Miriam Cahn

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Brutalitätenskultur von Miriam Cahn (2007/2008) im Skulpturenpark Kloster Schönthal
Brutalitätenskulptur (Detailansicht)

Miriam Cahn (* 21. Juli 1949 in Basel) ist eine international renommierte und ausgezeichnete Schweizer Künstlerin. Ihre Arbeit wird sehr stark dem Feminismus und dem Humanismus zugerechnet.[1]

Miriam Cahn ist die Tochter des Numismatikers und Kunsthändlers Herbert A. Cahn. Dieser war – jüdischer Abstammung – 1933 aufgrund der politischen Situation in Deutschland zusammen mit seiner Mutter und dem zwei Jahre jüngeren Bruder nach Basel emigriert, wo er auch seine spätere Frau kennenlernte.[1] Miriam Cahn besuchte von 1968 bis 1973 die Grafikfachklasse der Kunstgewerbeschule in Basel. 1978/1979 wurde ihr von der Stadt Basel ein Atelierstipendium in Paris verliehen.[2]

1982 wurde Cahn zur documenta 7 eingeladen. Sie brach ihre Teilnahme jedoch ab, weil der Kurator Rudi Fuchs zu ihren Bildern entgegen der Absprache noch Werke eines anderen Künstlers hängen wollte.[3] Eine Einladung zur Biennale Venedig erhielt sie 1984. Es folgte 1985 ein DAAD-Stipendium für einen einjährigen Arbeitsaufenthalt in Berlin,[4] wo sie bis 1989 blieb. Im Jahr 2017 wurde ihr Werk auf der documenta 14 gezeigt.[3] Seit dem Jahr 2019 gibt es vermehrt internationale Großausstellungen zu ihrem Werk, so beispielsweise im Haus der Kunst München, dem Palais de Tokyo in Paris oder dem Stedelijk Museum in Amsterdam.

Sie lebt und arbeitet in Basel und Maloja.

Kleine Familie
Miriam Cahn, 2012
Öl auf Leinwand
84 × 70 cm
Museum für moderne Kunst, Warschau

Link zum Bild
(bitte Urheberrechte beachten)

Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum
atombombe (blutungsarbeit)
Miriam Cahn, 1999
Aquarell auf Papier
145 × 200 cm
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main

Link zum Bild
(bitte Urheberrechte beachten)

Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum
working girl/unklar
Miriam Cahn, 1999
Öl auf Leinwand
97,6 × 55,5 cm
Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main

Link zum Bild
(bitte Urheberrechte beachten)

Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Miriam Cahn ist eine figurative Malerin, deren Werk vor allem mit Kohle- und Bleistiftzeichnungen, Pastellzeichnungen, Rauminstallationen und Performances hervortrat. Mediale Beachtung erhielt sie im Winter 1979/1980 durch eine illegale nächtliche Kunstaktion, bei der sie an die Betonpfeiler der Basler Nordtangente mit Kohle Wandzeichnungen anbrachte. Dies führte zu einem Gerichtsprozess.[5] Viele Jahre später versuchte die Stadt die Verurteilung wieder gut zu machen, indem sie ihr anbot, die Wände nach ihrer Vorstellung zu gestalten.[6]

In frühen Perioden ihres Schaffens zog sie es vor, ihre grossformatigen Arbeiten am Boden auszuführen, um mit Einsatz ihres ganzen Körpers den räumlichen Abstand und die damit verbundene mentale Distanz aufzugeben. In dieser Phase entstanden monumentale Kreide- und Kohlezeichnungen mit symbolhaften Darstellungen von Menschen, Tieren und Pflanzen. In einem weiteren Schritt ging sie dazu über, Serien von Zeichnungen mit geschlossenen Augen auszuführen.

Geprägt wurde Miriam Cahn von der Friedens- und Frauenbewegung, in der sie auch aktiv beteiligt war. Ihre Themen bewegen sich oftmals um die Rolle der Frau oder auch um Krieg und dessen Darstellung in den Massenmedien. In den 1990er Jahren beschäftigte sie sich in zwei Zyklen mit dem Golfkrieg und dem Krieg auf dem Balkan.[7]

Miriam Cahns Werk pendelt zwischen extremen Polen menschlicher Emotionen. Ihre inhaltlichen und stilistischen Hauptthemen sind „die Verletzlichkeit des Körpers und die Anziehungskraft von Lust und Gewalt“.[3] In ihren Bildern ist das Thema „Flucht“ – womöglich auch aufgrund der eigenen Familiengeschichte – seit den Jugoslawienkriegen präsent, in ihren neuesten Serien spiegelt sich die aktuelle Flüchtlingskrise.[3] Till Briegleb sieht Cahns Werk „im Rang von Kolleginnen wie Maria Lassnig oder Marlene Dumas“.[3]

Im Frühjahr 2023 zeigte das Palais de Tokyo in Paris unter dem Titel Ma pensée sérielle (Mein serieller Gedanke) eine Retrospektive der Künstlerin.[8] Gegen das gezeigte Bild Fuck abstraction! klagten nach dem Aufruf eines französischen Kritikers sechs Vereinigungen wegen angeblicher „Verherrlichung von Kinderpornografie“. Miriam Cahn selbst bezeichnet die klagenden Personen als "Post-Faschisten" und vermutet eher zensorisch-politische Hintergründe von rechts-außen gegenüber ihrem Werk generell, als ein wirkliches Interesse an Kinder- und Jugendschutz, zumal es sich bei der Darstellung weder um eine sexuelle Handlungen an Minderjährigen, noch um eine "Verherrlichung" handelt.[1]

Das Bild zeigt laut einer Stellungnahme des Palais de Tokyo die Silhouette eines Mannes mit einem sehr mächtigen, gesichtslosen Körper und den zerbrechlichen Körper einer vor ihm knienden Figur mit auf den Rücken gefesselten Händen, die an dem Körper des Mannes eine Fellatio durchführt.[9] Die Künstlerin erklärte, dass sich das Bild „auf die Ereignisse rund um die ukrainische Stadt Butscha während der russischen Invasion“ beziehe: „Hier geht es um eine Person mit gefesselten Händen, die vergewaltigt wurde, bevor sie getötet und auf die Strasse geworfen wurde. Die Wiederholung von Bildern der Gewalt in Kriegen soll nicht schockieren, sondern anprangern.“[10] Am 29. März 2023 wies das Pariser Verwaltungsgericht die Klage gegen das Bild ab,[9] das Urteil wurde am 14. April 2023 von der höchsten verwaltungsgerichtlichen Instanz, dem Conseil d’État bestätigt.[11][12] Am 7. Mai 2023 wurde das Bild in der Ausstellung von einem 81-jährigen Mann mit violetter Farbe überschüttet und beschädigt. Am Folgetag äusserte sich der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zu der Tat. Er verurteilte den Akt von Vandalismus als Angriff auf die Werte Frankreichs und betonte die Freiheit der Kunst sowie den Respekt vor kulturellem Schaffen. Das Bild verblieb in beschädigtem Zustand in der Ausstellung bis zu deren Beendigung.[13][14]

Cahns Arbeiten sind in zahlreichen öffentlichen Kunstsammlungen beheimatet, unter anderem im Museum of Modern Art in New York, in der Tate Modern in London, im Museo Reina Sofía in Madrid, im Kunstmuseum Basel,[15] im Kunsthaus Zürich, in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München und im Museum für Moderne Kunst in Warschau.

Einzelausstellungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gruppenausstellungen (Auswahl)

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • 2011: 6 Künstler aus Basel x 2, Kunsthalle Basel
  • 2018: I’m a Believer. Pop Art und Gegenwartskunst aus dem Lenbachhaus und der KiCo Stiftung, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München

Veröffentlichungen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  • Miriam Cahn – ohne Umwege. Regie Edith Jud, CH 2005
Commons: Miriam Cahn – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b c deutschlandfunkkultur.de: Miriam Cahn: Die streitbare Künstlerin. 15. März 2024, abgerufen am 7. September 2024.
  2. Miriam Cahn. In: SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz. Abgerufen am 26. April 2020.
  3. a b c d e Till Briegleb: Nackter Apostelkreis. Miriam Cahns Lebensthema ist die Verletzlichkeit des Körpers. Werke der 66 Jahre alten Malerin sind in Kiel zu sehen. Sie dürfte ein Star der nächsten Documenta werden. In: Süddeutsche Zeitung. 22. März 2016, abgerufen am 21. Juli 2018.
  4. Eintrag zu Cahn, Miriam beim Berliner Künstlerprogramm des DAAD. Katalog zu ihrer Ausstellung in der DAAD-Galerie vom 15. März bis 20. April 1986 erschienen beim DAAD, Berlin 1986.
  5. Miriam Cahn. In: Neue Frauenbewegung 2.0. Abgerufen am 15. Mai 2020.
  6. Ludmila Vachtová: Miriam Cahn, Künstlerin. In: NZZ Folio. 1. Januar 1992, abgerufen am 28. Mai 2023.
  7. Annelise Zwez: Miriam Cahn: Mir gefiel immer das Freche und das Wilde (Memento vom 14. Juli 2002 im Webarchiv archive.today). Auf: xcult.org, 2002.
  8. Ma pensée sérielle, palaisdetokyo.com, abgerufen am 29. März 2023.
  9. a b Verherrlichung von Kinderpornografie: Klage gegen Schweizer Künstlerin abgelehnt, Berliner Zeitung, 29. März 2023.
  10. Miriam Cahn et l’invraisemblable polémique qui s’abat sur son expo à Paris, Le Temps, 8. März 2023.
  11. Olga Grimm-Weissert: Frankreich verteidigt die Kunstfreiheit: Drastisches Gemälde soll hängen bleiben. In: Handelsblatt. 11. Mai 2023, abgerufen am 28. Mai 2023.
  12. Le tableau « Fuck abstraction ! » de Miriam Cahn peut rester exposé au Palais de Tokyo. Pressemeldung des Conseil d’État. 14. April 2023, abgerufen am 28. Mai 2023 (französisch).
  13. Taylor Dafoe: An Elderly Man Spray-Painted a Miriam Cahn Painting at a Paris Museum After Right-Wing Attempts to Censor It Failed. In: Artnet News. 8. Mai 2023, abgerufen am 11. Mai 2023 (englisch, Artikel zeigt das Bild vor und nach der Beschädigung).
  14. Niklas Bender: Missbrauch anklagendes Bild Miriam Cahns mit Farbe beworfen. In: FAZ. 11. Mai 2023, abgerufen am 11. Mai 2023.
  15. Werkeverzeichnis in der Sammlung Online. In: kunstmuseumbasel.ch. Abgerufen am 11. Mai 2023.
  16. Kunsthalle Kiel 2016 (Memento vom 15. März 2016 im Internet Archive), www.kunsthalle-kiel.de, abgerufen am 26. März 2016.
  17. Miriam Cahn erste Preisträgerin des neuen Basler Kunstpreises. TagesWoche, 7. Oktober 2013
  18. Gemeinsame Pressemitteilung des Museums für Gegenwartskunst Siegen und der Stadt Siegen: Miriam Cahn erhält den 14. Rubenspreis der Stadt Siegen. In: siegen.de. 1. Juli 2021, abgerufen am 13. August 2021.
  19. Goslarer Kaiserring 2024 geht an Künstlerin Miriam Cahn. In: Tagesschau. 12. Januar 2024, abgerufen am 12. Januar 2024.
  20. Oskar Kokoschka-Preis geht an Schweizer Künstlerin Miriam Cahn. In: Kurier.at. 4. Februar 2024, abgerufen am 4. Februar 2024.
  21. Universität für angewandte Kunst Wien: Oskar-Kokoschka-Preis 2024 geht an MIRIAM CAHN. In: ots.at. 4. Februar 2024, abgerufen am 4. Februar 2024.
  22. Text Mare Nostrum von Miriam Cahn, www.documenta14.de, abgerufen am 26. März 2016.
  23. Enthält: Armin Boehm, Miriam Cahn, Thomas Dillmann, Peter Doig, Marlene Dumas, Johannes Hüppi, Michael Kunze, Daniel Richter, Norbert Schwontkowski, Luc Tuymans
  24. hoerspielundfeature.de: Hörspiel über die Künstlerin Miriam Cahn: Das zornige Schreiben. 12. Mai 2023, abgerufen am 6. Oktober 2024.