleben des niederländischen Malers Samuel van Hoogstraten, datiert auf die Jahre zwischen 1666 und 1668. Auf der rechten Bildhälfte ist ein Rasiermesser zu sehen, dass in seiner Form derjenigen heutiger Messer nahekommt.

Rasiermesser in ihrer heutigen Form, bestehend aus einer in den Griff einklappbaren Stahlklinge, sind in Europa bereits für das 17. Jahrhundert nachzuweisen (siehe nebenstehende Abbildung). Mit der Entwicklung eines extrem harten und damit für Rasiermesser besonders geeigneten Gussstahls durch Benjamin Huntsman im 18. Jahrhundert[3] und dem Aufkommen der Serienproduktion im 19. Jahrhundert[4] erreichten Rasiermesser eine weitere Verbreitung als jemals zuvor. Insbesondere Klingen aus Solingen, Sheffield und den französischen Zentren der Messerherstellung dominierten den Markt. Die Zeit zwischen 1800 und 1900 wird gemeinhin auch als die „Goldene Ära“ des Rasiermessers bezeichnet.[5]

Durch die Einführung der von King Camp Gillette entwickelten Rasierhobel mit austauschbarer Klinge in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde das Rasiermesser zurückgedrängt.[6] Die von Gillette hergestellten Rasierklingen mussten nicht mehr nachgeschärft werden und ersparten dem Anwender damit einen bei der Verwendung von Rasiermessern notwendigen Pflegeschritt.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs bekam das Rasiermesser zusätzliche Konkurrenz durch die Erfindung des elektrischen Trockenrasierers. Im Bereich der Nassrasur dominieren heute Systemrasierer, bei denen auswechselbare Baugruppen aus Kunststoff mit bis zu sechs Klingen nach einer mehrmaligen Verwendung weggeworfen werden.

Die klassische Nassrasur mit einem Rasiermesser hat zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine in ihrer Wirkung begrenzte Renaissance erlebt. Insbesondere nach dem Erscheinen des Kinofilms Skyfall, in dem der Hauptdarsteller Daniel Craig von seiner Filmpartnerin mit einem Rasiermesser rasiert wird und diese die Messerrasur mit den Worten „manchmal sind die klassischen Methoden die besten“ (engl. „sometimes the old ways are the best“) kommentiert, konnten einige der europäischen Hersteller von Rasiermessern ihre Absatzzahlen vervielfachen.[7]

Technische Aspekte

Aufbau

Aufbau eines Rasiermessers (5/8 Klinge aus Kohlenstoffstahl mit Rundkopf)

Ein klassisches Rasiermesser besteht grundsätzlich aus zwei Teilen: der Klinge und dem Griff. Die Klinge ist über einen Stift in ihren Schaft mit der Griffschale verbunden. Der Klingenschaft – auch als ‚Erl‘ bezeichnet – läuft in die Angel aus. Diese Fingerhohlung vereinfacht das Ausklappen des Messers und bietet während des Rasierens einem Finger – zumeist dem Ringfinger – Halt. Der Schaft ist häufig mit einem Markenzeichen versehen, das entweder als Gravur oder mittels eines Stempels aufgebracht ist. In einigen Fällen werden auf der Ober- oder Unterseite des Schaftes Einkerbungen angebracht, die ein Verrutschen des Messers verhindern sollen.

Die in der Regel aus besonders schnitthaltigem Kohlenstoffstahl (seltener aus rostfreiem Edelstahl) bestehende Rasiermesserklinge ist üblicherweise mit einem Hohlschliff versehen. Viele moderne Rasiermesserhersteller polieren die Klingen und bringen auf der Vorderseite eine Ätzung mit der Serien- oder Herkunftsbezeichnung an. Besonders hochwertige Klingen wie etwa diejenigen aus der Serie „Bergischer Löwe“ der Solinger Firma DOVO werden auf ihrer Vorderseite mit einer Goldätzung versehen.

Die obere Kante der Klinge wird als ‚Rücken‘ bezeichnet, die untere Kante als ‚Schneide‘. An ihrem Ende läuft die Klinge in den ‚Kopf‘ aus, der unterschiedliche Formen aufweisen kann (mehr dazu siehe unten).

Der Griff des Rasiermessers besteht zumeist aus zwei Schalen, die durch zwei bis drei Metallstifte miteinander verbunden sind. Die Griffschalen können aus Kunststoff, Holz, Perlmutt oder Horn, seltener aus exotischeren Stoffen wie Mammutelfenbein bestehen. Dabei spiegelt sich die Verwendung von hochwertigeren Materialien für den Griff zumeist im Preis des Rasiermessers wider.

Klingentypen

Die verschiedenen Typen von Rasiermesserklingen unterscheidet man auf der Grundlage von drei Merkmalen: der Kopfform der Klinge, der Klingenbreite und dem Schliff der Klinge.

Unterschiedliche Klingenköpfe (hier idealtypisch dargestellt): 1. Gradkopf, 2. Rundkopf, 3. Französischer Kopf, 4. Spanischer Kopf.

Beim Klingenkopf unterscheidet man zwischen

  • Gradkopf – der Kopf läuft an seinen beiden Enden rechtwinklig aus. Diese Kopfform ermöglicht eine präzisiere Konturführung, kann aber bei unsachgemäßer Handhabung des Rasiermessers zu Verletzungen durch die spitzen Enden führen.
  • Rundkopf – der Kopf ist abgerundet. Diese Kopfform wird häufig für Anfänger in der klassischen Nassrasur mit einem Messer empfohlen, da sie keine spitzen Enden aufweist.
  • Französischer Kopf – der Kopf läuft in einem Viertelkreis aus, der sich zum Klingenende hin zuspitzt. Die Konturführung ist ähnlich präzise wie beim Gradkopf.
  • Spanischer Kopf – der Kopf hat einen leichten Radius nach innen, was die Konturführung erleichtern soll.

Die Klingenbreite wird traditionell in Achtel-Zoll (engl. „Inch“) angegeben. Die im Handel verfügbaren Klingen variieren zwischen 3/8 und 7/8 Zoll; schmalere oder breitere Klingen sind sehr selten zu finden. Bei der Rasur nehmen breitere Klingen zwar eine größere Menge an Rasierschaum auf, sind aber im Vergleich zu schmaleren Klingen schwieriger an engen Gesichtspartien – wie etwa dem Bereich zwischen Nase und Oberlippe – zu führen. Die am häufigsten verwendete Klingenbreite ist 5/8 Zoll.[8] Sie ist insbesondere bei Anfängern in der klassischen Nassrasur beliebt.

Die meisten Rasiermesserklingen, die heute in den Handel gelangen, sind mit einem Hohlschliff versehen. Seltener sind solche, die mit einem Flachschliff versehen sind.

Gebrauch und Pflege

Vor der Rasur

Rasiermesser auf einem ledernen Streichriemen

Um eine größtmögliche Effektivität zu garantieren, muss ein Rasiermesser so scharf wie möglich sein. Vor jeder Rasur sollte das Messer deshalb auf einem Streichriemen „abgeledert“ werden, um den feinen Grat der Messerschneide, der nach der letztmaligen Rasur winzige Unebenheiten aufweist, wieder zu glätten.

Das Abledern erfolgt, indem das Rasiermesser flach auf den Streichriemen aufgelegt und dann mit wenig Druck in Richtung Klingenrücken streichend über das Leder gezogen wird. Mittels Auftragen eines speziellen Schleifmittels auf den Streichriemen kann das Rasiermesser zudem in begrenztem Umfang geschärft werden.

Während der Rasur

Zur Vorbereitung der klassischen Nassrasur wird die untere Gesichtshälfte mit einem Rasierpinsel und unter Verwendung von Rasierseife oder Rasiercreme eingeschäumt. Einige Nutzer verwenden vor dem Einschäumen zusätzlich ein spezielles Pre-Shave-Öl, um ein besseres Gleiten der Klinge zu ermöglichen.

Während der Rasur wird das Rasiermesser in einem Winkel von 30° zur Gesichtshaut geführt. Hierzu wird das Rasiermesser so weit aufgeklappt, dass der Griff in einem rechten Winkel zur Klinge steht. Das Rasiermesser kann dann in drei verschiedenen Haltungen festgehalten werden. Bei der „Eins-zu-Eins-Haltung“ liegt allein der Zeigefinger auf dem Erl, dem Schaft des Messers. Bei der „Zwei-zu-Eins-Haltung“ liegen Zeige- und Mittelfinger auf dem Erl. Und bei der „Drei-zu-Eins-Haltung“ liegen Zeige-, Mittel- und Ringfinger auf dem Erl.[9] Wie viele Finger auf dem Erl liegen, ist letztendlich eine Frage der persönlichen Vorliebe und dem Gefühl, mit welcher Haltung die beste Balance zwischen Kontrolle über das Rasiermesser und flexibler Klingenführung erzielt werden kann. Je nach Haltung des Messers liegen die dem Körper abgewandten Finger auf der Hohlung der Angel.

Nach der Rasur

Rasiermesser auf einem Abziehstein

Nach der Rasur bedarf die Klinge spezieller Pflege – sie muss gründlich gereinigt und getrocknet werden. Da Rasiermesser in der Regel nicht aus rostfreiem Stahl bestehen, sind sie besonders anfällig gegenüber Rost. Deshalb sollte die Klinge bei längerer Nichtbenutzung mit einem Waffenöl wie Ballistol eingeölt werden.

Wird ein Rasiermesser nach dem Abziehen am Lederriemen nicht mehr scharf genug für eine Rasur, wird es mit Hilfe eines Abziehsteins (z. B. Belgischer Brocken, Arkansasstein) geschärft. Im Gegensatz zum Abziehen auf dem Lederriemen schleift man beim Abziehen auf dem Stein Material ab.

Zu Zeiten, als die Rasur mit einem Rasiermesser die bevorzugte Methode der Nassrasur war, schafften sich vermögendere Nutzer einen Satz von sieben Messern an.[10] Verkauft wurden diese Messersätze in speziellen Aufbewahrungsbehältnissen, in denen die einzelnen Rasiermesser mit „Sonntag“ bis „Samstag“ gekennzeichnet waren. Laut Phillipp L. Krumholz lag die Anschaffung eines Wochensatzes an Messern darin begründet, dass die über Land ziehenden Scherenschleifer nicht immer verfügbar waren und eine größere Zahl von Messern dafür sorgte, dass zumindest eines von ihnen die für die Rasur ausreichende Schärfe aufwies.[11]

Kulturgeschichte

Rasiermesser in religiösen Ritualen und Vorstellungen

Aschura-Inszenierung (ta’ziya) im Iran

Außerhalb ihres eigentlichen Verwendungszweckes spielen Rasiermesser eine Rolle in verschiedenen religiösen Ritualen und Vorstellungen. So kommt es etwa im Zuge der alljährlich stattfindenden Aschura-Riten zu Ehren des Martyriums des dritten Imams Husain ibn ʿAlī traditionell zu Selbstgeißelungen, bei denen sich einige der teilnehmenden jungen Männer mit Rasiermessern Schnitte im Stirnbereich zufügen lassen.[12] Anschließend gehen die Männer durch die Straßen, um durch die Zurschaustellung ihrer blutgetränkten Kleider und blutverschmierten Gesichter ihre Treue zum schiitischen Glauben zu bezeugen.

Bei buddhistischen Begräbnissen in Japan verwendeten Priester in den 1930er Jahren Rasiermesser im Verlauf des Bestattungsrituals dazu, dem Verstorbenen symbolisch den Kopf zu rasieren.[13] Ebenfalls zur Rasur des Kopfes werden Rasiermesser bis heute auch im Chudakarana (auch: Mundana), einem der Übergangsrituale im Hinduismus eingesetzt. Dabei wird Kindern der Kopf rasiert, um sie auf diese Weise von unerwünschten Eigenschaften aus ihren vorigen Lebens zu befreien und ein neues langes Leben zu garantieren.[14]

Und in den Mythen des westafrikanischen Volkes der Yakuba gibt es eine Erzählung, nach der es in der Urzeit der Menschen zunächst keine Geschlechtsunterschiede gab. Diese seien – so die Erzählung – von Gott geschaffen worden, als er die Menschen verdächtigte, Erdnüsse gestohlen zu haben. Dabei schlitzte Gott jeden der Verdächtigen den Unterleib mit dem Rasiermesser auf. Bei einigen der Verdächtigen fielen Erdnüsse zu Boden, woraufhin Gott diesen Menschen den Unterleib nicht wieder zunähte (in der Erzählung dient dies als Anspielung auf die weibliche Vagina). Den Übrigen, die offenbar keine Erdnüsse gestohlen hatten, nähte er den Unterleib anschließend wieder zu.[15]

Rasiermesser als chirurgisches Werkzeug bei Beschneidung und Geburt

In Ländern, in denen Beschneidungen des Penis (Zirkumzision) oder der Klitoris (Klitoridektomie) üblich sind, fungiert das Rasiermesser häufig als chirurgisches Werkzeug. So ist etwa von der traditionellen Beschneidungszeremonie von neun- bis zehnjährigen Jungen auf Samoa überliefert, dass diese entweder mit einem Rasiermesser, einem Bambusmesser oder einer Glasscherbe vorgenommen wurde.[16] Bei den Efik, einem im Südosten Nigerias lebenden Volk, wurden bis mindestens in die 1950er Jahre die Entfernung der Klitoris sowie die Entfernung der Penisvorhaut mit einem Rasiermesser vorgenommen.[17] Und die in Tunesien lebenden Berber nutzten Rasiermesser in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Durchtrennung der Nabelschnur bei Neugeborenen.[18]

Rasiermesser in der Kriminalitätsgeschichte der Neuzeit

Als Tatwerkzeug oder Waffe wurde das Rasiermesser sowohl von kriminellen Einzeltätern als auch von Gruppen eingesetzt. Im Zuge der Racecourse Wars (dt. Rennbahn-Kriege) setzten englische Banden in den 1920er und 1930er Jahren Rasiermesser als Waffen ein. Gruppen wie die Birmingham Boys fochten blutige Schlachten um die Kontrolle des Pferdewettengeschäfts aus und bauten dabei auf die besonders abschreckende Wirkung der scharfen Rasiermesserklingen.[19] In Australien gingen die organisierten Banden Ende der 1920er Jahre als Razor Gangs in die Geschichte ein. Sie setzten Rasiermesser ein, nachdem der Schusswaffenbesitz in New South Wales durch den Pistol Licensing Act von 1927 eingeschränkt worden war.[20]

Darüber hinaus gibt es Fälle, in denen Rasiermesser von Einzeltätern zur Verstümmelung oder Zerstückelung ihrer Opfer eingesetzt wurden. In Deutschland erregte vor allem die Tat des in Bayreuth stationierten amerikanischen Offiziers Gerald M. Werner Aufsehen, der seine Freundin Ursula im März 1966 im Bad umbrachte und die Bewusstlose dabei mit einem Rasiermesser zerstückelte. Nachdem das Bayreuther Schwurgericht Werner als schuldunfähig von der Mordanschuldigung freigesprochen hatte, bestätigte der Bundesgerichtshof dieses Urteil im April 1967. Beide Urteile riefen in der deutschen Öffentlichkeit heftige Diskussionen hervor.[21]

Rasiermesser in der Weltliteratur

In Edgar Allen Poes Kurzgeschichte The Murders in the Rue Morgue tötet ein Orang Utan eine Frau mit einem Rasiermesser.

In der Weltliteratur gibt es zahlreiche Werke, in denen Rasiermesser eine prominente Rolle für die Handlung spielt. Häufig spielen Rasiermesser dabei eine Rolle als Mordwerkzeug. So etwa in Edgar Allan Poes Kurzgeschichte The Murders in the Rue Morgue, in der ein Orang Utan eine Frau beim Nachahmen des Rasiervorgangs mit einem Rasiermesser tötet. Oder in dem Kriminalroman Das Versprechen von Friedrich Dürrenmatt (nach der Drehbuchvorlage des Films Es geschah am hellichten Tag), in dem ein Mädchen im Wald aufgefunden wird, nachdem es mit einem Rasiermesser ermordet wurde.

Neben der Verwendung in der Kriminalliteratur tauchen Rasiermesser im Zusammenhang mit Mord auch in anderen Werken der Weltliteratur auf. In William Faulkners Roman Light in August wird Joanna Burdon mit einem Rasiermesser getötet und dabei beinahe geköpft. Wobei es laut der Literaturwissenschaftlerin Martha Banta der Glauben von Faulkners Hauptfigur in seine eigene schwarzafrikanische Herkunft ist, das ihn zum Rasiermesser statt zur Pistole greifen lässt.[22] Und in Charles Dickens The Posthumous Papers of the Pickwick Club sinniert einer der Protagonisten darüber nach, seine Frau im Schlaf mit einem Rasiermesser zu töten, lässt aber noch in letzter Sekunde davon ab.

Darüber hinaus spielt das Rasiermesser eine Rolle als Werkzeug zum Selbstmord. In August Strindbergs Tragödie Fröken Julie überzeugt Jean, der Diener des Grafen, Julie davon, Selbstmord zu begehen. In der Schlussszene des Dramas gibt er ihr ein Rasiermesser, woraufhin Julie mit dem Messer in der Hand die Bühne verlässt.

Weiterhin tauchen Rasiermesser in Werken der Weltliteratur in Szenen auf, in denen sich eine männliche Figur rasiert. Mit Bezug auf die prominent am Beginn des Romans Ulysses von James Joyce beschriebene Rasur Buck Mulligans weist Cheryl Temple Herr in ihrem Essay Joyce and the Art of Shaving darauf hin, dass das von Mulligan benutzte Rasiermesser und die Art seiner sehr vorsichtigen Handhabung dem Leser Interpretationsansätze zu Mulligans Charakter bieten.[23]

Und schließlich werden Rasiermesser immer dann in die Handlung eingeführt, wenn es gilt, die besondere Härte ihres Stahls zu betonen. So etwa, wenn Kapitän Ahab in Herman Melvilles Roman Moby-Dick seinen Schiffsschmied anweist, seine Rasiermesser („the best of steel“) zur Anfertigung einer besonders scharfen Harpune zu verwenden.[24]

Über die Verwendung in Werken der Weltliteratur hinaus spielten Rasiermesse auch eine reale Rolle in Selbstmorden von Literaten. So schnitt sich der österreichische Schriftsteller Adalbert Stifter im Jahr 1868 seine Halsschlagader mit einem Rasiermesser auf und der italienische Autor Emilio Salgari beging 1911 mit einem Rasiermesser Selbstmord nach Art des japanischen Seppuku.

Rasiermesser im Film

Eine in ihrer Schockwirkung kaum übertroffene Szene bildet den Auftakt des surrealistischen Films Un chien andalou von Luis Buñuel und Salvador Dalí, der zum ersten Mal 1929 in Paris vorgeführt wurde. Der Schwarzweißfilm beginnt zunächst harmlos mit einer Einblendung der Worte „Il était une fois…“ (dt. „Es war einmal…“), um den nichts ahnenden Zuschauer anschließend mit einer Szene zu konfrontieren, in der ein Mann einer vor ihm sitzenden Frau mit einem Rasiermesser durch den Augapfel schneidet. In der Literatur wird diese Szene als „Angelpunkt“ beschrieben, von dem aus „die Schockwellen des restlichen Films ausströmen“.[25]

In amerikanischen Kinofilmen werden Rasiermesser in Nassrasurszenen häufig dazu eingesetzt, die Männlichkeit der sich rasierenden Figuren zu betonen. Besonders im Gangster-, Western- und Abenteuerfilm-Genre sind eine Reihe bekannter Hollywood-Darsteller wie Edward G. Robinson (Key Largo, 1948), Humphrey Bogart (African Queen, 1951), oder Clint Eastwood (High Plains Drifter, 1973) bei der Messerrasur zu sehen. Mit nur wenigen Ausnahmen wird die Rasur mit dem Messer als eine rein männliche Beschäftigung dargestellt. Wenn Frauen in die Szene einbegriffen sind, dann häufig, um die besondere Gefährlichkeit der Messerrasur zu betonen[26] (etwa, wenn Angie Dickinson ihren Filmpartner Dean Martin in dem 1958 entstandenen Western Rio Bravo rasiert, oder in der Rasurszene des 2012 erschienenen James Bond-Films Skyfall, bei dem Naomie Harris die Halspartie ihres Filmpartners Daniel Craig gegen die Wuchsrichtung der Barthaare rasiert und dies mit den Worten „This is the tricky part“ kommentiert). Vereinzelt wird dabei auch die Rasur mit dem Systemrasierer als „weiblich“ von der als „männlich“ geltenden Messerrasur abgegrenzt (so etwa in dem 1959 erschienenen Film North By Northwest, in dem Cary Grant sich in einem öffentlichen Waschraum mit dem Systemrasierer seiner Filmpartnerin rasiert, während ein neben ihm stehender und ihn in Körpergröße überragender Darsteller eine Messerrasur praktiziert).[26] Und nicht zuletzt findet das im englischsprachigen Kulturraum bisweilen als „cut-throat“ (dt. „Halsabschneider“) bezeichnete Rasiermesser in Hollywood-Filmen auch Verwendung als Waffe (so etwa in dem 2003 erschienene Science-Fiction-Film Matrix Reloaded) oder als Werkzeug (etwa wenn sich Uma Thurman in dem 2004 erschienenen Film Kill Bill – Volume 2 ihre Fesseln mit einem solchen Messer durchschneidet).

Sammlerszene

Sammlerstück: Rasiermesser der englischen Manufaktur Wade & Butcher, Sheffield (gegründet 1820, Produktion eingestellt in 1959)[27]

Insbesondere im anglo-amerikanischen Sprachraum hat sich rund um das Rasiermesser eine Sammlerszene entwickelt, die sich unter anderem über das Internet organisiert. Dabei geht es – wie bei anderen Sammeltätigkeiten auch – in vielen Fällen darum, entweder besonders seltene oder alte und in ihrem Originalzustand erhaltene Stücke zu sammeln.[28] Der Preis der Sammlerstücke wird beim Sammeln von Rasiermessern häufig durch die – bisweilen kunstvoll verzierte – Griffschale bestimmt. Veröffentlichungen wie Roy Ritchies und Ron Stewarts Standard Guide to Razors: Identification and Values (2007 in dritter Auflage erschienen) sowie Robert Doyles Straight Razor Collecting: An Illustrated History and Price Guide (1980) stellen dabei wichtige Hilfsmittel für die Sammler dar.

Weitere Verwendungen des Wortes „Rasiermesser“

In der englischen Sprache wird das Wort „Rasiermesser“ (engl. „razor“) außerhalb seines eigentlichen Sinnzusammenhanges in zwei Bezeichnungen verwendet. Der Begriff „Occam’s Razor“ bezeichnet ein heuristisches Forschungsprinzip aus der Scholastik, das bei der Bildung von erklärenden Hypothesen und Theorien Sparsamkeit gebietet. Das „Rasiermesser“ lässt sich hierbei als Metapher verstehen: Die simpelste und zugleich passende Erklärung ist vorzuziehen, alle anderen werden mit einem Rasiermesser abgeschnitten. Die traditionelle deutsche Bezeichnung für dieses Prinzip lautet allerdings „Ockhams Skalpell“, verwendet mithin ein anderes Schneidwerkzeug zur Verdeutlichung. Darüber hinaus gibt es im Englischen auch den Begriff „Hanlon’s Razor“, der sich als Name der Lebensweisheit „Schreibe nichts der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist“ eingebürgert hat. Dieser Begriff ist von „Occam’s Razor“ inspiriert und taucht erstmalig in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Umfeld der amerikanischen Hacker-Kultur auf.

Liste von Rasiermesserherstellern (Auswahl)

Hersteller Gegründet Standort Land Anmerkungen
Böker 1869 Solingen Deutschland Deutschland Nach Ende des Zweiten Weltkrieges eingestellt, wurde die Fertigung inzwischen wieder aufgenommen
Thiers Issard 1884 Thiers Frankreich Frankreich Einer der führenden Hersteller von Rasiermessern in Europa; verarbeitet Klingen aus Sheffield-Stahl
DOVO 1906 Solingen Deutschland Deutschland Weltweit größter Rasiermesserhersteller
Wacker k.A. Solingen Deutschland Deutschland Rasiermesser aus traditioneller Handarbeit
Mastro Livi k.A. Perugia Italien Italien Familienbetrieb spezialisiert auf Einzelstücke
Robert Williams 2006 East Liverpool Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Einzelstücke aus Handfertigung
Hart Steel 2009 Palm Springs Vereinigte Staaten Vereinigte Staaten Individuelle Rasiermesser nach dem Baukastensystem sowie Einzelstücke

Literatur

Zur Geschichte des Rasiermessers
  • Phillip L. Krumholz: A History of Shaving and Razors. Ad Libs, Bartonville IL 1987.
  • Frank Gnegel, Michael Kriegeskorte (Hrsg.): Bart ab. Zur Geschichte der Selbstrasur. DuMont, Köln 1995, ISBN 3-7701-3596-2.
Zum Gebrauch des Rasiermessers
  • Phillip L. Krumholz: Getting to know your straight razors. Eigenverlag, Bartonville, IL 1999, ISBN 0-9620987-5-2.
  • Shaving made easy. What the man who shaves ought to know. The 20th century correspondence school, New York NY 1905, online abrufbar über das Internet Archive.
Handreichungen für Sammler
  • Roy Ritchie, Ron Stewart: The Standard Guide to Razors. Identification and Values. 3. Auflage. Collector Books, Paducah KY 2007, ISBN 978-1-57432-550-8.
  • Robert A. Doyle: Straight Razor Collecting. An Illustrated History and Price Guide. Collector Books, Paducah KY 1980, ISBN 0-89145-126-9.
Commons: Rasiermesser – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Rasiermesser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Ray A. Smith, In Search of a Perfect Shave. Can New Products and Techniques Make Shaving Better? Calling Out the Myths, in: Wall Street Journal vom 29. August 2012, zuletzt abgerufen am 21. März 2014; Rodney Cutler, The Endorsement: Shaving Every Day, in: Esquire Digital Edition vom 15. Januar 2008, zuletzt abgerufen am 21. März 2014; Susan Semenak, Return of the straight-razor shave (with video). A new generation of barbers is reviving the lost art of the straight-razor shave, in: Montreal Gazette vom 14. Februar 2014, zuletzt abgerufen am 21. März 2014.
  2. a b c George C. Boon, ‘Tonsor Humanus’: Razor and Toilet-Knife in Antiquity, in: Britannia 22 (1991), S. 21–32; auf Rasiermesser geht der Abschnitt „Razors“, S. 27–32, ein.
  3. Vgl. Artikel „Razor“, in: Encyclopædia Britannica, Onlineausgabe, zuletzt abgerufen am 17. März 2014.
  4. Hierzu Godfrey Isaac Howard Lloyd, The cutlery trades: an historical essay in the economics of small-scale production, London 1913, S. 178ff.
  5. Vgl. Phillip L. Krumholz, A History of Shaving and Razors, Bartonville, IL 1987, S. 9.
  6. Während Gillette im Jahr 1903 noch 51 Rasierer und 168 Klingen verkaufte, waren es fünfzehn Jahre später schon 3,5 Millionen Rasierer und 32 Millionen Klingen. Gordon McKibben: Cutting Edge. Gillette's Journey to Global Leadership. Harvard Business School Press, Boston MA 1998, ISBN 0-87584-725-0, S. 14 und 19.
  7. Getting stroppy. James Bond and male grooming. In: The Economist, vom 9. Dezember 2012, zuletzt abgerufen am 20. März 2014.
  8. Christopher Moss: The Art of the Straight Razor Shave. Zuletzt abgerufen am 16. März 2014.
  9. Vgl. hierzu das YouTube-Video Ein Rasiermesser richtig halten. Von MrNassrasur, zuletzt abgerufen am 17. März 2014.
  10. Cut-Throat Razor – A Brief History. Auf The Executive Shaving Company, zuletzt abgerufen am 17. März 2014.
  11. „The so-called “seven day sets” were popular at this time [1820s] […] since itinerant razor grinders came to town only periodically and men needed to alternate their razors to keep shaving“, Philipp L. Krumholz, A History of Shaving and Razors, S. 9.
  12. Dazu exemplarisch Augustus Richard Norton: Ritual, Blood, and Shiite Identity: Ashura in Nabatiyya, Lebanon, in: The Drama Review, 49, 4 (2005), ISSN 0273-4354, S. 140–155, hier S. 150.
  13. So P. Theodor Gabriel: Das buddhistische Begräbnis in Japan, in: Anthropos 33, 3/4 (1938), ISSN 0003-5572, S. 568–583, hier S. 572.
  14. Ausführlicher hierzu: Rajbali Pandey, Hindu Saṁskāras: Socio-religious Study of the Hindu Sacraments, 2nd revised edition, Delhi 1969, ISBN 978-81-208-0434-0, S. 94–101.
  15. Vgl. Eberhard Fischer: Erzählgut der westlichen Dan in Liberia. Teil I: Mythen, Erzählungen und Sprichwörter, in: Anthropos 62, 5/6 (1967), S. 686–744, hier S. 708 f.
  16. Lowell D. Holmes, TA'U: Stability and Change in a Samoan Village, in: The Journal of the Polynesian Society 66, 4 (1957), S. 398–435, hier S. 408.
  17. Donald C. Simmons, Sexual Life, Marriage, and Childhood among the Efik, in: Africa: Journal of the International African Institute 30, 2 (1960), S. 153–165, hier: S. 159.
  18. R. Routil, Über die Verbreitung des Nabelbruches in Afrika und seine plastische Darstellung in der Eingeborenenkunst, in: Annalen des Naturhistorischen Museums in Wien 55 (1944–1947), S. 185–206, hier S. 187.
  19. CaseBook: Birmingham gang leader at centre of London’s ‘Racecourse Wars’, in: Birmingham Mail vom 20. April 2011, zuletzt abgerufen am 22. März 2014.
  20. Dazu etwa Tilly Devine & the Razor Gang Wars, 1927–31 auf den Webseiten der State Records von New South Wales.
  21. Vgl. Claus Seibert, Anatomie einer Untat – Der Fall Werner, in: JuristenZeitung 22, 10 (1967), S. 309, sowie Uwe Nettelbeck: Recht in höchster Instanz, in: Die Zeit vom 21. April 1967, zuletzt abgerufen am 22. März 2014.
  22. Martha Banta, The Razor, the Pistol, and the Ideology of Race Etiquette, in: Faulkner and ideology: Faulkner and Yoknapatawpha, Jackson, MS: University Press of Mississippi, 1995, ISBN 0-87805-759-5, S. 172–216, hier S. 205.
  23. Cheryl Temple Herr, Joyce & the Art of Shaving, The National Library of Ireland, Joyce Studies 2004, Luca Crispi and Catherine Fahy (eds.), No. 11, online abrufbar über academia.eu, zuletzt abgerufen am 24. März 2014.
  24. Vgl. Moby-Dick, Kapitel 113, online abrufbar auf der englischsprachigen Ausgabe von Wikisource.
  25. „This image is certainly the most powerful in the film, serving as a pivotal point from which the shock waves of the rest of the film emanate.“, so Elisabeth H. Lyon, Luis Bunuel: The Process of Dissociation in Three Films, in: Cinema Journal 13, 1 (1973), S. 45–48, hier S. 46.
  26. a b Vgl. Shaving in Hollywood: 10 Memorable Scenes, Sharpologist vom 26. November 2011, zuletzt abgerufen am 16. März 2014.
  27. Zu Wade & Butcher vgl. The Butcher Works, über Strazors.com, zuletzt abgerufen am 17. März 2014.
  28. Bill Mancino: Collector’s Corner: Straight Razor Collecting, EcommerceBytes.com vom 21. August 2005, zuletzt abgerufen am 16. März 2014.