Reminiszenz

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Reminiszenz (lateinisch reminiscor, „sich erinnern, sich besinnen auf, ersinnen“[1]) ist die Bezeichnung für eine Erinnerung, die für eine Person eine Bedeutung hat. Reminiszenz meint auch einen Anklang oder ein Überbleibsel.[2]

Begriffsgeschichte

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Der Begriff wurde bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts von Autoren vornehmlich in der Schriftsprache verwendet.[3] Heute hat der Terminus eine umfangreichere Bedeutung erhalten. Im aktuellen Sprachgebrauch wird er im Sinne einer Hommage eingesetzt, wobei meist kleinere Verweise und Erinnerungen innerhalb eines Kunstwerkes gemeint sind. Während in dem Begriff Hommage eher eine gewisse Verehrung enthalten ist, will eine Reminiszenz mehr an etwas, was nicht vergessen werden sollte, erinnernd wirken. Beide Termini lassen sich nicht klar voneinander abgrenzen.

Bildende und darstellende Kunst

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Maler, Regisseure, Bildhauer und Komponisten erinnern in ihren Werken bisweilen durch Reminiszenzen an andere Kunstwerke.[4] Auch werden Konzerte in der Form einer Reminiszenz an berühmte Vorgänger abgehalten.

In der Literaturwissenschaft wird von einer Reminiszenz gesprochen, wenn an einer Stelle eines Werkes ein Anklang an eine Formulierung aus dem Werk eines anderen Autors enthalten ist. Dadurch wird erkennbar, dass der Verfasser das ältere Werk gekannt hat und darauf anspielt oder sich davon anregen ließ.

In der Operette des 20. Jahrhunderts ist die Reminiszenz ein kurzes Wiederauftreten eines Liedes bzw. dessen Refrains gegen Ende des Werkes. Damit werden den Figuren die entscheidenden Gefühle der Geschichte, dem Zuschauer jedoch die wichtigsten Teile des Stücks noch einmal in Erinnerung gebracht. Im frühen 20. Jahrhundert bestanden die Schlussakte der Werke musikalisch oft fast ausschließlich aus Reminiszenzen fast aller Hauptlieder aus den vorangehenden Akten.

In der Psychologie nennt man Reminiszenz das Erinnern an ein Item bei einem zweiten Erinnerungsversuch, welches beim ersten noch nicht erinnert wurde. Reminiszenz-Forschung war früher ein spezieller Zweig der Lernforschung, die untersuchte, unter welchen Bedingungen Leistungsverbesserungen unter Verwendung bestimmter Ruhepausen zu erzielen waren.[5][6]

Die Lebensrückblickstherapie verwendet den Begriff Reminiszenz umfassend, und sie bezieht ihn dabei auf alle Altersgruppen: „Der Prozess des Sicherinnerns, im Folgenden Reminiszenz genannt, wurde traditionell als ein Prozess angesehen, der überwiegend bei älteren Menschen auftritt. Wir betrachten ihn jedoch als einen Vorgang, der in jedem Lebensalter vonstattengehen kann.“[7]

Abgeleitet von Reminiszenz wird der 2. Fastensonntag der vor Ostern liegenden Fasten- bzw. Passionszeit (also fünf Wochen vor Ostern) Reminiszere oder Reminiscere[8] genannt. Der Name des Sonntags Reminiszere leitet sich vom Beginn der lateinischen Antiphon des Introitus ab: Reminiscere miserationum tuarum, Domine, et misericordiarum tuarum quae e saeculo sunt. (Dies ist der 6. Vers des 25. Psalmes, ins Deutsche übertragen laut der Einheitsübersetzung: „Denk an dein Erbarmen, Herr, und an die Taten deiner Huld; denn sie bestehen seit Ewigkeit.“; laut der Lutherbibel: „Gedenke, HERR, an deine Barmherzigkeit und an deine Güte, die von Ewigkeit her gewesen sind,“; laut der Neuen Genfer Übersetzung: „Denk an dein großes Erbarmen, HERR, und an deine reiche Gnade, die du seit jeher erwiesen hast!“)

„Ich habe es zu früh erkannt, dass der Schlachteneifer nichts Übermenschliches, sondern – Untermenschliches ist; keine mystische Offenbarung aus dem Reiche Luzifers, sondern eine Reminiscenz aus dem Reiche der Tierheit – ein Wiedererwachen der Bestialität.“

Bertha von Suttner: Die Waffen nieder![9]
  • Simon Forstmeier, Andreas Maercker (Hrsg.): Der Lebensrückblick in Therapie und Beratung. Ansätze der Biografiearbeit, Reminiszenz und Lebensrückblicktherapie. Springer, 2. Auflage Berlin 2024, ISBN 978-3-662-68076-6.
  • Bruce Rybarczyk, Andreas M. Shamaskin-Garroway, Albert Bellg: Lebensrückblick zur Wohlbefindenssteigerung. In: Simon Forstmeier, Andreas Maercker (Hrsg.): Der Lebensrückblick in Therapie und Beratung. Ansätze der Biografiearbeit, Reminiszenz und Lebensrückblicktherapie. Springer, 2. Auflage Berlin 2024, ISBN 978-3-662-68076-6, S. 83–108.
Wiktionary: Reminiszenz – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Langenscheidts Schulwörterbuch Lateinisch. Langenscheidt, Berlin u. a. O. 1984, Lemma reminiscor, S. 339.
  2. Duden: Das Fremdwörterbuch. Mannheim 2007, Lemma Reminiszenz, S. 895.
  3. Brockhaus: Konversationslexikon. Vierzehnte vollständig neubearbeitete Auflage. Brockhaus, Leipzig 1895, Bd. 13, Lemma Reminiscenz, S. 765.
  4. Knaurs Lexikon A–Z. Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München / Zürich, 1956, Lemma Reminiszenz, Spalte 1355.
  5. P. B. Ballard: Obliviscence and reminiscence. In: Brit. Journal Psychologie-Prof., Monografie. Suppe., 1913, I Nr. 2. In: Wilhelm Arnold, Jürgen Eysenck, Richard Meili: Lexikon der Psychologie. Freiburg 1972, Band 3, unter: Reminiszenz
  6. Wilhelm Hehlmann: Wörterbuch der Psychologie. (= Kröners Taschenausgabe, Band 269). Alfred Kröner, 4. Auflage, Stuttgart 1965, Lemma Reminiszenz, S. 468.
  7. Bruce Rybarczyk, Andreas M. Shamaskin-Garroway, Albert Bellg: Lebensrückblick zur Wohlbefindenssteigerung. In: Simon Forstmeier, Andreas Maercker (Hrsg.): Der Lebensrückblick in Therapie und Beratung. Ansätze der Biografiearbeit, Reminiszenz und Lebensrückblicktherapie. Springer, 2. Auflage Berlin 2024, ISBN 978-3-662-68076-6, S. 84.
  8. Brockhaus: Konversationslexikon. Vierzehnte vollständig neubearbeitete Auflage. Brockhaus, Leipzig 1895, Bd. 13, Lemma Reminiscere, S. 765.
  9. Bertha von Suttner: Die Waffen nieder! Eine Lebensgeschichte. Bd. 1. 30. Aufl. Pierson, Dresden und Leipzig 1899, S. 229–230. (online bei Austria-Forum).