Ossian

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Ossian ist der angebliche Autor von altgälischen Gesängen und Epen aus der keltischen Mythologie. Die „Gesänge des Ossian“ hat in Wirklichkeit der Schotte James Macpherson (1736–1796) geschrieben. Als Vorbild für den angeblichen Verfasser suchte er sich Oisín aus, den Sohn des Fionn mac Cumhail. Inhalt der Gesänge sind episch dargestellte Schlachten und die Schicksale auserwählter edler Helden, die sich meist um die Rettung von Königreichen bemühen.

Ein Kritiker aus Edinburgh, Hugh Blair, gab 1760 „Fragments of Ancient Poetry“ („Bruchstücke alter Dichtung, in den schottischen Highlands gesammelt, aus dem Gälischen oder Ersischen übersetzt“) heraus. Blair hatte einen Hauslehrer namens James Macpherson dazu aufgefordert, die „alten gälischen Gesänge der Heimat“ zu sammeln. Da dieser nicht wusste, wo er solche finden sollte, schrieb er sie selbst und behauptete, sie aus dem Gälischen ins Englische übersetzt zu haben.

Blair war begeistert und vermutete, die vorgeblichen Gesänge aus keltischer Vorzeit seien Fragmente eines Nationalepos, wie es bislang in Schottland noch nicht aufgewiesen werden konnte. Als Verfasser des Werkes „identifizierte“ Blair den aus der schottisch-gälischen Mythologie bekannten Ossian; sein Held müsse der sagenhafte König Fingal (Fionn) sein. Auf Blairs Drängen hin lieferte Macpherson die epischen Dichtungen „Fingal“ und „Temora“, die 1762 bzw. 1763 veröffentlicht wurden.

Samuel Johnson bezeichnete diese Dichtungen im selben Jahr als „nicht authentisch und zweitens dichterisch ohne Wert“. 1764 äußerte auch das Journal des sçavans in Paris ernstliche Zweifel. In einer öffentlich geführten Auseinandersetzung warf Johnson Macpherson „pure Hochstapelei“ vor und forderte ihn auf, Originalmanuskripte vorzulegen. Von dieser Kontroverse nahm das Publikum wenig wahr. Die Gesänge wurden begierig aufgenommen und 1765, inzwischen zu den „Works of Ossian“ („Ossians Gesänge“) vervollständigt, zusammengefasst herausgebracht. Viele Leser der vorromantischen Zeit waren empfänglich für Düsteres und Vorzeitliches (siehe Schauerroman) und glaubten bereitwillig an die Wiederentdeckung eines Nationalepos.

Personen und Orte

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Neben dem namensgebenden Ossian, seinem Vater Fingal und seinem Sohn Oscar (der mythologische Oscar) lässt Macpherson etliche Figuren auftreten, die teils an keltische Sagengestalten angelehnt sind, teils aber auch frei erfunden wurden. Auch die Handlungsorte sind manchmal real, manchmal Fiktion.

Dazu gehören: Fingals Jugendliebe Agandecca; Oscars Verlobte Malvina; Agandeccas Vater König Starno von Lochlin; Agandeccas Bruder Swaran; Oscars Mörder Cairbar, eine Spiegelung von Cairbre Lifechar; und der Heerführer Cuthullin, eine Spiegelung Cú Chulainns.

Die Handlung spielt: in Morven, dem Reich Fingals im schottischen Hochland; in Selma, der Burg Fingals; in Temora, dem historischen Temair (Tara); und in Lochlin (Skandinavien).

Internationale Rezeption

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Ins Deutsche übertragen wurden die Werke „Ossians“ erstmals auszugsweise von Rudolf Erich Raspe 1764 im Hannoverschen Magazin. 1768/69 folgte die Übersetzung des österreichischen Schriftstellers und Bibliothekars Michael Denis. 1787 veröffentlichte der in Pfälzischen Diensten stehende Oberst Edmund von Harold weitere angebliche Gesänge. Louise Otto-Peters (1819–1895) verfasste eine freie Nachdichtung auf den Ossian, als Textvorlage für die Oper „Armor und Daura“ (1869) des Komponisten Ferdinand Heinrich Thieriot (1838–1919).

Weit über die Grenzen Schottlands hinaus begeisterte „Ossian“ eine ganze Dichtergeneration und trug zum Sturm und Drang bei. Herder, ein Philosoph und Sammler von Volksgesängen, brachte seinem Schützling Goethe den „Homer des Nordens“ nahe, der ihn wiederum im Werther zitierte.[1] Durch Teilübersetzungen des Theologen und Dichters Ludwig Gotthard Kosegarten inspiriert, setzten sich die norddeutschen Romantiker Philipp Otto Runge und Friedrich August von Klinkowström mit dem Ossian-Stoff künstlerisch auseinander. In Frankreich gehörten Madame de Staël und Napoleon zu den Lesern und Bewunderern. 1841 reichte der dänische Komponist und Dirigent Niels Wilhelm Gade (1817–1890) seine später unter dem Titel „Nachklänge von Ossian“ als op. 1 erschienene Ouvertüre bei einem vom Kopenhagener Musikverein (Musikforeningen) ausgerichteten Kompositionswettbewerb ein und gewann mit dem Werk den ersten Preis. Insgesamt sind etwa 300 „Ossian“-Kompositionen bekannt.[2]

Auch bei einigen Herrschern der Zeit fanden die Ossianischen Heldenmythen Anklang: 1811 beauftragte Napoleon Bonaparte den Maler Jean-Auguste-Dominique Ingres mit einem Gemälde zu Ossianischem Thema für sein künftiges Schlafzimmer im Quirinalspalast in Rom, das 1813 fertiggestellt wurde: Der Sänger erschaut im Traum seinen Vater Fingal, seinen Sohn Oskar, dem gleichnamigen mythologischen Oscar nachempfunden, und dessen Geliebte Malvina. Die bleibende Popularität des Vornamens Oskar ist übrigens auch auf die Ossianrezeption zurückzuführen.[3] In Wales ist Osian ein beliebter Vorname.[4]

Bereits 1801 hatte Bonaparte Aufnahme in den Ossianschen Heldenhimmel gefunden: Anne-Louis Girodet-Trioson, ein Schüler von David, zeigte den jugendlichen General, der die Gefallenen seines Heeres dem Sänger Ossian – von Adlerflügeln umrauscht und von harfeschlagenden Nixen umgeben – empfiehlt.

  • James Macpherson's Ossian. Faksimile-Neudruck der Erstausgabe 1762/63 mit Begleitband: Die Varianten. Hrsg. von Otto L. Jiriczek. Carl Winters Universitäts-Buchhandlung Heidelberg 1940.
  • The poems of Ossian and related works. Hrsg. von Howard Gaskill. Edinburgh University Press, Edinburgh 1996, ISBN 0-7486-0707-2

Eine kommentierte deutsche Ausgabe ist 2003 als 3. Band von Wolf Gerhard Schmidts Dissertation über die Ossian-Rezeption erschienen (siehe Abschnitt Literatur).

Es hat seit 1768 insgesamt 14 ins Deutsche übertragene Gesamtausgaben der Ossianischen Gedichte gegeben, darunter die bekannte von Friedrich Leopold zu Stolberg-Stolberg:

Eine weitere, als eine der besten geltende Übersetzung schuf der Greifswalder Altphilologe Christian Wilhelm Ahlwardt:

  • Ossian's Gedichte aus dem Gaelischen im Silbenmaß des Originals. 8 Bde., Leipzig, 1811.[5]
  • Paul J. de Gategno: James Macpherson. Twayne Publishers, Boston 1989 (= Twayne’s English Authors Series. Nr. 467).
  • Manuela Jahrmärker: Ossian – Eine Figur und eine Idee des Europäischen Musiktheaters um 1800 (= Berliner Musik Studien. 2). Studio Verlag, Berlin 1993, ISBN 978-3-89564-087-2.
  • Axel Koehler: Die Helden der Fianna: Goethe und Ossian (= Schriften und Materialien. 108). Phantastische Bibliothek Wetzlar, 2011.
  • James Porter: Beyond Fingal's Cave: Ossian in the Musical Imagination. (Eastman Studies in Music, Band 158) University of Rochester Press, Rochester 2019, ISBN 978-1-58046-945-6.
  • Bailey Saunders: The Life and Letters of James Macpherson. London, 1894; Neudruck Haskell House, New York 1968.
  • Wolf Gerhard Schmidt: „Homer des Nordens“ und „Mutter der Romantik“. James Macphersons Ossian und seine Rezeption in der deutschsprachigen Literatur. De Gruyter, Berlin 2003 (zugleich Dissertation, Universität Saarbrücken 2002).
    • Band 1: James Macphersons Ossian, zeitgenössische Diskurse und die Frühphase der deutschen Rezeption. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017924-5
    • Band 2: Die Haupt- und Spätphase der deutschen Rezeption. Bibliographie internationaler Quellentexte und Forschungsliteratur. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017924-5
    • Band 3: Kommentierte Neuausgabe deutscher Übersetzungen der „Fragments of ancient poetry“ (1766), der „Poems of Ossian“ (1782) sowie der Vorreden und Abhandlungen von Hugh Blair und James Macpherson. De Gruyter, Berlin 2003, ISBN 3-11-017923-7
    • Band 4: Kommentierte Neuausgabe wichtiger Texte zur deutschen Rezeption. De Gruyter, Berlin 2004, ISBN 3-11-017937-7.
  • John Semple Smart: James Macpherson: An Episode in Literature. London 1905.
  • Susanne Strasser-Klotz: Runge und Ossian. Kunst, Literatur, Farbenlehre. Dissertation, Universität Regensburg 1995 (Volltext)
  • Fiona Stafford: The Sublime Savage: A Study of James Macpherson and the Poems of Ossian. Edinburgh University Press, 1988.
  • Matthias Wessel: Die Ossian-Dichtung in der musikalischen Komposition (= Publikationen der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Band 6). Laaber-Verlag, Laaber 1994, ISBN 3-89007-295-X (zugleich Dissertation, HMT Hannover 1992).
Commons: Ossian – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Goethe hielt die Gesänge für echt. Vgl. Herbert Rosendorfer: Deutsche Geschichte. Ein Versuch. Bd. 6: Friedrich der Große, Maria Theresia und das Ende des Alten Reiches. Nymphenburger, München 2010. ISBN 3-485-01310-2, S. 346
  2. Paul F. Moulton, Of Bards and Harps. The Influence of Ossian on Musical Style. Master Thesis, Florida State University 2005
  3. Alexander Demandt: Die Kelten. München 1998, S. 115.
  4. https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/birthsdeathsandmarriages/livebirths/datasets/babynamesenglandandwalesbabynamesstatisticsboys
  5. Hans Friedl u. a. (Hrsg.): Biographisches Handbuch zur Geschichte des Landes Oldenburg. Hrsg. im Auftrag der Oldenburgischen Landschaft. Isensee, Oldenburg 1992, ISBN 3-89442-135-5, S. 23 (Kurzbiographie von Christian Wilhelm Ahlwardt).