Krieg in Israel und Gaza seit 2023
Krieg in Israel und Gaza seit 2023 | |||||||||||||||||
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Teil von: israelisch-palästinensischer Konflikt | |||||||||||||||||
Lage am 13. November 2024: Die von der Hamas kontrollierten Teile des Gazastreifens in rot, westlich des Gazastreifens das Mittelmeer. Im Gebiet bis zur rot gestrichelten Linie waren Hamas-Terroristen in Israel aktiv. Die gelbe Fläche markiert den ab dem 8. Oktober evakuierten Gaza Envelope. Blau gestrichelt sind die Gebiete abgegrenzt, die laut israelischem Militär verlassen werden sollen; die blauen Flächen geben das Vordringen des Militärs in den Gazastreifen an. | |||||||||||||||||
Datum | seit 7. Oktober 2023 | ||||||||||||||||
Ort | v. a. Israel und GazastreifenCar | ||||||||||||||||
Casus Belli | Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 | ||||||||||||||||
Ausgang | offen | ||||||||||||||||
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Opferzahlen durch Hamas-Terrorangriff in Israel: laut israelischen Regierungs- und Militärangaben: etwa 1.200 Tote (10. November 2023),[13][14] darunter 57 Polizisten;[15] mindestens 4.100 Verletzte (17. Oktober 2023);[16] etwa 240 Geiseln;[17][13][18] 100–200 Vermisste (19. Oktober 2023)[19][20] Opferzahlen im Gazastreifen: laut UN-Menschenrechtskommissar über 120.000 Tote und Verletzte, überwiegend Frauen und Kinder (Stand: Juni 2024)[21][22] laut Gesundheitsministerium der PNA (Hamas-kontrolliert): Anm. 1) mindestens 39.175 Tote (ohne Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern) (26. Juli 2024);[23] davon UNO-Personal: 201 (22. Juli 2024);[24] 90.403 Verletzte (26. Juli 2024);[23] sowie mehr als 10.000 Vermisste[25] Vertriebene in Israel: etwa 250.000 Evakuierte/Binnenvertriebene (6. November 2023)[26] Vertriebene im Gazastreifen seit Beginn der israelischen Militäroperation: rund 1,9 Millionen Evakuierte/Binnenvertriebene (laut UN)[27] |
Der Krieg in Israel und Gaza seit 2023, auch als Krieg zwischen Hamas und Israel seit dem 7. Oktober 2023[28] oder auch nur als Israel-Gaza-Krieg[29] bezeichnet, ist ein bewaffneter Konflikt zwischen dem Staat Israel und der im Gazastreifen bis Oktober 2023 allein regierenden Terrororganisation Hamas. Die Kampfeinsätze der israelischen Armee (IDF) richten sich aber auch gegen den mit der Hamas verbündeten Islamischen Dschihad in Palästina und andere militant-islamistische Gruppierungen in diesem palästinensischen Autonomiegebiet.
Der laufende Gazakrieg ist Teil des israelisch-palästinensischen Konflikts und umfasst auch den bewaffneten Konflikt zwischen Israel und der militant-islamistischen Terrororganisation Hisbollah, der im Norden Israels und im Libanon ausgetragen wird.
Auslöser dieses Gazakriegs war der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023. Bei dem vom Gazastreifen aus verübten Terrorangriff wurden 1139 Menschen an einem Tag ermordet – der größte Massenmord an Juden seit dem Holocaust. Der Angriff der Hamas galt mehreren Militärposten und Kibbuzim nahe der „Grünen Linie“, der Grenze zum Gazastreifen. Ziel des Terrorangriffs wurde aber auch ein Open-Air-Musikfestival, das an einem jüdischen Feiertag stattfand, der von der Hamas als Zeitpunkt für den Terrorangriff gewählt worden war.
Während des Terrorangriffs wurden 250 Menschen bei den Geiselnahmen der Hamas in den Gazastreifen entführt und dort in Geiselhaft genommen, darunter Frauen, Kinder, Babys und Senioren. Bis Ende Juli 2024 konnten rund 131 Geiseln befreit oder nur noch tot geborgen werden. Von ihnen weiß man, dass sie teilweise unter Drogen gesetzt, misshandelt und vergewaltigt wurden. Mehr als 4600 Menschen wurden von Terroristen der Hamas und anderer militant-islamistischer Palästinenserorganisationen bei dem Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 verletzt; zudem lag das Land seit Beginn des Terrorangriffs unter beständigen Raketenbeschuss der Hamas und ihrer Verbündeten in der „Achse des Widerstands“. Das führte dazu, dass im Norden Israels rund 60.000 Israelis in andere Landesteile evakuiert werden mussten.
Als Reaktion auf den Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 ordnete die von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu geführte israelische Regierung am 9. Oktober 2023 eine Verschärfung der Blockade des Gazastreifens an, woraufhin Israel u. a. die Versorgung des Gazastreifens mit Nahrungsmitteln, Strom und Treibstoff einstellte. In der Nacht vom 27. zum 28. Oktober 2023 eröffnete die israelische Armee mit einer Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens die zweite Phase der Militäroperation „Eiserne Schwerter“.
Das Gesundheitsministerium des Gazastreifens gab im Juli 2024 an, dass bis im Kriegsverlauf bis dato mehr als 40.000 Palästinenser getötet und über 90.000 verletzt worden seien. Das Gesundheitsministerium Gazas unterscheidet jedoch nicht zwischen Kämpfern der Hamas und ihrer Verbündeten und der Zivilbevölkerung. Zudem lassen sich die Angaben der Behörde nicht von unabhängiger Seite überprüfen. Die UN und andere unabhängige internationale Beobachter schätzen die Zahlen des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums aber als glaubwürdig ein. Anm. 1) Gemessen am Anteil der getöteten Palästinenser im Gazastreifen – 2 % der Gesamtbevölkerung Gazas in den ersten zehn Kriegsmonaten – ist dieser Krieg einer der tödlichsten Kriege des 21. Jahrhunderts. Seit dem Beginn der Kriegshandlungen wurden nach Angaben der Vereinten Nationen zudem 90 % der Bevölkerung des Gazastreifens zu Binnenvertriebenen und können den von Israel abgeriegelten Gazastreifen nicht verlassen. Sie müssen dicht gedrängt auf kleinstem Raum leben und leiden vor allem unter Hunger und ungenügender medizinischer Versorgung. Die Lage im Gazastreifen nach einem Jahr Krieg ist angesichts der Kriegsfolgen katastrophal.
Sowohl die Hamas als auch Israel werden von Menschenrechtsorganisationen und den Sonderberichterstattern der UNO beschuldigt, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Am 25. März 2024 verabschiedete der Weltsicherheitsrat eine UN-Resolution, in der die sofortige Vereinbarung einer Feuerpause zwischen der Hamas und Israel, die bedingungslose Freilassung aller noch im Gazastreifen inhaftierten Geiseln und der Ausbau der humanitären Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung Gazas gefordert wird.
Der Gazakrieg entwickelt sich zunehmend zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Israel und Iran, welcher die Kriegsgegner Israels unterstützt. Im Gazastreifen kämpfen die beiden größten militant-islamistischen Palästinenserorganisationen Hamas und Islamische Dschihad gegen die israelische Armee und im Libanon die dort stationierten Paramilitärs der militant-islamistischen Terrororganisation Hisbollah. Im Verlauf des Jahres 2024 erfolgten mehrmals wechselseitige Luftangriffe zwischen Iran und Israel.
Im September 2024 eskalierte der seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 andauernde bewaffnete Konflikt zwischen der im Südlibanon stationierten Hisbollah – diese Terrororganisation hatte sich mit der Hamas solidarisiert und ihre Angriffe auf militärische und zivile Ziele im Norden Israels zunehmend forciert und der israelischen Armee somit Anlass für Vergeltungsschläge auf Ziele im Libanon gegeben. Die vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad eingeleiteten Explosionen von Pagern und Walkie-Talkies der Hisbollah, die Tötung von Ismail Haniyyab, die am 1. Oktober 2024 gestartete Israelische Bodenoffensive im Südlibanon sowie die Bombenangriffe der israelischen Luftwaffe auf militärische Ziele im Libanon, von denen auch die Zivilbevölkerung – insbesondere in der libanesischen Hauptstadt Beirut – betroffen war, verschärften die Lage im Nahen Osten zusehends. Es kam während des Krieges in Israel und Gaza 2023 weltweit zu antisemitischen Vorfällen.
Auf der Arabischen Halbinsel, im Süden des Jemen sind die Paramilitärs der Huthi stationiert, die Israel zunehmend mit Raketen und Drohnen angreifen. Diese Angriffe wiederum hatten israelische Luftangriffe auf die von den Huthi kontrollierte Hafenstadt Hudaida zur Folge. Im Irak und in Syrien befinden sich iranisch-finanzierte paramilitärische Gruppierungen, verschiedentlich auch als „Volksmobilisierungskräfte“ bezeichnet, welche wiederholt in diesen Ländern befindliche US-amerikanische Militärstützpunkte angegriffen haben.
Bezeichnungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Hamas verübte am Morgen des 7. Oktober 2023 in einer konzertierten Aktion einen Terrorangriff auf israelische Ortschaften und das Open-Air-Musikfestival Supernova Sukkot Gathering nahe der als „Grüne Linie“ bezeichneten Grenze zwischen Israel und dem Gazastreifen. Die Terrororganisation bezeichnete das dem Überfall auf israelisches Hoheitsgebiet folgende Massaker von Reʿim und die von ihr zu verantworteten Gräueltaten in den israelischen Ortschaften sowie die Geiselnahmen während des Überfalls am 7. Oktober 2023 und in den Folgetagen als „Operation al-Aqsa-Flut“ (arabisch عملية طوفان الأقصى, DMG ʿAmaliyyat Ṭūfān al-Aqṣā). Die daraufhin von den israelischen Streitkräften gestartete Anti-Terror-Operation auf israelischem Staatsgebiet und die anschließende Invasion der israelischen Armee im Gazastreifen sowie damit in Verbindung stehende Militäroperationen am Boden, in der Luft und in den Küstengewässern Gazas werden von israelischer Seite als „Operation Eiserne Schwerter“ (hebräisch מבצע חרבות ברזל mivza charvot barsel) bezeichnet. In der meistgelesenen israelischen Tageszeitung Israel HaYom wird für den laufenden Gazakrieg auch die Bezeichnung Simchat-Tora-Krieg (hebräisch מלחמת שמחת תורה milchemet simchat torah) verwendet.[30] Diese Bezeichnung ist auf den jüdischen Feiertag Simchat Tora zurückzuführen, der am Tag des Überfalls der Hamas in Israel begangen wurde.
Kriegsanlass – Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Ablauf und Opfer des Terrorangriffs
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Eine Frau fotografiert eine Wand mit Porträts der Opfer am Ort des Nova-Musikfestivals (Archivbild, © Ariel Schalit/AP/dpa)“[31]
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Am frühen Morgen des 7. Oktober 2023, dem letzten Tag des jüdischen Festes Sukkot, begann der von der Hamas langfristig geplante und vorbereitete Terrorangriff auf Israel. Terroristen drangen vom palästinensischen Autonomiegebiet Gazastreifen aus in israelisches Staatsgebiet vor, während die zu diesem Zeitpunkt Gaza beherrschende Terrororganisation damit begann vom Gazastreifen aus, den Süden Israels und das Zentrum des Landes mit Raketen zu beschießen.
Die palästinensischen Terroristen vergewaltigten, ermordeten und verstümmelten auf israelischem Boden in mehreren Kibbuzim und bei einem Musikfestivals nahe der „Grünen Linie“ zahlreiche Menschen oder entführten sie in den Gazastreifen, um sie dort in Geiselhaft zu nehmen. Allein beim Massaker von Reʿim wurden 260 Besucher des in der Nähe des Kibbuz Reʿim veranstalteten Psytrance-Festivals „Supernova Sukkot Gathering“ ermordet und 40 weitere als Geiseln in den Gazastreifen entführt; der Kibbuz Kfar Aza wurde von den Terroristen fast vollständig zerstört.[32]
Nach endgültigen Angaben der israelischen Sozialversicherung wurden während der beim Terrorangriff begangenen Massaker innerhalb weniger Tage insgesamt 1139 Menschen ermordet – soviel wie noch nie zuvor in der Geschichte des Staates Israel.[33][34] Außerdem verschleppten die Terroristen bei Geiselnahmen während des Terrorangriffs 250 Menschen in den Gazastreifen.[35]
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Gazastreifen bildet heute zusammen mit dem Westjordanland die Palästinensischen Autonomiegebiete. Im Sechstagekrieg (1967) besetzte Israel diese Gebiete; bis dahin stand der Gazastreifen unter ägyptischer Verwaltung.[36][37] Im Jahr 2005 wurden im Rahmen des Abkoppelungsplans, der vom israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon vorangetrieben wurde, die israelischen Siedlungen im Gazastreifen geräumt und den Palästinensern übergeben.[38] Bei den Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten 2006 konnte die Hamas die Wahlen im Gazastreifen gewinnen, während die mit ihr konkurrierende Fatah sich im Westjordanland behaupten konnte. Im Juni 2007 erfolgte die gewaltsame Machtergreifung der Hamas im Gazastreifen, in dem sie seitdem herrscht.[39] Daraufhin erfolgte durch Ägypten und Israel die Blockade des Gazastreifens und es kam in den darauffolgenden Jahren zu mehreren als Gazakriege bezeichneten bewaffneten Konflikten zwischen der Hamas und Israel. Als Reaktion auf den andauernden und sich intensivierenden Raketenbeschuss seitens der Hamas und anderer militanten palästinensischen Gruppen führte Israel in 2008/2009 die Operation Gegossenes Blei durch.[40] Aus dem gleichen Grund erfolgten im Jahr 2012 die Operation Wolkensäule und 2014 Operation Protective Edge.[41] Die Hamas wird heute unter anderem von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten als Terrororganisation geführt.[42]
„Im aktuellen Krieg bekämpfen sich wieder einmal die im Gazastreifen herrschende, militant-islamistische Terrororganisation Hamas und Israel. Die Auseinandersetzung ist jedoch Teil eines weit größeren Konflikts, der bis in die Zeit vor der Staatsgründung Israels zurückreicht und der bereits Auslöser des ersten arabisch-israelischen Kriegs war.“
Der anhaltende Nahostkonflikt spitzte sich im Jahr 2023 zwischen Palästinensern und Israelis im von Israel seit dem Sechstagekrieges besetzten Westjordanland zu. So kam es nach der Ermordung eines Israelis im Frühjahr zum israelischen Siedleraufstand und zu Protesten über die Konfrontationen an der al-Aqsa-Moschee in Jerusalem. Bis zum 6. Oktober 2023 kamen nach Zählung der Nachrichtenagentur AFP bei Konfrontationen im Westjordanland 32 Israelis, zwei Ausländer sowie 247 Palästinenser ums Leben.[44] Nach Angaben der UNESCO waren das die meisten Todesfälle im Westjordanland seit dem Jahr 2005.[45] In Israel kam es im Rahmen einer umstrittenen Justizreform der Regierung von Premierminister Netanjahu zu Großdemonstrationen.[46] Auch Reservisten des israelischen Militärs und Mitglieder des Geheimdienstes erklärten sich mit den Protesten solidarisch.[47][48] Dies wurde unter anderem von der israelischen Regierung als Risiko für die Sicherheit Israels gewertet.[49][50] Im März 2023 wurden Berichte bekannt, dass es zwischen Saudi-Arabien und Israel Versuche gab, an einer Normalisierung ihrer Beziehungen zu arbeiten, während Saudi-Arabien und Iran diplomatische Beziehungen aufnahmen.[51][52] Die Normalisierungsbemühungen wurden teils als Unterminierung des direkten Friedensprozesses zwischen Israel und den Palästinensern gesehen.[53][54] Ende November 2023 berichtete die New York Times, dass den israelischen Nachrichtendiensten der Angriffsplan der Hamas bereits über ein Jahr zuvor bekannt gewesen sei, aber man nicht daran geglaubt habe. Die Einschätzung sei gewesen, dass die Operation die Fähigkeiten der Hamas überschreite. Ob auch die politische Führung Israels über den Plan informiert gewesen sei, sei unbekannt.[55][56]
Reaktionen Israels auf den Terrorangriff der Hamas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Angriff von Terroristen der Hamas und der mit ihr verbündeten palästinensischen Milizen auf Israel am 7. Oktober 2023 verschärfte Israels Regierung erneut die Blockade des Gazastreifens; die Belieferung von Gaza mit Strom, Trinkwasser, Lebensmitteln und Treibstoff wurde eingestellt und ein Einfuhrverbot für alle Waren verhängt. Darin eingeschlossen war auch die Lieferung von Lebensmitteln und medizinischen Gütern.[57]
Zwischen dem Gazastreifen und Israel gibt es mehrere Grenzübergänge, von denen jedoch in jüngerer Vergangenheit nur noch zwei genutzt wurden: Erez im Norden war dem Personenverkehr vorbehalten, während Kerem Schalom im Süden für den Warenumschlag genutzt wurde.[58] Infolge des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden beide Grenzübergänge teilweise zerstört und von Israel abgeriegelt. Nach israelischen Luftangriffen auf die palästinensische Seite des Grenzübergangs Rafah, der Ägypten mit dem Gazastreifen verbindet, wurde dieser bis auf Weiteres geschlossen.[59]
Die israelische Regierung bildete ein Kriegskabinett, rief den Kriegszustand aus und mobilisierte 300.000 Reservisten; personell verstärkte sich Israels stehendes Heer durch die Mobilmachung von 160.000 auf 460.000 Mann.[60][61][62] Die Hamas hatte bereits vor dem laufenden Gazakrieg zwischen 25.000 und 30.000 Kämpfer für die Qassam-Brigaden, dem militärischen Flügel ihrer Organisation, mobilisiert. Dazu kamen Tausende Angehörige der palästinensischen Polizei und die Kämpfer der im Gazastreifen operierenden palästinensischen Milizen.[63][64][65]
Die palästinensische Zivilbevölkerung Nordgazas wurde von der IDF zur Flucht aus dem Kampfgebiet in den Süden des Küstenstreifens aufgerufen.[66] Die von dem Terrorüberfall der Hamas betroffenen Bewohner der Kibbuzim und Ortschaften, die in Grenznähe zum Gazastreifen liegen, wurden wegen der von dort ausgehenden Terrorgefahr evakuiert. Zehntausende Israelis, die in den Städten und Gemeinden nahe der libanesischen Grenze wohnen, flohen aus Angst vor drohenden Angriffen der Terrororganisation Hisbollah freiwillig ins Landesinnere.[67]
Am 10. Oktober 2023 gaben die israelischen Streitkräfte bekannt, dass sie die Militäroperation „Eiserne Schwerter“ starten werden. Nach massiven Luftangriffen der israelischen Luftwaffe auf militärisch genutzte Objekte und Gebiete im Gazastreifen folgte in der ersten Phase der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ die Vertreibung der nach Israel eingedrungenen Terroristen vom israelischen Staatsgebiet. Danach eröffneten die IDF in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober 2023 mit der Bodenoffensive im Norden des Gazastreifens die zweite Phase der Militäroperation. Dabei sind mehrere Fälle dokumentiert, in denen die IDF gemäß internationalem Recht[68][69] die zivile Bevölkerung per Telefon, mit Flugblättern oder mittels „Dachklopfen“ vorwarnten, wenn in ihrer Nähe ein Angriff bevorstand.[70][71][72] Verschiedentlich ist ihnen aber auch vorgeworfen worden, dass sie dieser Pflicht nur ungenügend nachgekommen seien.[73][74][75][76]
Am 18. Juli 2024 verabschiedete das israelische Parlament eine Resolution gegen die Anerkennung Palästinas. In der Resolution heißt es: „Ein palästinensischer Staat würde eine existenzielle Bedrohung für den Staat Israel und seine Bürger darstellen.“[77][78]
Kriegsziele
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte nach dem Terrorangriff gegen Israel die Absicht, die Hamas zu vernichten.[79] Laut der Politikwissenschaftlerin Lidia Averbukh hat Israel zwei definierte Ziele: „die Hamas zu zerstören und die Geiseln zu befreien“.[80] Am 7. Januar 2024 äußerte Netanjahu, der Krieg dürfe nicht beendet werden, bevor Israel seine Ziele erreicht habe. Als Ziele nannte er die Beseitigung der Hamas, die Rückkehr aller Geiseln und die Sicherstellung, dass der Gazastreifen keine Gefahr mehr für Israel darstelle.[81]
Nach einer Lagebeurteilung, an welcher Verteidigungsminister Joaw Galant und Premierminister Netanjahu teilnahmen, gaben die IDF am 10. Oktober 2023 bekannt, dass sie eine Militäroperation starten werden.[82] Das israelische Kriegskabinett legte sich auf vier Hauptziele im Kampf gegen die Hamas und dem mit dieser Terrororganisation im Gazastreifen verbündeten Islamischen Dschihad in Palästina fest:[83]
- Sturz der Hamas-Regierung und Zerstörung ihrer militärischen Fähigkeiten.
- Beseitigung der terroristischen Bedrohung Israels durch Angriffe, die vom Gazastreifen aus geführt werden
- Maximale Anstrengungen zur Befreiung der mehr als 200 israelischen Geiseln im Gazastreifen.
- Verteidigung der Grenzen Israels und seiner Zivilbevölkerung.
Darüber hinaus warfen die IDF der Hamas laut Zeit Online vor, die Krankenhäuser im Norden des Gazastreifens als Kommandozentralen und Waffendepots zu nutzen; aus diesem Grund würden diese zu den Hauptzielen der Bodenoffensive der IDF gehören. Angesichts der zivilen Opfer wuchs international die Kritik am Vorgehen des israelischen Militärs im Gazastreifen.[84]
Schon früh wurden Schwierigkeiten bei der Realisierung dieser Ziele gesehen: Unter Berufung auf hochrangige Beamte der US-Regierung berichtete beispielsweise die New York Times in der Nacht vom 18. zum 19. Oktober 2023, dass die IDF noch nicht in der Lage seien, die gesteckten Ziele zu erreichen. Bedenken am Erfolg der Operation bestanden dem Bericht der NYT zufolge vor allem deshalb, weil sich die IDF mit einer Bodenoffensive auf einen Kampf im urbanen Gelände einlassen müsse. Zudem habe die Hamas im Gazastreifen Heimvorteile: ihre „Kämpfer“ trügen zivile Kleidung, verschanzten sich in zivilen Gebäuden und könnten dank eines weitverzweigten Tunnelsystems jederzeit überall auftauchen und wieder rasch verschwinden, sodass hohe Verluste unter israelischen Soldaten zu erwarten seien.[83]
Vor allem das Kriegsziel der Verteidigung Israels wird dabei auf unterschiedliche Weise inhaltlich gefüllt. Etwa ein Drittel der israelischen Minister,[85] darunter besonders prominent Itamar Ben-Gvir,[86] vertritt die Ansicht, dass die Sicherheit Israels nur durch eine israelische Wiederbesiedlung Gazas gewährleistet werden könne.[87] Eine mögliche Umsetzung dieses Ziels[88] wäre der sog. „Plan der Generäle“: Dieser sieht vor, Palästinenser durch eine Belagerung und Hungerblockade aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens zu vertreiben.[89] So ließe sich unter anderem verhindern, dass sich in Zukunft in der nördlich gelegenen Stadt Gaza und dem großen Flüchtlingslager Dschabalija Konzentrationen von Palästinensern in der Nähe der israelischen Großstädte Aschdod und Aschkelon bilden.[90] Bisher wurde der Plan jedoch weder von der israelischen Regierung noch vom Generalstab offiziell übernommen. Laut US-Außenminister Antony Blinken habe Premierminister Benjamin Netanjahu versichert, dass man ihn nicht verfolge.[91][92] Ebenso äußerte sich der israelische Verteidigungsminister Yoav Galant.[93] Allerdings berichten IDF-Soldaten[94][95] und vermutet auch die UNO,[89] dass er inoffiziell bereits in die Tat umgesetzt werde.
Hamas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mitglieder der Hamas erklärten in einem Interview mit der New York Times, dass das Ziel nicht sei, den Gazastreifen zu regieren und ihn mit Wasser und Strom zu versorgen, sondern dass der Kriegszustand an allen Grenzen Israels dauerhaft werde und die arabische Welt an der Seite der Hamas stehe. Dafür sei eine „große Tat“ notwendig gewesen, wobei klar gewesen sei, dass die Reaktionen auf diese Tat ebenfalls groß sein würden. Die vielen palästinensischen Opfer seien in den Augen der Hamas der notwendige Preis.[96][97][98]
Ghazi Hamad, Sprecher und Mitglied des Politbüros der Hamas, erklärte am 24. Oktober 2023 in einem Interview mit LBC International,[99] dass der Überfall vom 7. Oktober 2023 erst der erste Angriff von vielen sei. Seine Aussage „there will be a second, third and fourth time“ („es wird ein zweites, drittes und viertes mal geben“) aus dem Interview ging um die Welt.[100][101][102] Auf die konkrete Frage, ob die Pläne der Hamas die vollständige Zerstörung Israels bedeuteten, antwortete er: „Ja, natürlich.“[103][104]
Für einen Waffenstillstand verlangt die Hamas das Ende der Blockade, welche Israel über den Gazastreifen verhängt hat, nachdem die Hamas bei den Palästinensischen Wahlen 2006 gewonnen hat, und einen Abzug der Israelischen Streitkräfte.[105]
Kriegsverlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Verlauf des Krieges ist themenbezogen auch Inhalt des Artikels Israelische Militäroperation „Eiserne Schwerter“ und tagesbezogen der Chronologie des Kriegs in Israel und Gaza seit 2023.
Erste Luftangriffe auf Gaza
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach dem Terrorangriff der Hamas und noch vor dem Beginn der Militäroperation, griff die israelische Luftwaffe zahlreiche Ziele im Gazastreifen an. Nach Angaben der IDF wurden dabei mehr als 1.000 Ziele getroffen, darunter 17 Militärgelände und vier Hauptquartiere der Hamas, Wohnhäuser der am Angriff auf Israel beteiligten Terroristen sowie zwei Hochhäuser, in denen Vermögenswerte der Hamas aufbewahrt wurden. Aber auch das Flüchtlingslager Dschabaliya wurde palästinensischen Angaben zufolge bei den Luftangriffen getroffen.[106][107] Die israelischen Streitkräfte positionierten unterdessen an der Grenze zum Gazastreifen Panzer, Artillerie und Infanterie.[108] Das von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums Gazas teilte mit, dass bei den israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen mindestens 560 Menschen getötet worden seien, darunter mindestens 78 Kinder und 41 Frauen; etwa 2.900 Menschen seien verletzt worden.[106][107]
Eröffnung der Militäroperation „Eiserne Schwerter“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nachdem in der ersten Phase der Militäroperation „Eiserne Schwerter“, die aus dem Gazastreifen nach Israel eingedrungenen Terroristen vom Staatsgebiet des Landes vertrieben worden waren, überschritten die Bodentruppen der IDF in der Nacht vom 27./28. Oktober 2023 die „Grüne Linie“ zum Gazastreifen und eröffneten mit der Bodenoffensive im Gazastreifen die zweite Phase der laufenden Militäroperation. Infolge der Aufforderung, den Norden des Gazastreifens in Richtung Süden zu verlassen, und der israelischen Angriffe auf die militärische Infrastruktur der Hamas wurden große Teile der Bevölkerung Gazas zu Binnenvertriebenen.
Einnahme vom AI-Shifa-Klinikkomplex durch die IDF
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Nacht zum 15. November 2023 waren israelische Bodentruppen in das größte Krankenhaus des Gazastreifens, den AI-Shifa-Klinikkomplex, eingedrungen.[109] Israelische Sicherheitsdienste gingen davon aus, dass sich in der Klinik eine Kommandozentrale der Hamas befindet. Das Krankenhaus war damit für die israelische Armee ein militärisches Ziel, das es zu bekämpfen galt; die IDF sprach von einer „präzisen und gezielten Operation“.[110] In einem Interview mit dem Spiegel antwortete Ehud Barak, ehem. Armeechef, Verteidigungsminister und Premierminister Israels, auf eine Anmerkung: „Es gibt Orte in Gaza, von denen es heißt, sie ließen sich nicht einfach evakuieren – Krankenhäuser zum Beispiel.“:
„Wissen Sie, wo die zentrale Kommandostelle der Hamas in Gaza ist? Unter dem Schifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt. Die Hamas nutzt Krankenhäuser und Schulen, um von dort aus Raketen abzuschießen. Sie missbraucht ihre eigene Bevölkerung als Schutzschilde. Wir tun alles Mögliche, um Unschuldige zu schützen. Aber wir können nicht versprechen, dass Zivilisten nicht zu Schaden kommen, wenn sie solche Orte nicht verlassen.“
Nach Aussage eines Arztes, auf die sich ein Bericht der Washington Post berief, habe es stundenlange Schusswechsel und Bombardements gegeben. Wie der Völkerrechtler Daniel-Erasmus Khan von der Universität der Bundeswehr gegenüber der Zeitung Die Zeit erläuterte, sind laut dem humanitären Völkerrecht Angriffe auf zivile Ziele wie Krankenhäuser verboten. Wenn zivile Objekte allerdings missbraucht würden, gelte dies nicht mehr. Das humanitäre Völkerrecht akzeptiere in dem Fall sogar unbeabsichtigte zivile Opfer bei einem Angriff. Israel müsse allerdings alles dafür tun, Zivilisten aus der Klinik zu evakuieren.[109] Nach offizieller Darstellung des Sprechers der IDF Daniel Hagari sei in einer Abteilung des Schifa-Krankenhauses ein Zimmer mit spezieller Technologie und Kampfausrüstung der Hamas gefunden worden. In einer anderen Abteilung sei ein Einsatzzentrum der Terrororganisation entdeckt worden. Auch sei das Krankenhaus von ca. 200 Hamas-Terroristen, die am Terroranschlag vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen seien, danach als Unterschlupf missbraucht worden. Der Sprecher der IDF Jonathan Conricus, zeigte in einem Video eine hinter einem MRT-Gerät versteckte Tasche mit einem Sturmgewehr, Munition, Handgranaten und einer Uniform. Er erwähnte auch andere Waffen, die in einem Schrank gefunden worden seien. Einer der in der Klinik von der IDF entdeckten Ausrüstungsgegenstände sei mit dem Namen der Qassam-Brigaden beschriftet gewesen. Außerdem seien zahlreiche nachrichtendienstlich relevante Informationen gefunden worden. Die Untersuchung der Fundsachen stand zu diesem Zeitpunkt noch aus. Auch ließen sich die Angaben der IDF zunächst nicht von unabhängiger Seite überprüfen. Die Hamas dementierte die Berichte der IDF als „offensichtliche Lüge und Farce“. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die auf Schätzungen des im Gazastreifen von der Hamas kontrollierten palästinensischen Gesundheitsministeriums beruhen, befanden sich am 13. November 2023 mehr als 2000 Menschen in der Schifa-Klinik – eine Zahlenangabe, die von Augenzeugen bestätigt wurde.[109] Eine am 21. Dezember 2023 veröffentlichte Analyse der Washington Post kam zu dem Schluss, die von Israel vorgelegten Materialien hätten nicht den Nachweis erbracht, dass das Krankenhaus tatsächlich als eine Kommandozentrale der Hamas fungiert hätte.[112]
Achttägige Feuerpause
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Infolge eines Abkommens zwischen der Hamas und Israel trat am 24. November 2023 um 07:00 Uhr Ortszeit (06:00 Uhr MEZ) eine Feuerpause in Kraft, die mindestens vier und maximal zehn Tage dauern sollte. Während der Waffenruhe sollten 100 in den Gazastreifen entführte Geiseln freikommen; im Gegenzug sollte Israel 300 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen entlassen. Zudem sollten Hilfsgüter für Hunderttausende Menschen in den Gazastreifen gebracht werden. Die Feuerpause endete 8 Tage später am 1. Dezember 2023 um 07:00 Uhr Ortszeit (06:00 Uhr MEZ). In dieser Zeit hatte die Hamas 105 Geiseln freigelassen, 81 Israelis, 23 Thailänder und einen Philippiner.[113] Israel hatte im Gegenzug 240 Palästinenser aus Gefängnissen entlassen.[114] Nach Angaben des israelischen Premierministers Netanjahu wurden die Kampfhandlungen von den israelischen Streitkräften fortgesetzt, da die Hamas nicht wie vereinbart alle Frauen und Kinder freigelassen habe. Zudem warf die Armee Israels der Hamas vor, die Waffenruhe vor Fristende durch Beschuss von israelischem Gebiet gebrochen zu haben.[115] Die Hamas gab Israel die Schuld am Ende der Waffenruhe. Es habe Angebote der Hamas zur Freilassung von Geiseln und der Freigabe von Leichen abgelehnt. Ein Offizieller der Hamas sagte, die Organisation habe eine israelische Liste freizulassender Frauen abgelehnt, da es sich um Soldatinnen gehandelt habe. Es wurde erwartet, dass die Hamas ihre Forderungen in die Höhe treiben wolle.[116]
Fortsetzung der Kämpfe im Norden Gazas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bis Ende des Jahres 2023 gelang es dem israelischen Militär Gaza-Stadt einzuschließen und zu erreichen, dass die Hamas die Kontrolle über die dortigen Verwaltungssitze verlor. Die Hamas-Strukturen und Einheiten wurden Ende 2023 im Norden für zerschlagen erklärt.
Kämpfe im Süden Gazas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kampf um Chan Yunis
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um den 4. Dezember 2023 drang das israelische Militär nahe der Stadt Chan Yunis in den südlichen Gazastreifen ein, während die Kämpfer der Hamas sich unter israelischen Beschuss weiter nach Süden zurückzogen.[117] Der IDF ging davon aus, dass sich in Chan Yunis, der zweitgrößten Stadt des Gazastreifens, hochrangige Kommandeure der Hamas verschanzt haben. Am 28. Januar 2024 hieß es in einer Mitteilung von Seiten Israels zu den Kämpfen um Chan Yunis u. a.: „Die Truppen haben Terroristen ausgeschaltet und große Mengen an Waffen gefunden.“ Im Tunnelnetzwerk unter Chan Yunis vermutet das israelische Militär die Führung der Hamas. Angesichts massiven Angriffe der IDF auf Chan Yunis flüchteten Tausende Zivilisten aus dem Gebiet von Chan Yunis in Richtung der an der Grenze zu Ägypten gelegenen Stadt Rafah. Von der IDF waren zuvor mehrere Fluchtaufrufe in arabischer Sprache veröffentlicht worden, in denen die Einwohner von vier Stadtvierteln von Chan Yunis aufgefordert wurden, sich in eine bestimmte Küstenregion am Mittelmeer zu begeben.[118]
Wie einer Mitteilung des israelischen Verteidigungsministers Joav Galant vom 1. Februar 2024 zu entnehmen war, haben die IDF ihre Operationen in Chan Yunis fast abgeschlossen. Die israelische Armee sei nun bereit, weiter nach Süden in Richtung der ägyptischen Grenze vorzurücken.[119] Anwohner berichteten von israelischen Bombenangriffen auf die Stadt Rafah und von Panzerbeschuss auf den Osten der Stadt.[120] John Kirby, der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA (NSC), bezeichnete einen Angriff auf Rafah ohne Rücksicht auf die über eine Million Flüchtlinge, die sich nun – auf Israels Anweisung – dort aufhielten, als „eine Katastrophe“ – die US-Regierung werde so etwas nicht unterstützen.[121][122]
Nach Belagerung vom Nasser Medical Complex in Chan Yunis, dem größten Krankenhaus im südlichen Teil des Gazastreifens, stürmte das israelische Militär am 15. Februar 2024 das Krankenhaus, um nach den von der Hama am 7. Oktober 2023 aus Israel verschleppten Geiseln zu suchen. Dem israelischen Militärsprecher Daniel Hagari zufolge hätte es sich um einen „präzisen und begrenzten Einsatz“ gehandelt, dem glaubhafte Informationen von freigelassenen israelischen Geiseln und andere Quellen zu Grunde gelegen hätten.
Wie Hagari versicherte, sei es Ziel der IDF gewesen, sicherzustellen, dass das Krankenhaus trotz der Militäroperation weiter betrieben werden könne. Ärzte des Krankenhauses berichteten hingegen: „die Armee habe seit Dienstag auf verschiedenen Wegen zur Räumung des Spitals aufgefordert.“ Wie die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) berichtete, zerstörte ein Bulldozer das nördliche Tor der Klinik und rief alle dazu auf, das Gelände zu verlassen; auch sei das Krankenhaus am Morgen des 15. Februar 2024 beschossen worden. Zuvor sei den Ärzten vom israelischen Militär versichert worden, dass sie dort weiterhin bleiben könnten. Zivilisten, die auf dem Gelände Schutz gesucht hätten, seien zwei Tage zuvor von den IDF zur Räumung der Klinik aufgefordert worden. Israels Gründe für den Sturm auf den Nasser Medical Complex ähnelten den Vorwürfen, mit denen die IDF im November 2023 auch die Stürmung des AI-Shifa-Klinikkomplex im Norden Gazas gerechtfertigt habe.[123]
Kampf um Rafah
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der israelische Ministerpräsident Netanjahu erteilte den Streitkräften seines Landes am 9. Februar 2024 den Befehl, eine Offensive auf die an der ägyptischen Grenze gelegene Stadt Rafah vorzubereiten.[124]
Die Stadt ist heute ein riesiges Flüchtlingslager; mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas – rund 1,5 Millionen der Menschen – sind aus Städten, Flüchtlingslagern und Dörfern weiter nördlich hierher geflohen.[125][126] Das Stadtgebiet ist der einzige Ort im gesamten Gazastreifen, das die Hamas noch kontrolliert und indem bisher noch keine israelischen Bodentruppen im Einsatz waren.[127]
Nachdem das israelische Militär die südlichste Stadt Gazas erreicht hatte, wurden zunächst zwei Geiseln bei einer Razzia befreit. Abschließend wurde Rafah intensiv aus der Luft bombardiert. Indessen bereitete die IDF eine auf die Einnahme der Stadt gerichtete Offensive vor, deren Ziel Angaben der IDF zufolge es sein sollte „die verbliebenen Hamas-Bataillone zu zerschlagen und dort vermutete Geiseln zu befreien“. Geplant war, die rund 1,5 Millionen Zivilisten, die sich zu dieser Zeit in Rafah aufhielten, zu evakuieren, bevor es zu Kampfhandlungen kommt. Für die Unterbringung der Evakuierten hatte die IDF ein nördlich der Stadt gelegenes Gebiet zwischen Chan Yunis und dem Flussbett Wadi Gaza, das Nord- und Südgaza voneinander trennt, vorgesehen.[125][128]
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu trieb Ende Februar 2024 die Vorbereitung für eine Offensive der IDF mit dem Ziel die an Ägypten grenzenden Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens voran, obwohl Vermittler aus den USA, Katar, Ägypten und Gesandte aus Israel zu Verhandlungen über eine Waffenruhe und die Freilassung der israelischen Geiseln in die Hauptstadt des Golfemirats Katar, Doha, aufgebrochen waren. Im Gegenzug hatte die Hamas u. a. die Freilassung inhaftierter Palästinenser aus israelischen Gefängnissen sowie den Rückzug Israels aus dem Gazastreifen gefordert. Laut dem ägyptischen Sender Al-Kahera News seien die Gespräche in Dohna eine „Fortsetzung dessen, was in Paris besprochen wurde“ und würden im Anschluss in der ägyptischen Hauptstadt Kairo fortgesetzt werden.[126][129]
Die IDF hatte nach Mitteilung von Netanjahus Büro am 26. Februar 2024 dem israelischen Kriegskabinett seinen Plan zur Evakuierung der Zivilisten aus Gaza und den Einsatzplan gegen die paramilitärischen Kräfte der Hamas vorgelegt. Außerdem war ein Plan für die Bereitstellung humanitärer Hilfe im Gazastreifen gebilligt worden. Die geplanten Maßnahmen sollen verhindern, dass sich Plünderungen wie im Norden Gazas und anderswo im Kriegsgebiet wiederholen. Im Kriegsverlauf erreichten Hilfstransporte den Gazastreifen über den im Süden Gazas gelegenen Grenzübergang Rafah – dem einzigen Grenzübergang zwischen Ägypten und dem Gazastreifen – und den nahe der ägyptischen Grenze gelegenen Grenzübergang Kerem Schalom von Israel nach Gaza. International steht der geplante Angriff auf Rafah in heftiger Kritik. Selbst Verbündete Israels wie die USA rufen zur Zurückhaltung beim militärischen Vorgehen gegen Rafah auf. In der südlichsten Stadt des abgeriegelten Gazastreifens hatten zu dieser Zeit bereits 1,5 Millionen Palästinenser – das sind mehr als die Hälfte der Bevölkerung Gazas – auf engstem Raum und unter katastrophalen Umständen Schutz vor den Kampfhandlungen in anderen Teilen des Küstenstreifens gesucht. Dennoch ist Netanjahu zur Offensive in Rafah entschlossen, um die vier verbliebenen Hamas-Bataillone zu zerschlagen.[130][126]
Aus ägyptischen Regierungskreisen wurden Drohungen bekannt, dass bei einer Offensive, die gegen Rafah gerichtet ist, der im Ergebnis der Camp-David-Verhandlungen am 26. März 1979 abgeschlossene Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten ggf. ausgesetzt werden könne.[131] Gespräche zwischen den USA, Ägypten, Israel und Katar um einen Waffenstillstand im Gazastreifen zu erreichen und die Zivilbevölkerung mit mehr Hilfsgütern zu versorgen, waren am 14. Februar 2024 ergebnislos zu Ende gegangen.[132] Medienberichten zufolge wurden die Gespräche am 26. Februar 2024 wieder aufgenommen; eine israelische Delegation traf an diesem Montag in Katar zu weiteren Gesprächen mit dem im laufenden Gazakrieg vermittelnden Länder Katar, Ägypten und USA über eine Waffenruhe ein.[126]
Am 19. März 2024 erklärte sich Israels Premierminister Netanjahu bereit, Beamte nach Washington zu entsenden, um mit Vertretern der US-amerikanischen Regierung über eine mögliche Militäroperation in Rafah zu sprechen. Der Präsident der Vereinigten Staaten Joe Biden hatte mit Netanjahu seit mehr als einem Monat nicht mehr gesprochen. Grund dafür seien laut dem Weißen Haus Differenzen zwischen den Verbündeten gewesen, die auf die Nahrungsmittelkrise in Gaza aber auch auf Israels Verhalten während des Krieges zurückzuführen seien. Der nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, teilte mit, dass die Gespräche in den kommenden Tagen stattfinden würden und voraussichtlich Militär-, Geheimdienst- und Experten für die Organisation humanitärer Hilfe daran beteiligt sein würden.[133]
Der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken traf am 22. März 2024 während einer dringlichen diplomatischen Mission im Nahen Osten außerplanmäßig in Israel ein, um mit Ministerpräsident Netanjahu und dem israelischen Kriegskabinett zu sprechen. Im Vorfeld der Gespräche hatten sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Israel über die Kriegsführung im Gazastreifen verschärft. Ziel Blinkens war es, Israels Führung vom Verzicht auf eine groß angelegte Offensive in Rafah zu überzeugen. Am Vortag war Blinken bereits in Kairo mit Spitzendiplomaten aus Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengetroffen und hatte diesen gegenüber klargestellt, dass die von Israel geplante Militäroperation in Rafah aus Sicht der USA ein Fehler wäre – „etwas, dass wir [die Vereinigten Staaten] nicht unterstützen werden.“ (englisch „A major military operation in Rafah would be a mistake, something we don’t support.“)[134]
Der israelische Premierminister Netanjahu kündigte am 9. April 2024 an, dass eine gegen Rafah gerichtete Offensive der IDF im Süden des Gazastreifens bevorstehe. Laut spiegel.de besagen Informationen aus Israel, dass es zum Schutz der Zivilbevölkerung vor den bevorstehenden Kampfhandlungen einen Evakuierungsplan gebe. Die US-Regierung ließ unterdessen verlautbaren, dass ihr seitens der israelischen Regierung kein Termin für den Beginn einer israelischen Offensive in Rafah genannt wurde. In einer Stellungnahme zum geplanten Angriff der Israelis auf Rafah sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, „dass man ohnehin gegen eine umfassende Invasion sei.“[135]
Am 6. Mai 2024 waren die Zivilisten, die sich in Rafah aufhalten, von der israelischen Armee aufgerufen worden, die östlichen Stadtteile zu verlassen und sich in das von den IDF bereits Mitte Oktober 2023 als „sichere Zufluchtsstätte“ deklarierte Gebiet Al-Mawasi zu begeben. Laut einer Mitteilung der Streitkräfte sei die humanitäre Hilfe in diesem Gebiet ausgeweitet worden; dort stünden Feldlazarette, Zelte, Lebensmittel und Wasser bereit. Von den 1,2 Millionen Menschen, die sich derzeit in Rafah aufhielten, würde die geplante teilweise Evakuierung der Stadt etwa 100.000 Menschen betreffen. Diese seien nach Informationen der IDF mit Plakaten, Textnachrichten, Telefonanrufen und Ankündigungen in den Medien über die „begrenzte Operation“ informiert worden.[136]
In der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 2024 rückten israelische Panzer bis an die Stadtgrenze von Rafah vor.[137] Der Grenzübergang von Rafah nach Ägypten wurde von den IDF übernommen.[138][139] Die Militäroperation im Raum Rafah sei ein „präziser Anti-Terror-Einsatz in sehr begrenztem Umfang“ gewesen, erklärte die IDF. Die US-Regierung hatte Israel wiederholt vor einer Offensive in Rafah ohne ein glaubwürdiges Konzept zum Schutz der Zivilisten in der Stadt gewarnt.[140] Wie Israels Verteidigungsminister Joʾav Galant mitteilte, war der „Anti-Terror-Einsatz“ Teil einer mehrstufigen israelischen Militäroperation, die jedoch gestoppt werden könne, wenn die Hamas zu einer auch für Israel akzeptablen Verhandlungslösung für eine Waffenruhe zum Austausch der Geiseln gegen in Israel inhaftierte Palästinenser bereit sei.[141] Zur Zeit setzt die israelische Armee jedoch eigenen Angaben zufolge den Angriff auf Rafah mit „präzisen“ Vorstößen fort. Wie Militärsprecher Hagari sagte, bliebe der Umfang der Operationen des israelischen Militärs begrenzt. Diese „konzentrieren sich auf taktische Vorstöße, taktische Anpassungen und militärische Vorteile“; dicht besiedelte Gebiete seien dabei gemieden worden.[142]
Am 9. Mai 2024 genehmigt das israelische Sicherheitskabinett eine „Ausweitung des Einsatzgebiets“ der IDF in Rafah. Die jüngste Verhandlungsrunde der indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas in Kairo waren ergebnislos verlaufen.[143][144] Um die Angriffe auf Rafah auszuweiten, ordnete das israelische Militär die Evakuierung der zentralen Stadtteile an. Dort befinden sich zur Zeit Hunderttausende Zivilisten.[145] Diese jüngste Räumungsanordnung der IDF betraf erstmals auch dicht besiedelte Teile der unmittelbar an der ägyptischen Grenze gelegenen palästinensischen Stadt.[146] Viele der aus Rafah fliehenden Menschen machten sich auf den Weg zu der von den IDF angewiesenen „erweiterten humanitären Zone“ bei Al-Mawasi an der Küste, wo die Bedingungen nach Angaben von Helfern schon zuvor „entsetzlich“ waren. Auch im Norden des Gazastreifens gab es neue Evakuierungsbefehle.[145]
IDF-Truppenverlegung aus Gaza-Süd
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Wie ein Militärsprecher der IDF am 7. April 2024 mitteilte, wurden alle Bodentruppen aus dem südlichen Gazastreifen abgezogen. Nur noch eine Kampfeinheit wird im Netzarim-Korridor verbleiben, um diesen zu sichern.[147][148] Bei diesem Korridor handelt es sich um einen nur sechs Kilometer langen und zwei Kilometer breiten Streifen von der israelischen Grenze südlich von Gaza-Stadt bis zum Mittelmeer. Dieser teilt den Gazastreifen in Nord- und Südgaza und verbindet den nahe der „Grünen Linie“ zum Gazastreifen gelegenen Kibbuz Be'eri im Süden Israels über eine von der israelischen Armee gebaute Straße mit der Mittelmeerküste.[149][147][150] Eine unmittelbare Folge der israelischen Kontrolle über den Netzarim-Korridor war und ist es, dass die Hamas keine Personen und Güter zwischen dem Norden und dem Süden Gazas bewegen kann.[149] Andererseits hindert dieses Sperrgebiet aber auch Binnenflüchtlinge daran, in ihre Wohnorte im Norden Gazas zurückzukehren. Der Korridor könnte es aber auch ermöglichen, humanitäre Hilfsgüter direkt in den Norden des Gazastreifens zu bringen. Ob er aber auch tatsächlich dafür genutzt werden darf, liegt im Ermessen von Netanjahus Kriegskabinett. Die Option Rafah einzunehmen – die letzte von der Hamas kontrollierte Stadt im Gazastreifen – ließ das israelische Militär offen. Künftig wollen sich die IDF auf gezielte Operationen konzentrieren, hieß es. Ein ranghoher Offizier der IDF betonte der israelischen Tageszeitung Jerusalem Post zufolge, dass der Rückzug nichts mit dem wachsenden Druck der Vereinigten Staaten auf Israel zu tun habe, eine großangelegte Bodenoffensive in Rafah zu unterlassen.[147][148] Die von Joe Biden geführte US-Regierung hält eine solche wegen der Hunderttausenden Einwohnerflüchtlinge aus ganz Gaza, die dort Schutz vor den Kämpfen gesucht haben, für falsch.[151] Joe Biden hatte Israels Ministerpräsidenten darauf hingewiesen, dass ein Einmarsch der IDF in Rafah ohne vorherige Evakuierung der Zivilisten eine „rote Linie“ für ihn wäre.[152]
Einzelaspekte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Evakuierung der Zivilbevölkerung Gazas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Karte zeigt die von den IDF angekündigten israelischen Evakuierungszonen. Zur vom CTP-ISW erstellte Lagekarte wurden Karten und Erklärungen der IDF verwendet. Die IDF begann mit der Ankündigung dieser Evakuierungszonen am 2. Dezember 2023 auf X (ehem. Twitter)[153]
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Bis Mitte Dezember 2023 mussten rund 1,9 der etwa 2,2 Millionen Einwohner Gazas ihre Häuser und Wohnungen wegen der Kämpfe verlassen. Das israelische Militär forderte sie auf „sichere Zonen“ aufzusuchen, die auf von den IDF veröffentlichten Landkarten eingezeichnet waren. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN/UNO) gab es zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Karten allerdings noch kein Gebiet im Gazastreifen, das nach UN-Maßstäben als sicher gilt. Ein solches müsse mindestens Aufenthaltsmöglichkeiten, Schutz, Sanitäranlagen sowie genügend Nahrung und Trinkwasser bieten.[154] Israel hatte im Dezember 2023 eine Ausdehnung der Bodenoffensive auf weitere Gebiete im Gazastreifen angekündigt. Die Zivilbevölkerung im Norden des Gazastreifens wurde bereits Wochen zuvor dazu aufgefordert, sich zu ihrer eigenen Sicherheit in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu begeben. Die etwa 150.000 Palästinenser im Flüchtlingslager Al-Bureidsch, das im Zentrum des Gazastreifens liegt, wurden am 22. Dezember 2023 von der IDF dazu aufgefordert, den mittleren Abschnitt Gazas umgehend zu verlassen und sich nach Deir al-Balah rund sechs Kilometer weiter südlich zu begeben; dort stünden Schutzräume vor den bevorstehenden Kampfhandlungen für sie bereit. Diese Aufforderung galt auch für Flüchtlinge aus dem Norden sowie andere Palästinenser, die im Zentrum des Gazastreifens beheimatet waren; ein Zeitrahmen für die angeordnete Evakuierung wurde von der IDF nicht genannt. Am Abend des gleichen Tages soll es dort Luftangriffe gegeben haben. Eine Analyse der New York Times bestätigte, dass auch zuvor von den IDF als sicher ausgewiesene Gegenden bombardiert wurden.[155][154]
Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) wurden von Seiten Israels Ende Dezember 2023 auch großflächige Evakuierungen in der Stadt Chan Yunis angeordnet. Wie das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) erklärte, habe Israel am 20. Dezember 2023 Landkarten veröffentlicht, in denen ca. 20 Prozent des Stadtgebiets als zu räumendes Gebiet neu ausgezeichnet sind. Nach Angaben der UN lebten dort vor Beginn der Kämpfe mehr als 110.000 Menschen. Außerdem befänden sich dort 32 Notunterkünfte, in denen mehr als 140.000 Binnenflüchtlinge aus anderen Gebieten Gazas leben würden; die meisten von ihnen seien Flüchtlinge aus dem Norden Gazas.[156]
Möglichkeit einer Flucht ins benachbarte Ägypten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auch eine Flucht über die Grenze ins benachbarte Ägypten ist den Menschen verwehrt. Ägypten hält seine Grenzen geschlossen und erlaubt keine Grenzübertritte von Palästinensern und keinen Transport von Lebensmitteln und anderen wichtigen Gütern, weil die ägyptische Regierung befürchtet, dass der bewaffnete Konflikt, den Israel und die Hamas austragen, ins eigene Land „exportiert“ und Ägypten – über seine Vermittlerrolle hinaus – mit in den laufenden Gazakrieg hineingezogen werden könnte.
Laut Berichten bereitet sich Ägypten aufgrund der von Israel geplanten Offensive im Süden Gazas auf Hunderttausend Flüchtlinge vor. Vor den Kämpfen Geflüchtete sollen in einer mit einer hohen Mauer abgeschotteten „Pufferzone“ verbleiben, damit die ägyptischen Behörden die Kontrolle über sie behalten. Aus ägyptischer Sicht würden große Flüchtlingsströme von Palästinensern ein Sicherheitsrisiko darstellen und Bestrebungen der Palästinenser nach einem eigenen Staat untergraben. Mit dem Bau von Gebäuden und Zelten zur Unterbringung von Geflüchteten soll bereits zwei Monate zuvor auf dem dafür vorgesehenen Gelände begonnen worden sein. Von ägyptischer Seite wurden die Berichte nicht offiziell bestätigt.[157] Auf der Münchner Sicherheitskonferenz äußerte Israels Außenminister Israel Katz, es gebe keine Pläne, Palästinenser aus dem Gazastreifen vor der geplanten Militäroperation zu deportieren, aber eine Flucht Hunderttausender aus der Stadt Rafah würde mit Ägypten koordiniert werden.[158]
Kriegsführung Israels
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im November 2024 veröffentlichte eine UN-Sonderkommission des OHCHR einen Bericht über die Kriegsführung Israels vom Oktober 2023 bis Juli 2024. Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass Israels Kriegsführung in Gaza die Merkmale eines Völkermords erfüllt, insbesondere durch den Einsatz von Aushungern als Kriegswaffe.[159]
Am 14. Dezember 2023 berichtete CNN unter Berufung auf US-Geheimdienste, nahezu die Hälfte der 29.000 von Israel bisher verwendeten Bomben seien ungelenkt gewesen, der Rest sei präzisionsgelenkte Munition gewesen. Experten zufolge würden ungelenkte Bomben inmitten der israelischen Bombardierung des Gazastreifens aufgrund ihrer Ungenauigkeit die Wahrscheinlichkeit ziviler Opfer in dem dicht besiedelten Gebiet erhöhen. Laut einem Offiziellen geht die US-Regierung allerdings davon aus israelische Kampfjets würden jene Art von Bomben in Kombination mit einer Sturzflugtaktik einsetzen und somit die Treffsicherheit solcher Bomben auf ein Niveau ähnlich präziser Munition erhöhen.[160]
Laut einer Untersuchung der Vereinten Nationen (UN) wurden so viele Gebäude und Einrichtungen im Gazastreifen durch Israels Militäroperation zerstört, dass sich die Menge an Trümmern (Stand April 2024) auf 37 Millionen Tonnen belaufe. Im Gazastreifen ist nach Schätzung der UN mehr zerstört worden, als in den zwei Kriegsjahren in der gesamten Ukraine. Unter dem Schutt befinden sich laut dem UN-Minenräumdienst Unmas außerdem viele Blindgänger. Auch Asbest sei ein Problem.[161]
Im Januar 2024 berichtete das Wall Street Journal unter Berufung auf ungenannte israelische und ägyptische Quellen, Israel habe Ägypten über einen möglichen Militäreinsatz in Grenznähe informiert. Der Grenzübergang Rafah sei im Zusammenhang mit Schmuggeltunneln zur Unterstützung der Hamas ein Ziel einer Militäroperation. Der Plan wurde von der israelischen Regierung zunächst jedoch nicht abgesegnet. Grund dafür waren die rund 1,9 Millionen Palästinenser – 85 % der Bevölkerung Gazas – die sind seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 nach Aufforderung durch die israelische Armee aus dem dicht besiedelten Norden und dem mittleren Gazastreifen in den Süden Gazas, nach Rafah, geflohen sind und dort in provisorischen Zeltlagern oder im Freien nahe der ägyptischen Grenze kampieren.[162] Entsprechende Pläne wurden am 3. Februar 2024 von Joaw Galant bestätigt.[163]
Die Völkerrechtlerin Oona A. Hathaway führt in einem Essay im April 2024 aus, dass Israel bei seiner Kriegsführung eine sehr breite Auslegung des Ersten Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen von 1977 vornehme. Im Zusatzprotokoll wird das Prinzip der Proportionalität ausgeführt; Streitkräfte dürfen beim Verfolgen ihrer militärischen Ziele nur dem operationalen Zweck angemessene zivile Opfer und Schäden in Kauf nehmen. Generell seien diese zu vermeiden und möglichst gering zu halten. Laut Hathaway lege Israel dieses Proportionalitätsprinzip nicht Fall für Fall, also am jeweiligen spezifischen militärischen Ziel der Operation gemessen aus, sondern setze die Kollateralschäden immer ins Verhältnis zum Ziel des Kriegs insgesamt, nämlich der Zerstörung der Hamas als Ganzes. Dadurch handle Israel entgegen dem Geiste des Zusatzprotokolls und rechtfertige Operationen, so massiv der Schaden für die Zivilbevölkerung auch ausfalle.[164]
Eliminierung von Führern militant-islamistischer Gruppierungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den ersten Wochen nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 wurden nach Angaben der israelischen Armee (IDF) eine Reihe von Führern der für den Angriff verantwortlichen militant-islamistischen Terrororganisation Hamas bei israelischen Luftangriffen auf Ziele im Gazastreifen getötet:
- der Wirtschaftsminister Jawad Abu Shamala,[165]
- der Bildungsminister und Vorsitzende des Schura-Rates der Hamas, Osama Mazini,[166]
- der Chef der Lufteinheiten der Hamas, Murad Abu Murad,[167]
- Ali Qadhi, Kompaniechef der Nukhba-Kommandoeinheit der Hamas, der wegen der Entführung und Ermordung israelischer Zivilisten verhaftet und im Rahmen des Gilad-Schalit-Gefangenenaustauschs 2011 in den Gazastreifen entlassen worden war,[168]
- Billal al-Qedra, dessen Nukhba-Bataillon laut Armeeangaben für die Massaker in den Kibbuzim Nirim und Nir Oz verantwortlich gewesen war[169] und
- Ayman Nofal, Brigadekommandeur der Hamas und Mitglied des Militärrats der Hamas.
- Auch 14 Familienmitglieder von Hamas-Anführer Ismail Haniyya[170] sowie
- Rafat Abu Hilal, Anführer des militärischen Flügels der Terrorgruppe Volkswiderstandskomitee,[171] wurden bei der Bombardierung seines Hauses getötet,
- dazu auch Jamila al-Shanti, die Witwe des Hamas-Mitbegründers Abd al-Aziz ar-Rantisi und die erste Frau, die in das Politbüro der Hamas gewählt worden war,[172] und
- Jihad Muheisen, Chef der Nationalen Sicherheitskräfte Palästinas im Gazastreifen.[173][174]
- Nach Angaben der IDF töteten Bodentruppen die Kommandeure der Nukhba-Kommandoeinheit Amr Alhandi und Ahmed Musa sowie Muhammed Kahlout, den Anführer der Scharfschützengruppe in der nördlichen Gaza-Brigade der Hamas. Zudem hätten Truppen der 252. Division der IDF 19 Kämpfer der Hamas getötet, die einen Angriff auf israelische Soldaten geplant haben sollen.[175]
- Der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant gab bekannt, dass mit Stand vom 4. November 2023 im laufenden Gazakrieg bislang 12 Bataillonskommandeure der Qassam-Brigaden, des militärischen Arms der Hamas, getötet worden seien.[176]
Im Verlauf des Gazakrieges wurden weitere Führer der Hamas gezielte getötet:
- Am 2. Januar 2024 gaben die Hamas und auch der Hisbollah-nahe Nachrichtensender Al Mayadeen bekannt, dass der hochrangiger Repräsentant der Hamas im Libanon, Saleh al-Arouri und sechs weitere Mitglieder der Terrororganisation, darunter zwei weitere Kommandeure, bei einem israelischen Drohnenangriff in Dahieh, einem Vorort von Beirut (Libanon), getötet worden seien.[177] Im Dezember 2023 hatte ihn die EU zusammen mit Mohammed Deif, dem obersten Befehlshaber der Qassam-Brigaden im Gazastreifen, auf ihre Terrorliste gesetzt.[178][179][180][181][182][183]
- Am 3. Januar 2024 wurden in der iranischen Provinzhauptstadt Kerman bei einer Gedenkveranstaltung für den vier Jahre zuvor gezielt getöteten Kommandeur der iranischen Quds-Einheit, Qasem Soleimani, zwei Bombenanschläge verübt. Die Urheberschaft wird der Terrororganisation Daesh–Khorasan, einem afghanischen Ableger der Terrororganisation Islamischer Staat, zugeschrieben. Bei dem Bombenanschlägen in Kerman gab bis zu hundert Toten und Verletzte.[184]
- Im März 2024 wurde Marwan Issa, der stellv. Kommandeur der Qassam-Brigaden, bei einem israelischen Luftangriff getötet; Issa galt bis zu diesem Zeitpunkt als die „Nummer drei“ in der Führungshierarchie der Hamas und soll an der Planung des Terrorüberfalls auf Israel am 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen sein.[185]
- Am 13. Juli 2024 wurde Mohammed Deif, der oberste Befehlshaber der Qassam-Brigaden, bei einem Luftangriff getötet.[186]
- In der Nacht vom 30./31. Juli 2024 wurde, der Chef des Politbüros der Hamas Ismail Haniyya bei einem Attentat gezielt getötet. Das Attentat auf Haniyya erfolgte während seines Aufenthalts in der iranischen Hauptstadt Teheran durch einen Sprengsatz, der im Schlafzimmer seines Domizils platziert worden war. Zuvor hatte er an der Vereidigungszeremonie des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian teilgenommen und sich mit dem politisch-religiösen Oberhaupt des im Iran regierenden Mullah-Regimes, Ayatollah Ali Chamenei, getroffen.[187][187][188][189]
- Am 16. Oktober 2024 wurde Yahya Sinwar, der Nachfolger von Ismail Haniyya und einer der Drahtzieher des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, zunächst bei einem Feuergefecht verwundet und anschließend durch einen Kopfschuss getötet.[190][191]
- Am 11. November 2024 wurde der Kommandeur der militant-islamistiischen Terrororganisation Islamischer Dschihad in Palästina (PIJ), Mohammed Abu Sachil, bei einem Angriff auf eine ehemalige Schule im Norden Gazas von der israelischen Armee (IDF) getötet. Bei dem Angriff kamen auch seine Tochter und drei weitere Personen ums Leben. Im Mai 2024 war bereits Abu Sachils Vorgänger von der IDF getötet worden. Der Tod ihres militärischen Führers wurde von der PIJ bestätigt.[192]
Iranische Einflussnahme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Islamische Republik Iran unterstützt sowohl die Hamas in Gaza, die Huthi im Jemen, als auch die in einer festgelegten Pufferzone zu Israel a) stationierte Hisbollah; diese Terrororganisation ist mit der Hamas verbündet, verfügt über größere militärische Fähigkeiten als die Hamas und ist infolgedessen deutlich schlagkräftiger.[126][193] Die Paramilitärs der Huthi im Jemen, die Hamas in den palästinensischen Autonomiegebieten und die Hisbollah im Süden Libanons verstehen sich als Teil des als „Achse des Widerstands“ bezeichneten primär antiwestlich und antiisraelisch ausgerichtetes Bündnisses von sowohl sunnitischen als auch schiitischen Kräften der Arabische Welt unter der Führung der iranischen Regierung. Dieses militant-islamistiische Bündnis richtet sich primär gegen Israel und die Staaten der „Westlichen Welt“, die Israel politisch und militärisch unterstützen.[194][195]
Nachdem sich die Huti im seit 2023 währenden Gazakrieg mit der Hamas als solidarisch erklärt hatten und zu den von Jemen aus geführten Raketenangriffen auf Israel bekannten, wurden sie zu einer weiteren Kriegspartei.[196] Am 19. November 2023 kaperten die Huthi den Frachter Galaxy Leader und griffen im Dezember 2023 weitere Handelsschiffe vor der jemenitischen Küste an.[197][198] Seit Beginn des Jahres 2024 führen an einer sicheren Handelsschifffahrt im Roten Meer interessierte Staaten im Rahmen der Operation Prosperity Guardian unter Führung der USA Raketenangriffe auf Stellungen der Huthi-Kräfte im Jemen.[199] Im Februar 2024 bombardierten die USA und Großbritannien wiederholt Stellungen der Huthi im Jemen. Um die militärischen Fähigkeiten der Huti-Miliz so zu schwächen, dass diese ihre Angriffe auf Handelsschiffe in der Region nicht mehr fortsetzen können, waren insbesondere unterirdische Waffen- und Raketenlager, Angriffsdrohnen, Luftabwehrsysteme und Hubschrauber Ziel der Luftangriffe. In einer gemeinsamen Erklärung unterstützen Australien, Bahrain, Dänemark, Kanada, den Niederlanden und Neuseeland das militärische Vorgehen der Verbündeten.[195]
Um nicht direkte in einen kriegerischen Konflikt mit Israel zu geraten, vermied Iran bisher, offen in den laufenden Gazakrieg einzugreifen. Der Historiker Michael Wolffsohn spricht von einem „strukturellen Konflikt um die Dominanz im Nahen Osten“. Es gehe um sehr viel mehr, als um die Gegenreaktion auf den schrecklichen Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023; er verweist dabei auf die Abhängigkeit Europas vom Öl und Erdgas im Nahen Osten und zieht aus seiner Analyse das Fazit: Iran sei der „eigentliche Regisseur“ des Hamas-Angriffs.[200] Wie Guido Steinberg 2021 in einem Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) schreibt, hat sich der schon seit Jahrzehnten andauernde Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien zu einem „regelrechten Kalten Krieg“ im Nahen Osten ausgeweitet. Die jüngst zwischen einigen Golfstaaten und Israel abgeschlossenen Friedensabkommen seien ein Indiz dafür, dass die regionalen Gegner des Iran ein Bündnis gegen den von einem Mullah-Regine regierten Staat schmieden. Iran setzt in der Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten und seinen regionalen Gegnern indes auf die Entwicklung und den Bau von Atomwaffen, die Aufrüstung des iranischen Militärs mit Trägerraketen für atomare Sprengköpfe und die Unterstützung proiranischer militanter Gruppierungen. Letztere organisierten sich, laut Steinberg, in einer Art „schiitischer Internationale“, einem vom Korps der iranischen Revolutionsgarde angeführten Bündnis, dem unter anderem die libanesische Hisbollah, im Irak operierenden Paramilitärs, die palästinensische Hamas und die Huthi im Jemen angehören. Diese Allianz proiranischer Kräfte nutzte die auf den Arabischen Frühling folgenden Wirren und Bürgerkriege, um ihre Positionen im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen so weit auszubauen, dass, wie Steinberg schreibt, „zumindest die militärische Präsenz Irans in den vier Ländern auf Jahre gesichert scheint.“[201]
In Syrien hatte Iran bereits in der Zeit vor dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 große Militärpräsenz aufgebaut, zu der auch Waffenlager, Hauptquartiere und Kasernen zur Unterbringung der ihm angeschlossenen Milizen gehören. Die Islamischen Revolutionsgarden (IRGC) und die Libanesische Hisbollah (LH) verlegten zwei Tage nach dem Terrorüberfall auf Israel Truppen an die südwestliche Grenze Syriens. Die von Iran und der LH gesteuerten Einsätze gehörten nach Einschätzung des Institute for the Study of War (ISW) zu einem Szenario, in dem sich der laufende Gazakrieg zu einem Mehrfrontenkrieg um Israel ausweiten würde. Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, drohte am 9. Oktober 2023, dass sein Land auf jeden israelischen Angriff eine „verheerende Antwort“ geben würde. Das ISW hatte zuvor eingeschätzt, dass Angriffe von LH und palästinensischen Milizen den Krieg der Hamas gegen Israel zu einer zweiten Front ausweiten könnten.[202][203]
Eskalationspotential des Krieges gegen die Hamas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die militant-islamistische Hisbollah im Libanon
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die entgegen der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates im Süden des Libanon nahe der Blauen Linie stationierte Hisbollah hatte sich nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 mit der Hamas im Kampf gegen die israelische Armee (IDF) solidarisch erklärt und seitdem nahezu täglich Städte und andere Orte im Norden Israels mit Raketen und Drohnen angegriffen. Um die Zivilbevölkerung vor den Luftangriffen zu schützen, mussten ca. 60.000 Menschen in vor Luftangriffen der Hisbollah sicherere Gebiete Israels dauerhaft evakuiert werden.[204][205][206]
Nachdem der Spitzenfunktionär der Hamas, Saleh al-Aruri, bei einem israelischen Drohnenangriff auf einen Vorort der libanesischen Hauptstadt Beirut zu Beginn des Jahres 2024 getötet worden war, warnte der damalige Generalsekretär der Hisbollah, Hassan Nasrallah, Israel vor einer Eskalation des bewaffneten Konfliktes in diesem Grenzgebiet zum Libanon. Fortschritte bei der Befreiung, der seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 im Gazastreifen inhaftierten Geiseln, seien, wie er sagte, nun nicht mehr möglich.[207] Nach dem Tod von Nasrallah, der bei einem israelischen Luftangriff am 27. September 2024 auf das Hauptquartier der Hisbollah in einem Vorort Beiruts ebenso den Tod fand, wie mindestens sechs weitere Menschen, verschärften sich die Spannungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah deutlich.[206]
Am 5. Februar 2024 erklärte der damalige israelische Verteidigungsminister Yoav Galant bei einem Treffen mit US-Präsidentenberater, Amos Hochstein, dass sein Land angesichts der gefährlichen Lage im Grenzgebiet zum Libanon zwar grundsätzlich zu einer diplomatischen Lösung des seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 anhaltenden bewaffneten Konflikts mit der libanesischen Hisbollah bereit sei, sich aber zugleich auch auf „jedes andere Szenario“ vorbereite.[208] Nahostexperten schätzen die Lage im Nahen Osten Ende September 2024 als so gefährlich wie seit Jahrzehnten nicht mehr ein. Die israelische Armee (IDF) befand sich im Grenzgebiet zum Libanon bereits seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ständig in höchster Alarmbereitschaft. Die Vereinigten Staaten als wichtigster Verbündeter Israels verlegten angesichts der zunehmend angespannten Lage im Nahen Osten, zusätzlich Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Krisenregion[206]
Nach Einmarsch israelischer Bodentruppen in den Libanon am 1. Oktober 2024 verschärfte sich die Lage weiter. Die Hisbollah machte Israel zudem für die Explosionen Hunderter Pager und Walkie-Talkies im Libanon am 17./18. Oktober 2024 verantwortlich. Zahlreiche Hisbollah-Kämpfer, aber auch Zivilisten wurden bei dieser, dem israelischen Geheimdienstes Mossad zugeschrieben verdeckten Operation getötet oder schwer verletzt. Aus militärischer Sicht gesehen wurde vor allem die Kommunikation innerhalb der Hisbollah so empfindlich gestört, dass ein wesentlicher Teil des militärischen Kommando- und Kontrollsystems der Terrororganisation schlagartig ausfiel.[209] Irans Außenminister Abbas Araghchi warnte in Anbetracht der verheerenden Folgen dieses Angriff auf die Kämpfer und die militärische Infrastruktur der Hisbollah sehr deutlich davor, dass die nunmehr äußerst angespannten Lage jederzeit zu einem großen bewaffneten Konflikt führen könne.[206]
Der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, Naim Kassim, äußerte im Oktober/November 2024 in einer Fernsehansprache: „Die Tage werden kommen, an denen Raketen auf Israel niederregnen“ – eine Niederlage werde die Hisbollah keinesfalls hinnehmen. Aktuellen US-amerikanischen Schätzungen zufolge, verfügt die Terrororganisation derzeit über bis zu 50.000 bewaffnete Kämpfer. Kassims Vorgänger, Hassan Nasrallah, der bei einem gezielten israelischen Luftangriff getötet worden war, hatte vormals erklärt, die Hisbollah würde über ca. 100.000 ausgebildete Kämpfer verfügen.[210]
Das Mullah-Regime in Iran / Die Regierung Netanjahu in Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]„Die Region Naher Osten (picture-alliance / dpa-infografik / Deutschlandradio)“[200]
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Der Islamwissenschaftler und Politologe Guido Steinberg sah bereits im 1. Quartal des Jahres 2021 voraus, dass obwohl im Ergebnis der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 2020 der Demokrat Joe Biden das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten seit Januar 2021 für vier Jahre innehatte, sich die außenpolitischen Hoffnungen in Deutschland und Europa auf eine Entspannung des Nahostkonflikts nicht erfüllen werden, sondern dieser Konflikt stattdessen das Potential habe, sich weiter zu verschärfen. Wie Steinberg in einem Arbeitspapier der Bundesakademie für Sicherheitspolitik schrieb, ziele Irans Hegemonialpolitik darauf ab, eine iranische Vormachtstellung am Persischen Golf und im Nahen Osten durchzusetzen. Voraussetzung dafür ist jedoch der „Rückzug der Amerikaner“, welcher „deren Verbündete in der Region so stark schwächen würde, dass Iran eine Vormachtstellung einnehmen könne“.[211]
In der Auseinandersetzung mit den USA und um sich gegenüber regionalen Gegnern behaupten zu können, setzte Iran in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf ein Programm zur atomaren Aufrüstung seines Militärs, das verbunden war mit der Entwicklung und den Bau der notwendigen Trägerraketen für atomare Sprengköpfe. Regional stützte sich Iran zur Durchsetzung seiner Hegemonialpolitik im Nahen Osten auf proiranisch-militante Gruppierungen, wie die palästinensische Hamas, den Islamischen Dschihad in Palästinoa, die Huthi in Südjemen und die Hisbolah im Libanon, die in vielen Staaten der Westliche Welt als Terrororganisationen gelten. Die genannten Gruppierungen organisierten sich „in einer Art schiitischer Internationale“, einem von den Korps der Islamischen Revolutionsgarde angeführten Bündnis,[211]
Nachdem der Republikaner Donald Trump am 20. Januar 2017 erstmals Präsident der Vereinigten Staaten geworden war, machte er nicht nur das im Jahr 2015 geschlossenen Atomabkommen der Vereinigten Staaten mit Iran rückgängig, ondern überzog das Land mit Sanktionen und drohte dem theokratischen Staat wiederholt mit Krieg. Die Iranische Revolutionsgarde, dir zusammen mit der regulären Armee zu den Streitkräften des Iran gehört, wurde in den USA als Terrororganisation eingestuft und deren General Qassem Soleimani am 3. Januar 2020 auf Weisung von Trump gezielt durch eine Drohne getötet.[200]
Seitdem Iran am 1. April 2024 bei einem israelischen Luftangriff auf das iranische Konsulat in der syrischen Hauptstadt Damaskus angegriffen, das vierstöckige Konsulatsgebäude dabei zerstört und 16 Menschen, darunter zwei ranghohe Kommandeure der Iranischen Revolutionsgarde sowie fünf weitere Revolutionswächter getötet wurden, drohte der bisher latente Konflikt zwischen Iran und dessen erklärtem Todfeind Israel bereits zu einem, wie US-amerikanische Medien schrieben, „unerklärten Krieg Israels mit Iran“ zu eskalieren.[212] Ranghohe US-Regierungsvertreter hielten einen Vergeltungsschlag Irans für unvermeidlich.[212] Am Abend des 13. April 2024 erfolgte dann der zu befürchtende, gegen Ziele in Israel gerichtete, iranische Vergeltungsschlag, bei dem mehr als 300 Drohnen, Marschflugkörper und ballistische Raketen zum Einsatz kamen. Zuvor hatte Iran die Militäroperation auf diplomatischer Ebene angekündigt und Israel und den Vereinigten Staaten so die Möglichkeit eingeräumt, sich vorzubereiten.[213] In der Nacht vom 30./31. Juli 2024 erfolgte dann während dessen Aufenthalt in der iranischen Hauptstadt Teheran die gezielte Tötung von Ismail Haniyya, dem Chefs des Politbüros der Hamas, durch einen Sprengsatz, der im Schlafzimmer seines Domizils platziert worden war. Das Attentat auf Haniyya wu dem israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad zugeschrieben, obwohl dieser sich nicht dazu bekannt hatte.[214][215][216] Knapp eine Woche nach dem Attentat auf Hanija wurde Yahya Sinwar – bisher Chef der Hamas im Gazastreifen – zu ihrem Anführer und zum Leiter des Politbüros dieser palästinensischen militant-islamistischen Terrororganisation ernannt. Sinwar gilt als mitverantwortlich für Planung, Organisation und Durchführung des Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023.[217] Am 30. Juli 2024 wurde Fuad Shukr, ein ranghoher Kommandeur der Hisbollah, nur Stunden vor dem Attentat auf Haniyya bei einem gezielten Luftangriff der IDF auf die libanesische Hauptstadt Beirut getötet. Die Machthaber in Iran und die von ihnen unterstützte libanesische Hisbollah drohten Israel mit massiver Vergeltung für die Israel zugeschriebene Tötung des Spitzenfunktionärs der Hamas, Ismail Haniyya, und den Tod des ranghohen Hizbollah-Kommadeurs Fuad Schukr. Somit wächst international in zunehmenden Maß die Sorge vor einer kriegerischen Eskalation im Nahen Osten.[218]
Die Paramilitärs der militant-islamistischen Huthi im Jemen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit Ausbruch des Gazakrieges zwischen Israel und der Hamas griffdie im Jemen stationierte schiitische Gruppierung der Huthi zur Unterstützung der Kämpfe der Hamas im Gazastreifen immer wieder Schiffe im Roten Meer an, die ihren Aussagen zufolge in Verbindung mit Israel standen. Als Reaktion auf Angriffe der Huthi wurde zum Schutz der Schifffahrt im Dezember 2023 die Marineoperation „Prosperity Guardian“ von einer multinationalen Koalition, angeführt durch die USA, ins Leben gerufen. Nachdem wiederholt Angriffe auf Handelsschiffe erfolgt waren, führten die USA und Großbritannien in der Nacht vom 11./12. Januar 2024 einen Militärschlag gegen die Huthi; Ziele seien laut tagesschau.de u. a. Raketenstellungen und Radartechnik der Huthi gewesen. US-Präsident Biden drohte mit weiteren Maßnahmen, sollten die Angriffe auf Handelsschiffe nicht aufhören. Der stellvertretende „Huthi-Außenminister“ Al-Essis drohte den USA und Großbritannien schwerwiegende Konsequenzen und kündigte weitere Angriffe auf Handelsschiffe an.[219][220] Die Außenminister der Europäischen Union (EU) berieten bei einem Treffen am 22. Januar 2024 über eine mögliche Beteiligung der EU an der Marineoperation „Prosperity Guardian“. Laut der Nachrichtenagentur dpa hat der Auswärtige Dienst der EU (EAD) erste Vorschläge für den Start eines neuen gemeinsamen europäischen Militäreinsatzes erarbeitet, die unter anderem die Entsendung von Kriegsschiffen und luftgestützten Frühwarnsystemen in das Operationsgebiet der laufenden Marineoperation im Roten Meer vorsehen.[221]
Ausweitung des Nahostkonflikts im Kriegsverlauf
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kämpfe im israelisch-libanesischen Grenzgebiet
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am laufenden Gazakrieg, der dem israelisch-palästinensischer Konflikt im Rahmen des seit Gründung des Staates Israel (1948) anhaltenden Nahostkonflikts zuzuordnen ist, beteiligen sich neben den Qassam-Brigaden, dem militärischen Flügel der Hamas, auch andere palästinensische Milizen und islamistisch-militante Gruppierungen, deren erklärtes Ziel die Vernichtung Israels ist. Im israelisch-libanesischen Grenzgebiet greifen die Radwan-Streitkräfte – nahe der Grenze zu Israel im Libanon stationierte Eliteeinheiten der islamistischen Terrororganisation Hisbollah – seit Beginn des laufenden Gazakrieges fast täglich israelische Militärstellungen an.[222] Die Angriffe werden von den IDF meist mit Artilleriefeuer, Panzerbeschuss und Angriffen auf Raketenstellungen beantwortet.[223] Exemplarisch sei auf einen am 1. Januar 2023 – nach Angaben die IDF vom Libanon aus – erfolgten Start von Drohnen in Richtung Israel verwiesen, den die IDF nach eigenen Angaben mit einem Luftschlag auf die „terroristische Infrastruktur der Hisbollah im Libanon“ beantwortet hat.[224] Ende November 2023 bezifferte der israelische Verteidigungsminister Galant die Zahl der zerstörten Beobachtungsposten, Waffendepots und anderer militärisch genutzter Objekte der Hisbollah auf mehrere Dutzende, die Zahl der getöteten Kämpfer der Paramilitärs auf „mehr als Hundert“.[225]
Die Hisbollah verfügt neben ihren Kampfeinheiten auch über ein beträchtliches Raketenarsenal, das Ziele in ganz Israel erreichen kann und groß genug ist, um die Raketenabwehrsysteme Israels zu überfordern.[226] Während das mobile bodengestützte Luftabwehrsystem Iron Dome das israelische Territorium gegen feindliche Raketen und Mörsergranaten aus kürzester Reichweite schützt, sind die Luftabwehrsysteme David’s Sling und Arrow auf die Abwehr von Langstreckenraketen und Mittelstreckenraketen ausgelegt.
Am Anfang des Jahres 2024 wurde die Lage im israelisch-libanesischen Grenzgebiet zunehmend instabil. Während hinter der „Grünen Linie“ zum Gazastreifen, der Krieg tobt, beschießt die Hisbollah die Gebiete Israels vor der „Blauen Linie“, der Demarkationslinie zwischen Israels und dem Libanon, täglich mit Raketen und Drohnen. Die israelischen Streitkräfte antworten mit Artelleriebeschuss und Luftangriffen auf Abschussrampen und andere feindliche Ziele.[227] Aufgrund von zunehmenden Raketenangriffen an der israelisch-libanesischen Grenze und auch von Kämpfen mit zahlreichen Toten auf beiden Seiten erklärte Israel eine Zone von vier Kilometern entlang der israelisch-libanesischen Grenze zum Sperrgebiet.[228]
Seit Beginn des Gazakrieges im Oktober 2023 wurden bis Mitte Dezember 2023 nach Angaben der Hisbollah 100 ihrer Kämpfer an der israelisch-libanesischen Grenze getötet.[229]
Zu Beginn des Jahres 2024 wurde der stellvertretende Vorsitzende des Politbüros der Hamas Saleh al-Aruri bei einer Explosion in der libanesischen Hauptstadt Beirut gezielt getötet. Der Sicherheitsberater der israelischen Regierung Mark Regev äußerte bei einem Interview im US-amerikanischen Fernsehsender MSNBC:
„Wer auch immer diesen Angriff ausgeführt hat, ist sehr chirurgisch genau vorgegangen und hatte es auf ein Hamas-Ziel abgesehen. Denn Israel ist im Krieg.“[230]
Die Hamas gab Israel die Schuld an der gezielten Tötung al-Aruris. Mark Regev betonte in dem Fernsehinterview, dass Israel keine Verantwortung für den „Vorfall“ übernehme, sagte aber zugleich, dass Israels Führung in der Vergangenheit führende, an der Tötung israelischer Zivilisten beteiligte Terroristen als legitime Ziele benannt habe. Dies sei, wie er sagte, aber ein genereller Grundsatz und habe nichts mit der aktuellen Situation zu tun. Offensichtlich um eine Entschärfung der explosiven Lage bemüht, versuchte Mark Regev klarzustellen, dass der mutmaßliche Angriff auf die libanesische Hauptstadt allein der Hamas, nicht aber der im Libanon stationierten Hisbollah gegolten habe. Die von Iran unterstützten Paramilitärs kündigten angesichts der „gefährlichen Attacke auf den Libanon“ Vergeltung an.[207][230]
Israelischer Luftangriff auf 100 Raketenstellungen der Hisbollah
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 20. September 2024 flog die israelische Luftwaffe in mehreren Wellen Angriffe gegen rund 100 gefechtsbereite Raketenabschussrampen der libanesischen Hisbollah. Nach Einschätzung der für die Sicherheit im libanesischen Luftraum zuständiger Kreise hat es sich dabei um einen der schwersten Luftangriffe auf Stellungen der im Südlibanon stationierten Paramilitârs seit Beginn des gegenseitigen Beschusses im Oktober 2023 gehandelt. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit eines möglichen Einmarsches der israelischen Armee in den Libanon und somit auch die Angst vor einem „großen Krieg“ im gesamten Nahen Osten.[231]
Einmarsch israelischer Bodentruppen in den Libanon
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 1. Oktober 2024 überschritten Bodentruppen der israelischen Armee (IDF) vom Norden Israels aus die „Blaue Linie“ und damit die Grenze zum Libanon. Die IDF spricht von „begrenzten, lokalisierten und gezielten Bodenangriffen auf der Grundlage präziser Geheimdienstinformationen“, die sich gegen militärische Ziele und Infrastruktur richten, die vom israelischen. Militär den im Süden Libanons stationierten, paramilitärischen Einheiten der Hisbollah zugeordnet werden. Die Angriffsziele befänden sich in grenznahen libanesischen Dörfern und würden eine unmittelbare Bedrohung für die israelischen Gemeinden in Norden Israels darstellen. Die Bodentruppen der IDF werden von der israelische Luftwaffe und durch Artillerie mit „präzisen Angriffen auf militärische Ziele“ im Operationsgebiet unterstützt. Die laufende Militäroperation im Libanon finde parallel zur gegen die Hamas gerichteten Militäroperation „Eiserne Schwerter“ im Gazastreifen statt, laufe aber auch parallel zu anderen Militär- und Geheimdienstoperationen in nicht näher bezeichneten Gebieten des Nahen Ostens.[232]
Wie das israelische Militär meldete, seien sieben Soldaten, die zur IDF-Eliteeinheit Egoz gehörten, bei den ersten Gefechten auf libanesischen Boden bereits gefallen; mehrere Soldaten wurden bei den Kämpfen verletzt und seien in Krankenhäuser gebracht worden. Zuvor wurde von israelischer Seite bereits der Tod eines 22 Jahre alten Soldaten gemeldet.[233]
Terrorangriffe der Huthi auf die Schifffahrt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Die Huthi–Bewegung
Die als Huthi bekannte Bewegung Ansar Allah, die Gebiete im Jemen einschließlich der Hauptstadt Aden kontrolliert und von Iran unterstützt wird, führte ab Oktober 2023 mehrfach Angriffe durch, die sich direkt oder indirekt gegen israelisches Gebiet sowie vermeintliche israelische Interessen richteten. Insbesondere liegt die für den Handel zwischen Europa und dem Indischen Ozean sehr wichtige Route durch den Golf von Aden, die natürliche Meeresenge am Bab al-Mandab, das Rote Meer und die zwei Meeresarme Golf von Akaba und Golf von Sues an der Sinai-Halbinsel, und so mittelbar auch der Verkehr auf dem Sueskanal, teilweise im Einflussbereich der Huthi. Neben einem behördenartigen Auftreten gegenüber Handelsschiffen, um sie zum Einlaufen in eigene Häfen zu bewegen, und der Ermächtigung von Enterkommandos mit Schnellbooten, setzen sie verschiedene Waffensysteme ein, um entweder die Schifffahrt zu bedrohen oder israelisches Gebiet zu beschießen.[234]
- Angriffe auf Schiffe vor der Küste des Jemen im Roten Meer
Die vom Jemen aus operierende politisch-militärische Bewegung der Huthi haben sich mit der Hamas solidarisiert und greifen wiederholt Schiffe vor der von ihnen kontrollierten Küste im Roten Meer an, die ihrer Meinung nach entweder mit Israel in Verbindung stehen oder israelische Häfen ansteuern. Die Huthi beabsichtigen so, die Hamas dabei zu unterstützen, die israelische Luft- und Bodenoffensive im Gazastreifen zu stoppen. Der am 15. Dezember 2023 auf ein Schiff der Reederei Hapag-Lloyd erfolgte Angriff der Huthi war laut United States Central Command (Centcom) der 23. Angriff der in den Medien oftmals als „Rebellen“ bezeichneten Bewegung auf die internationale Schifffahrt seit dem 19. November 2023.[235] Die Huthis haben Iran als mächtigen Unterstützer hinter sich. Sie sind Teil der „Achse des Widerstands“ und stärken die Position Irans durch Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer.[236]
Am 19. Oktober 2023 soll das US-Kriegsschiff Carney im Roten Meer aus dem Jemen kommende Marschflugkörper und Drohnen abgefangen haben. Der Luftangriff soll gegen Israel gerichtet gewesen sein.[237] Am 27. Oktober 2023 ging eine Drohne im ägyptischen Grenzort Taba nahe der israelischen Grenze nieder und verletzte sechs Menschen; eine zweite Drohne wurde abgefangen. Da die Drohnen vom Roten Meer her kamen, zog Israel einen Angriff durch die Huthi, einer Bürgerkriegspartei im Jemen, in Betracht.[238] Am 31. Oktober 2023 wurde eine weitere Drohne über dem Roten Meer nahe der an der Südspitze Israels gelegenen Stadt Eilat abgeschossen; die Huthi übernahmen die Verantwortung für den Start und damit erstmals für einen ihrer Luftangriffe auf Ziele Israel. Später gab das israelische Militär das Abfangen einer Boden-Boden-Rakete durch das landgestützte Flugabwehrsystem Arrow bekannt, nach Aussage der IDF, den ersten Einsatz dieses Flugabwehrsystems im laufenden Gazakrieg.[239]
Ein US-Beamter, der anonym bleiben wollte, teilte am 25. November 2023 gegenüber der Agentur The Associated Press mit, eine iranische mutmaßliche Shahed-136 Drohne habe ein unter der Flagge Maltas fahrendes Schiff im Indischen Ozean angegriffen und beschädigt. Das Schiff gehöre dem israelischen Milliardär Idan Ofer.[240]
Bis zum 16. Dezember 2023 haben die US-amerikanischen Zerstörer Carney, Mason, Thomas Hudner, die französische Fregatte Languedoc der Aquitaine-Klasse und der britische Zerstörer Diamond der Daring-Klasse mehrere Angriffe von Drohnen und Boden-Boden-Raketen abgewehrt und sind Handelsschiffen zur Hilfe gekommen. Insbesondere soll Carney im Zeitraum von 19. Oktober 2023 bis 16. Dezember 2023 insgesamt 33 Drohnen und fünf Marschflugkörper abgewehrt haben.[241][242][243][244][245] Am 9. Dezember fand durch die Languedoc sowohl das erste Flugabwehrgefecht des Fregattenbauart FREMM als auch der erste Einsatz der Flugabwehrrakete Aster 15 gegen feindliche Luftziele statt.[244][246] In der Nacht vom 15. auf 16. Dezember setzte HMS Diamond beim ersten britischen Flugabwehrgefecht seit dem Einsatz von HMS Gloucester im Golfkrieg 1991 ebenfalls zum ersten Mal die britische Variante der Aster, genannt Sea Viper, gegen ein feindliches Ziel ein.[247]
Gegen Nachmittag des 19. November 2023 bestätigten die israelischen Streitkräfte die Kaperung eines Frachtschiffes im Roten Meer durch aufständische Huthi. Es soll sich aber weder um ein israelisches Schiff, noch um israelische Besatzungsmitglieder gehandelt haben. Die Galaxy Leader sei unter der Flagge der Bahamas gefahren.[248] Das Büro des israelischen Präsidenten beschuldigte Iran. Zuvor hatten die Huthis allen Schiffen gedroht, die mit Israel in Verbindung stünden. Das Schiff soll dem israelisch-britischen Geschäftsführer von Ray Carriers gehören.[249] Ein später von den Entführern veröffentlichtes Video zeigte die Kaperung per Helikopter, aus dem anschließend Bewaffnete auf das Schiff gelangten und die Crew mit Waffen bedrohten, sowie später Bewaffnete im Inneren des Frachtschiffs.[250][251]
In der Nacht 27. November 2023 teilte die US-Marine mit, das gekaperte Tankschiff Central Park nach einem Notruf befreit zu haben. Fünf Bewaffnete seien dabei durch Besatzung der Mason festgenommen worden, nachdem sie nach der Forderung zur Freigabe des Schiffes geflohen waren.[252]
Im Dezember 2023 versuchten die Huthi zwei Schiffe von Hubschraubern und Booten aus zu kapern.[234]
Siehe auch: Schifffahrt und Piraterie im Golf von Aden und Piraterie vor der Küste Somalias
- Reaktionen
Die Container-Reedereien CMA CGM, COSCO, Hapag-Lloyd, Hyundai Merchant Marine, Mærsk, MSC, Ocean Network Express, Orient Overseas Container Line, Yang Ming und ZIM, die Tanker-Reedereien und die Energieunternehmen BP, Equinor, Euronav und Frontline sowie der Kraftfahrzeuglogistiker Wallenius Wilhelmsen kündigten Mitte Dezember 2023 an, vorerst keine eigenen Schiffe mehr entlang der Handelsroute durch den Bab al-Mandab senden zu wollen.[253][254][255][256] Evergreen Marine kündigte darüber hinaus an, keine Fracht mehr für israelische Kunden befördern zu wollen.[257] Mit diesen Änderungen der Handelswege gehen steigende Frachtraten einher.[253][234]
Die ägyptische Suezkanalbehörde teilte für den Zeitraum 19. November bis 17. Dezember 2023 mit, dass 2128 Schiffe den Kanal genutzt hätten und 55 auf die Route über das Kap der Guten Hoffnung ausgewichen seien.[258]
Handelsschiffe unter amerikanischer Flagge, insbesondere solche der Reedereien Matson, Mærsk und Overseas Shipholding Group, stehen vorrangig unter Schutz der United States Navy.[259] Die französische Marine Nationale eskortierte im Dezember 2023 Schiffe der Reederei CMA CGM.[260]
Auf Initiative der Vereinigten Staaten soll die multinationale Operation Prosperity Guardian die Schifffahrtsroute schützen.[261][262]
- Hintergründe
Eine Analyse des US-amerikanischen Middle East Institute aus dem Oktober 2023 legt dar, dass die Huthi Drohnen, Marschflugkörper, Seezielflugkörper sowie ballistischen Raketen unterschiedlicher Reichweiten aus iranischer Fertigung bzw. auf Basis iranischer Ausrüstung in großer Bandbreite einsetzen können. Die Angriffe der im Jemen stationierten Rebellen richten sich gegen Schiffe im Roten Meer und gehen vorrangig von der Küstengegend der im Westen Jemens gelegenen Gouvernements al-Hudaida oder Haddscha aus. Sie richten sich auch gegen den in Reichweite der Waffen liegenden südlichsten israelischen Hafen in Eilat am Golf von Akaba.[263] Dieser Hafen ist für Israel bedeutsam, auch wenn er deutlich weniger Warenumschlag aufweist als der Hafen von Aschdod am Mittelmeer.
Eine Hintergrundinformation an die Nachrichtenseite Naval News legte am 16. Dezember 2023 dar, wie die Huthi-Angriffe im Roten Meer und an der Engstelle Bab al-Mandab bis dahin in der Regel abliefen:[245] Demnach würden Wellen von Angriffen mit je 15 bis 20 unbemannten Luftfahrzeugen über einen Zeitraum von zwei Stunden gestartet. Diese gingen untereinander nicht koordiniert gegen ein Ziel vor, so dass nicht von einem Drohnen-Schwarm die Rede sein könne. Es würden zudem ungelenkte ballistische Kurzstrecken-Boden-Boden-Raketen eingesetzt, die keinen Zielsuchkopf besitzen. Um dennoch Treffer auf Handelsschiffen zu erzielen, würden die Huthi die Schiffe entweder durch Funksprüche oder Beschuss zum Verringern der Fahrt und zum Einlaufen in einen unter Huthi-Kontrolle befindlichen Hafen auffordern, dann eine Drohne zur Feststellung von Zielkoordinaten einsetzen und diese Koordinaten mit den ungelenkten ballistischen Raketen beschießen.
Es wurden Drohnen des nach US-Nomenklatur KAS-04 genannten Typs identifiziert, der aus iranischer Fertigung der Firma Kimia Part Sivan Company als Samad-3 bekannt ist. Dieser sei zur Aufklärung und Zielauffassung (Intelligence, surveillance, target acquisition, and reconnaissance) sowie als Einwegwaffe mit einer 18-Kilogramm-Sprengladung nutzbar.[264]
Wechselseitige Luftangriffe zwischen Iran und Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 25. Dezember 2023 wurde bei einem israelischen Luftangriff ein General des Korps der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), das zusammen mit der regulären Armee die Streitkräfte der Islamischen Republik Iran bildet, nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus getötet. Dieser war dort als Militärberater tätig; Iran drohte mit Vergeltung.[265][266]
Am 1. April 2024 wurden bei einem Israel zugeschriebenen Luftangriff auf ein iranisches Konsulatsgebäude in Damaskus 16 Menschen getötet. Unter den Toten befanden sich sieben Mitglieder des IRGC und Offiziere der regulären iranischen Armee, die sich in dem Konsulatsgebâude aufhielten, darunter Brigadegeneral Muhammad Reza Zahedi, sein Stellvertreter Brigadegeneral Haji Rahimi sowie fünf weitere Offiziere der iranischen Streitkräfte.[267][268] Daraufhin griff das IRGC am 13. April 2024, mit mehr als 300 Raketen, Drohnen- und Marschflugkörper militärische Ziele in Israel an. Die israelische Luftverteidigung konnte eigenen Angaben zufolge mit Unterstützung der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Jordaniens den iranischen Luftangriff erfolgreich abwehren. Ein kleines Mädchen wurde bei der Abwehr des Angriffs durch die herabstürzende Trümmer einer abgeschossenen iranischen Rakete schwer verletzt; die Sachschäden waren hingegen gering.[269] Obwohl Israel offiziell nicht die Verantwortung für den Angriff übernahm, hatte der Sprecher der israelischen Armee, Daniel Hagari, laut der The Times of Israel darauf verwiesen, das israelische Geheimdienstinformationen belegen würden, dass es sich bei dem in Damaskus bei einem Luftschlag getroffenen Objekt nicht um ein iranisches Konsulatsgebäude, sondern um „ein militärisches Gebäude der Quds-Kräfte, das als ziviles Gebäude getarnt war“, gehandelt habe.[270][271][272][273][274][275] Bei den al-Quds-Brigaden, denen der Luftschlag offenbar galt, handelt es sich um eine auf Auslandseinsätze spezialisierte Eliteeinheit der IRGC, die Fachleuten zufolge die Zusammenarbeit mit proiranischen Milizen in Syrien, im Libanon und im Irak koordiniert. Zu diesen proiranischen Milizen gehören die libanesische Hisbollah und im Irak und in Syrien aktive, ebenfalls von Iran unterstützte und gelenkte militant-islamistische Gruppierungen.[276] Die Hisbollah hatte sich nach dem Terrorüberfall auf Israel am 7. Oktober 2023 mit der Hamas solidarisch erklärt und war fortan zunehmend im israelisch-libanesischen Grenzgebiet in Kämpfe mit der israelischen Armee (IDF) verwickelt.[277] Als Reaktion auf den iranischen Angriff griff Israel am 19. April 2024 militärische Ziele in Iran an.
Wechselseitige Luftangriffe erfolgten auch im Oktober des Jahres 2024. Im iranischen Staatsfernsehen wurde der vom Korps der islamischen Revolutionsgarde geführte Raketenangriff auf Israel am 1. Oktober 2024 als Vergeltungsschlag für den Monate zuvor erfolgten Sprengstoffanschlag auf Ismail Haniyya , dem damaligen Vorsitzenden des Politbüros der Hamas, die gezielte Tötung des langjährigen Generalsekretärs der Hisbollah, Hassan Nasrallah und den Tod eines iranischen Generals dargestellt.[278][279]
Am 26. Oktober 2024 übte die Israelische Luftwaffe Vergeltung für den iranischen Luftschlag vom 1. Oktober und griff militärische Ziele in Iran an. 100 israelische Militärflugzeuge, darunter Kampfjets und unbemannte Drohnen, griffen zunächst Luftabwehrsysteme in Syrien und im Irak an, um diese Länder daran zu hindern, die Angriffe der israelischen Luftwaffe abzufangen. Anschließend flogen israelische Kampfflugzeuge nach Iran und griffen dort stationierte Luftabwehrsysteme an. Eine zweite Angriffswelle der israelischen Luftwaffe hatte die Zerstörung iranischer Produktionsstätten für Langstreckenraketen zum Ziel.[280][281][282][283] Außerdem wurde eine streng geheime Forschungsanlage des iranischen Atomprogramms auf der vermeintlich stillgelegten Militärbasis Parchin, die 30 Kilometer südlich von Teheran liegt, zerstört.[284] In der iranischen Provinz Chuzestan wurden S-300-Flugabwehrsysteme in der Nähe einer Ölraffinerie, einer petrochemischen Anlage sowie des größten iranischen Hafens Bandar-e Imam Chomeini zerstört. Nahe der Hauptstadt Teheran bombardierten israelische Kampfflugzeuge die Militärbasen Parchin und Khojir. Ziel waren darin gelegene Produktionsanlagen von Feststoffmotoren für ballistische Raketen.[285]
Westjordanland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im von Israel widerrechtlich besetzten Westjordanland starben seit dem 7. Oktober 2023 mindesten 114 Palästinenser zumeist bei Aktionen des israelischen Militärs, mindestens sechs von ihnen wurden durch israelische Siedler getötet. Hatte das israelische Militär im Westjordanland die Vertreibung und Landnahme durch radikale israelische Siedler seit dem Jahr 2019 (nachdem der als moderat geltende Generalstabschef Gadi Eizenkot in den Ruhestand versetzt worden war) ignoriert oder toleriert, beteiligten sich teilweise israelische Soldaten nach dem Terrorangriff der Hamas an der Vertreibung von Palästinensern aus ihren Gemeinden.[286]
Am frühen Morgen des 22. Oktober 2023 bombardierte die Israelische Luftwaffe eine Terrorzelle in Dschenin (Westjordanland); nach Angaben der IDF befand sich dort unter der Al-Ansar-Moschee eine Kommandozentrale der Terroristen; zudem hatten diese auf dem Gelände Waffen und Munition gelagert. Erst im Juli 2023 war die israelische Armee in die Stadt eingerückt, um die „terroristische Infrastruktur“ der Hamas und des Islamischen Dschihad zu zerschlagen, nachdem zuvor radikalisierte Palästinenser bei Terroranschlägen mehrere Israelis getötet hatten.[287]
Der UNO-Menschenrechtsrat hatte im Jahr 2021 „Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete, einschließlich Ostjerusalem“ im Jahr 2021 eingesetzt und diese beauftragt, zu untersuchen, ob es Verletzungen des internationalen Rechts in den von illegal von Israel besetzt gehaltenen Gebiete Palästinas, einschließlich Ostjerusalem, gegeben hat.
Ein Sprecher vom Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zog am 18. Oktober 2024 eine erste Bilanz darüber, wie viel Tote es im besetzten Westjordanland seit dem Ausbruch des laufenden Gazakrieges bei Auseinandersetzungen zwischen den verfeindeten israelischen Besatzern und den ansässige Palästinenser gegeben hat. In den vergangenen zwölf Monaten seien laut OCHA 728 Palästinenser überwiegend von Soldaten der israelischen Armee (IDF), aber mindestens auch zwölf von israelischen Siedlern getötet worden; die Palästinenser hätten im gleichen Zeitraum 32 Armeeangehörige und sieben israelische Siedler getötet. Nach israelischen Angaben wird auf Palästinenser nur geschossen, wenn diese israelische Siedler oder Armeeangehörige angreifen. OCHA-Sprecher, Jens Laerke, fordern die israelische Besatzungsmacht auf, die Palästinenser in den besetzten Gebieten Palästinas künftig vor Angriffen, Gewalt und Einschüchterung zu schützen.[288]
Opfer
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Opfer des Terrorangriffs der Hamas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Todesopfer aus Israel
Am 10. November 2023 gab das israelische Außenministerium die Zahl der durch den Angriff getöteten Israelis und Ausländer mit rund 1.200 an und revidierte damit die zuvor bekanntgegebene Opferzahl von 1.400; dies sei auf die Tatsache zurückzuführen, dass nicht identifizierte Leichen gezählt worden waren, die sich später als getötete Terroristen herausgestellt hätten.[289] Nach Angaben des israelischen Gesundheitsministeriums wurden 4.932 Menschen in Israel verletzt, davon befanden sich am 20. Oktober 2023 noch 299 in medizinischer Behandlung, 49 davon befanden sich in kritischem Zustand.[290] Seit den Angriffen gelten außerdem 100–200 Personen als vermisst.[19] Am 15. Dezember 2023 berichtete Agence France-Presse basierend auf Daten der israelischen Sozialversicherungsbehörde, die endgültigen Opferzahlen des am 7. Oktober 2023 begonnenen Terrorangriffs beliefen sich auf 1.139 Tote, darunter 36 Minderjährige und 71 Ausländer. Die Identifizierung habe Wochen benötigt, da viele Leichen verstümmelt oder verbrannt waren; teilweise waren ganze Familien in ihren Häusern verbrannt.[33] Unter den 36 Minderjährigen seien 20 unter 15 Jahre alte Kinder,[33] das jüngste Opfer sei die zehn Monate Mila Cohen, die in Be’eri in den Armen ihrer Mutter[291] von einer Kugel getroffen wurde, als Terroristen durch die Tür eines Schutzraumes feuerten.[33][292] Nicht in den Opferzahlen enthalten seien fünf noch als vermisst gemeldete Personen, darunter vier Israelis.[33] Die Daten unterschieden ferner nicht zwischen den von der Hamas und den von den israelischen Streitkräften bei den Kämpfen um die Rückeroberung des Südens Israels getöteten Zivilisten.[33] Die israelische Armee setzte bei dieser Operation laut Zeugenaussagen Panzergeschosse und Raketen in bewohnten Gebieten ein.[33][293]
In der Zeit nach dem Holocaust hatte es bis dahin keinen anderen Tag gegeben, an dem so viele Juden ermordet wurden.[294][295][296][297][298] Der Unabhängigkeitskrieg 1947–1949 hatte über einen Zeitraum von fast zwei Jahren zusammen etwa sechstausend Todesopfer gefordert. Über die zwei Wochen des Jom-Kippur-Krieges 1973 waren etwa zweitausend Israelis getötet worden, jedoch nur sehr wenige zivile Opfer. Etwa tausend Israelis waren während der viereinhalb Jahre dauernden zweiten Intifada 2000–2005 Terroranschlägen zum Opfer gefallen. Beim tödlichsten Anschlag auf jüdisches Leben außerhalb Israels – dem Anschlag von Buenos Aires 1994 – waren 85 Menschen ermordet worden.[299][295]
Israelische Forensiker, die versuchten die Leichen zu identifizieren, weil viele so entstellt waren, dass man sie nicht mehr erkennen konnte, berichteten über die Gewalt, die den Opfern vor oder nach ihrem Tod zugefügt worden war. Man sehe „Köpfe, zerschossen und zertrümmert auf viele verschiedene Arten, Körper mit Schüssen überall. Zerteilte Körper, ohne Köpfe – auch ein geköpftes Kind.“[300] Die israelische Polizei gab am 20. Oktober 2023 bekannt, dass bislang 758 getötete Zivilisten identifiziert und 655 davon zur Beerdigung freigegeben werden konnten.[301] Bei Ermittlern der israelischen Polizei gaben Augenzeugen Dinge zu Protokoll, die sie während oder nach den Angriffen gesehen hatten; es war von Demütigungen, Verstümmelungen und Grausamkeiten die Rede und davon, dass die Terroristen nicht zwischen Babys, Kleinkindern, Jungen, Mädchen, Frauen, Männern, Alten, Soldaten und Polizisten unterschieden hätten. Bei den Polizeiermittlungen wurde auch deutlich, dass die Terroristen sexualisierte Gewalt systematisch als Kriegswaffe benutzt hatten.[302]
Siehe auch: Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 → Vergewaltigungen und sexualisierte Gräueltaten der Hamas gegen Frauen
Stand 23. Oktober 2023 gab es laut Regierungssprecher Eylon Levy mehr als 200.000 israelische Binnenvertriebene, die Hälfte davon aus mindestens 105 Gemeinden in der Nähe der Grenzen zum Gazastreifen und zum Libanon. Diese seien von der Regierung aufgefordert worden, das Gebiet zu verlassen. Die andere Hälfte habe die frontnahen Gebiete aus eigenem Entschluss verlassen.[303][304] In Ramat Gan wurde eine Zeltstadt für Menschen errichtet, die aus dem Süden oder Norden Israels vertrieben wurden. In Eilat wurde eine Zeltstadt für Vertriebene vorbereitet.[305] Am 6. November 2023 wurde bekanntgegeben, dass bislang etwa 130.000 Israelis evakuiert wurden und weitere rund 120.000 Israelis freiwillig die nördlichen und südlichen Grenzgebiete verlassen hätte.[306]
- Todesopfer aus anderen Staaten
Laut israelischen und thailändischen Angaben wurden im Zuge des Hamas-Angriffs 34 Thailänder getötet, 19 verletzt und 32 entführt.[307][308] Etwa 30.000 thailändische Landarbeiter waren bis zum Terrorangriff der Hamas in Israel beschäftigt, etwa 5.000 von ihnen arbeiteten in Gemeinden in der Nähe des Gazastreifens, in denen 75 % des Gemüses des Landes angebaut wird.[309][310] Im Kibbuz Alumim wurden außerdem zehn nepalesische Landwirtschaftsstudenten ermordet, die sich mit 255 anderen Nepalesen für ein elfmonatiges Arbeitsstudienprogramm in Israel aufgehalten hatten. Vier weitere Nepalesen wurden verletzt und ein Student wird weiterhin vermisst. Schätzungen zufolge arbeiteten vor dem Angriff rund 4.500 Nepalesen in Israel.[311][312] Am 6. November 2023 bestätigte die französische Premierministerin Élisabeth Borne, dass beim Hamas-Angriff 40 Staatsangehörige Frankreichs getötet wurden. Damit hat das Land die höchste Zahl ausländischer Todesopfer zu beklagen. Acht Franzosen werden noch vermisst.[313][314] Laut der Außenministerin Catherine Colonna befanden sich zum Zeitpunkt des Anschlags mehr als 80.000 französische Staatsbürger oder französisch-israelische Doppelstaatsangehörige in Israel.[315] Die Vereinigten Staaten gaben den Tod von mindestens 31 US-Amerikanern bekannt (Stand: 18. Oktober 2023),[316] die Ukraine meldete bis 18. Oktober 23 Tote[317] und auch Russland bestätigte am 24. Oktober den Tod von 23 seiner Staatsangehörigen, acht weitere seien noch vermisst.[318] Argentinien gab den Tod von neun seiner Bürger und die Verschleppung von etwa 20 weiteren bekannt (Stand: 26. Oktober).[319] Das österreichische Außenministerium gab am 18. Oktober bekannt, dass bislang vier österreichisch-israelische Doppelstaatsbürger tot aufgefunden worden seien. Zwei weitere Doppelstaatsbürger gelten weiterhin als vermisst.[320] Die britische Abgeordnete Victoria Atkins bestätigte am 24. Oktober den Tod von 12 britischen Staatsangehörigen, sechs werden noch vermisst.[321] Das kanadische Außenministerium bestätigte am 26. Oktober den Tod von sechs Kanadiern und einer siebten Person mit engen Verbindungen zu Kanada, zwei Kanadierinnen würden noch vermisst.[322]
Geiseln der Hamas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Während des Terrorangriffs der Hamas am 7. Oktober 2023 wurden 239 Geiseln in den Gazastreifen entführt. Die Geiseln waren mehrheitlich israelische Zivilisten, unter ihnen waren aber auch Soldaten und ausländische Staatsangehörige; teilweise hatten die Betroffenen eine doppelte Staatsbürgerschaft.[323]
Am 24. November 2023 trat um 07:00 Uhr Ortszeit ein von Katar, Ägypten und den Vereinigten Staaten (USA) zwischen Israel und der Hamas vermitteltes Abkommen über eine viertägige Feuerpause zwischen 24. November und 1. Dezember 2023 in Kraft.[324] Die ersten israelischen Geiseln – 13 Frauen und Kinder – wurden wie vereinbart am 24. November 2023 von der Hamas aus der Geiselhaft entlassen; außerdem kamen vier thailändische Staatsbürger frei. Seit dem frühen Morgen des 24. Novembers 2023 wurden laut Bericht des UN-Nothilfebüro OCHA 137 Lastwagen entladen, die Bevölkerung sei mit Lebensmitteln, Wasser und medizinischen Gütern versorgt worden. Außerdem seien 129.000 Liter Treibstoff und vier LKW-Ladungen mit Gas in Gaza angekommen.[325] Auch am 25. November kamen Geiseln frei; es handelte sich um 13 israelische und vier thailändische Geiseln. Im Gegenzug kamen 39 von Israel inhaftierte Palästinenser frei. Die Hamas erklärte, dass die thailändischen Geiseln nach Bemühungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan freigelassen worden seien.[326][327]
Die IDF, die Hamas und das vermittelnde Golfemirat Katar gaben am 30. November 2023, bekannt, dass die am 24. November 2023 vereinbarte Feuerpause verlängert wird, sodass noch weitere Geiseln freikommen und Hilfsgüter nach Gaza geliefert werden konnten.[328] Am 1. Dezember 2023 um 5:43 Uhr, endete die zwischen Hamas und IDF vereinbarte Feuerpause; nach Angaben der israelischen Regierung waren bereits zuvor wieder Raketen von Gaza aus in Richtung Israel gestartet worden. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu warf der Hamas vor, entgegen den getroffenen Vereinbarungen der ausgelaufenen Waffenruhe neben den abgefeuerten Raketen auch nicht wie vereinbart alle weiblichen Geiseln freigelassen zu haben. Insgesamt kamen während der Feuerpause 110 Geiseln frei, darunter 86 israelische und 24 ausländische Staatsbürger.[329][330] In den Wochen zuvor waren bereits vier Frauen freigelassen und eine israelische Soldatin frei gekommen.[331] Im Gegenzug wurden 249 Palästinenser aus israelischen Gefängnissen freigelassen.[329][330] 137 der von Terroristen in den Gazastreifen entführten Menschen blieben weiterhin in Geiselhaft – darunter seien laut Mitteilung der israelischen Regierung 2 Kinder, 20 Frauen und 115 Männer; 126 Geiseln seien israelische Staatsbürger und elf Ausländer.[331][330]
Anfang Februar 2024 wurde bekannt, dass von den noch im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln nach Angaben der IDF 31 Menschen tot sind.[329][330] Deren Angehörige fordern von der israelischen Regierung, die Kämpfe in Gaza umgehend zu stoppen und wieder Verhandlungen mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln aufzunehmen.
Entgegen dem von US-Präsident Biden am 31. Mai 2024 präsentierten Plan für eine Waffenruhe erklärte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am 1. Juni 2024, dass es keinen dauerhaften Waffenstillstand im Gazastreifen geben werde, solange die militärischen Kapazitäten der Hamas und deren Fähigkeiten zum Regieren nicht zerstört seien; andere Vorstellungen hätten keine Perspektive.[332]
Wie das Magazin Der Spiegel vom 23. Juni 2024 unter Bezug auf das »Wall Street Journal« berichtete, könnte die Zahl der noch lebenden Geiseln bei nur noch etwa 50 liegen; offiziellen Angaben zufolge befinden sich noch rund 120 Israelis in palästinensischer Geiselhaft. Die Angehörige der Geiseln fordern von der Regierung Netanjahu, die Kämpfe in Gaza umgehend zu stoppen und wieder Verhandlungen mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln aufzunehmen. Am 23. Juni 2024 fanden in den Städten Tel Aviv, Jerusalem, Haifa, Beer Scheva und in anderen Orten Israels Massenproteste statt. Zehntausende Demonstranten forderten Neuwahlen und die Befreiung der von der Hamas Festgehaltenen aus der Geiselhaft – „Lebendig und nicht in Leichensäcken“. Ministerpräsident Netanjahu warfen die Demonstranten vor, sich den Forderungen einiger rechtsextremer Minister seiner Koalitionsregierung zu beugen und wie Der Spiegel schrieb, „eine mögliche Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln zu hintertreiben.“[333][334] c)
Bei einem Briefing Mitte August 2024 sprachen Israels Ministerpräsident und Verteidigungsminister Joaw Galant über die Möglichkeit ein Abkommen mit der Hamas abzuschließen, das eine Waffenruhe im laufenden Gazakrieg verbunden mit der Freilassung der seit dem 7. Oktober 2024 noch im Gazastreifen in Geiselhaft der militanten-islamistischen Terrororganisation befindlichen Israelis zum Inhalt haben könnte. Gallant sprach mit Nentanjahu darüber, dass Israel die Wahl zwischen einem Abkommen über eine Waffenruhe, welche die Konflikte im Norden mit der libanesischen Hisbollah-Miliz und im Gazastreifen beenden könnte oder einer Eskalation des Kriegs habe. Das israelische Militär und er als Verteidigungsminister unterstützen die erst genannte Option. Nentanjahu vertrat dagegen den Standpunkt, dass Gallant mit der Übernahme des „Anti-Israel-Narrativs“ die Chancen auf ein „Abkommen zur Geisel-Befreiung“, schmälern würde. Er sehe im Chef der islamistisch-militanten Palästinenserorganisation Hamas, Yahya Sinwar, das „einzige Hindernis“, das einem Waffenstillstandsabkommen entgegenstehen würde – Israels einzige Wahl bestehe darin, „den totalen Sieg [über die Hamas] zu erringen“. Wie Gallant im Onlinedienst »X« öffentlich machte, habe er bei dem Briefing mit dem israelischen Ministerpräsidenten betont, dass er entschlossen sei, alle Kriegsziele im laufenden Gazakrieg zu erreichen, und den Kampf gegen die Hamas bis dahin fortsetzen werde.[335]
Erneute geführte Gespräche über einen Waffenstillstand und eine Freilassung weiter Geiseln zwischen den Verhandlungsführern der Hamas und Israel sollen voraussichtlich am 15. August 2024 stattfinden. Anders als Israel hat die Hamas eine direkte Teilnahme daran bisher abgelehnt. Wie die Deutsche Presseagentur aus „Hamas-Kreisen“ erfuhr, werde die Terrororganisation „nicht unter Beschuss verhandeln“. Die indirekten Verhandlungen würden aber auch dann fortgesetzt werden, wenn die Hamas nicht an den Gesprâchen teilnehmen sollte, ließen arabische Vermittler das das Wall Street Journal wissen; die Hamas würde bei Nichtteilnahme über die besprochenen Bedingungen für ein Waffenstillstandsabkommen informiert werden, hieß es dort weiter. Yahya Sinwar, der Nachfolger von Ismail Haniyeh als politischer Führer der Hamas, ließ arabische Vermittler am 12. August 2024 lt. Wall Street Journal wissen, dass er erst davon überzeugt sei, dass wenn Israel ernsthaft verhandeln und die Hamas einbeziehen wolle, es zuerst sein militärisches Vorgehen im Gazastreifen einstellen müsse. Die Hamas besteht nach wie vor auf die Umsetzung des unter Beteiligung der Vereinigten Staaten ausgearbeiteten Plans für ein Waffenstillstandsabkommen – Neuverhandlungen lehnt die Terrororganisation ab.[336][337] US-Präsident Joe Biden hatte am 31. Mai 2024 einen neuen dreistufigen Plan für eine Waffenruhe im laufenden Gazakrieg präsentiert:[338][339][340][341]
- Phase 1 begänne mit einer sechswöchigen Feuerpause und dem Abzug der israelischen Streitkräfte aus allen bewohnten Gebieten des Gazastreifens. Die Hamas würde einige Geiseln freilassen, darunter Frauen, ältere Menschen und Verletzte, im Austausch für die Freilassung Hunderter palästinensischer Häftlinge in israelischen Gefängnissen. Auch die sterblichen Überreste einiger israelischer Geiseln würden an die Familien überführt. Palästinenser könnten an ihre Wohnorte in ganz Gaza zurückkehren. Hilfslieferungen würden auf 600 Lastwagen pro Tag angehoben werden. Währenddessen würden die Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien fortgesetzt; bei Erfolg könnte Phase 2 beginnen.
- Phase 2 würde mit der Freilassung aller restlichen Geiseln der Hamas einschließlich männlicher Soldaten eingeleitet werden. Die israelischen Streitkräfte würden sich dann ganz aus Gaza zurückziehen. Einer vorübergehenden Waffenruhe könnte dann „eine dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten“ folgen.
- Phase 3 wäre die Rückführung etwaiger sterblicher Überreste israelischer Geiseln und der Wiederaufbau der Wohnhäuser, Schulen und Krankenhäuser im Gazastreifen mit der Unterstützung der USA und der internationalen Gemeinschaft.
Die Eltern einer 23-jährigen US-Amerikanerin, die als Geisel von der Hamas beim Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt wurde, haben in den Vereinigten Staaten in einer Rede von den Delegierten des Parteitages der Demokratischen Partei gefordert, dass diese sich für die Freilassung aller Geiseln einsetzen. Jon Polin, ein Vater, dessen Sohn am 7. Oktober vom Musikfestival verschleppt wurde, das nahe der „Grünen Linie“ zum Gazastreifen stattfand, bezeichnete das Thema der Freilassung der Geiseln als kein politisches, sondern als ein humanitäres Thema.[342][343]
Israelische Militärangehörige
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit Stand vom 8. August 2024 wurden laut israelischen Angaben bei der laufenden Bodenoffensive der israelischen Armee im Rahmen der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ im Gazastreifen 329 israelische Soldaten getötet und 2.176 verletzt.[344] Anm. 2)
Palästinensische Zivilisten und Milizangehörige
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Angaben des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte wurden infolge der israelischen Offensive im Gazastreifen mit Stand Juni 2024 über 120.000 Menschen,[21] eine knappe Mehrheit davon Frauen und Kinder, getötet oder verletzt.[22] Im August 2024 wurde die Zahl von 40.000 getöteten Palästinensern überschritten. Gemessen am getöteten Bevölkerungsanteil des Gazastreifens (2 % in den ersten zehn Kriegsmonaten) ist der Krieg damit einer der tödlichsten Kriege des 21. Jahrhunderts.[345]
Nach einer Analyse der israelischen Zeitung Haaretz von Anfang Dezember 2023 lag der Anteil der Zivilbevölkerung unter den Opfern des Kriegs auf palästinensischer Seite mit 61 Prozent zudem auf einem außergewöhnlich hohen Niveau.[346][347]
Nach von israelischen Medien bestätigten Angaben israelischer Menschenrechtsgruppen töteten radikale israelische Siedler infolge des Terrorangriffs mindestens sechs Palästinenser im Westjordanland, ohne dass Strafverfolgungsbehörden aktiv wurden, und misshandelten und vertrieben, teils mit Unterstützung israelischer Soldaten, hunderte weitere, indem sie mit Erschießung drohten.[286]
Nach UN-Angaben waren Stand 5. Dezember 2023 etwa 1,9 Millionen Menschen im Gazastreifen wegen der Luftangriffe aus ihren Häusern vertrieben bzw. zu Binnenvertriebenen geworden; 60 Prozent aller Häuser und Wohnungen seien beschädigt oder zerstört.[348][349]
Glaubwürdigkeit der Zahlen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Zahlenangaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums bzgl. Toten und Verletzten können nicht unabhängig überprüft werden, wurden aber unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (die eine Organisation der Vereinten Nationen ist) als glaubwürdig eingestuft, da die Zahlen in der Vergangenheit zuverlässig gewesen seien.[350][351]
Auch einer in The Lancet publizierten Untersuchung zufolge gibt es keine Anhaltspunkte für den Verdacht, dass die Zahlen des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministerium von Palästina (mit Sitz in Gaza (Stadt)) vorsätzlich manipuliert werden. Fachleute gehen eher von einer Unter- als einer Überschätzung der Opferzahlen aus.[352][353] Auch laut einem Beamten im US-Außenministerium könnten die wahren palästinensischen Opferzahlen „sogar noch höher als die Angaben“ sein.[354] Anm. 1)
Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind mit Stand Juni 2024 insgesamt 36.550 Palästinenser ums Leben gekommen (davon mehr als 15.000 Minderjährige[355][356]) und 82.959 Menschen verletzt worden.[352] Mit Stand vom 29. Februar 2024 seien laut statista.com im Rahmen der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ des israelischen Militärs im Gazastreifen ca. 30.035 Palästinenser infolge von Kampfhandlungen im Gazastreifen gestorben; circa 70.457 seien verletzt worden.[357] Anm. 2) Schon im November 2023 lag die Zahl der in Gaza getöteten Menschen bei über 15.000, darunter über 6.000 Minderjährige; weitere 6.000 Opfer liegen laut einem damaligen Bericht des Ministeriums vermutlich unter den Trümmern in Gaza begraben.[358] Laut dem israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu hatte die israelische Armee damals bereits tausende Terroristen getötet.[359]
Einwohner Nord-Gazas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das israelische Militär warnte die Binnenflüchtlinge im Süden Gazas am 15. April 2024 wiederholt davor, in ihre nördlich des Wadi Gaza gelegenen Wohngebiete zurückzukehren. Zeugen hatten berichtet, dass Soldaten der IDF das Feuer eröffnet hätten, als sich eine Menschenmenge den israelischen Kontrollpunkten näherte. Nach Angaben des nahe gelegenen Awda-Krankenhauses wurden fünf Menschen getötet und 54 verletzt.
Hunderttausende Palästinenser waren auf Geheiß der israelischen Streitkräfte in den Süden Gazas geflohen, nachdem die Bodentruppen der IDF in der Nacht vom 27./28. Oktober 2023 die „Grüne Linie“ zum Gazastreifen überschritten und mit der Bodenoffensive auf palästinensischen Boden die zweite Phase der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ eingeleitet hatten. Während der monatelangen Kämpfe wurden weite Teile des Nordens Gazas, einschließlich großer Teile von Gaza-Stadt zerstört. Auf Grund monatelang durch Israel beschränkter humanitärer Hilfslieferungen nach Nord-Gaza stehen rund 300.000 dort verbliebene Palästinenser, am Rande ihrer Existenz. Israel hat zwar die Zahl seiner Bodentruppen im Gazastreifen reduziert, aber während der laufenden Verhandlungen über ein Waffenstillstandsabkommen wiederholt Forderungen der Hamas, die vertriebenen Einwohner Nord-Gazas in ihre Wohngebiete zurückkehren zu lassen, zurückgewiesen. Israel begründete seine ablehnende Haltung damit, das militante Hamas-Kämpfer dort weiterhin operieren würden. Die Kontrolle über den Norden sei zwar gelockert worden, aber weiterhin würden dort Luftangriffe und Razzien gegen sich neu formierende Kampfeinheiten der Hamas und mit ihr verbündeter Milizen erfolgen. Erst im März 2024 hatten Einheiten der israelischen Bodentruppen das Al-Schifa-Krankenhaus, den größten im Stadtteil Rimal von Gaza-Stadt gelegene Krankenhaus des Gazastreifens, in zweiwöchigen Kämpfen angegriffen.[360]
UN-Mitarbeiter, UNRWA-Helfer und Journalisten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Angaben der UNO am 5. Dezember 2023 wurden bislang 131 UNO-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter getötet, darunter 130 des palästinensischen Flüchtlingshilfswerks, ebenso 286 im Gesundheitswesen Beschäftigte.[349] Die Organisation Reporter ohne Grenzen beklagte die Einschränkung der Pressefreiheit durch angeblich gezielten Beschuss von Reportern und Journalisten durch israelische Streitkräfte; es seien innerhalb der ersten Woche der Gefechte 11 Journalisten getötet worden.[361][362][363] Bis April 2024 seien über 100 Journalisten getötet worden.[364]
Anfang April 2024 suspendierten mehrere Hilfsorganisationen ihre Hilfslieferungen, nachdem bei einem israelischen Luftangriff mehrere Mitarbeiter von World Central Kitchen getötet worden waren.[365]
Kriegsfolgen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Humanitäre Krise im Gazastreifen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Situation im gesamten Kriegsgebiet
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Lebensbedingungen und medizinische Versorgung
Aufgrund der nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 verschärften Blockade besteht im Gazastreifen ein akuter Mangel an Trinkwasser, Essen, Strom und medizinischen Gütern.[351] Hilfslieferungen, die über Ägypten nach Gaza erfolgten, deckten danach anfangs etwas 5 Prozent und im Dezember 2023 knapp 20 Prozent des Bedarfs.[108][155] Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser erfolgte nach Einstellung der Einspeisung aus Israel bis auf weiteres aus Anlagen zur Meerwasserentsalzung. Mit Stand vom 30. Oktober 2023 kam laut taz.de etwa wieder halb so viel Wasser wie zuvor aus Israel im Gazastreifen an.[108] Die Stromversorgung in Gaza wird bei 20 % der Haushalte mit Solarenergie abgedeckt.[366] Im Übrigen erfolgt die Stromversorgung durch Generatoren.
Patienten mit amputierten Gliedmaßen, schweren Verbrennungen und anderen lebensbedrohlichen Verletzungen würden in die überfüllten Kliniken eingeliefert, sagte der Leiter der Kinderklinik im Kamal-Alwan-Krankenhaus.[367] Der Arzneimittelmangel führte laut Vertretern der WHO dazu, dass Operationen und selbst Amputationen ohne Anästhesie durchgeführt werden müssten[368] sowie zu einem Anstieg von Durchfall, Atemwegsinfektionen und Hautkrankheiten unter den Vertriebenen.[369] Menschen mit Verbrennungen und anderen Wunden wurden nach Angaben eines Mitglieds von Ärzte ohne Grenzen sofort wieder aus den Krankenhäusern im Gazastreifen entlassen, weil diese zu überlastet seien. Außerdem gebe es Flüchtlingslager im Gazastreifen, in denen sich 50.000 Menschen ein paar wenige Toiletten teilen müssten und in denen es Wasser nur alle zwölf Stunden für ein paar Stunden lang gebe, außerdem würden junge Patienten mit schweren Verletzungen in ihnen herumlaufen.[370] Am 10. November 2023 wurde durch die WHO berichtet, dass 20 der 36 Krankenhäuser im Gazastreifen aufgrund von Zerstörung und Mangel an medizinischem Material den Betrieb hätten einstellen müssen.[371]
Rund 1,9 Millionen Palästinenser, 85 % der Bevölkerung Gazas, sind seit dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 aus dem dicht besiedelten und heftig umkämpften Norden in den Süden des Gazastreifens geflohen und leben dort z. Z. mit wenig Wasser, Nahrung und Medikamenten in provisorischen Zeltlagern oder im Freien nahe der ägyptischen Grenze.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte Mitte Dezember 2023 davor, dass das bisher von der Hamas verwaltete Gesundheitssystem im Gazastreifen zusammenbrechen könnte.[372] Die Vereinten Nationen (UNO/UN) wiesen darüber hinaus darauf hin, dass der eklatante Mangel an Trinkwasser und Lebensmitteln im Gazastreifen zu einer humanitären Katastrophe führen wird.[373]
Mit Stand von Ende Dezember 2023 konnten die mehr als 50.000 Verletzten in den letzten neun teilweise funktionsfähigen Krankenhäusern – vor dem Gazakrieg gab es im Gazastreifen 36 Krankenhäuser – kaum noch mit dem notwendigen Bedarf an Treibstoff für die Generatoren zur Erzeugung von elektrischem Strom, Nahrungsmitteln und sonstigen zum Betrieb Notwendigen versorgt werden. Wie der Nothilfeorganisator der WHO, Sean Casey bereits zuvor warnte, verhungern und verdursten die Menschen im Gazastreifen. Auf 700 Menschen kommt dem Sprecher der Kinderhilfsorganisation UNICEF, James Elder, zufolge eine Toilette; der Zugang zu sauberem Trinkwasser liege bei 5 Prozent. Laut WHO wurden seit Mitte Oktober 2023 aus dem Kriegsgebiet 100.000 Durchfallerkrankungen gemeldet, die Hälfte bei Kleinkindern unter fünf Jahren – 25-mal so viele wie vor dem Gazakrieg. Ähnlich rasant nimmt laut WHO aufgrund der katastrophalen Verhältnisse die Zahl der Erkrankungen an Lungenentzündungen und Hepatitis im Gazastreifen zu.[155] Der für die palästinensischen Gebiete Verantwortliche des UNO-Kommissariats für Menschenrechte (UNHCR) Sunghay warnte am 26. Januar 2024 vor den Auswirkungen des z. Z. unvorhersehbaren Wetters; heftiger Regen hatte zuletzt mehrfach Überschwemmungen im Gazastreifen ausgelöst. Ohne zusätzliche Kleidung und Decken bestehe die Gefahr, dass sich die ohnehin schon prekären hygienischen Bedingungen weiter verschlechtern.[374]
Unter den Binnenflüchtlingen im Gazastreifen und den noch in ihren Wohnorten verbliebenen Palästinensern befanden sich Mitte Dezember 2023 nach UN-Schätzungen rund 50.000 Schwangere – täglich werden dort mehr als 180 Kinder geboren. Laut einer Mitteilung auf der Internetplattform X vom 24. Dezember 2023 unternehmen Ärzte und Hebammen in den noch einsatzfähigen UNRWA-Gesundheitszentren Gazas ihr Möglichstes, um Hochrisiko-Schwangere ausreichend zu betreuen.[375]
Wie der Leiter des Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Philippe Lazzarini, nach einem Aufenthalt im Gazastreifen Mitte Januar 2024 berichtete, hätten sich die Lebensumstände dort weiter verschlechtert: Hunderttausende Menschen lebten auf der Straße und schliefen auf Betonböden. Die Unterkünfte Hilfsorganisation seien überfüllt und die sanitäre Ausstattung schlecht. Mancherorts hätten Frauen fast aufgehört zu essen oder zu trinken, weil sie die schmutzigen Toiletten nicht benutzen wollten. Durchfall und Hautkrankheiten breiteten sich schnell aus.[376] Mitte November 2023 waren des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zufolge von den 36 Krankenhäusern im Gazastreifen 20 nicht mehr funktionsfähig.[377]
Laut der Sprecherin für das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP), Abeer Etefa, habe sich die Lage der hungernden Menschen im Gazastreifen auch im Januar 2024 nicht verbessert, laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) sprach sie von einer drohenden Hungersnot. Zwar seien genug Nahrungsmittel an den Grenzen vorhanden, um die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen einen Monat ausreichend zu versorgen, wegen der andauernden Kampfhandlungen sei es jedoch nicht möglich die bereitstehenden Nahrungsmittel innerhalb des umkämpften Küstenstreifens – insbesondere im Norden Gazas – zu verteilen.[378]
„Die Menschen in Gaza hungern. Die Bedingungen sind unmenschlich und unsere gemeinsame Menschlichkeit zwingt uns zum Handeln […] Die israelische Regierung muss mehr tun, um den Hilfsfluss deutlich zu erhöhen. Keine Ausreden!“
Das israelische Parlament, die Knesset, beschloss am 28. Oktober 2024, dass das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA seine Aktivitäten auf israelischem Staatsgebiet im kommenden Jahr einstellen muss. Damit wäre Mitarbeitern der UN-Hilfsorganisation der Zugang zu den an Israel angrenzenden autonomen Palästinensergebieten von israelischen Staatsgebiet aus verwehrt. Der Beschluss des israelischen Parlaments wurde damit begründet, dass Mitarbeiter der UN-Hilfsorganisation UNRWA an gegen Israel gerichtete Aktivitäten terroristischer Organisationen – u. a. am Terrorangriff der Hamas auf Israel 2023 – beteiligt gewesen seien. Boaz Bismuth, einer der Initiatoren der gegen die Zivilbevölkerung der Palästinensischen Autonomiegebiete gerichteten Gesetzesbeschlüsse und Mitglied der regierenden rechtskonservativen Likud-Partei, fasste die Begründung der Knesset in wenigen Worten zusammen: „UNRWA ist gleich Hamas“. Ein im April 2024 veröffentlichter Prüfbericht, der von unabhängigen Experten unter Leitung der ehemaligen französischen Außenministerin Catherine Colonna erstellt wurde und israelische Vorwürfe gegen insgesamt zwölf UNRWA-Mitarbeiter untersuchte, teilte diese Einschätzung nicht.[380] Der UN-Sicherheitsrat sprach sich mit seltener Einstimmigkeit gegen den Beschluss des israelischen Parlaments aus. Alle Mitglieder warnten in einer gemeinsamen Erklärung „nachdrücklich vor allen Versuchen, die Arbeit und das Mandat des UNRWA abzubauen oder zu beschneiden“. Eine Unterbrechung der Arbeit des Hilfswerks hätte „schwerwiegende humanitäre Folgen“. Wie UNRWA-Leiter Philippe Lazzarini auf der Plattform X schrieb, seien etwa zwei Millionen Palästinenser in den palästinensischen Autonomiegebieten auf die lebenswichtige Hilfe des UNRWA angewiesen. Die Einstellung der Hilfeleistungen würde insbesondere im Gazastreifen die Lage der Menschen, die „seit mehr als einem Jahr durch die Hölle gehen“, weiter verschlimmern.[381] UN-Generalsekretär António Guterres sagte, die Welt müsse handeln, um die „ethnische Säuberung“ des Gazastreifens zu verhindern.[382]
Situation im Süden Gazas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit 21. Oktober 2023 ist die Grenze zu Ägypten wieder geöffnet. Im Schnitt passieren nicht wie vor Beginn des Gazakriegs rund 500 Lastkraftwagen den Grenzübergang Rafah, sondern nur noch 70 Lkw pro Tag die Grenze, um humanitäre Güter in den Gazastreifen zu bringen.[383]
Israel hat am 15. Dezember 2023 eigenen Angaben zufolge den Grenzübergang Kerem Schalom nach Gaza für Hilfslieferungen geöffnet. Damit wird laut einer Mitteilung des Büros von Ministerpräsident Netanjahu einer im Geisel-Deal vereinbarten Verpflichtung entsprochen, die als Bedingung für die Freilassung von Geiseln vorsieht, das täglich 200 Lastwagen mit Hilfsgütern die Grenze in den dicht besiedelten Gazastreifen passieren.[384]
Anfang Januar 2024 warf die WHO der israelischen Armee „skrupellose“ Angriffe auf ein Krankenhaus in der derzeit im Süden Gazas umkämpften Stadt Chan Yunis vor. Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond seien bei den Angriffen mindestens fünf Zivilisten getötet worden, darunter ein fünf Tage alter Säugling.[385]
Im Dezember 2023 hatten die israelischen Streitkräfte Al-Mawasi als eines der einzigen „sicheren Gebiete“ im Süden des Gazastreifens ausgewiesen.[386] Hunderttausende Palästinenser waren aus den umkämpften Gebieten Gazas 2023 dorthin geflohen, um den Krieg dort zu überleben; sie fanden einen kargen Landstreifen ohne grundlegende Ressourcen wie Nahrung, Wasser oder sanitäre Einrichtungen vor.[387]
In der südlichsten Stadt Gazas, in Rafah, hatten vor dem Gazakrieg 280.000 Menschen gelebt. Ende Dezember 2023 drängten sich dort auf immer kleiner werdenden Raum über eine Million Menschen. Wie der UNRWA-Chef Tom White im Dezember 2023 berichtete, wurden in Rafah „immer mehr Menschen zusammengetrieben, während auch diese Stadt fortwährend weiter bombardiert wird.“ Auch in Rafah reiche weder die Wasserversorgung noch die Kanalisation und nicht einmal der Platz zum Aufstellen von Zelten für die Flüchtlinge aus.[155]
Der Chef der Weltgesundheitsorganisation Tedros Adhanom Ghebreyesus warnte am 27. Januar 2024 auf der Online-Plattform „X“ vor einem Kollaps des Nasser-Krankenhauses in der z. Z. heftig umkämpften Stadt Chan Yunis; dem Krankenhaus gingen Treibstoff, Nahrungsmittel und andere Vorräte aus. Wegen der Kämpfe seien Hunderte Patienten und Klinikmitarbeiter geflohen und die Lieferungen von Nachschub seien schwierig. Derzeit befänden sich 350 Patienten und 5000 Binnenflüchtlinge aus anderen Gegenden Gazas in der Klinik. UN-Angaben zufolge hätten dort etwa 18.000 Geflüchtete Schutz gesucht.
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, dass die medizinische Versorgung im Nasser-Krankenhaus im Wesentlichen zusammengebrochen sei. Die Klinik sei die größte noch funktionierende Gesundheitseinrichtung im Gazastreifen.[388] Die IDF teilte laut tagesschau.de in der Nacht vom 25./26. Januar 2024 mit, dass sie mit deren Direktoren sowie dem medizinischen Personal vor Ort in Kontakt seien, um den Betrieb im Nasser-Krankenhaus und im Amal-Krankenhaus in Chan Yunis sicherzustellen. Vor den Einsätzen gegen die Hamas in der Gegend sei zudem sichergestellt worden, dass beide Krankenhäuser mit ausreichend Treibstoff und Vorräten versorgt worden seien. Nach Darstellung der IDF sei die israelische Armee nicht dazu verpflichtet, die Menschen aus den beiden Kliniken in Sicherheit zu bringen. Viele Menschen hätten sich laut IDF aber freiwillig dafür entschieden, die Krankenhäuser zu verlassen. Für sie gebe es einen Fluchtkorridor. Laut Mitteilung des für Gaza zuständigen Direktors des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Thomas White, vom 25. Januar 2024 seien die beiden Kliniken umstellt. Die IDF hingegen wiesen Berichte über Belagerungen oder Angriffe auf die beiden Krankenhäuser als „eklatante Fehlinformationen“ zurück.[389]
Wie die IDF am 13. März 2024 bekannt gab, sollte ein Großteil der 1,4 Millionen Binnenflüchtlinge, die sich z. Z. in der Stadt Rafah aufhielten, noch vor dem Beginn des in der Stadt geplante Angriffs auf die Hamas evakuiert werden. Laut IDF-Militärsprecher Daniel Hagari sollte die Evakuierung der Palästinenser im Vorfeld der geplanten Offensive in ausgewiesene „humanitäre Inseln“ (englisch „humanitarian islands“) im Zentrum Gazas in Abstimmung mit internationalen Akteuren (englisch „in coordination with international actors“) erfolgen. In Rafah befanden sich laut Hagari zu dem Zeitpunkt noch vier Bataillone der Hamas.[390]
Situation im Norden und in der Mitte Gazas
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die überwiegende Mehrheit der Zivilbevölkerung verließ den Norden des Gazastreifens, nachdem Israel die Bewohner aufgefordert hatte, nach Süden zu fliehen, da die IDF sich zu Beginn der Bodenoffensive zunächst auf den Norden Gazas als Operationsgebiet konzentriert hatten.[391] Nach Angaben der WHO gibt es seit Ende Dezember 2023 kein betriebsfähiges Krankenhaus im Norden Gazas mehr – es fehle an Treibstoff, Mitarbeitern und Materialien. Auch das letzte Krankenhaus, die Al-Ahli-Klinik, sei nur noch minimal funktionsfähig.[392]
Im nördlichen Teil des Gazastreifens wurde eine Hungersnot befürchtet.[393] Das Welternährungsprogramm (WFP), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderten in einer gemeinsamen Erklärung Israel dazu auf, zusätzlich zum Grenzübergang Kerem Schalom und dem Grenzübergang Rafah auch den dringend für humanitäre Hilfslieferungen in den Norden Gazas benötigten Hafen von Aschdod zur Verfügung zu stellen. Die Hilfsorganisationen wiesen darauf hin, dass die Nutzung des Hafens es ermöglichen würde, wesentlich größere Mengen an Hilfsgütern in den schwer betroffenen Norden Gazas zu transportieren, den bisher nur wenige Konvois erreichen konnten.[394]
Am 29. Februar 2024 kam in Gaza-Stadt zu einem Ansturm der hungernden Menschen auf einen eintreffenden Hilfskonvoi. Nachdem rund 30 Lastwagen am frühen Morgen Gaza-Stadt angekommen waren, seien Tausenden auf diese zugestürmt. Bewaffnete Palästinenser sollen auf einige der Lastwagen geschossen haben. Daraufhin sollen israelischen Soldaten zunächst Warnschüsse abgegeben, um die Menschen aufzuhalten. Auf diejenigen aber, die sich den Soldaten trotzdem genähert hätten, seien von den Soldaten Schüsse auf die Beine abgegeben worden. Augenzeugen gaben an, dass es Schüsse von israelischen Soldaten auf Plünderer gegeben habe, die sich gewaltsam Mehl und Konservendosen aus den Lastwagen des Hilfskonvois holen wollten. Die Gesundheitsbehörde Gazas meldete mehr als 100 Tote bei dem Zwischenfall, während nach israelischen Angaben mindestens 24 Menschen durch Rempeleien und Getrampel getötet worden seien und es zudem zahlreiche Verletzte gegeben hätte.[395]
In einer gemeinsamen Erklärung beschrieben die Organisationsleiter des Ständigen interinstitutionellen Ausschusses der Vereinten Nationen (IASC) die Situation in Norden Gazas Ende Oktober 2024 als „apokalyptisch“. Das Gebiet werde seit fast einem Monat belagert, grundlegende Hilfe und lebensrettende Güter würden verweigert, während die Bombardierung und andere Angriffe andauerten. Allein in den letzten Tagen seien Hunderte von Palästinensern, die meisten davon Frauen und Kinder, getötet worden, Tausende seien erneut vertrieben worden. Die gesamte palästinensische Bevölkerung im nördlichen Gazastreifen sei in unmittelbarer Gefahr, an Krankheiten, Hunger und Gewalt zu sterben.[396]
Laut Angaben der NRC Flüchtlingshilfe (NRC) hat deren Generalsekretär, Jan Egeland, nach einem Besuch in Gaza-Stadt und in anderen urbanen Gebieten im Norden und im Zentrum Gazas Anfang November 2024 die Lage der dort verbliebenen Zivilbevölkerung als unvorstellbar schlimm eingeschätzt: „Die komplette Zerstörung, die ich in dieser Woche in der Stadt Gaza und anderen urbanen Gebieten des nördlichen und zentralen Gazastreifens gesehen habe, ist schlimmer als alles, was ich mir als ein langjähriger Helfer vorstellen kann.“ Weiter heißt es, dass Jan Egeland berichtet habe, dass sich die Lage der Zivilbevölkerung in den genannten Gebieten Gazas seit dessen letzten Besuch dort, im Februar 2024, drastisch verschlechtert habe. Was er im Norden Gazas gesehen habe, sei eine gebrochene Bevölkerung, die seit Tagen ohne Nahrung gewesen sei und nirgendwo Trinkwasser finden könne. Einige Familien hätten nicht einmal ihre Toten begraben können – eine Szene absoluten Verzweiflung folge der anderen.[397]
Am 8. November 2024 forderten internationale Experten für Ernährungssicherheit in einem Aufruf der IPC-Initiative für die Analyse von Nahrungskrisen alle am laufenden Gazakrieg beteiligten Staaten und Organisationen und solche die auf dessen Verlauf Einfluss haben auf, eine „unmittelbar bevorstehende Hungersnot“ im umkämpften Norden Gazas abzuwenden.[398]
Maßnahmen zur Eindämmung der humanitären Krise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zur Abwendung einer Hungersnot wurden anfänglich Lebensmittel lediglich aus der Luft über dem u. a. kriegsbedingt auf dem Land- und Seeweg schwer zugänglichen Gazastreifen abgeworfen; Hilfsorganisationen kritisierten dies als unzureichend. Sowohl der Weltsicherheitsrat als auch der Internationale Gerichtshof forderten Israel im März 2024 dazu auf, die Lieferung von Hilfsgütern für die Zivilbevölkerung des Gazastreifens auszubauen. Auf Druck von US-Präsident Joe Biden wurde im April 2024 der Grenzübergang Erez im Norden des Gazastreifens zeitweilig geöffnet, um mehr Hilfslieferungen auch auf dem Landweg zu ermöglichen. Zudem wurde die Nutzung des Hafens der israelischen Stadt Aschdod für Hilfslieferungen erlaubt. Ein von den Vereinigten Staaten im Mai 2024 errichteter temporärer Pier wurde auf Grund des wiederholten Auftretens von Wetterschäden und logistischer Probleme bereits zwei Monaten nach der Inbetriebnahme wieder abgebaut.
Am 3. März 2024 war eine von der Hamas entsandte Delegation zu weiteren Verhandlungen über eine kurze Feuerpause und einen „Geisel-Deal“ in der ägyptischen Hauptstadt Kairo angereist. US-Vitzepräsidentin Kamala Harris forderte die Kriegsparteien nachdrücklich auf, unverzüglich einen sechswöchigen Waffenstillstand zu vereinbaren.[379] Internationale Vermittlungsbemühungen sind darauf gerichtet, dass eine Einigung zwischen den Kriegsparteien über eine Unterbrechung der Kämpfe noch zustande kommt, bevor im März der den Menschen muslimischen Glaubens heilige Monat Ramadan beginnt.[399] Angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen erwartet Harris zudem von Israel die Lieferung von deutlich mehr Hilfsgütern für die notleidende Zivilbevölkerung Gazas; dafür zeigte Harris konkrete Möglichkeiten auf.[379] Die US-Vizepräsidentin forderte Israel auch auf, weitere Grenzübergänge für Hilfslieferungen nach Gaza passierbar zu machen und der Lieferung von Hilfsgütern keine „unnötige Beschränkungen“ aufzuerlegen.[400]
Während es Berichte gab, wonach die Hamas die Gespräche in Kairo abgebrochen hätte, beharrten hochrangige US-Regierungsbeamte auch am 7. März 2024 weiterhin darauf, dass die Verhandlungen so lange fortgesetzt würden, bis ein mindestens sechswöchiger Waffenstillstand zustande gekommen sei. Ein erfolgreicher Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen würde jedoch zumindest voraussetzen, dass die Hamas der Freilassung bestimmter Geiseln, wie Frauen, älteren Menschen, Kranken und Verwundeten zustimme. Während einer Waffenruhe werde es palästinensischen Binnenflüchtlingen aus dem Norden Gazas möglich sein, in ihre Heimatregion zurückzukehren. Bisher hatte Israel diese Forderung der Hamas offiziell mit der Begründung abgelehnt, dass eine Rückkehr von Flüchtlingen in den Norden Gazas ein Wiedererstarken der Hamas nach sich ziehen könne. Nach Aussage von US-Regierungsbeamten macht es die Zusage, dass Binnenflüchtlinge in den Norden Gazas zurückkehren könnten, auch erforderlich, die Mechanismen für die Bereitstellung humanitärer Hilfe im gesamten Gazastreifen zu verbessern; die US-Regierung treibe deshalb die Einrichtung eines SeeKorridors und andere Methoden zur Belieferung Gazas mit Hilfsgütern voran. Obwohl die US-Regierung um eine vorübergehende Waffenstillstandsvereinbarung vor dem Ramadan bemüht war, der um den 10. März 2024 herum beginnt, stellten die US-Regierungsbeamten jedoch klar, dass es keinen festen Termin für den Abschluss der Waffenstillstandsverhandlungen gebe.[401]
Als Sofortmaßnahme zur Abwendung einer Hungersnot warfen die Vereinigten Staaten im März 2024 – wie zuvor bereits Frankreich, Großbritannien und Nordirland, Ägypten und Jordanien – Lebensmittel aus der Luft ab. Nach einem Hintergrundbericht der New York Times war der Anlass, dass die Waffenstillstandsgespräche von Israel und der Hamas in einer Sackgasse steckten. Zum anderen führte der Vorfall bei der Lebensmittelllieferung am 29. Februar 2024 und die Luftaufnahmen zum Vorfall bei der US-Regierung zur Einschätzung, dass die Versorgungslage im nördlichen Teil des Gazastreifens sehr schlecht war.[402] Um größere Mengen an Hilfsgütern und Lebensmitteln liefern zu können, ist von den USA die Errichtung eines temporären Hafens geplant.[403] Die Dauer für die Errichtung beträgt ein bis zwei Monate.[404] Stand März 2024 entsandte auch Zypern Schiffe mit humanitären Gütern.[405]
Die Europäische Kommission aktivierte am 12. März 2024 das Katastrophenschutzverfahren der Europäischen Union, um den Menschen im Gazastreifen mehr Hilfe zu bringen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, die Lage vor Ort sei dramatischer denn je und habe nun einen Kipppunkt erreicht. Sie forderte eine Feuerpause. Nur so könne ausreichend humanitäre Hilfe nach Gaza kommen. Udo Bullmann, der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im EU-Parlament schätzte die Situation vor Ort als „katastrophal“ ein: Die Menschen seien täglich vom Hungertod bedroht; es gebe kaum Wasser oder medizinische Versorgung.[406]
Am 5. April 2024 kündigte Israel an, man werde in den kommenden Tagen den Grenzübergang Erez im Norden des Gazastreifens zeitweilig öffnen, um mehr Hilfslieferungen zu ermöglichen. Auch wurde der Gebrauch des israelischen Hafens Ashdod für Hilfslieferungen genehmigt.[407]
Materielle Schäden
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Nach Angaben der Vereinten Nationen (UNO) wurde der Gazastreifen seit Beginn des Krieges gegen die Hamas so stark bombardiert, dass knapp ein Fünftel der Infrastruktur zerstört ist (Stand: Ende November 2023). Auf einem am 26. November 2023 aufgenommenen Satellitenbild wurden laut dem Satellitenbeobachtungsprogramm UNOSAT des Ausbildungs- und Forschungsinstituts der Vereinten Nationen 37.379 beschädigte Gebäude identifiziert – davon besonders viele im Norden Gazas Anm. 3) und in Gaza-Stadt.[408]
Wie das Wall Street Journal (WSJ) unter Berufung auf die US-Geheimdienstbehörde Office of the Director of National Intelligence (ODNI) berichtete, hat die israelische Luftwaffe im Jahr 2023 bis Mitte Dezember 29.000 Bomben über Gaza abgeworfen und dort nahezu 70 Prozent der 439.000 Häuser und Wohnungen beschädigt oder zerstört.[409] Nach Angaben des UN-Satellitenbeobachtungsprogramms UNOSAT waren Ende Januar 2024 ca. 22.000 Gebäude aller Art zerstört, ca. 14.000 wurden schwer und fast 33.000 leicht beschädigt. Betroffen seien fast 94.000 Wohneinheiten. Die US-Universitäten City University of New York und die Oregon State University hatten laut einem BBC-Bericht Anfang Februar 2024 deutlich höhere Zahlen genannt.[410] Auch die Industriezone im Norden Gazas war, wie die überregionale deutsche Tageszeitung Die Welt am 31. Dezember 2023 unter Berufung auf eine Analyse der Weltbank berichtete, bereits Mitte Dezember 2023 fast völlig zerstört.[409]
Vorwürfe wegen Kriegsverbrechen und Völkermords
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Ständige Faktfindungsmission der Vereinten Nationen zum Israel-Palästina-Konflikt berichtete, es gebe eindeutige Beweise dafür, dass Kriegsverbrechen von beiden Seiten begangen worden sein könnten.[411] Die Nichtregierungsorganisationen Human Rights Watch (HRW)[412] und Amnesty International (AI)[413] sowie die Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen[414] erklärten, dass sowohl das Verhalten der Hamas als auch Israels im Krieg Kriegsverbrechen darstellten.
Hamas und palästinensische militante Gruppen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen drangen in Häuser Dutzender Dörfer ein, erschossen massenhaft Zivilisten oder ermordeten sie auf andere Weise und nahmen zahlreiche israelische Zivilisten als Geiseln nach Gaza. Laut Human Rights Watch stellt das gezielte Angreifen von Zivilisten, willkürliche Angriffe auf und die Geiselnahme von Zivilisten Kriegsverbrechen nach dem humanitären Völkerrecht dar.[412] Diese Handlungen wurden von Rechtsexperten als Kriegsverbrechen und vermutlich als Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschrieben.[415][416] Der Angriff palästinensischer Gruppen wurde von der israelischen Regierung als Kriegsverbrechen eingestuft.[417] Der Schweizer Völkerrechtler Oliver Diggelmann wertete den Großangriff der Hamas auf Israel als „bestialisches Kriegsverbrechen“, bei dem es sowohl Enthauptungen wie beim Islamischen Staat gegeben habe als auch Massaker an Kindern.[418] Die auch nach dem 7. Oktober 2023 fortgesetzten Raketenangriffe auf israelische Städte und Dörfer werden ebenfalls nahezu einhellig als Kriegsverbrechen gewertet.[414]
Opfer der Kriegsverbrechen der Hamas sind nicht nur Israelis, sondern auch die eigene Bevölkerung. Diese wird von der Hamas als Geisel gehalten. Dieser Missbrauch als menschliche Schutzschilde stellt gemäß der deutsch-schweizerischen Völkerrechtlerin Anne Peters ebenfalls ein Kriegsverbrechen dar.[419] Äußerungen der Hamasführer Haniyya und Sinwar zeigen zudem, dass die zivilen Opfer auf palästinensischer Seite von der Hamas zumindest billigend in Kauf genommen werden.[420] So hat Hanniyya im Oktober 2023 geäußert: „Das Blut der Frauen, Kinder und Alten – wir sind diejenigen, die dieses Blut brauchen, damit es in uns Entschlossenheit erweckt (…).“[421][422][423]
Vorwürfe gegen Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Völkerrechtler William Schabas sprach gegen Ende Oktober 2023 von einem „ernsthaften Risiko eines Völkermords“ im Gazastreifen und sagte im Januar 2024 anlässlich einer Völkermordklage Südafrikas gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof, es lägen inzwischen noch überzeugendere Indizien vor. Für ihn werde immer klarer, dass Israel nicht das Ziel habe, die Hamas zu besiegen, sondern vielmehr, die Bevölkerung des Gazastreifens zu entwurzeln oder auszulöschen.[424] Ende Juni 2024 äußerte Schabas unter Verweis auf dehumanisierende Äußerungen israelischer Politiker und die Zerstörung von Infrastruktur in Gaza die Meinung, die Klage gegen Israel sei von allen derzeit am Internationalen Gerichtshof anhängigen Verfahren die am besten begründete.[425]
Dem gegenüber sah der Direktor des Instituts für Völkerrecht der Universität Bonn, Matthias Herdegen, im November 2023 die Rechtsverstöße auf der Seite der Hamas.[426] Gegenüber Israel geisterten „geradezu abenteuerliche“ Vorwürfe herum. Es werde von ethnischer Säuberung oder Massenaustreibungen gesprochen. Das seien Formen der Diskussion, die das Völkerrecht und das tatsächliche Geschehen geradezu pervertierten.[427] Anlässlich des Antrags der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) auf Haftbefehl gegen den israelischen Premier- und den Verteidigungsminister sowie gleichzeitig gegen Führer der Hamas im Mai 2024 schrieb Herdegen: „Kein Zweifel: Aushungern und Angriffe direkt gegen die Zivilbevölkerung sind Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“ […] „Dass die israelische Regierung die Zivilbevölkerung gezielt bekämpft, ist trotz allem unsäglichen Leiden der Menschen in Gaza, einzelner schwerer Übergriffe und maßlosen Ausfällen mancher israelischer Politiker nicht erkennbar.“[428]
Der Vorwurf tatsächlicher oder auch nur vermeintlicher Kriegsverbrechen dient im Konflikt auch als politische Waffe. Der deutsch-britische Völkerrechtler Stefan Talmon wies darauf hin, dass die von Israel geforderte Evakuierung des nördlichen Gazastreifens nicht völkerrechtswidrig gewesen sei, da es sich um eine Maßnahme zum Schutze der Zivilbevölkerung handelte. Auch handele es sich bei zivilen Objekten, die von der Hamas militärisch genutzt werden, um legitime militärische Ziele, die bekämpft werden dürfen. Verboten wäre nur der bewusste, vorsätzliche Angriff auf Zivilisten zum alleinigen Zweck, Menschen zu töten und Terror zu verbreiten.[419]
Im August 2024 wurde den israelischen Streitkräften in der israelischen Zeitung Haaretz basierend auf Aussagen israelischer Soldaten und Kommandanten vorgeworfen, sie hätten seit Monaten palästinensische Zivilpersonen als menschliche Schutzschilde eingesetzt. Demnach wurden die Betroffenen verhaftet und anschließend – in israelischer Armeekleidung, mit verbundenen Händen und Bodycam – in Gebäude und Tunnel geschickt, um zu sehen, ob dort Sprengfallen sind. Dies sei mit dem vollen Wissen hochrangiger israelischer Offiziere geschehen, obwohl solche Praktiken offiziell verboten und nach internationalem Recht Kriegsverbrechen sind.[429][430]
Auch ein Bericht des Büros der UN für Menschenrechte von Oktober 2024 sprach von Beweisen für Kriegsverbrechen und dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Ausrottung ("Extermination") bei israelischen Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen im Gazastreifen und bei der Behandlung von Gefangenen.[431]
Mehrfach wurde berichtet, tote und lebendige Palästinenser seien absichtlich von schweren israelischen Militärfahrzeugen überfahren worden.[432][433][434] Euro-Med Monitor beschrieb diese Praktiken, bei denen Dutzende und vermutlich Hunderte von Palästinensern überfahren wurden, als Kriegsverbrechen.[435][436] Der traumatisierte Fahrer eines israelischen Militärbulldozers berichtete der Knesset im Juni 2024, Soldaten hätten bei mehreren Gelegenheiten „Hunderte von Terroristen, tot oder lebendig, überfahren müssen“.[437][438][439][440]
Behandlung palästinensischer Kriegsgefangener
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 11. Dezember 2023 gab das israelische Militär bekannt, in Zusammenarbeit mit dem Shin Bet mehr als 500 Terroristen im Gazastreifen festgenommen zu haben, davon 140 seit dem Ende der Feuerpause. Etwa 350 der Festgenommenen würden der Hamas angehören, 120 weitere dem Islamischen Dschihad. Einige hätten sich freiwillig ergeben und würden befragt.[441]
Von israelischen Medien verbreitete Bilder halbnackter Gefangener hatten für Empörung gesorgt. Die israelische Armee rechtfertigte das Vorgehen damit, dass die Gefangenen durchsucht werden müssten, wollte die Verbreitung solcher Bilder aber in der Zukunft unterbinden. Laut der Nachrichtenagentur AP berichteten einige kurzzeitige Gefangene von Schlägen und der Verweigerung von Essen und Trinken. Israel kommentierte diese Vorwürfe nicht, verwies aber darauf, dass die Festnahmen in Einklang mit internationalem Recht seien.[442]
Das israelische Militär richtete auf dem Gelände von drei Militärbasen, Sde Teiman in der Negev-Wüste sowie Anatot und Ofer im besetzten Westjordanland, Auffanglager für festgenommene Palästinenser aus Gaza ein.[443]
Bezüglich des Gefangenenlagers im Wüstencamp Sde Teiman gab es wiederholt Medienberichte über schwere Misshandlungen der dort befindlichen Gefangenen. Die israelische Zeitung Haaretz berichtete Anfang April, ein Arzt habe israelische Regierungsminister in einem Brief darauf hingewiesen, dass die in dem Lager herrschenden Zustände gesetzeswidrig seien. Unzureichend versorgte Fesselwunden würden regelmäßig zur Amputation von Gliedmaßen führen. Gefangene würden mit verbundenen Augen gehalten und gezwungen, Windeln zu tragen.[444] Anonym bleibende israelische Whistleblower und entlassene Gefangene sprachen einige Wochen später gegenüber dem amerikanischen Sender CNN und der Tagesschau von einer Vielzahl medizinisch-ethischer Regelverstöße sowie gegenüber CNN von weiteren Misshandlungen, etwa durch Prügelstrafen und das Aufhetzen von Hunden gegen gefesselte Gefangene.[445][446][447] Auf Anfrage von CNN wies das israelische Militär die Vorwürfe zurück. Es werde eine korrekte Behandlung der in Gewahrsam befindlichen Personen gewährleistet, Beschwerden hinsichtlich Fehlverhalten von IDF-Soldaten würden geprüft und gegebenenfalls Ermittlungen der Militärpolizei eingeleitet. Die Fesselung von Gefangenen basiere auf ihrem Risikolevel und Gesundheitsstatus, Vorfälle rechtswidriger Fesselung seien den Behörden nicht bekannt.[443][448]
Die israelische Menschenrechtsorganisation B'Tselem veröffentlichte im August 2024 einen Bericht mit dem Titel „Welcome to Hell“, der die israelischen Gefangenenlager als Foltercamps beschrieb.[449][450] Mehrere Berichte sexueller Gewalt in Sde Teiman erregten besondere Aufmerksamkeit.[451] Ein geleaktes Überwachungsvideo aus Sde Teiman, das offenbar zeigte, wie israelische Soldaten einen palästinensischen Häftling sexuell missbrauchten, führte zu scharfer Kritik vom US-Außenministerium: „Wir haben das Video gesehen, und die Berichte über den sexuellen Missbrauch von Gefangenen sind entsetzlich“, sagte Sprecher Matthew Miller.[452][453] Die Verhaftung von neun Soldaten in Sde Teiman, die im Verdacht standen, schweren sexuellen Missbrauch verübt zu haben, wurde von rechtsextremen israelischen Politikern, darunter Polizeiminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich, scharf kritisiert.[454]
Israelische Blockade des Gazastreifens 2023
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 9. Oktober 2023 ordnete der israelische Verteidigungsminister Joaw Galant die „vollständige Belagerung“ des Gazastreifens an. Israel stellte die Lieferung von Strom, Lebensmitteln, Treibstoff und Wasser von seinem Staatsgebiet aus ein.[455] Ab dem 15. Oktober 2023 wurde die Blockade stückweise gelockert.[456] Seitdem erreichten zunehmend größer werdende Mengen an Hilfsgütern den Gazastreifen, laut UN ist allerdings insbesondere der Bedarf an medizinischer Ausrüstung, Wasser, Sanitäranlagen und Treibstoff deutlich größer.[457] Am 7. November 2023 durften erstmals rund 400 Doppelstaatler über Rafah den Gazastreifen verlassen.[458] Die Zulässigkeit der Blockade ist umstritten, teilweise wird in ihr ein Kriegsverbrechen gesehen.[414]
Von verschiedenen Stellen gibt es Vorwürfe, die israelischen Angriffe auf Gaza würden auf eine kollektive Bestrafung hinauslaufen, die ein Kriegsverbrechen darstelle,[459][412][414] ebenso die gewaltsame Evakuierung von Zivilisten aus dem nördlichen Gazastreifen.[460]
Report des UN-Hochkommissars für Menschenrechte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Juni 2024 veröffentlichte das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR) seinen Untersuchungsbericht zu sechs israelischen Bombardierungen des Gazastreifens, bei denen mitunter besonders viele Zivilisten zu Tode gekommen sind. In dem Bericht erklärt OHCHR, dass das Muster der sechs untersuchten Angriffe, darauf hindeutet, dass die israelische Armee gegen zentrale Prinzipien des humanitären Völkerrechts, darunter „gegen die Grundsätze der Unterscheidung [von militärischen Zielen und Zivilisten], der Verhältnismäßigkeit und der Vorsichtsmaßnahmen bei Angriffen“ verstoßen habe und dies „möglicherweise systematisch“.[461][462]
Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) führt zur Situation in Israel und den palästinensischen Gebieten Ermittlungen durch. Karim Khan, der Chefankläger, erklärte am 3. Dezember 2023, nach einem vorangegangenen Besuch Israels und der palästinensischen Gebiete, es müsse gezeigt werden, dass Recht an allen Frontlinien herrsche und es in der Lage sei, alle zu schützen. Khan bot Israel, obwohl es kein Vertragsstaat des Gerichts ist, Unterstützung bei den Ermittlungen zu den Attacken der Hamas an und sprach von „einigen der schlimmsten internationalen Verbrechen, die das Gewissen der Menschheit schocken.“ Die Hamas müsse alle festgehaltenen Geiseln sofort freilassen. Er betonte, dass auch Israel bei seinen Angriffen auf den Gazastreifen an internationales Recht gebunden sei. Israel habe allerdings „ein robustes System, das die Einhaltung des internationalen humanitären Rechtes garantieren soll.“ Hinweise zu mutmaßlichen Kriegsverbrechern müssten unabhängig und schnell geprüft werden. Bedenken äußerte er außerdem hinsichtlich Angriffen bewaffneter Siedler im Westjordanland.[463][464]
Am 24. April 2024 drohten 12 amerikanische Senatoren dem Chefankläger Karim Khan und anderen UN-Juristen sowie ihren Familien mit persönlichen Konsequenzen, sollte der IStGH einen internationalen Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu oder andere Mitglieder der israelischen Regierung erlassen und verwiesen dabei auf den American Service-Members’ Protection Act, der ausdrücklich „alle Mittel“ einschließt.[465][466]
Im Mai 2024 gab Khan bekannt, dass er gegen Netanjahu und den israelischen Verteidigungsminister Joaw Galant sowie gegen die Hamas-Führer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Ismail Haniyya Haftbefehle auf Grund von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beantragt habe.[467][468] Die Regierungen von Ländern wie den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich und Deutschland verurteilten die Anträge gegen die israelischen Regierungsmitglieder, unter anderem wegen der zeitgleichen Veröffentlichungen mit denen gegen die Hamas-Führer.[469][470][471] Andere Regierungen, unter anderem die Frankreichs, Belgiens und Sloweniens, verteidigten den Chefankläger gegen diese Vorwürfe.[472][473]
Spätestens im August 2024 wurde publik, dass Israel Ermittlungen des IStGH behindert, weil Israel die Ermittler nicht in den Gazastreifen einreisen lässt.[474]
Klageerhebung vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Klage Südafrikas gegen Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 29. Dezember 2023 reichte Südafrika beim Internationalen Gerichtshof (IGH) eine Klage[475] ein, in der es Israel beschuldigte, bei seinen Angriffen auf die Palästinenser im Gazastreifen gegen seine Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention von 1948 verstoßen zu haben. Darüber hinaus ersuchte Südafrika den Internationalen Gerichtshof um einstweilige Maßnahmen, die Israel anweisen sollen, seine Militäraktion im Gazastreifen einzustellen. Diese Maßnahmen seien notwendig, um die Rechte des palästinensischen Volkes vor weiteren schweren und nicht wiedergutzumachenden Beeinträchtigungen zu schützen.[476]
Israel wies die Anschuldigungen entschieden zurück, erklärte, diese entbehrten sowohl der faktischen als auch der juristischen Grundlage, und beantragte die Abweisung der Klage. Südafrika arbeite mit der Terrororganisation Hamas zusammen, diese allein sei für das Leid der Palästinenser im Gazastreifen verantwortlich. Bei deren militärischer Bekämpfung tue Israel alles, um den Schaden für die Zivilbevölkerung so gering wie möglich zu halten.[477][478] Vor dem IGH wird Israel durch den britischen Juristen und Professor für Völkerrecht an der University of Leicester Malcolm Shaw vertreten.[479]
Der IGH hörte die Parteien im Eilverfahren am 11. und 12. Januar 2024 an. Zunächst durfte Südafrika seine Argumente vortragen,[480] am folgenden Tag verteidigte sich Israel gegen die Vorwürfe.[481] Die Entscheidung des Gerichtshofs ist völkerrechtlich bindend, allerdings verfügt er über keinen Durchsetzungsmechanismus. Er kann allerdings den UN-Sicherheitsrat anrufen, dort besitzen die ständigen Mitglieder ein Vetorecht.[482]
Am 26. Januar 2024 entschied der Gerichtshof im Eilverfahren mit großer Mehrheit, dass Israel umgehend alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen müsse, um sicherzustellen, dass im Rahmen des Kriegs in Israel und Gaza keine Handlungen stattfänden, die unter die Völkermordkonvention von 1948 fallen. Israel wurde aufgefordert, Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die militärischen Handlungen nicht gegen Art. II der Völkermord-Konvention verstoßen und zudem dazu angehalten, die Versorgungslage in Gaza zu verbessern und Genozid-Anstachelungen im Land zu sanktionieren. Diese Maßnahmen muss Israel laut Beschluss des Gerichts zum Eilantrag Südafrikas in einem Bericht dokumentieren. Beschlossen wurden die Maßnahmen, da der Gerichtshof die Klage Südafrikas gegen Israel für plausibel hielt. Ein Ende des Militäreinsatzes ordnete das Gericht nicht an. Eine Entscheidung, ob es sich beim Vorgehen Israels um einen Völkermord handelt, traf der Gerichtshof nicht, für diese wird er mehrere Jahre brauchen.[483][484][485]
Ein zweiter Eilantrag Südafrikas, mit welchem die geplante Offensive Israels auf Rafah gestoppt werden sollte, wurde vom IGH am 18. Februar 2024 abgelehnt.[486] Ende Februar reichte Israel den vom IGH geforderten Bericht ein.[487]
Am 28. März 2024 erklärte der Internationale Gerichtshof, „dass die Palästinenser im Gazastreifen nicht mehr nur von einer Hungersnot bedroht sind, sondern dass die Hungersnot bereits begonnen hat“ und wies den Staat Israel mit einstimmigen Beschluss an, die Blockade der Nahrungsmittelhilfe aufzuheben.[488][489]
Am 10. Mai 2024 reichte Südafrika angesichts der begonnenen Offensive auf Rafah einen weiteren Eilantrag ein.[490] Die Richter des Internationalen Gerichtshofs entschieden am 24. Mai 2024 mit 13:2 Stimmen, Israel müsse seine Offensive und anderen Maßnahmen im Gouvernement Rafah, die Lebensbedingungen schüfen, die zur vollständigen oder teilweisen Vernichtung der palästinensischen Zivilbevölkerung führen könnten, angesichts der „katastrophalen humanitären Lage“ unverzüglich stoppen. Israel müsse zudem den Grenzübergang in Rafah für humanitäre Hilfslieferungen öffnen und UN-Ermittlern Zugang zum Gazastreifen gewähren. Außerdem wiederholten die Richter ihre Forderung, dass die israelischen Geiseln sofort und ohne Vorbedingungen freigelassen werden sollten.[491][492][493][490] Die genaue Bedeutung der Anordnung zur Beendung der Rafah-Offensive wurde kontrovers diskutiert; einige Juristen sahen in der Formulierung des IGH keine uneingeschränkte Aufforderung zum Stopp der Offensive, sondern nur eine Anordnung, solche Operationen einzustellen, die gegen Israels Verpflichtungen aus der Völkermordkonvention verstoßen würden.[494][495] Israel setzte seine Rafah-Offensive fort.[496]
Klage Nicaraguas gegen Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 8. April 2024 erhob Nicaragua, das laut der englischsprachigen Wochenzeitung Politico Europe „seit langem ein Verfechter der palästinensischen Sache ist“[497], vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland. Nach Ansicht des mittelamerikanischen Landes kommt Deutschland als zweitgrößter Rüstungsexporteur an das kriegsführende Israel nicht der völkerrechtlichen Verpflichtung nach, einen Völkermord zu verhüten. Nicaragua forderte per Eilentscheid die sofortige Einstellung der deutschen Waffenlieferungen an Israel sowie die Wiederaufnahme der finanziellen Unterstützung für das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).[498][499]
Politico Europe und Die Welt (beide Teil der Verlagsgruppe Axel Springer SE) berichteten, dass ihnen Dokumente westlicher Geheimdienste vorlägen, aus denen hervorgehe, dass Russland, das enge Beziehungen zu Nicaragua unterhält, das Land zu einer Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland vor dem IGH gedrängt habe. Laut dieser unbestätigten Einschätzung wurde die am 9. Dezember 1948 beschlossene Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes genutzt, um Deutschland und auch den IGH international zu diskreditieren.[497][500][501]
Der IGH lehnte es am 30. April 2024 mit 15:1 Stimmen ab, Deutschland im Eilverfahren[502] zur Einstellung seiner Rüstungslieferungen an Israel zu verpflichten und die Finanzierung der UN-Hilfsorganisation im Gazastreifen zu erneuern, da die Voraussetzungen für eine solche Anordnung aus tatsächlichen Gründen nicht erfüllt seien.[503] Über die Zulässigkeit der Klage im Hauptverfahren haben die Richter noch nicht entschieden.[504][505][503][506] Nicaragua hat Deutschland angeklagt durch politische, finanzielle als auch militärische Unterstützung Israels – dem Staat Israel wird Völkermord im laufenden Gazakrieg vorgeworfen – Beihilfe zum Bruch des humanitären Völkerrechts zu leisten.[507] Ein Antrag Deutschlands auf Abweisung der Klage im Hauptverfahren wurde wegen Unzulässigkeit abgelehnt; der IGH entschied die Zulässigkeit erst hier zu prüfen.[504][505][503][506]
Cyberkrieg
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Angriff der Hamas wurde Israel zeitgleich mit den ersten Raketen Ziel von Hackerangriffen, darunter DDoS-Attacken. Bis zum 12. Oktober 2023 beteiligten sich 58 Gruppierungen am Cyberkrieg, von denen die Mehrzahl gegen Israel agierten; einige wenige waren zugunsten Israels aktiv und legten palästinensische Websites vorübergehend lahm. Unter den antiisraelischen Gruppierungen sind prorussische Hackergruppen, die auch im Cyberkrieg im Bezug zum Russland-Ukraine-Krieg gegen die Ukraine und ihre Verbündeten vorgingen.[508] Die prorussische Gruppe Killnet, die im Januar 2023 Hackerangriffe gegen deutsche Behörden und Unternehmen startete,[509] ist verantwortlich für Angriffe gegen die Ukraine sowie gegen Israel. Die als prorussisch aufgefallene Hacker-Gruppierung Anonymous Sudan brüstete sich: Die Website des Radarwarnsystems Farbe Rot (Tzeva Adom) sollte die israelische Bevölkerung vor Gefahren wie Raketenangriffen warnen – jetzt sei sie nicht mehr funktional.[508][510] Außerdem gelang es der Hacktivistengruppe AnonGhost die Mobile App Red Alert mit falschen Raketenmeldungen, Spamnachrichten und Morddrohungen zu fluten.[511] Der Stuttgarter Cybersicherheitsforscher Mirko Ross gab hierbei zu bedenken, dass es sehr schwierig sei, die Angriffe konkreten Gruppen zuzuordnen, weil es auch Operationen von Geheimdiensten unter falscher Flagge geben könne.[512]
Beistandsmaßnahmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Waffenlieferungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Auf eine israelische Unterstützungsanfrage hin stimmte die Bundesregierung am 11. Oktober 2023 zu, zwei von fünf geleasten Heron-TP-Kampfdrohnen an Israel zum Kampf gegen die Hamas zurückzugeben.[513] Die deutsche Bundesregierung genehmigte bis einschließlich 2. November 2023 Rüstungsexporte in Höhe von 303 Millionen Euro nach Israel, der Großteil davon wurde nach dem Terrorangriff der Hamas genehmigt. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es, die Ausfuhr von Rüstungsgütern nach Israel werde derzeit prioritär bearbeitet und beschieden. Im Jahr 2022 waren Ausfuhren im Wert von 32 Millionen Euro genehmigt worden.[514] Von Unternehmen aus Deutschland kamen im Jahr 2023 nach einer Studie des Stockholm International Peace Research Institute die zweitmeisten Rüstungsgüter nach Israel.[515][516]
Vereinigte Staaten von Amerika
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Schon vor dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 gewährten die Vereinigten Staaten Israel Militärhilfe in Milliardenhöhe und versorgten ihren wichtigsten Verbündeten im Nahen Osten mit Waffen und Munition.[517] Wie eine Beamtin des US-amerikanischen Verteidigungsministeriums (Pentagon) Ende Oktober 2023 sagte, würden täglich Waffen und Munition nach Israel geschickt werden. Die Verwendung der gelieferten Waffen schränke die USA nicht ein. Es liege allein in der Hand des israelischen Militärs, wie es Militäroperationen während des laufenden Gazakrieges durchführe. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin weise aber regelmäßig darauf hin, dass die für bewaffnete Konflikte geltenden Gesetze von den israelischen Streitkräften zu befolgen seien und zivile Opfer so weit wie möglich vermieden werden müssten.[518]
Das Wall Street Journal (WSJ) berichtete am 6. November 2023, dass die USA Israel präzisionsgelenkte Bomben im Wert von 320 Millionen US-Dollar übergeben wollten. Gemäß der Vereinbarung sollte der Waffenhersteller Rafael USA die Bomben über seine israelische Muttergesellschaft Rafael Advanced Defense Systems an das israelische Verteidigungsministerium senden.[519] Wie das WSJ am 1. Dezember 2023 unter Berufung auf US-Beamte berichtete, lieferten die Vereinigten Staaten bisher bis zu 15.000 gelenkte und ungelenkte Bomben, darunter sollen 100 bunkerbrechende Bomben vom Typ BLU-109 gewesen sein, die entwickelt wurden, um Bunker und andere tief eingegrabene, massiv gehärtete Ziele – wie die von der Hamas genutzten Tunnel und unterirdischen Kommandozentralen im Gazastreifen – punktgenau zerstören zu können. Außerdem sollen etwa 1.000 gelenkte Bomben vom Typ GBU-39, 5.000 ungelenkte Bomben vom Typ Mk82 und über 5.400 vom Typ Mk84 geliefert worden sein. Für etwa 3.000 der ungelenkten Bomben seien JDAM-Nachrüstsätze mitgeliefert, um diese in präzisionsgelenkte Bomben umzuwandeln. Zudem seien Israel bisher rund 57.000 Artilleriegranaten geliefert worden. Verbunden mit den Waffenlieferungen forderten die Vereinigten Staaten Israel auf, beim Einsatz der Waffen darauf zu achten, dass übermäßige Opfer unter der Zivilbevölkerung vermieden werden.[520][521]
Am 9. Dezember 2023 machte die US-Regierung von einer Sofortvollmacht Gebrauch, um etwa 14.000 Panzergranaten ohne Überprüfung durch den US-Kongress nach Israel liefern zu können. Wie das Pentagon in einer Erklärung mitteilte, hatte das US-Außenministerium bereits am Vortag eine Notfallermächtigung des US-Waffenexportkontrollgesetzes (Arms Export Control Act) genutzt, um den Weg für die sofortige Lieferung der Panzergranaten im Wert von 106,5 Millionen US-Dollar frei zu machen. Die Granaten sind Teil einer größeren Waffenlieferung, für welche die Biden-Regierung den US-Kongress um Genehmigung ersucht hatte. Die Waffenlieferung aus Beständen der U.S. Army hat einen Wert von mehr als 500 Millionen US-Dollar und umfasst 45.000 Panzergranaten für die israelischen Merkava-Kampfpanzer, die bei der Bodenoffensive der IDF im Gazastreifen im Einsatz sind.[522] Ende Dezember 2023 machten die Regierung der Vereinigten Staaten erneut von der Notfallermächtigung Gebrauch, um die Lieferung von Zubehör für 155-mm-Artilleriegranaten zu ermöglichen.[523]
Während Menschenrechtsaktivisten die umfänglichen Waffenlieferungen der Vereinigten Staaten angesichts der extrem hohen Zahl der bisher im Kriegsverlauf getötetem Zivilisten äußerst kritisch sehen, fordert die US-Regierung Israel nach wie vor lediglich dazu auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und alles zu unternehmen, um die Zivilbevölkerung möglichst vor Schäden während der Kampfhandlungen zu bewahren.[524]
Am 25. Dezember 2023 berichtete die Times of Israel, dass seit Kriegsbeginn bisher 244 US-Transportflugzeuge und 20 Schiffe mehr als 10.000 Tonnen Bewaffnung und Ausrüstung nach Israel geliefert hätten, israelische Produktionsstätten würden zudem „rund um die Uhr“ Munition erzeugen.[525]
Am 29. März 2024 berichtete die Washington Post, dass die USA den Transfer von Bomben und Kampfflugzeugen im Wert von Milliarden von Dollar genehmigt hätten, während sich Washington gleichzeitig über eine mögliche Offensive der IDF in Rafah sorge. Das Paket beinhalte u. a. mehr als 1.800 Bomben des Typs MK84 sowie bis zu 500 Stück MK82. Das Paket ist Teil jährlicher Militärhilfe der USA an Israel.[526]
Zu den Hilfslieferungen für die Zivilbevölkerung Gazas siehe Abschnitt: Vereinigte Staaten.
Waffenlieferung Russlands an die Hisbollah
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Anfang November 2023 wurde bekannt, dass sich ein russisches Flugabwehrsystem auf dem Weg von Syrien zur Hisbollah im Libanon befinde.[527]
Initiativen zur Einstellung der Waffenlieferungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 19. März 2024 erklärte die Regierung Kanadas, die Waffenlieferungen an Israel auszusetzen. Diese Ankündigung erfolgte auf eine entsprechende Entschließung des kanadischen Parlaments.[528] Anfang April 2024 forderten 600 britische Juristen den Premierminister des Vereinigten Königreichs auf, die Waffenlieferungen an Israel zu suspendieren.[529]
Sonstige Beistandsmaßnahmen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten bestätigten am 3. November 2023 auf Anfragen von Journalisten, dass die US-Armee über dem Gazastreifen unbewaffnete Reaper-Drohnen zur Aufklärung einsetze. Die unbemannten Flugzeuge setze man, so die offiziellen Angaben, seit dem Hamas-Überfall auf Israel Anfang Oktober 2023 zur Suche nach Geiseln ein, die von der Hamas aus Israel entführt worden seien. Sie würden nicht dazu benutzt, Israel bei der Koordinierung von Militäraktionen zu helfen; lediglich Informationen zur Geiselbefreiung würden an Israel weitergegeben.[530]
Die Vereinigten Staaten stationierten zwei Flugzeugträger im östlichen Mittelmeer mit dem ausdrücklichen Ziel, die Islamische Republik Iran und die von diesem unterstützte Hisbollah im Libanon abzuschrecken, und zeigten so auch, dass die USA bei der schwersten Konfrontation Israels mit der Terrororganisation seit dem zweiten Libanon-Krieg (2006) an der Seite Israels stünden.[226][531] Kurz nach einem von der IDF angekündigten Strategiewechsel bei der Militäroperation kündigte die US-Marine an, dass der Flugzeugträger Gerald R. Ford in seinen Heimathafen in Virginia zurückkehren wird.[532] Das US-Militär werde aber im Mittelmeerraum und im gesamten Nahen Osten umfangreiche Kapazitäten beibehalten. Dazu gehörten der Flugzeugträger Dwight D. Eisenhower sowie Kreuzer und Zerstörer sowie weitere, kürzlich in diese Region beorderte Kriegsschiffe.[533]
Um die Führung des israelischen Militärs bei der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ zu beraten, hat die US-Regierung einem Bericht zufolge Generalleutnant James F. Glynn und mehrere andere US-Offiziere nach Israel geschickt. Diese sollten dort ihre Erfahrungen, die sie im urbanen Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Mossul gesammelt hatten, mit den Offizieren der IDF teilen.[534]
In Folge der angespannten Sicherheitslage in der Region nach den Attentaten auf Fuad Schukr und Ismail Haniyya entstand auch in der deutschen Politik eine zunehmende Debatte über eine erweiterte militärische Beteiligung Deutschlands in Form einer direkten Unterstützung Israels durch die Bundeswehr. Der Verteidigungsminister Boris Pistorius entgegnete entsprechenden Forderungen mit dem Verweis, dass keine Anfragen israelischer Seite diesbezüglich vorliegen würden. Dem entgegnete der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter am 4. August, dass die Bundesregierung „nicht warten sollte, bis sie von Israel um Hilfe gebeten wird, sondern diese aus eigenem Antrieb anbieten und bereits jetzt im Bundestag dafür werben.“[535]
Gespräche und Verhandlungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Oktober 2023 – Gespräche über die Freilassung von Geiseln zwischen Israel und der Hamas
Am 9. Oktober 2023 berichtete Reuters, dass Katar Gespräche zwischen Israel und der Hamas vermittelte, um die Freilassung weiblicher israelischer Geiseln sicherzustellen, als Gegenleistung dafür, dass Israel 36 palästinensische Frauen und Kinder freilasse.[536] Ein ägyptischer Beamter teilte der Associated Press (AP) mit, dass Israel Ägypten um Hilfe ersucht habe, die Sicherheit der von palästinensischen Militanten festgehaltenen Geiseln zu gewährleisten, und dass der ägyptische Geheimdienstchef die Hamas und den Islamischen Dschihad in Kommunikation seien.[537]
- Oktober 2023 – Gespräche über die Zukunft des Gazastreifens
Mitte Oktober 2023 reiste US-Außenminister Antony Blinken zu Gesprächen nach Israel, Jordanien, Katar, Bahrain und Saudi-Arabien.[538] Blinken drängte Katar zur Distanz zur Hamas, Katar signalisierte jedoch, dass es das politische Büro der Hamas nicht schließen werde.[539] Blinken traf sich am 5. November 2023 mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas und sprach sich dafür aus, dass die Palästinensische Autonomiebehörde wieder die Kontrolle im Gazastreifen übernehmen sollte, und setzte sich mit Abbas für eine umfassende politische Lösung für Gaza zusammen mit dem Westjordanland und Ost-Jerusalem ein.[540] Der Premierminister von Katar, Mohammed bin Abdulrahman Al Thani, erklärte am 10. Dezember 2023 in Bezug auf eine neue Waffenruhe, dass nicht dieselbe Bereitschaft bei den Kriegsparteien wie beim ersten Mal vorhanden sei, aber die Bemühungen fortgesetzt werden.[541]
- Juli 2024 – Versöhnungsgespräche zwischen Fatah und Hamas in Peking
Am 23. Juli 2024 erzielte die chinesische Regierung einen diplomatischen Durchbruch, als alle vierzehn rivalisierenden Gruppen Palästinas zu Versöhnungsgesprächen in der chinesischen Hauptstadt Peking (auch Beijing genannt) zusammenkamen und die „Erklärung von Beijing“, eine Deklaration über die Stärkung der palästinensischen Einheit, unterschrieben. Die Hamas und die Fatah einigten sich auf ein Ende ihrer seit fast zwei Jahrzehnten andauernden Feindseligkeiten. Das Westjordanland, Ostjerusalem und der Gazastreifen sollen damit das erste Mal seit 2006 wieder gemeinsam verwaltet werden. Mousa Abu Marzouk, Mitglied des Politbüros der Hamas, erklärte: „Wir sind der nationalen Einheit verpflichtet und fordern sie.“ Diplomatische Vertreter aus Ägypten, Algerien, Saudi-Arabien, Katar, Jordanien, Syrien, dem Libanon, Russland und der Türkei sowie Vertreter der 14 wichtigsten palästinensischen Fraktionen nahmen an der Abschlusszeremonie teil. Im Gegensatz zu vielen westlichen Staaten betrachtete China die Hamas nicht als terroristische Organisation und will dessen Rolle als wichtiger Akteur bei der Befriedung des Gazastreifens und auf der internationalen Bühne geltend machen. Ma Xiaolin, Spezialist für internationale Beziehungen an der Zhejiang International Studies University, bezeichnete die Vereinbarung als bedeutenden Durchbruch. Das Abkommen bekräftigte auch die Zwei-Staaten-Lösung, laut Ma bedeutete es, dass Hamas und PIJ Israel als Staat anerkennen und nicht beabsichtigen, ganz Palästina zurückzuerobern – und dies sei ein großer Schritt nach vorn.[542][543][544][545]
- Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Hamas und Israel im Mai und August 2024
Im November 2023 wurden im Rahmen einer einwöchigen Feuerpause mehr als 100 Geiseln der Hamas im Austausch gegen 240 in Israel inhaftierte Palästinenser freigelassen. Danach waren die Gespräche über einen längerfristigen Waffenstillstand und die Freilassung der noch in Haft befindlichen Geiseln eingefroren. Israel und die Hamas beschuldigen sich gegenseitig nicht daran interessiert zu sein.[546]
Am 23. Juni 2024 sprach sich das israelische Kriegskabinett für eine Fortsetzung der indirekt geführten Verhandlungen über ein Waffenstillstandsabkommen mit der Terrororganisation Hamas aus. Dieses sollte zumindest die Freilassung der im Gazastreifen inhaftierten Geiseln und mehr humanitäre Hilfe für die Menschen im Gazastreifen beinhalten. Nach der ersten Verhandlungsrunde, die im Mai 2024 in Kairo stattfand, hatte die Führung der Hamas verlauten lassen, dass sie den ausgehandelten Entwurf für ein Waffenstillstandsabkommen akzeptieren wird. Die Vermittler aus den USA. Ägypten und Katar waren bei den Verhandlungen immer wieder an der Frage gescheitert, ob ein dauerhaftes Ende der Kämpfe im Gazastreifen vereinbart werden solle oder nur eine befristete Feuerpause. Die Forderung nach einem Ende der Kämpfe hatte die Hamas aufgemacht, um ihr Weiterbestehen in Gazastreifen zu sichern. Die israelische Regierung dagegen war nur zu einer befristeten Waffenruhe bereit; danach wollte Israel den Gazakrieg mit dem Ziel fortsetzen, die Hamas wie geplant vernichtend zu schlagen. Da kein Kompromiss ausgehandelt werden konnte, seien die ägyptischen Unterhändler „gewissermaßen kreativ geworden“, berichtete der US-amerikanischer Fernsehsender CNN. Ohne Israels ausdrückliche Zustimmung, hätten diese die von Israel gezogene Grenze für Verhandlungen „verwischt“, sodass die Hamas den Vorschlag der Vermittler letztendlich akzeptieren konnte. Dieser sah eine Einstellung der Kämpfe im Gazastreifen für zunächst 42 Tage vor, um israelische Geiseln gegen in Israel inhaftierte Palästinenser auszutauschen. Die Frage, ob es danach tatsächlich zum Ende des Krieges kommen sollte, wurde auf spâter verschoben.[547][548][549][550]
In Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, begann am 15. August 2024 die zweite Verhandlungsrunde über ein Waffenstillstandsabkommen. Da weder Israel noch die Hamas den von den Vermittlern vorgelegten Kompromissvorschlägen zugestimmt haben, wurden die Verhandlungen am 25. August 2024 vorläufig ausgesetzt. Insbesondere konnte keine Einigung in der Frage erzielt werden, ob Israel während einer Feuerpause den Philadelphi-Korridor und somit das Grenzgebiet Gazas zu Ägypten militärisch kontrollieren darf. Die Vereinigten Staaten, die neben Ägypten und dem Emirat Katar als Vermittler bei den indirekt geführten Waffenstillstandsverhandlungen auftraten, befürchteten, dass es bei einem Scheitern der Verhandlungen zu einer Eskalation des Nahostkonflikts kommen könnte. Um dem vorzubeugen, stationierte die USA statt wie bisher nur einen zwei Flugzeugträger im Nahen Osten. Der Nationale Sicherheitsberater der US-Regierung, Jake Sullivan, wies bei einer Pressekonferenz auf die aktuellen Spannungen zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah hin und warnte vor einem „größeren Krieg“ in der Krisenregion. Er bestätigte, dass die US-Regierung insbesondere deshalb mit der israelischen Regierung in ständigem Kontakt stünde.[551][552]
Position der israelischen Regierung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Premierminister Netanjahu erklärte in einer Fernsehansprache am 10. Oktober 2023, dass sich Israel ab sofort im Kriegszustand befinde.[553] Staatspräsident Jitzchak Herzog äußerte:
„Seit dem Holocaust haben wir nicht mehr erlebt, wie jüdische Frauen und Kinder, Großeltern – sogar Holocaust-Überlebende – in Lastwagen gepfercht und in die Gefangenschaft gebracht wurden. Wir werden mit voller Kraft und unerschütterlichem Engagement handeln, um diese Bedrohung für unser Volk zu beseitigen“
Netanjahu und der israelische Verteidigungsminister Galant führten noch am 7. Oktober 2023 Sicherheitsbewertungen im Hauptquartier der israelischen Armee in Tel Aviv durch.[555] Die IDF erklärten einen „Kriegsbereitschaftszustand“, Galant genehmigte die Mobilisierung von zehntausenden Armeereservisten und rief den Ausnahmezustand im Umkreis von 80 Kilometern um die Grenze zum Gazastreifen aus.[556] Die Hamas habe einen „schweren Fehler“ begangen, so Galant. Bewohner in Gebieten rund um den Gazastreifen wurden gebeten, das Haus nicht zu verlassen, während Zivilisten im Süden und in der Mitte Israels angehalten wurden, in der Nähe von Notunterkünften zu bleiben. Straßen rund um den Gazastreifen wurden von den IDF gesperrt.[557][558] Auf den Flughäfen in Zentral- und Südisrael wurde der Flugverkehr unterbrochen.[559]
Position der Palästinensischen Autonomiebehörde
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, erklärte am 7. Oktober 2023, dass Palästinenser das Recht hätten, sich gegen den „Terror der Siedler und Besatzungstruppen“ zu wehren.[560] Etwa eine Woche später erklärte er dann, dass die Taten der Hamas nicht das palästinensische Volk repräsentierten.[561]
Ergebnissen von Umfragen unter Palästinensern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Eine Umfrage des Palästinensischen Zentrums für Politik- und Umfrageforschung (PCPSR, arabisch المركز الفلسطيني للبحوث السياسية والمسحية), die vom 22. November 2023 bis 2. Dezember 2023 im Gazastreifen und im Westjordanland stattfand, zeigte, dass die Popularität der Hamas im Westjordanland sich in den vergangenen drei Monaten mehr als verdreifacht hatte. Im Gazastreifen war die Unterstützung für die Hamas zwar gestiegen, aber nicht signifikant. Trotz des Anstiegs ihrer Popularität unterstützt die Mehrheit sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen die Hamas nicht. Es ist erwähnenswert, dass die Unterstützung für die Hamas in der Regel während oder unmittelbar nach einem Krieg vorübergehend ansteigt und dann einige Monate nach Kriegsende wieder auf das vorherige Niveau zurückgeht.
Die überwältigende Mehrheit der Befragten gab an, keine Videos in internationalen oder sozialen Medien gesehen zu haben, die Grausamkeiten von Hamas-Mitgliedern gegenüber israelischen Zivilisten zeigten, wie zum Beispiel die Ermordung von Frauen und Kindern in ihren Häusern. Über 90 Prozent glaubten nicht daran, dass Hamas-Kämpfer solche Gräueltaten begangen hätten. Auf die Frage, was im Krieg nach dem humanitären Völkerrecht erlaubt sei und was nicht, äußerte die große Mehrheit der Befragten die Meinung, es sei nicht zulässig, Zivilpersonen in ihren Häusern anzugreifen oder zu töten. Die Mehrheit (außer im Gazastreifen) war auch der Meinung, dass es nicht zulässig sei, Zivilpersonen als Geiseln zu nehmen.
Während im Westjordanland 82 Prozent die zu dem Angriff führende Entscheidung der Hamas für richtig hielten, waren es im direkt betroffenen Küstenstreifen nur 57 Prozent. Die überwältigende Mehrheit (81 Prozent insgesamt; 89 Prozent im Westjordanland und 69 Prozent im Gazastreifen) sagte, der Angriff sei eine Reaktion auf Siedlerangriffe auf die Al-Aqsa-Moschee und auf palästinensische Bürger gewesen und hätte außerdem auf die Befreiung von Gefangenen in israelischen Gefängnissen abgezielt. Die überwältigende Mehrheit der Befragten (87 %) war der Meinung, dass die Reaktion der USA, Großbritanniens, Deutschlands und Frankreichs auf die israelische Bombardierung des Gazastreifens zeige, dass diese westlichen Länder das humanitäre Völkerrecht nicht ernst nähmen; nur 10 Prozent (4 Prozent im Westjordanland und 19 Prozent im Gazastreifen) sagten, die Reaktion dieser Staaten zeige, dass ihnen das humanitäre Völkerrecht wichtig sei. Dass Israel sein Kriegsziel der Eliminierung der Hamas erreichen könnte, glaubten indes nur 1 Prozent der Befragten im Westjordanland und 17 Prozent im Gazastreifen. Nur 13 Prozent der Befragten (3 Prozent im Westjordanland und 29 Prozent im Gazastreifen) nahmen an, es werde Israel gelingen, die Palästinenser aus dem Gazastreifen zu vertreiben. Bei der Umfrage wurden 750 Bewohner des Westjordanlandes und 481 des Gazastreifens befragt.[562]
Reaktionen in Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Israel kam es im November 2023 zu Protesten gegen die Regierung mit Rücktrittsforderungen an Premierminister Netanjahu. Der Regierung wird vorgeworfen, dass sie die Opfer des Hamas-Überfalls vom 7. Oktober 2023 und die im Rahmen des Krieges Evakuierten im Stich lasse, finanzielle Unterstützung gebe es nur durch private Spenden und (nichtstaatliche) Organisationen. Die Regierung wurde zudem aufgefordert, der Freilassung der Geiseln oberste Priorität zu geben.[563]
Ami Ajalon, ehemaliger Chef des Inlandsgeheimdienstes von der israelischen Arbeiterpartei, kritisierte die Regierung Netanjahu für ein fehlendes politisches Ziel abseits dem militärischen Ziel, Hamas zu vernichten. Hohe zivile Opferzahlen bei gleichzeitig fehlenden Bemühungen um einen palästinensischen Staat würden nur zu weiterer Radikalisierung führen und den Konflikt nicht lösen. Die Strategie der Regierung, den Konflikt „zu managen, nicht zu lösen“, sei gescheitert.[564]
Internationale Reaktionen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Staaten im Nahen Osten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Saudi-Arabien veröffentlichte eine Erklärung, in der es zu einem „sofortigen Stopp“ der „Eskalation“ aufrief. Das saudi-arabische Außenministerium bekräftigte außerdem seine „wiederholten Warnungen [an Israel] über die Gefahr einer Verschärfung der Situation infolge der anhaltenden Besetzung und Entziehung der legitimen Rechte des palästinensischen Volkes sowie der Wiederholung systematischer Provokationen gegen die Unverletzlichkeit Palästinas“.[565] Ägypten rief dazu auf, „größtmögliche Zurückhaltung zu üben und die Zivilbevölkerung keiner weiteren Gefahr auszusetzen“. Ägyptische Fernsehsender berichteten, dass der Geheimdienst alle Kontakte mit der Hamas und anderen Terrorgruppen gekappt habe.[557] Die Türkei[566] und die Vereinigten Arabischen Emirate[567] forderten die Konfliktparteien zur „Waffenruhe“ und zur „Zurückhaltung“ auf. In einem weiteren Statement zeigten sich die Emirate „entsetzt über Berichte, wonach israelische Zivilisten als Geiseln aus ihren Häusern verschleppt wurden“.[568] Die türkische Staatsführung bot sich als Vermittler an und brachte ihre Ansicht zum Ausdruck, dass die Zweistaatenlösung der einzige friedliche Weg im Nahen Osten ist.[569]
Auch Bahrain verurteilte die Angriffe und Geiselnahmen der Hamas. Zudem forderte das Land zusammen mit Jordanien die internationale Gemeinschaft auf, für Deeskalation zu sorgen.[570][571][572] Ein Frieden im Nahen Osten ist nach Einschätzung von Jordaniens König Abdullah II nur möglich, wenn ein unabhängiger Palästinenser-Staat neben Israel entsteht. Eine Zweistaatenlösung sei die einzige Option, sagt der Monarch.[573] Seine Frau Rania von Jordanien äußerte: „Will man uns sagen, dass es falsch ist, eine Familie, eine ganze Familie, von Angesicht zu Angesicht zu erschießen – aber sie zu Tode zu bombardieren ist okay? Ich finde, es gibt hier eine eklatante Doppelmoral.“[574][575]
Die Islamische Republik Iran gab an, sie sei am Angriff unbeteiligt, begrüßte jedoch die Attacke auf Israel. Rahim Safawi, ein Berater von Irans geistlichem und staatlichem Oberhaupt Ali Chamenei, beglückwünschte die Hamas für ihren Angriff in der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Insa. Die Republik werde ihnen bis zur Befreiung Palästinas und Jerusalems beistehen.[557] Chamenei selbst bezeichnete Israel als Krebsgeschwür.[576] Die libanesische Hisbollah-Miliz bezeichnete den Hamas-Angriff auf Israel als Zeichen gegen eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel. Der Hamas-Angriff sei eine „entschlossene Antwort auf Israels anhaltende Besatzung und eine Botschaft an diejenigen, die eine Normalisierung mit Israel anstreben“, teilte die Islamistenmiliz in einer Erklärung mit. Sie verfolge die Lage im Gazastreifen genau und stehe in „direktem Kontakt mit der Führung des palästinensischen Widerstands“.[557] Katar und Kuwait sahen die Schuld für die Eskalation bei Israel. Die Angriffe der Hamas seien die Folge der jahrzehntelangen „systematischen Unterdrückung“ durch die „zionistische Besatzungsbehörde“, heißt es auch in einer Erklärung der irakischen Regierung.[576]
Vereinigte Staaten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die USA verurteilten die Terrorangriffe der Hamas und sicherten Israel die Unterstützung zu. Der amerikanische Präsident Joe Biden sprach vom „tödlichsten Tag für Juden seit dem Holocaust“.[577] Ähnlich äußerte sich die Sonderbeauftragte für Antisemitismus in den USA, Deborah Lipstadt.[578] US-Verteidigungsminister Lloyd Austin ordnete die Entsendung der Carrier Strike Group 12 der US-Marine unter Führung der Flugzeugträger Gerald R. Ford und Dwight D. Eisenhower, mit Unterstützung des Kreuzers Normandy sowie der Zerstörer Thomas Hudner, Ramage, Carney und Roosevelt in das östliche Mittelmeer an. Die US-Luftwaffe verstärkte ihre Präsenz in der Region, um andere Akteure davon abzuhalten, in den Konflikt einzugreifen.[579]
Seit Dezember 2023 führen die USA mit der Operation Prosperity Guardian eine multinationale Koalition zum militärischen Schutz der freien Schifffahrt im Roten Meer beim Bab al-Mandab.
In den USA haben sich aus Protest gegen die israelische Kriegsführung, beziehungsweise die Rolle, die die US-Streitkräfte dabei spielen, drei Menschen selbst verbrannt. Eine in eine palästinensische Flagge gehüllte, nicht namentlich genannte Frau verbrannte sich am 1. Dezember 2023 in Atlanta.[580] Sie überlebte schwer verletzt. Der 25-jährige US-Soldat Aaron Bushnell setzte sich am 25. Februar 2024 vor der israelischen Botschaft in Washington, D.C in Brand und starb an seinen Verletzungen.[581] Am 11. September 2024 hat sich ein Mann vor dem israelischen Konsulat in Boston in Unterstützung der Anklage Benjamin Netanjahus vor dem Internationalen Gerichtshof selbst verbrannt.[582] Er wurde mit Verbrennungen ins Massachusetts General Hospital eingeliefert.[582]
In seiner Rede an die Nation am 7. März 2024 verteidigte Joe Biden das Recht Israels auf Territoriale Integrität und damit auch auf das mit dem Völkerrecht im Einklang stehende Recht alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor existenzbedrohenden Angriffen aller Art zu treffen. Er erinnerte aber auch eindringlich an Israels fundamentale Verantwortung für den Schutz von Leben und Gesundheit der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen.[583] Biden bestätigte, dass die USA den Bau eines temporären Hafens für die Lieferungen von Hilfsgütern nach Gaza planen und prangerte die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen an; viele Menschen dort seien ohne Nahrung, Wasser und Medizin. An die israelische Führung appellierte Biden zur humanitären Versorgung der palästinensischen Zivilbevölkerung beizutragen und mehr Hilfslieferungen nach Gaza als bisher zuzulassen, aber dabei auch sicherstellen, dass bei der Anlieferung und Verteilung der Hilfsgüter die Helfer nicht ins „Kreuzfeuer“ geraten. Biden forderte zum wiederholten Mal auch die Vereinbarung einer sofortigen sechswöchigen Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel. Von der Hamas forderte er die unverzügliche Freilassung der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln, um damit die Voraussetzung für ein Ende des laufenden Gazakrieges zu schaffen.[584]
Am 23. Oktober 2024, nach der weitgehenden Niederlage der Hamas gegen Israel, dringt US-Außenminister Antony Blinken auf eine baldige Beendigung des Krieges durch Israel, da es die meisten seiner strategischen Ziele erreicht habe. Auch mahnt er weitere Fortschritte in der dauerhaften Versorgung der Bevölkerung im Gazastreifen mit Hilfsgütern an.[585]
Laut Associated Press (AP) hätte sich die Debatte über den seit Oktober 2023 laufenden Gazakrieg zu einem Hauptthema der diesjährigen Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten entwickelt und die Trennlinien zwischen den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden und Donald Trump sowie innerhalb ihrer Parteien, den Demokraten (englisch Democrats) bzw. der Republikanern (englisch Republicans) gezogen.[133]
Deutschland
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verurteilten den Angriff der Hamas. Baerbock unterstrich das „völkerrechtlich verbriefte Recht, sich gegen Terror zu verteidigen.“[586] Am Abend des Überfalls wurde das Brandenburger Tor zum Zeichen der Solidarität mit der Flagge Israels illuminiert.[587] Am Tag nach dem Angriff wurde auf wichtigen Gebäuden des Landes wie dem Kanzleramt, dem Schloss Bellevue, dem Bundestag, dem Sitz des Außenministeriums sowie dem Abgeordnetenhaus von Berlin[588] die israelische Flagge gehisst.[589] Noch am Tag des Überfalls wurde die Sicherung jüdischer Einrichtungen in Deutschland erhöht.[590] Michael Roth (SPD), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, forderte in Anbetracht der erwarteten militärischen Reaktion Israels, „dass die deutsche Öffentlichkeit jetzt lernen müsse, schlimme Bilder zu ertragen, wenn die israelische Armee die komplette Infrastruktur der Terrororganisation Hamas vernichten werde. Und auch im Angesicht dieser Bilder trotzdem solidarisch das israelische Vorgehen unterstützt“.[591]
Auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln feierten am 7. Oktober 2023 spontan mehrere Dutzend Anhänger des seit dem 2. November 2023 verbotenen Vereins Samidoun[592] (Solidaritätsnetzwerk für palästinensische Gefangene) den Angriff und verteilten dabei Süßgebäck an Passanten. Die Polizei schritt schließlich dagegen ein und die Justiz nahm Ermittlungen gegen drei Personen wegen „Belohnung und Billigung von Straftaten“ auf.[593] Bundeskanzler Olaf Scholz verurteilte pro-palästinensische Freudenfeiern und bekräftigte: „Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson.“[594][595]
Am 8. Oktober 2023 fand am Brandenburger Tor eine Solidaritätsdemonstration für Israel statt, an der 2000 Personen teilnahmen.[596] Am 11. Oktober fand am Hermannplatz, am Richardplatz und in den umliegenden Straßen in Berlin-Neukölln eine von der Polizei verbotene, israelfeindliche Demonstration mit mehreren Hundert Teilnehmern statt. Die Polizei löste die Demonstration auf, erfasste die Personalien der Teilnehmer und nahm mehr als 100 Teilnehmer kurzzeitig fest.[597] In einem Offenen Brief für Frieden und Meinungsfreiheit forderten über 100 in Deutschland lebende jüdische Kunstschaffende und Wissenschaftler die Achtung der im deutschen Grundgesetz verankerten Meinungs- und Redefreiheit und des Versammlungsrechts, auch für pro-palästinensische Stimmen.[598]
Bei einem Andauern des laufenden Gazakrieges (Stand 2024) und einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage im Gazastreifen sei laut Mitteilung eines Sprechers des Bundeskriminalamtes (BKA) vonseiten des „pro-palästinensischen Spektrums“ in Deutschland weiterhin mit einem erhöhten „Emotionalisierungs- und Mobilisierungsgeschehen“ zu rechnen. Die Bundesrepublik sei unverändert ein unmittelbares Ziel von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat (IS) und Al-Kaida. Der Krieg in Israel und Gaza könne die Lage weiter verschärfen. Auch für Einzelpersonen könne die Entwicklung im Gazakrieg möglicherweise eine „tatauslösende und subjektiv empfundene Ermutigung“ für einen Anschlag sein.[599]
Nach dem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 23. Februar 2024 wird sich die Bundesrepublik Deutschland mit einem Kontingent von bis zu 700 Soldaten an der europäischen militärischen Operation Aspides beteiligen.[600]
Europa und Nordamerika
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In diversen britischen Städten (darunter London, Manchester und Brighton) und schwedischen Städten (darunter Malmö, Stockholm, Kristianstad, Helsingborg) sowie in einem Flüchtlingsaufnahmelager auf der griechischen Insel Samos bejubelten muslimische Gruppen die Attacken auf Israel.[601][602][603] Einer pro-palästinensischen Großdemonstration in London am 21. Oktober 2023, die das Ende des israelischen Bombardements in Gaza forderte, wohnten nach Angaben der britischen Polizei bis zu 100.000 Teilnehmende bei.[604][605] Außerdem kam es während des Krieges in Israel und Gaza 2023 weltweit zu antisemitischen Vorfällen.
Die Jewish Voice for Peace forderte im Oktober 2023 mit mehr als hundert Teilnehmern vor dem Weißen Haus einen sofortigen Waffenstillstand und ein Ende des „Genozid“. Die T’ruah, ein politisch linkes Netzwerk von 2.300 Rabbinern in Nordamerika, veröffentlichte ebenfalls im Oktober per Statement: „Wir setzen uns in diesem Moment für das Leben unschuldiger Palästinenser ein.“ Viele andere jüdische Organisationen lehnen jedoch einen Waffenstillstand ab oder gehen nicht auf zivile Opfer in Palästina ein.[606]
Aus Südafrika sowie Barcelona, Washington, New York, Chicago, Ottawa und Sydney wurde über Solidaritätsaktionen mit Palästina oder teilweise über Feiern berichtet.[607][608]
Die deutsche Bundesregierung setzte ihre staatlichen Finanzhilfen für Palästinenser vorübergehend aus und stellte sie auf den Prüfstand.[609][610] Spanien und Irland sprachen sich gegen eine Aussetzung der Unterstützung für die Palästinenser seitens der EU aus. Daraufhin postete Janez Lenarčič, Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz, auf X:
„Während ich den Terroranschlag von Hamas am stärksten verurteile, ist es unerlässlich, Zivilisten zu schützen und die IHL (humanitäres Völkerrecht) zu respektieren. Die humanitäre Hilfe der EU an Palästinenser in Not wird so lange wie nötig fortgesetzt.“
Im Gazastreifen sind ansonsten diverse Hilfsorganisationen aktiv: Islamic Relief, das Deutsche Rote Kreuz, die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung, Aktion Deutschland Hilft, Ärzte ohne Grenzen, SOS-Kinderdorf, Medico international sowie Save the Children.
Polens Präsident Andrzej Duda warnte, dass die Eskalation zwischen der Hamas und Israel Russland zugutekommen könnte. Sie lenke die internationale Aufmerksamkeit vom russischen Krieg gegen die Ukraine ab und könne zu einem neuen Migrationsdruck auf Europa durch weitere Flüchtlinge aus dem Nahen Osten führen.[612]
Auch die Ukraine,[613] Frankreich,[614] Spanien,[615] das Vereinigte Königreich[616] und die Vereinigten Staaten[617] verurteilten die Angriffe. Das US-Verteidigungsministerium kündigte darüber hinaus an, Israel Mittel zur Verteidigung bereitzustellen.[618]
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf auf X Russland zudem vor, im Nahen Osten einen Krieg lostreten zu wollen, warnte vor der Gefahr eines Weltkriegs und zog eine Verbindung zu „Moskaus iranischen Freunden“. Bereits zuvor hatte er in einer Videoansprache erklärt, dass Israel von einer „Terrororganisation“ und die Ukraine von einem „Terrorstaat“ angegriffen würden.[619][620]
Am 15. Dezember 2023 wurde vom französischen Außenministerium ein gemeinsamer Appell der Außenministerien vom Vereinigten Königreich, Frankreich, der Schweiz, Kanada, Norwegen, Australien, Belgien, Dänemark, Finnland, Irland, Spanien, Schweden, Luxemburg, der Niederlande und der Europäischen Union veröffentlicht gegen die massive und ungehinderte Gewalt der Siedler gegen die palästinensische Bevölkerung.[621][622][623]
Weitere Staaten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut israelischem Außenministerium haben 80 Staaten ihre Solidarität mit Israel geäußert und den Angriff der Hamas verurteilt.[624] Die Volksrepublik China forderte ein Ende der Gewalt und erinnerte an ihre Haltung zum Nahostkonflikt, dass der einzige Weg zur Beilegung die Umsetzung der Zweistaatenlösung sei.[625] Indiens Premierminister Narendra Modi drückte die Solidarität seines Landes mit Israel aus.[576] Japans Premierminister Fumio Kishida verurteilte den Angriff, rief aber alle Parteien zur Zurückhaltung auf.[626][627] Brasilien, das zum Zeitpunkt des Angriffes den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehatte, verurteilte die Angriffe der radikal-islamischen Hamas auf Israel und berief eine Dringlichkeitssitzung in jenem Rat ein.[576] Pakistan[628] und Russland forderten die Konfliktparteien zu einer „Waffenruhe“ und zur „Zurückhaltung“ auf.[576] Laut Mitteldeutschem Rundfunk sieht Moskau in dem Terrorangriff die Chance, seine internationale Isolierung aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine aufzubrechen, denn Russland habe eigene Kontakte zur Hamas und sei ebenso ein enger Verbündeter von deren Hauptunterstützer Iran.[629] Das Büro des tunesischen Präsidenten Kais Saied äußerte in einer Stellungnahme am 8. Oktober 2023, dass die Palästinenser das Recht hätten, ihr besetztes Land zurückzuerobern.[630]
Die Regierung Südafrikas hat am 30. Oktober 2023 eine Untersuchung gegen Israel wegen Völkermordes gefordert, die Todesfälle von Kindern im Gazastreifen seien eine direkte Folge der rechtswidrigen Handlungen Israels gegen die Menschen in Gaza. Israel wird beschuldigt, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen. Außenministerin Naledi Pandor forderte einen sofortigen Waffenstillstand, die sofortige Eröffnung eines humanitären Korridors und eine Spezialtruppe der Vereinten Nationen zum Schutz der palästinensischen Zivilbevölkerung vor weiteren Bombardierungen.[631][632]
Solidaritätsbekundungen einzelner Staaten nach dem Terrorangriff
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Solidaritätsbekundungen von Staaten mit Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Viele Staaten setzten nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 ein Zeichen für ihre Unterstützung Israels an markanten Bauwerken oder Regierungsgebäuden:
- Europäische Union: Der Sitz der Europäischen Kommission wurde am Abend des Überfalls mit der Flagge Israels angestrahlt und am Europäischen Parlament wurde die israelische Flagge zwischen den Flaggen der Europäischen Union gehisst.[633]
- Albanien: Auf das Gebäude der Polytechnischen Universität Tirana wurde die israelische Flagge projiziert.[634]
- Argentinien: Einige Gebäude in Buenos Aires leuchteten in Blau.[635]
- Australien: Das Sydney Opera House in Sydney und die Story Bridge in Brisbane wurden in den israelischen Farben beleuchtet.[636][637]
- Brasilien: Der Nationalkongress in Brasília wurde mit der israelischen Flagge beleuchtet.[638]
- Bulgarien: Das Parlament in Sofia wurde mit der israelischen Flagge beleuchtet.[633]
- Deutschland: Die israelische Flagge wurde auf das Brandenburger Tor projiziert.[633]
- Frankreich: Der Pariser Eiffelturm leuchtete in den Farben Israels und ein Davidstern wurde auf das Gebäude projiziert.[639]
- Georgien: Der Fernsehturm Tiflis leuchtete in den israelischen Farben.[640]
- Italien: Die israelische Flagge wurde auf den Palazzo Chigi in Rom und den Palazzo della Regione Liguria in Genua projiziert.[641][642]
- Kanada: Auf den Peace Tower des Parlaments wurde die israelische Flagge projiziert.[643]
- Litauen: Das Rathaus Vilnius wurde in den israelischen Farben beleuchtet.[644]
- Moldau: In Chișinău wurde das Parlamentsgebäude mit der Flagge Israels angestrahlt.
- Montenegro: Die israelische Flagge wurde auf das Parlamentsgebäude in Podgorica projiziert.[645]
- Niederlande: In Den Haag wurde die israelische und niederländische Flagge zusammen gehisst.[646]
- Österreich: Die israelische Flagge wurde auf dem Österreichischen Parlament gehisst und auf die Außenfassade projiziert.[647]
- Paraguay: Der Regierungspalast Palacio de López wurde mit den Farben der israelischen Flagge bestrahlt.[648]
- Polen: Der Kulturpalast in Warschau wurde mit den israelischen Farben beleuchtet.[649]
- Rumänien: Die israelische Flagge wurde auf den Parlamentspalast in Bukarest projiziert.[650]
- Schweden: Der Glasturm auf dem Sergels torg leuchtete in den israelischen Farben und in Stockholm wurde die israelische Flagge gehisst.[651]
- Schweiz: In der Schweiz wehte am Basler Rathaus die Flagge Israels.[652]
- Slowakei: Die israelische Flagge wurde auf die Burg Bratislava projiziert.[653]
- Spanien: Die Hauptfassade der Casa de Correos wurde in den israelischen Farben beleuchtet.[635]
- Südafrika: In Johannesburg wurde das Ponte-City-Hochhaus mit der Flagge Israels angestrahlt.
- Tschechien: Der Aussichtsturm Petřín leuchtete in Blau.[654]
- Ukraine: Elektronische Werbeflächen in Kiew zeigten die israelische Flagge.[633]
- Ungarn: Die Kettenbrücke in Budapest wurde in den israelischen Farben beleuchtet.[655]
- Vereinigtes Königreich: Auf das Haus 10 Downing Street wurde die israelische Flagge projiziert und der Westminsterpalast leuchtete in den israelischen Farben.[633][656]
- Vereinigte Staaten: In mehreren Städten wurden Gebäude in den israelischen Farben angestrahlt, unter anderem das Weiße Haus in Washington, D.C. und das Empire State Building in New York City.[657]
Solidaritätsbekundungen von Staaten mit Palästina
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einige Staaten setzten nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 für Palästina bzw. für Israel und Palästina ein Zeichen der Solidarität:
- Katar: Das Emirat beleuchtete nachts das Museum für Islamische Kunst in Doha mit der Flagge Palästinas.[658]
- Kuba: Die kubanische Regierung äußerte, dass der Konflikt eine Folge von 75 Jahren permanenter Verletzung der unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes und der aggressiven und expansionistischen Politik Israels sei.[659]
- Südafrika: Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa erweiterte am 15. Oktober 2023 seine vormals ausgesprochene Solidarität auf alle zivilen Opfer in Israel und Palästina. Dabei trug Ramaphosa demonstrativ die Kufiya, kritisierte die Evakuierung Nord-Gazas und unterstrich die Wichtigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung.[660]
- Venezuela: Die Regierung unter Nicolás Maduro forderte ein schnelles Ende der Gewalt und forderte Israel auf, sich an die Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrates zu halten. Gleichzeitig bekundete der venezolanische Außenminister seine Sorge über die aktuellen Entwicklungen im Gazastreifen.[661]
Einschränkung diplomatischer Beziehungen zu Israel
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Innerhalb des ersten Monats des Kriegs kam es zu Einschränkungen beziehungsweise zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen einiger Länder zum Staat Israel. Kolumbien, Chile, Honduras und Jordanien riefen ihre Botschafter zurück. Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro – einer der entschiedensten Gegner Israels, der bereits sein Urteil fällte, als die genaue Faktenlage noch gar nicht bekannt war – nannte den Gazastreifen im sozialen Netzwerk X „ein Konzentrationslager“ und bezeichnete Israels Vorgehen während der Militäroperation „Eiserne Schwerter“ als „Genozid“, den Israel begehe, um den Gazastreifen einzunehmen und das palästinensische Volk aus Gaza zu entfernen, und kündigte die Eröffnung einer Botschaft in Palästina an.[662][663][664][665] Am 31. Oktober 2023 brach Bolivien als „Zeichen der Ablehnung und Verurteilung der aggressiven und unverhältnismäßigen israelischen Militäroffensive im Gazastreifen“ seine diplomatischen Beziehungen zu Israel ab.[666][667] Am 1. November 2023 beschloss das Parlament in Bahrain die Ausweisung des israelischen Botschafters und die Beendigung der wirtschaftlichen Beziehungen.[668] Israels Botschafterin wurde laut Presseberichten vom 19. Oktober 2023 aus der Türkei zurückgezogen und die israelischen Bürger wurden aus Sicherheitsgründen aufgerufen, das Land zu verlassen.[669] Die Türkei berief ihrerseits am 4. November ihren Botschafter zu Konsultationen aus Israel zurück, und Präsident Erdogan sagte über Netanjahu, er sei „nicht mehr jemand, mit dem wir sprechen können. Wir haben ihn abgeschrieben“.[670][671] Der Tschad rief seinen Botschafter am 4. November aus „Entrüstung“ über den Konflikt zurück.[672] Südafrika beorderte seinen Botschafter am 6. November aus Israel zurück und beschuldigte Israel des Völkermords in Gaza.[673]
Internationale Organisationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vereinte Nationen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]António Guterres, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, verurteilte unmittelbar den Angriff der Hamas und forderte laut seinem Sprecher Stéphane Dujarric diplomatische Anstrengungen, „um einen größeren Flächenbrand zu verhindern“.[674] Er erfolgte jedoch auch eine direkte Kritik an der Blockade Gazas als Verstoß gegen geltendes Völker- und Kriegsrecht und Verletzung der Menschenrechte. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte (UNHCHR), Volker Türk, sagte: „Die Verhängung von Belagerungen, die das Leben von Zivilisten gefährden, indem sie ihnen überlebenswichtige Güter vorenthalten, ist nach dem humanitären Völkerrecht verboten“.[675][676]
Der Generalkommissar des Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Philippe Lazzarini beschrieb die Belagerung Gaza in ihrer aktuellen Form als „nichts anderes als kollektive Bestrafung“.[677]
Die Sonderbeauftragte des Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen für Israel und die besetzten Gebiete, Francesca Albanese, stellte den Ausbruch der Gewalt in den Kontext des andauernden Konfliktes und betonte die Rolle der Militärherrschaft Israels über den Gazastreifen für die Aggression von palästinensischer Seite: „Die heutige Gewalt muss im Kontext gesehen werden. Fast sechs Jahrzehnte feindseliger Militärherrschaft über eine ganze zivile Bevölkerungsgruppe (welche von allzu vielen offiziellen Erklärungen und Medien unverständlicherweise ignoriert wird) sind an sich schon eine Aggression und das Rezept für mehr Unsicherheit für alle.“[678]
Der Vorsitzende der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Adhanom Ghebreyesus sprach sich klar gegen den Evakuierungsbefehl Israels für den nördlichen Gazastreifen und die damit einhergehende Räumung der Krankenhäuser aus. Die Organisation fordert einen unmittelbaren Waffenstillstand, eine Rücknahme der Evakuierung und sicheren Zugang zu Kliniken in Gaza.[679][680]
Am 21. Oktober 2023 kam es zu einer gemeinsamen Erklärung von UNICEF, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, dem Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation mit einem Aufruf zum Waffenstillstand und der humanitären Versorgung der Bevölkerung:
„Wir fordern einen humanitären Waffenstillstand und einen sofortigen, uneingeschränkten Zugang für humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen, damit die humanitären Akteure die Zivilbevölkerung in Not erreichen, Leben retten und weiteres menschliches Leid verhindern können. Die humanitäre Hilfe muss in ausreichendem Umfang und kontinuierlich geleistet werden und allen Menschen im Gazastreifen die Möglichkeit geben, ihre Würde zu bewahren. Wir fordern einen sicheren und dauerhaften Zugang zu Wasser, Nahrung, Gesundheit, einschließlich sexueller und reproduktiver Gesundheit, und Treibstoff, der für die Erbringung grundlegender Dienstleistungen notwendig ist. Wir fordern den Schutz aller Zivilisten und der zivilen Infrastruktur im Gazastreifen, einschließlich der Einrichtungen des Gesundheitswesens. Wir fordern den Schutz der humanitären Helfer im Gazastreifen, die ihr Leben im Dienste der Menschen riskieren. Und wir fordern, dass alle Parteien das humanitäre Völkerrecht in höchstem Maße respektieren.“[681]
Am 28. Oktober 2023 legte Craig Mokhiber, der Leiter des New Yorker Büros des Hohen Kommissars für Menschenrechte, im Protest sein Amt nieder. Seiner Stellungnahme zufolge komme die UNO ihrer Pflicht nicht nach, das zu verhindern, was er als Völkermord an der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen unter israelischem Bombardement bezeichnet, und nannte die USA, das Vereinigte Königreich und weite Teile Europas als mitschuldig an dem grausamen Angriff.[682]
UN-Organisationen, darunter das Nothilfebüro (OCHA), das Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), das Kinderhilfswerk UNICEF, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Welternährungsprogramm (WFP), sowie die Hilfsorganisationen Care und Save the Children verurteilten in einer seltenen gemeinsamen Erklärung am 5. November 2023 die Tötung Tausender Zivilisten in Gaza und forderten eine sofortige Feuerpause: „Es sind jetzt 30 Tage. Genug ist genug!“[683][684]
Guterres sagte am 6. November 2023: „Der Gazastreifen wird zu einem Friedhof für Kinder.“ Die Angriffe des israelischen Militärs träfen Krankenhäuser, Flüchtlingslager, Moscheen, Kirchen und UNO-Einrichtungen. Das Völkerrecht, das den Schutz von Zivilisten fordere, werde eindeutig verletzt. Keine Partei eines bewaffneten Konflikts stehe über dem Völkerrecht.[685]
Am 16. November 2023 erklärte das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP), dass seit Beginn des Konfliktes nur 10 Prozent der für die Bevölkerung benötigten Lebensmittel in den Gazastreifen gelangt seien, wodurch der Gazastreifen sich mit einer massiven Nahrungsmittellücke und weitverbreitetem Hunger konfrontiert sehe. Die in den Gazastreifen gelangten Nahrungsmittel reichten nur aus, um 7 Prozent des täglichen Mindestbedarfs an Kalorien zu decken. Durch den Mangel an Treibstoff seien zudem die Lebensmittelversorgungsketten zusammengebrochen. Angesichts des nahenden Winters, der unsicheren und überfüllten Unterkünfte und des Mangels an sauberem Wasser drohe der Zivilbevölkerung unmittelbar der Hungertod.[686]
UN-Vollversammlung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 27. Oktober 2023 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution ES-10/21, in der ein „sofortiger und dauerhafter humanitärer Waffenstillstand und die Einstellung der Feindseligkeiten“ gefordert werden. Die Resolution wurde von Jordanien eingebracht, nachdem vorherige Versuche von Resolutionen zu humanitären Pausen und Waffenstillständen im UN-Sicherheitsrat gescheitert waren.
Dass der Vorschlag zur Abstimmung zugelassen wurde, fand insbesondere in westlichen Ländern Widerspruch. Der israelische Außenminister Eli Cohen zeigte sich missbilligend: „Wir lehnen den verabscheuungswürdigen Ruf der UN-Generalversammlung nach einem Waffenstillstand entschieden ab“,[687] US-Senator Lindsey Graham, Ranking member und ehemaliger Vorsitzender des Justizausschusses des US-Senats, bezeichnete die Vereinten Nationen als das „antisemitischste Gremium der Welt“.[688]
Die Resolution erzielte eine klare Mehrheit und wurde mit 121 Stimmen bei 14 Gegenstimmen und 44 Enthaltungen angenommen.[689] Deutschland enthielt sich bei der Abstimmung, was in Folge zu deutlicher Kritik vom israelischen Botschafter in Deutschland Ron Prosor führte: „Die Enthaltung ist moralisch falsch und die Geschichte wird darüber urteilen. Die Staatsräson bedeutet, gerade in schwierigen Zeiten aktiv an der Seite Israels zu stehen.“[687][690] Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) reagierte „mit Entsetzen“ und verurteilte die Enthaltung Deutschlands, dieses „müsse ohne Wenn und Aber an der Seite Israels“ stehen. Der Präsident der DIG, Volker Beck kommentierte mit den Worten: „Wie kann Deutschland sich bei einer UN-Resolution enthalten, die als alleiniges Ziel hat, Israels Recht auf Selbstverteidigung zu delegitimieren? Deutschland hätte klar mit Nein stimmen sollen!“[691]
Am 12. Dezember 2023 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit großer Mehrheit eine Resolution, in der ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand im Gazakrieg und die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln und die Einhaltung des Völkerrechts durch die Kriegsparteien – insbesondere in Bezug auf den Schutz der Zivilbevölkerung – gefordert wird. Zehn Staaten stimmten dagegen, darunter die USA und Israel. Die UN-Botschafter der USA, Linda Thomas-Greenfield, erklärte vor der Abstimmung, ihr Land unterstütze einige Aspekte der Resolution – unter anderem die Notwendigkeit, die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern, Zivilisten zu schützen und Geiseln zu befreien, einen Waffenstillstand aber lehne ihr Land als „gefährlich für die Israelis, die unerbittlichen Angriffen ausgesetzt wären und auch gefährlich für die Palästinenser, die die Chance verdienen, sich eine bessere Zukunft aufzubauen – frei von der Hamas“ –, ab.”[692]
UN-Sicherheitsrat
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (kurz Weltsicherheitsrat) wurde auf Verlangen der nichtständigen Mitglieder Malta und Vereinigte Arabische Emirate zu einer nichtöffentlichen Dringlichkeitssitzung am 8. Oktober 2023 einberufen. In den „geschlossenen Konsultationen“ (Consultations of the whole) stand die Lage im Nahen Osten auf der Tagesordnung. Neben den 15 Ratsmitgliedern waren anders als bei öffentlichen Sitzungen keine weiteren Staaten – auch nicht die in den Konflikt involvierten – als Beisitzer zugelassen. Als Berichterstatter fungierte der UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess, Tor Wennesland.[693][694][695] Der Großangriff wurde in dem Gremium durch eine Mehrheit verurteilt, aber es kam zu keiner einstimmigen Beschlussfassung.[696]
Am 17. Oktober 2023 schlug die russische UN-Delegation dem Weltsicherheitsrat eine UN-Resolution vor, in der humanitärer Zugang, die sichere Evakuierung von Zivilisten und die Freilassung von Geiseln gefordert wurden. Sie erhielt nicht die erforderlichen neun Stimmen im UN-Sicherheitsrat, sondern nur fünf Ja-Stimmen (China, Gabun, Mosambik, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate), vier Nein-Stimmen (Frankreich, Japan, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten) und sechs Enthaltungen (Albanien, Brasilien, Ecuador, Ghana, Malta und die Schweiz).[697]
Am 18. Oktober 2023 legte Brasilien dem Weltsicherheitsrat den Entwurf einer UN-Resolution vor. in der ein Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien gefordert wird, damit Humanitäre Hilfsleistung die Zivilbevölkerung Gazas leichter erreichen können. Darüber hinaus wurde im Resolutionsentwurf aber auch der Terrorangriffs der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 ausdrücklich verurteilt. Gegen den brasilianische Resolutionsentwurf wurde jedoch von der UN-Vertretung der Vereinigten Staaten ein Veto eingelegt und der Resolutionsentwurf somit abgewiesen. Die Delegation der USA argumentierte, dass ihr Staat ein Veto einlegt hätte, weil im brasilianischen Resolutionsentwurf, das für alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (UNO/UN) im Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen verbriefte Recht zur Selbstverteidigung, nicht explizit erwähnt wurde.[698][699]
Guterres konstatierte bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates am 24. Oktober 2023 eindeutige Verstöße Israels gegen das Völkerrecht in Gaza, und mahnte, dass keine Partei eines bewaffneten Konflikts über dem international geltenden humanitären Recht stehen dürfe[700] Angesichts der an die Zivilbevölkerung gerichteten Aufrufe der israelischen Armee, von dieser als Kampfgebiete deklarierte Landstriche im Gazastreifen zu verlassen und als sicher deklarierte „humanitäre Zonen“ wie Al-Mawasi aufzusuchen sowie der Blockade des Gazastreifens appellierte Guterres an Israel:
Guterres verurteilte abermals die Verbrechen der Hamas aufs Schärfste, sagte aber auch: „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Angriffe der Hamas nicht im luftleeren Raum stattfanden“ und dass die Palästinenser „seit 56 Jahren unter erstickender Besatzung“ leiden würden.[702] Israels UN-Botschafter Erdan forderte daraufhin Guterres’ Rücktritt, der israelische Außenminister Eli Cohen sagte ein geplantes Treffen mit Guterres ab.[703][701] Dem UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths wurde am Folgetag die Einreise nach Israel verweigert, es folgte die Ankündigung Israels, Vertretern der Vereinten Nationen keine Visa zur Einreise mehr zu erteilen.[704] Auch in Deutschland führte die Stellungnahme zu Diskussionen und Kritik am Generalsekretär der Vereinten Nationen. Der ehemalige Ministerialdirektor für Außenpolitik im Bundeskanzleramt und derzeitiger Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, stimmte Guterres weitgehend zu und forderte eine „diplomatische Lösung des Konflikts“,[705] was von Israels Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, als „ungeheuerlich“ zurückgewiesen wurde; Prosor unterstellte Heusgen eine „toxisch-naive Sicherheitsexpertise“ und brachte seine Empörung zum Ausdruck.[706] Der ehemalige CDU-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Armin Laschet bezeichnete „das Gerede von politischen Umständen“ als Relativierung und als einen „Tabubruch und inakzeptabel, sowohl für einen UNO-Generalsekretär als auch für Herrn Heusgen“. Heusgen gab am folgenden Tag eine öffentliche Entschuldigung ab.[707]
Am 15. November 2023 nahm der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine völkerrechtlich bindende Resolution an, die zur Sicherstellung humanitärer Hilfe „dringende und ausgedehnte humanitäre Pausen und Korridore im gesamten Gazastreifen für eine ausreichende Anzahl von Tagen“ forderte. Alle Parteien wurden angehalten, das Völkerrecht zu respektieren. Eine „Zwangsumsiedlung der Zivilbevölkerung“ wurde abgelehnt. Den Menschen im Gazastreifen dürften lebensnotwendige Dienste nicht vorenthalten werden. Die Hamas wurde aufgefordert, die Geiseln freizulassen. Zwölf Nationen stimmten für die Resolution, die USA, Russland und das Vereinigte Königreich enthielten sich der Stimme.[708] Israels Botschafter bei den Vereinten Nationen nannte die Resolution „realitätsfern“ und „bedeutungslos“.[709]
Der UN-Sicherheitsrat konnte nach tagelangen Verhandlungen am 22. Dezember 2023 schließlich Resolution 2720 für eine umfassende humanitäre Hilfe für den Gazastreifen verabschieden, wobei die USA und Russland sich der Stimme enthielten. Die Kriegsparteien werden darin aufgefordert, „sichere und ungehinderte Lieferung von humanitärer Hilfe“ zu ermöglichen.[710]
Nachdem seit Beginn des seit 2023 fortdauernden Gazakrieges im Weltsicherheitsrat der Versuch der Mitglieder sich auf eine UN-Resolution zum Gazakrieg zu einigen, dreimal am Veto der Vereinigten Staaten und einmal an dem Chinas und Russlands gescheitert war, konnte die UN-Resolution 2728[711] vom Weltsicherheitsrat am 25. März 2024 verabschiedet werden.[712] Darin wird von den am laufenden Gazakrieg beteiligten Kriegsparteien, die sofortige Vereinbarung einer Feuerpause für die verbleibende Zeit des muslimischen Fastenmonats Ramadan und von der Terrororganisation Hamas die bedingungslose Freilassung aller nach den Geiselnahmen am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppten Menschen gefordert. Betont wird aber auch die Notwendigkeit, dass wesentlich mehr humanitäre Hilfsgüter als bisher in das Kriegsgebiet geliefert werden müssen. Vierzehn Mitglieder des Weltsicherheitsrats stimmten für die UN-Resolution. Die Vereinigten Staaten verzichteten auf ein Veto und ermöglichten so deren Annahme.[713][714][517] Israel hielt auch nach Annahme der UN-Resulution im Weltsicherheitsrat am eingeschlagenen Kurs fest: Benny Gantz, der seit Oktober 2023 als Minister ohne Geschäftsbereich dem dreiköpfigen israelischen israelischem Kriegskabinett angehört, stellte klar, dass das die UN-Resolution „keine operative Bedeutung“ für sein Land habe – schon am Morgen des folgenden Tages griff die israelische Luftwaffe über 60 Ziele im Gazastreifen an.[715] Die schon geplante Reise einer Regierungsdelegation nach Washington sagte Israel ab; die US-Regierung reagierte darauf mit Unverständnis und betonte, dass die Stimmenthaltung der USA im Weltsicherheitsrat keinen „Politikwechsel“ gegenüber Israel bedeute. Die USA sehen sich als Schutzmacht Israels und gewähren Militärhilfe für Israel in Milliardenhöhe. Auch das Raketenabwehrsystem Iron Dome, welches Israel seit Jahren vor Raketenangriffen islamistischer Terrorororganisationen aus dem Gazastreifen und den Anrainerstaaten Libanon, Jemen und Syrien schützt, wurde von den Vereinigten Staaten geliefert.[517] Die Verärgerung Israels über das Abstimmungsverhalten der USA zeigt auch das Statement des israelischen UN-Botschafters Gilad Erdan im israelischen Radio: „Die Hamas hat Raketen auf die Städte Aschdod und Aschkelon abgefeuert und die Kompromisse zum vorliegenden Deal abgelehnt.“ Er hoffe, dass die USA verstehen würden, „dass sie damit einen Fehler gemacht haben könnten“. Israels UN-Botschafter bezog sich dabei auf die Ankündigung der Terrororganisation Hamas einen Kompromissvorschlag Israels abzulehnen und an Forderungen für eine Freilassung der in den Gazastreifen verschleppten Geiseln, wie den vollständige Abzug der israelischen Truppen aus Gaza und der Freilassung einer großen Anzahl palästinensischer Häftlinge aus israelischen Gefängnissen festzuhalten. Der israelische Außenminister Israel Katz sagte, bevor er mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock sprach, dass die Stimmenthaltung der USA im Sicherheitsrat die Freilassung der Geiseln erschwert habe. Im Nachrichtenportal X schrieb er: „Wir werden die Hamas zerstören und weiterkämpfen, bis die letzte Geisel nach Hause zurückgekehrt ist.“ Die Israelische Regierung teilte mit, dass sie ihre Unterhändler aus Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar, abziehen werde, wo Vermittlungsbemühungen der USA, Ägyptens und Katars zur Freilassung der israelischen Geiseln führen sollten.[715]
Appell des UN-Generalsekretärs vom 7. Dezember 2023
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der UN-Generalsekretär informierte am 7. Dezember 2023 den Weltsicherheitsrat über die dramatische humanitäre Lage im Gazastreifen und appellierte unter Anwendung von Artikel 99 der UNO-Charta an die 15 Mitglieder des Weltsicherheitsrats, eine Resolution für eine humanitäre Waffenruhe zu beschließen. Am 8. Dezember wurde über einen Resolutionsentwurf abgestimmt und dieser erhielt die Zustimmung der Regierungen von 13 der 15 Ratsmitglieder, bei Enthaltung des Vereinigten Königreichs. Da aber die Regierung der Vereinigten Staaten ein Veto einlegte, scheiterte die Resolution.[716]
Europäische Union
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, nannte die Angriffe „Terrorismus in seiner verabscheuungswürdigsten Form“.[586] Der Sitz der Kommission wurde am Abend des Überfalls mit der Flagge Israels angestrahlt.[717] Die Europäische Union verkündete am 9. Oktober 2023 als Reaktion auf die Ereignisse die Aussetzung aller Hilfsgeldzahlungen nach Gaza. Den Worten des Kommissars für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, Olivér Várhelyi, zufolge werden „alle Zahlungen sofort ausgesetzt. Alle Projekte werden überprüft.“[718] Diese Entscheidung wurde jedoch auf Druck mehrerer Mitgliedstaaten der Europäischen Union einen Tag später wieder zurückgenommen.[719]
Am 23. Oktober 2023 wurde im Rahmen eines EU-Außenministertreffens in Luxemburg über die europäische Position zu einem Waffenstillstand sowie der Einrichtung humanitärer Korridore zur Versorgung der Zivilbevölkerung debattiert. Dem Treffen ging die UNO-Forderung nach einem Waffenstillstand voraus; es erfolgte auf Initiative mehrerer EU-Länder und mit Unterstützung des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell („Der UN-Generalsekretär hat dazu aufgefordert. […] Wie können wir nicht darüber diskutieren“). Es wurde jedoch keine einheitliche Position gefunden, da einige Außenminister wie beispielsweise Annalena Baerbock für Deutschland gegen einen Waffenstillstand stimmten.[720][721]
Im Beschluss eines EU-Außenministertreffens am 13. November 2023 forderten die Außenminister von 28 EU-Staaten in einer gemeinsamen Erklärung eine unmittelbare Feuerpause.[722] Vertreten durch Annalena Baerbock lehnte Deutschland weiterhin ab, sich Forderungen nach einem Waffenstillstand anzuschließen.[723]
Am 19. Februar 2024 beschloss der Rat für Auswärtige Angelegenheiten die defensive Militäroperation Aspides im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, „mit der die Freiheit der Schifffahrt im Roten Meer und im Golf von Aden wiederhergestellt und gewahrt werden soll.“[724]
Am 22. März 2024 forderte der Europäische Rat in einer Erklärung eine sofortige humanitäre Waffenruhe.[725]
Arabische Liga
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Außenminister der 22 Mitgliedstaaten der Arabischen Liga trafen sich am 11. Oktober 2023 in Kairo zu einer Dringlichkeitssitzung. Es wurde ein sofortiger Stopp der israelischen Angriffe auf Gaza gefordert. In einer Abschlusserklärung des Sondertreffens wurde die Notwendigkeit betont, den Friedensprozess wiederzubeleben.[726] Die Abschlusserklärung rief beide Seiten dazu auf, die Waffen ruhen zu lassen. „Wir verurteilen das Töten von Zivilisten auf beiden Seiten. Unbeteiligte müssen, wie es die menschlichen Werte und das internationale Recht verlangen, geschützt werden. Alle Gefangengenommen und entführten Zivilisten müssen freigelassen werden“ hieß es unter anderem in der Abschlusserklärung.[727]
Organisation für Islamische Zusammenarbeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit verurteilte die anhaltende israelische Militäraggression gegen die Palästinenser und bekräftigte, dass die fortgesetzte Besetzung die „Ursache der Instabilität“ sei.[728]
Rotes Kreuz
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut Fabrizio Carboni, Regionaldirektor Naher und Mittlerer Osten für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz, hat die Blockade maßgebliche Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung in Gaza, wobei die alltägliche Versorgung grundlegens zum Erliegen kommt: „Gaza ohne Strom bedeutet Spitäler ohne Strom: Dies gefährdet das Leben von Neugeborenen in Brutkästen und älteren Patienten mit künstlicher Sauerstoffzufuhr. Dialysebehandlungen werden unterbrochen, Röntgenuntersuchungen sind nicht mehr möglich. Ohne Strom besteht die Gefahr, dass die Spitäler zu Leichenhäusern werden. Für die Familien in Gaza ist es bereits heute schwer, sauberes Trinkwasser zu erhalten. Kein Vater und keine Mutter möchte gezwungen sein, dem durstigen Kind schmutziges Wasser zu trinken geben zu müssen.“[729][730] Der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus forderte, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) solle sofort Zugang zu den aus Israel entführten Geiseln erhalten. Er forderte außerdem die sofortige Freilassung aller Geiseln, die im Zuge des Terrorangriffs der islamistischen Hamas Anfang Oktober 2023 verschleppt worden waren.[731]
Human Rights Watch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Human Rights Watch forderte am 6. November 2023 ein Waffenembargo gegen Israel und bewaffnete palästinensische Gruppen. „Länder, die Waffen liefern, riskieren Mitschuld an schweren Menschenrechtsverletzungen“, warnte die Organisation. Israels wichtigste Verbündete – die Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien und Kanada – sollten ihre „Militärhilfen und Waffenverkäufe an Israel aussetzen, solange die israelischen Streitkräfte ungestraft umfangreiche, schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen begehen, die Kriegsverbrechen gegen die palästinensische Zivilbevölkerung gleichkommen. Irans Regierung und Regierungen anderer Staaten sollten die Lieferung von Waffen an bewaffnete palästinensische Gruppen, einschließlich der Hamas und des Islamischen Dschihad, einstellen, solange diese systematisch Angriffe verüben, die Kriegsverbrechen gegen israelische Zivilisten darstellen.“[732][733]
Am 14. November 2024 veröffentlichte Human Rights Watch einen 154 Seiten starken Bericht, in dem die Organisation Israel systematische Vertreibungen und „ethnische Säuberungen“ vorwarf. Dem Schutz der Zivilbevölkerung, zu dem das humanitäre Völkerrecht jede Besatzungsmacht verpflichte, komme Israel nur unzureichend nach. Die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte würden die häufigen Vertreibungen als bloße Evakuierungen rechtfertigen, doch treffe dies nicht zu, da sie allzu häufig zu spät oder über Social-Media-Kanäle erfolgten, die wegen des weiträumigen Ausfalls der Telekommunikation im Gazastreifen gar nicht abrufbar seien.[734]
Save The Children
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Hilfsorganisation Save the Children ließ Ende Oktober 2023 verlauten, die Anzahl der in den ersten drei Wochen des Konflikts in Gaza getöteten Kinder sei höher als die Anzahl durch Kampfhandlungen getöteter Kinder in jedem ganzen Jahr seit 2019 in Konflikten weltweit.[735][736] Sie bezog sich dabei auf UN-Berichte, in denen nur die Anzahl der von der UN verifizierten Toten aufgeführt werden.[737]
Öffentliche Reaktionen weltweit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Seit dem Beginn des Krieges kam es zu Solidaritätskundgebungen sowohl für Israel als auch für die Hamas und Palästina. Auch gab es zahlreiche Ausschreitungen und Angriffe. Diese waren vor allem antisemitisch oder antiisraelisch, es gab jedoch vor allem in den Vereinigten Staaten vereinzelt auch islamfeindliche oder anti-palästinensische teils gewaltsame Aktionen und Angriffe.
Der Krieg in den Medien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Der Krieg zwischen Israel und der Hamas wird in den verschiedensten Medien in aller Welt ausführlich berichtet; die Berichterstattung ist vielfältig und reicht von traditionellen Nachrichtenkanälen bis hin zu verschiedenen Social-Media-Plattformen und umfasste eine große Bandbreite an Perspektiven und Erzählungen. Die Frage nach der Ausgewogenheit und kritischen Distanz in der Berichterstattung ist Gegenstand zahlreicher Kontroversen und Debatten weltweit. Kritik geht oft mit dem Vorwurf der Parteinahme für eine jeweilige Konfliktpartei einher. Von Ländern der arabischen Welt und des globalen Südens wird der westlichen Presse eine Doppelmoral im Verhältnis zur Darstellung anderer Kriege und Konflikte vorgeworfen; andererseits wird der Gegenseite oft eine Fokussierung auf zivile Opfer in Gaza ohne Erwähnung der vorhergehenden Terrorangriffe kritisiert.[738][739]
Erschwert wird die Berichterstattung dadurch, dass der internationalen Presse seit Monaten von Israel und Ägypten der freie Zugang zum Gazastreifen verwehrt wird. Die lokalen palästinensischen Journalisten arbeiten unter widrigsten Umständen: Laut Reporter ohne Grenzen wurden über 140 Medienschaffende durch Angriffe der israelischen Armee getötet, mindestens 34 davon direkt bei der Arbeit.[740] Gleichzeitig arbeiten sie unter einer Hamas-Diktatur, die auf Propaganda statt auf kritische Berichterstattung setzt.[741][742][743][744]
Journalistische Bewertungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Vielfach wurde der Angriff aufgrund der Dimension des Terrors als ein „9/11-Moment für die Geschichte Israels“ angesehen.[745][746][747][748][749] Im israelischen Fernsehen wurde der Tag auch als „Gamechanger“ bezeichnet. Der jetzige Krieg müsse anders sein als die früheren und ein klares Ziel haben. Israel werde einen wie auch immer formulierten „Sieg“ erzielen „müssen“, schätzte Israelexperte Richard C. Schneider die Lage ein.[557][750]
Zu einer ähnlichen Einschätzung kam der Journalist Mathieu von Rohr, Leiter des Spiegel-Auslandsressorts: „Die Bilder von palästinensischen Kämpfern in israelischen Ortschaften sind schockierend: Der palästinensischen Hamas ist damit ein militärischer Terrorangriff in einem ungekannten Ausmaß gelungen. Psychologisch ist das am ehesten vergleichbar mit dem Überraschungsangriff der Araber auf Israel am Jom-Kippur-Tag am 6. Oktober 1973 – also fast auf den Tag genau vor 50 Jahren. Dass der Hamas ein solcher Angriff gelingen konnte, der vermutlich Monate der Vorbereitung erforderte, ist ein enormes Versagen der israelischen Geheimdienste und Sicherheitskräfte unter der Regierung von Netanjahu. Die Folge wird zweifellos ein umfassender Krieg Israels gegen die Hamas in Gaza sein.“[557] Der Spiegel bezeichnete den überraschenden Angriff der Hamas in einem weiteren Artikel auch als „Pearl Harbor von Israel“.[751]
Ulrich von Schwerin (Neue Zürcher Zeitung) kommentierte, dass die Hamas diesen massiven Angriff unternommen habe und eine massive Reaktion Israels in Kauf nehme, um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und Saudi-Arabien zu verhindern. Hamas hätte durch diese Annäherung politisch viel zu verlieren. Das Leid der palästinensischen Bevölkerung sei Teil ihres Kalküls: „Wenn es in Gaza zu Häuserkämpfen kommt und Tausende Palästinenser sterben, wird an eine Annäherung mit den Saudi tatsächlich auf absehbare Zeit nicht mehr zu denken sein.“[752] Der Chefredakteur der königshausnahen saudischen Arab News, Faisal Abbas, schrieb, der Angriff und die Gefangennahme von Geiseln verschafften der Hamas neue Verhandlungsmasse. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass sich die Realität am Boden verändern werde. Der Krieg stärke die Rechtsregierung Netanjahus, die gewöhnlichen Palästinenser müssten den Preis zahlen. Die Anstrengungen für einen „umfassenderen regionalen Friedensvorschlag“ sollten verstärkt werden.[753] Der ehemalige Chefredakteur von Asharq al-Awsat meinte, es handle sich um einen Krieg zur Durchsetzung von Fraktionsinteressen ohne strategisches Ziel. Es sei verdächtig, dass der Angriff zu einem Zeitpunkt erfolge, an dem saudisch-israelische Verhandlungen „den Palästinensern bessere Lebensbedingungen“ verschaffen würden. Er behauptete weiterhin, es handle sich um eine iranische Sabotage des Friedens im Nahen Osten. Die Sympathie des Westens für die palästinensischen Anliegen würde durch die Bilder der Operation verschwinden.[754]
Der britische Journalist Peter Beaumont meinte im Guardian, dass der Angriff als ein Versagen des israelischen Geheimdienstes für die Ewigkeit in Erinnerung bleiben werde, da die israelische Regierung die Vorbereitungen nicht vorher entdeckt habe.[755] Der israelische Journalist Yoav Limor schrieb bei Jewish News Syndicate, dass die Hamas den Angriff über viele Monate, vielleicht sogar Jahre, minutiös geplant habe. Die Hamas habe den falschen Eindruck erweckt, dass sie sich von einem direkten Angriff auf Israel abschrecken ließe. Israel habe ihr das abgekauft und sich das Paradigma zu eigen gemacht, dass die Hamas von einem Totalangriff absehen würde.[756] Ein BBC-Bericht befasste sich ebenfalls mit der Frage des Versagens der Nachrichtendienste und behauptete, Israel verfüge zwar über den umfangreichsten und am besten finanzierten Nachrichtendienst in der Region sowie über ein Netz von Informanten und Agenten innerhalb militanter Gruppen, habe aber die Eskalation nicht vorhergesehen. Die Hamas müsse ein außerordentliches Maß operativer Sicherheit gehabt haben.[757] US-Beamte äußerten sich schockiert darüber, dass der israelische Geheimdienst nichts von den Vorbereitungen der Hamas wusste.[758] Amir Avivi, ehemaliger stellvertretender Befehlshaber der Gaza-Division des israelischen Militärs erklärte, dass die Anschläge das Vertrauen in die Geheimdienste des Landes erschüttert hätten und dies ein Versagen sei, das nicht kleiner sei als beim Jom-Kippur-Krieg.[759]
Maria Sterkl schrieb in der Frankfurter Rundschau, dass die Terrororganisation Hamas die Region in einen Krieg gestürzt habe, „der länger andauern, viele Menschenleben kosten und Traumata hinterlassen“ werde, „die noch mehrere Generationen überschatten“ würden. Die israelischen Streitkräfte, die versuchten, „militärische Infrastruktur, nicht aber zivile Ziele anzugreifen“, was in einem dicht besiedelten Land aber nicht immer gelinge, könnten damit konfrontiert werden, dass die Hamas israelische Geiseln als menschliche Schutzschilde benutzen werde, wie sie es auch mit ihren eigenen Leuten mache. Wirklich gewinnen könne den Krieg niemand, weder die Israelis noch die Hamas oder ihre Unterstützer, „die mit himmelschreiendem Zynismus das Morden und Foltern auch noch als Freiheitskampf verkaufen“ wollten, noch „jene Menschen in Gaza, die zwar nicht mit der Hamas leben wollen, aber gar keine andere Wahl haben, weil sie das Gebiet weder verlassen noch ihre Führung abwählen können“.[760]
Auch Rudi Wais (Augsburger Allgemeine) wies darauf hin, dass 900 Tote bei neun Millionen Einwohnern wie in Israel einem Anschlag in der Bundesrepublik mit 8000 Toten entsprächen oder in den Vereinigten Staaten mit mehr als 30.000 Toten. Die Hamas, die Hisbollah, der Islamische Dschihad „und ihre Hintermänner im Iran“ verstünden „nur eine Sprache: Härte und Konsequenz“. Die Wehrhaftigkeit der einzigen Demokratie im Nahen Osten werde immer wieder neu herausgefordert „und vor allem in Europa häufig von einer grotesk verklärten Revolutionsromantik flankiert, die den Palästinensern fast alles durchgehen lässt“, sogar Kundgebungen, bei denen die Massaker gefeiert würden. Er stellte auch die Frage, ob die internationale Gemeinschaft noch ein Hilfswerk der Vereinten Nationen unterstützen wolle, das „Schulen finanziert, in denen die Vernichtung Israels propagiert“ werde. Einen hohen Preis für den Hamas-Terror zahlten auch die Muslime und Palästinenser, die in Frieden leben wollten und die es auch gebe.[761]
Der Jurist Ronen Steinke vertrat in der Süddeutschen Zeitung die Ansicht, dass ein Rechtsstaat öffentliche Feiern, die in einigen Ländern von Hamas-Anhängern anlässlich der Mord- und Gräueltaten veranstaltet wurden, nicht dulden dürfe.[762]
Laut der Times of Israel wurden an keinem Tag seit der Staatsgründung Israels so viele Israelis getötet wie am Tag des Angriffs am 7. Oktober 2023. Eylon Levy, ehemaliger Sprecher des israelischen Präsidenten Jitzchak Herzog, äußerte sich ähnlich: „Es ist keine Übertreibung, zu sagen, dass gestern der schwärzeste Tag in der jüdischen Geschichte seit dem Ende des Holocausts war.“[295]
Jan-Christoph Kitzler (tagesschau.de) sah als Grund für die offensichtliche Verwundbarkeit Israels die „falschen Prioritäten“, die von der Regierung Netanjahu gesetzt worden seien, nämlich die „Schwächung des Rechtsstaates und der massive Ausbau der Siedlungen im besetzten Westjordanland“. Die Sicherheit des Landes sei vernachlässigt worden, was die Hamas ausgenutzt habe.[763]
Gabor Steingart schrieb im Focus, dieser durch den Hamas-Terror provozierte Krieg sei im Grunde „der größte Selbstmordanschlag der neueren Geschichte“; kollektiv stürze „die Terrororganisation Hamas sich und ihre Nächsten in den Tod“. Einen „Krieg ohne Kriegsziel“ könne „nur der Nihilismus hervorbringen“.[764]
Der Nahost-Experte Daniel Gerlach berichtete, dass in den türkischen Medien die israelischen Opfer gegenüber der fünffachen Zahl palästinensischer Opfer (Stand 30. Oktober 2023) aufgerechnet werden. In der dritten, der arabischen und muslimischen Welt sei es ein „weitverbreitetes Gefühl“, dass die westlichen Staaten eine Doppelmoral zeigen: die israelischen Opfer beklagen, aber für die palästinensischen Opfer nicht die gleiche Empathie empfinden. Diese Misere werde nach seiner Einschätzung noch sehr lange Auswirkungen haben.[765]
Die Zeit-Redakteurin Evelyn Finger kommentierte die Kritik am Vorgehen der israelischen Streitkräfte in Gaza-Stadt und fragte, wie man einen Gegner bekämpfen könne, der sich hinter Zivilisten verschanzt. Israel befinde sich in einem Dilemma. Wie man den Terror bekämpfen und zugleich Unschuldige schützen kann, könne Israel nicht allein beantworten. Die Frage richte sich an die Staatengemeinschaft.[766] Der deutsche Journalist Heinrich Wefing schrieb in derselben Zeitung, im medialen „Krieg der Bilder“ wirken Bilder von Zerstörung und menschlichem Leid in Gaza auch dann, wenn ihnen tatsächlich Kriegsverbrechen der Hamas und nicht Israels zugrunde liegen, als „eine Anklage gegen Israel, nur selten eine gegen die Hamas“.[419]
In der ersten Augustausgabe des Jahres 2024 zitierte das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel unter der Überschrift In der Falle der Vergeltung den israelischen Journalisten und Buchautor Amos Harel. Wie Harel, nachdem sich IDF und Hisboll bereits monatelang gegenseitig mit Raketen beschossen hatten und noch Tage vor der aktuellen Zuspitzung der Lage im Nahen Osten in einem Bericht schrieb, „hat Israel mehrfach beschlossen, die Lage eskalieren zu lassen“, sei es durch die Tötung des Hamas-Funktionärs Saleh al-Arouri in Beirut im Januar 2024 oder durch die gezielte Tötung hoher Hisbollah-Funktionäre. Ins Bild passt auch das Bombardement des iranischen Konsulatsgebäudes am 14. April 2024 durch die israelische Luftwaffe in der syrischen Hauptstadt Damaskus, das – wie dem Spiegel zu entnehmen war – „schon im April beinahe zum Krieg zwischen Israel und Iran geführt hätte und last, but not least die Tötung von Ismail Haniyya, dem Chef des Politbüros der Hamas bei einem Attentat in der Nacht vom 30./31. Juli 2024 in der iranischen Hauptstadt Teheran“.[767]
Bewertungen von Wissenschaftlern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Laut dem israelischen Militärhistoriker Danny Orbach war die Absicht der Hamas genozidal, und er warnte im Oktober 2023 vor einem „zweiten Holocaust“.[768] Gideon Greif setzte den Angriff der Hamas mit dem Holocaust gleich, wie auch weitere Historiker, die laut Joseph Croitoru unter dem Eindruck der Gräueltaten der Hamas bekannten, ihre Meinung bezüglich der Unvergleichbarkeit der Judenvernichtung revidiert zu haben.[769] Der Völkerrechtler Stefan Talmon beurteilte das massenhafte Morden der Hamas während des Angriffs auf Israel am 7. Oktober 2023 als Völkermord. „Denn die Hamas will das jüdische Volk als Ganzes vernichten.“ Dieser Einschätzung schlossen sich mehr als 250 Juristen in einem Offenen Brief weltweit an.[770] Laut dem Historiker Volker Weiß hatte der terroristische Überfall der Hamas auf israelisches Staatsgebiet „wesentlich nur ein Ziel: die Empörung über die Gegenschläge Israels anzuheizen“. Dieses Ziel sei „[…] – bis nach Harvard und Yale – sofort erreicht“ worden.[771]
Für Israelis und Juden in aller Welt sei der Schatten der Vernichtung immer gegenwärtig. Das Vertrauen in das Versprechen, dass Israel und das jüdische Volk sicher seien, habe die Hamas am 7. Oktober 2023 zertrümmert, analysierte der amerikanische Historiker Matthew Levinger. Als die Hamas „die schrecklichen Gräueltaten“ im Süden Israels verübte, habe sie sich zweier klassischer Strategien des Terrorismus bedient: Provokation und Polarisierung. Die Regierung Netanjahu, die seitdem einen Straffeldzug führe, um dieses Sicherheitsversprechen wiederherzustellen, habe damit „die kühnsten Träume der Hamas-Führer von einer unverhältnismäßigen und moralisch verwerflichen israelischen Reaktion übertroffen“. Möglicherweise habe sie sogar absichtlich versucht ein Blutbad an palästinensischen Zivilisten zu provozieren, um die Weltöffentlichkeit gegen Israel aufzubringen. Um die Strategie der Hamas zu vereiteln, müsse Israel glaubhaft machen, dass es sich selbst für den Schutz der Zivilbevölkerung einsetzt, und die politische Führung müsse ihre Bereitschaft signalisieren, über eine politische Lösung zu verhandeln. Denn es gebe keine Würde und Sicherheit für Israel ohne Würde und Sicherheit für das palästinensische Volk.[772]
Die Soziologin Eva Illouz sah in der Neuen Zürcher Zeitung vom 14. Oktober 2023 ein Versagen der Regierung Netanjahu auf drei Ebenen: Das politische System sei durchaus über die bevorstehende Gefahrenlage von ägyptischer Seite gewarnt worden. Infolge der unmittelbar vorausgegangenen Justizreform sei es aber geschwächt gewesen, was absehbar gewesen sei. Die Armee und ihre politische Führung habe sich auf Iran als Gegner eingestellt und die tatsächliche Gefahr von Hamas unterschätzt. So seien auch am Feiertagswochenende zu viele Soldaten in Urlaub geschickt worden, sie hätten wegen der Feiertagsruhe am Schabbat nicht schnell genug vor Ort sein können, und ihre Ausrüstung sei veraltet gewesen. In der Folge habe die Zivilgesellschaft die Funktion des insoweit „dysfunktionalen“ Staates übernommen. Illouz geht daher davon aus, dass sich die „politische Kultur Israels wahrscheinlich auf unumkehrbare Weise verändern“ werde.[773]
Im Zuge der israelischen Bombardierungen und der vollständigen Blockade des Gazastreifens, darunter auch der Einstellung der Lieferung von Wasser und Nahrung für die Zivilbevölkerung von Israel aus, schrieb der israelische Genozidforscher Raz Segal am 13. Oktober 2023 in der Jewish Currents von einem „Fall von Völkermord aus dem Lehrbuch“[774] und stellte das Vorgehen in den Kontext der Nakba, der Vertreibung der Palästinenser im Zuge der israelischen Staatsgründung 1948.[774] Segal wurde für seine Artikel teilweise scharf kritisiert.[775][776][777]
Über 800 Akademiker unterzeichneten bis Mitte November 2023 einen Brief, der vor der Möglichkeit eines Völkermords in Gaza warnte.[778] Der israelisch-amerikanische Historiker Omer Bartov schrieb am 10. November 2023 in der New York Times, Israel stünde hart am Rande des Genozids;[779] im August 2024 erklärte Bartov in The Guardian, seit spätestens Mai 2024 sei es nicht mehr möglich zu leugnen, dass Israel im Gazastreifen „systematische Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und völkermörderische Handlungen“ begangen habe.[780] Der israelische Historiker Amos Goldberg sieht ebenfalls eindeutige Beweise für einen Genozid.[781]
Genozid als Kampfbegriff, titelte ein Artikel in Zeit Online. „Auch einige Genozidforscher wie der in der Wissenschaft umstrittene israelische Historiker Raz Segal sehen den Tatbestand des Genozids durch die israelische Blockade des Gazastreifens erfüllt, weil diese die humanitäre Lage vor Ort noch verschlechtere“. Vertretern von Israels Militär oder Regierung müsse jedoch eine Vernichtungsabsicht gegenüber den Palästinensern als ethnischer Gruppe nachgewiesen werden, um Genozid strafrechtlich zu ahnden. „Diese Intention sehen die meisten Experten nicht.“[782] Jürgen Habermas, Nicole Deitelhoff, Rainer Forst und Klaus Günther betonten in einer auf der Website des Forschungszentrums Normative Orders der Goethe-Universität veröffentlichten Stellungnahme mit dem Titel Grundsätze der Solidarität am 13. November 2023,[783] dass der Gegenschlag Israels infolge des Massakers der Hamas vom 7. Oktober 2023 in der erklärten Absicht, jüdisches Leben generell zu vernichten, „prinzipiell gerechtfertigt“ sei. Die Maßstäbe der Beurteilung würden „vollends verrutschen“, wenn dem israelischen Vorgehen genozidale Absichten zugeschrieben werden.[784][785] Die Erklärung der Intellektuellen um Habermas wurde von einer Gruppe von über 100 Intellektuellen in der Erklärung A Response to “Principles of Solidarity. A Statement” – Human dignity for all eine Woche später in einem Magazin der Universität The New School schwer kritisiert: Die Unterzeichner zeigten sich „tief beunruhigt“ (“deeply troubled”) über die Grenzen der Solidarität, die in dem Statement zum Ausdruck komme: Die Sorge um die Menschenwürde werde nicht in gleichem Maße auf die Palästinenser ausgedehnt, die Tod und Zerstörung ins Auge sehen müssten.[786][787][788]
Der 7. Oktober 2023 sei nicht nur ein Wendepunkt für Israel und Juden weltweit. Er müsse auch ein Wendepunkt für den palästinensischen Kampf sein. „Das palästinensische Volk muss sich von der Geißel der Hamas befreien“, schrieb die Philosophin Seyla Benhabib. Die Gewalttaten der Hamas seien nicht nur Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, „sondern sie zeigen auch, dass die islamistische Dschihad-Ideologie, die in der Pornographie der Gewalt schwelgt, die Bewegung übernommen hat. Der Kampf um Palästina und die Tötung von Juden wird nun als Dschihad angesehen.“ Benhabib sieht reale Gefahren für jede friedliche Lösung dieses Konflikts im Sieg der Hamas im weltweiten Meinungskampf sowie in der Mobilisierung der Weltöffentlichkeit gegen Israel. Dies bedeute auch, dass Palästinenser, die eine Koexistenz mit Israel akzeptierten, ins Abseits gedrängt worden seien. Eine weitere Gefahr seien die Bemühungen der rechten israelischen Parteien, „durch Enteignung, Prügel und Folter von Palästinensern im Westjordanland ‚Fakten zu schaffen‘“. Sie beabsichtigten nichts anderes als „die ‚ethnische Säuberung‘ von Judäa und Samaria – die biblischen Namen des Landes Israel“.[789]
Desinformation und Fake-News
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In den sozialen Medien gab es laut ZDF zahllose Desinformationen (Falschbehauptungen), sogenannte „Gaza-Fakes“. So behaupteten erstens führende Hamas-Vertreter immer wieder in Interviews, es habe „gar keine oder nur kaum zivile Opfer bei dem Großangriff auf Israel vom 7. Oktober 2023 gegeben. Israelische Soldaten seien angeblich die primären Opfer gewesen.“ Zweitens behaupteten Social-Media-Nutzer zum Bild eines verbrannten Babys, das Netanjahu am 12. Oktober bei X verbreitet hatte, das Foto sei „durch Künstliche Intelligenz erzeugt worden, also ein Fake“. Grundlage dafür sei das Foto eines Hundewelpen gewesen. Untersuchungen des ZDF legten jedoch nahe, dass ebendieses Welpenbild manipuliert worden war. Ebenfalls auf X wurde behauptet, die „Explosion am Al-Ahly-Krankenhaus habe sich eine Stunde später abgespielt als von allen Medien recherchiert“, darum sei Israel verantwortlich. Auch wurde behauptet, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan habe angedroht, im Gazastreifen zu „intervenieren“, um den „israelischen Krieg“ zu beenden. Zudem ist es laut ZDF so, dass alte Bilder und Videos oft als aktuell ausgegeben werden, dies geschehe allerdings in jedem Konflikt. Viele Nutzer verbreiteten dann ungeprüft alte Aufnahmen. Bilderrückwärtssuchen und andere Werkzeuge seien jedoch hilfreich, um frühere Versionen eines Medieninhalts im Netz aufzuspüren und dadurch solche Manipulationen zu entlarven.[790]
Während des Kriegs in Israel und Gaza hätten sich nach Meinung eines Militärexperten vom King’s College die israelischen Streitkräfte auch einiger Desinformationen bedient.[791] Am 13. November 2023 veröffentlichte das israelische Militär ein Video, das nach Eigenangaben den als Geiselversteck und Waffenlager genutzten Keller des al-Rantisi-Kinderkrankenhauses zeigen sollte, wenngleich es Zweifel an der Authentizität gibt.[792] In dem Video hatte der IDF-Sprecher Daniel Hagari unter anderem auf einen Kalender verwiesen, auf der Hamas-Terroristen namentlich ihre Schicht zur Bewachung von Geiseln eingetragen hätten – bei den angeblichen Namen der Terroristen in arabischer Schrift handelte es sich jedoch lediglich um die Wochentage.[793] Das offizielle X-Benutzerkonto des Staats Israel veröffentlichte eine Videomontage, die einen palästinensischen Videofilmer beschuldigte, ein von der Hamas bezahlter „Schauspieler“ zu sein. Das Video sollte zeigen, wie al-Jafarawi am 25. Oktober 2023 verletzt in einem Krankenhausbett lag, dann aber in einem angeblich am nächsten Tag veröffentlichten Video gesund durch die Straßen von Gaza lief. In Wirklichkeit stammte das Bild von dem Mann im Krankenhausbett vom 23. August 2023 und zeigte eine ganz andere Person. Das X-Benutzerkonto des Staates Israel postete diese irreführende Montage zuerst, löschte den Beitrag jedoch später; das Video kursierte aber später immer noch im Internet.[794] Siehe auch Pallywood#Verwendung im Krieg in Israel und Gaza 2023.
Julia Smirnova vom Institute for Strategic Dialogue Germany (ISD) sagte, Russland instrumentalisiere „auf zynische Weise diese Tragödie, um antiwestliche und antiukrainische Narrative zu verbreiten“. So behaupteten der russische Duma-Chef Wjatscheslaw Wiktorowitsch Wolodin wie auch der Sender RT, die Ukraine habe vom Westen gelieferte Waffen an Länder des Nahen Ostens sowie die Hamas weiterverkauft. Auch die rechte US-Politikerin Marjorie Taylor Greene äußerte sich ähnlich. In prorussischen Kanälen wie dem der deutschen Bloggerin Alina Lipp wurde geschrieben, ukrainische Geflüchtete arbeiteten für die Hamas. In einigen propalästinensischen und verschwörungsideologischen Kanälen werden die Angriffe als lediglich von Israel inszeniert dargestellt. Laut Josef Holnburger vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) wird auf vielen deutschsprachigen verschwörungsideologischen Plattformen die Behauptung aufgestellt, Israel habe die Angriffe der Hamas bewusst geschehen lassen, um einen Vorwand zu haben, selbst anzugreifen. Israel sei nach dieser Logik der Mörder an der eigenen Bevölkerung und profitiere von den Angriffen, laut Holnburger eine „starke Umkehr der Täter-Opferperspektive“. Ebenfalls geläufig sei die Dämonisierung Israels; so wurde ein angebliches Zitat des israelischen Verteidigungsministers Joaw Galant verbreitet, nach dem Israel alle Regeln der Kriegführung aufgehoben habe und die Soldaten für nichts verantwortlich gemacht würden, was Galant jedoch nie gesagt hatte. Häufig werde Israel auch eine Teil- oder Alleinschuld an den Angriffen zugewiesen.[795]
Im Oktober 2023 leitete die EU-Kommission nach zahlreichen Hinweisen auf Falschinformationen sowie illegale und irreführende Beiträge und Videos zum Angriff der Hamas auf Israel ein Verfahren gegen den Online-Dienst X ein.[796]
Siehe auch
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- UN-Berichte:
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- Karte bzw. Übersicht des Kriegsgeschehens und teils nicht verifizierte Meldungen mit Zeitleiste auf Liveuamap.com (mehrsprachig)
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- „Ich will, dass die Welt davon erfährt“ – Überlebende des Massakers und Angehörige von Geiseln schildern, wie dieser Tag ihr Leben für immer verändert hat. Von Jule Hoffmann und Johanna Behre. Deutschlandfunk Kultur, 5. November 2023
- Krieg in Nahost – Wie der Gazastreifen zum Pulverfass wurde. In: deutschlandfunk.de. 25. Oktober 2023, abgerufen am 13. Dezember 2023 (Wie der Gazastreifen zum fünften Mal binnen der vergangenen 20 Jahre zum Dauerkonfliktherd im Nahen Osten wurde – Ein Überblick).
- Palästinensische Autonomiegebiete: Anzahl der Binnenflüchtlinge in Gaza durch die israelischen Gegenschläge gegen die Hamas seit dem 7. Oktober 2023. Humanitäre Situation in Gaza. In: Statista (deutschsprachige Seite). Abgerufen am 7. Januar 2024.
- BBC Verify untersucht, wie Rafah zur Heimat von 1,5 Millionen Palästinensern wurde. In: bbc.com. 13. Februar 2024, abgerufen am 14. Februar 2024 (englisch, „BBC Verify untersucht, wie Rafah zur Heimat von 1,5 Millionen Palästinensern wurde“).
- Die wichtigsten Gruppierungen im Nahostkonflikt – eine Übersicht. srf.ch, 22. März 2024, abgerufen am 14. April 2024.
- Zweistaatenlösung in Nahost – «Zuerst mit dem Töten aufhören, das wäre ein Anfang». In: srf.ch. 15. April 2024, abgerufen am 16. September 2024: „Über mögliche Lösungen dieses endlosen, blutigen israelisch-palästinensischen Konflikts nachzudenken, fällt selbst zwei bekannten, kritischen Denkern Israels schwer: Michael Sfard und Raef Zreik“
- Iran-Israel-Konflikt – Amiri: Teherans Strategie ist „Angriff ohne Eskalation“. (Audioaufzeichnung; 8:25 min) In: deutschlandfunkkultur.de. 16. April 2024, abgerufen am 13. Dezember 2023: „Der Iran hat kein Interesse an einer Eskalation des Nahostkonflikts, schätzt Autorin Amiri. Das Regime verfolge die Strategie „Zermürben ohne miteinbezogen zu werden“. Der deutschen Regierung macht sie mit Blick auf die Iran-Politik schwere Vorwürfe.“
- Commission of Inquiry on the Occupied Palestinian Territory Concludes that Israeli Authorities and Hamas Are Both Responsible for War Crimes – UN Human Rights Council („Untersuchungskommission für die besetzten palästinensischen Gebiete kommt zu dem Schluss, dass sowohl die israelischen Behörden als auch die Hamas für Kriegsverbrechen verantwortlich sind - UN-Menschenrechtsrat“), 19. Juni 2024, Internetportal der Vereinten Nationen zur Palästinafrage, Sprache: Englisch, abgerufen am 17. November 2024. Anm. 4)
- Zuspitzung der Eskalation im Nahen Osten – Ist ein regionaler Krieg unausweichlich? In: Konrad-Adenauer-Stiftung. 2. September 2024, abgerufen am 20. September 2024: „[…] Am 25. August 2024 wurde ein unmittelbar bevorstehender Angriff der Hisbollah durch einen Präventivschlag abgewehrt. […] Vertreter der israelischen Regierung haben Ende August angekündigt, die Kriegsziele zu erweitern, so dass die evakuierten Einwohner des Nordens Israels in ihre Häuser zurückkehren können.“
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise
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- ↑ tagesschau.de: Nahost-Liveblog: Israel will Steuervergünstigung für UNRWA abschaffen. Abgerufen am 8. Februar 2024.
- ↑ Israel verstärkt Angriffe auf Rafah – Biden nennt Vorgehen im Gazastreifen »überzogen«, Der Spiegel, 9. Februar 2024
- ↑ Biden criticises Israel’s military campaign in Gaza as ‘over the top’, The Guardian, 9. Februar 2024
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- ↑ Medienbericht aus Israel – Angriff auf Rafah aus US-Sicht vor Ramadan offenbar unwahrscheinlich. In: spiegel.de. 21. Februar 2024, abgerufen am 21. Februar 2024.
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- ↑ Bahrain Suspends Economic Ties With Israel, Recalls Ambassador, Parliament Says – Wall Street Journal
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- ↑ „Wir haben ihn abgeschrieben“: Erdogan bricht Kontakt zu Netanyahu ab – Frankfurter Rundschau
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- ↑ EU-Außenministertreffen: Baerbock lehnt Waffenruhe für Gazastreifen ab – ZDF
- ↑ EU-Beratungen zu Nahost: Wie klar ist Europas Linie? – Tagesschau
- ↑ Krieg im Gazastreifen: EU-Außenminister fordern unmittelbare Feuerpause Im Gazastreifen fehlt es an Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten. Krankenhäuser sind offenbar nicht mehr funktionsfähig. Die EU-Außenminister wollen, dass das Feuer sofort eingestellt wird. – Berliner Zeitung
- ↑ Frau stört Baerbock-Rede: Rufe nach Feuerpause in Gaza sorgen für Polizeieinsatz In Brüssel stört eine Besucherin eine Baerbock-Rede und fordert eine Feuerpause in Gaza. Die Ministerin unterbreitet ein Angebot, das die Störerin ablehnt. Dann rückt die Polizei an. – Berliner Zeitung
- ↑ Ronja Kempin, Georg Schneider: Die EU-Operation Eunavfor Aspides. SWP-Aktuell, 21. Februar 2024.
- ↑ Markus Becker: Vier EU-Länder wollen palästinensischen Staat anerkennen. Spiegel Online, 24. März 2024, abgerufen am 23. März 2024 (englisch).
- ↑ Arabische Liga fordert Waffenruhe. In: zentralplus.ch. 11. Oktober 2023, abgerufen am 12. Oktober 2023.
- ↑ Tilo Spanhel: Treffen der Arabischen Liga – Überraschende Einigkeit zu Israel. Tagesschau, 12. Oktober 2023, abgerufen am 15. Oktober 2023.
- ↑ OIC Condemns the Continuing Israeli Military Aggression against the Palestinians, Affirms that the Continued Occupation is the Cause of Instability. 8. Oktober 2023, abgerufen am 8. Oktober 2023 (englisch).
- ↑ Erklärung von Fabrizio Carboni, Regionaldirektor Naher und Mittlerer Osten für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz: Israel und die besetzten Gebiete: Spitäler laufen Gefahr, ohne Strom zu Leichenhäusern zu werden; Geiseln müssen unverzüglich freigelassen werden – IKRK
- ↑ Gaza hospitals risk turning into morgues without electricity; hostages must be released immediately – ICRC statement – United Nations
- ↑ tagesschau.de
- ↑ Israel-Hamas War Day 31 | Netanyahu: No Ceasefire Without Release of All Israeli Hostages From Gaza, Haaretz, 7. November 2023
- ↑ Waffenlieferungen an Israel und bewaffnete palästinensische Gruppen aussetzen, Human Rights Watch, 6. November 2023
- ↑ Baha Kirlidokme: Human Rights Watch zum Krieg in Gaza: Die zweite Zwangsvertreibung. In: Die Tageszeitung: taz. 14. November 2024, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 16. November 2024]).
- ↑ Felix Durach, Christian Stör, Robert Wagner, Felix Busjaeger: Israel verstärkt Angriffe auf Gazastreifen – Unicef warnt vor Wasser-Mangel in Gaza. In: Frankfurter Rundschau. 31. Oktober 2023, abgerufen am 31. Oktober 2023.
- ↑ GAZA: 3,195 Children killed in three weeks surpasses annual number of children killed in conflict zones since 2019. In: Save the Children. 29. Oktober 2023, abgerufen am 7. November 2023.
- ↑ In den zugrunde gelegten Berichten der UN zu Kindern und bewaffneten Konflikten werden nur Fälle aufgeführt, die die UN selbst verifizieren konnte. Die UN schreibt, dass die Berichte nicht das gesamte Ausmaß der Verstöße umfassen, da die Verifizierung unter anderem vom Zugang zum Krisengebiet abhänge. Siehe UN Documents for Children and Armed Conflict: Secretary-General’s Reports. Abgerufen am 10. November 2023.
- ↑ Developing World Sees Double Standard in West’s Actions in Gaza and Ukraine Resentments are complicating calls by the Biden administration to rally the world against efforts to “annihilate” democracies. – The New York Times
- ↑ Media coverage of Israel and Gaza is rife with deadly double standards Journalism that presents Palestinians as less than human makes their killing more acceptable – The New Humanitarian
- ↑ Reporter ohne Grenzen e.V: RSF verurteilt israelische Nachrichtenblockade. In: Reporter ohne Grenzen. 6. November 2024, abgerufen am 17. November 2024 (deutsch).
- ↑ Journalisten in Gaza: „Für uns ist das der tödlichste Ort“. In: Süddeutsche Zeitung. 12. Juli 2024, archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 15. Juli 2024; abgerufen am 21. Juli 2024: „Die genaue Lage vor Ort ist schwierig zu recherchieren, schon weil der Gazastreifen für ausländische Journalisten praktisch abgeriegelt ist. Weder Ägypten noch Israel gewährt internationalen Journalisten Zutritt. „Das ist ein eklatanter Verstoß gegen die Pressefreiheit“, sagt Resch. Er habe großen Respekt vor der Arbeit palästinensischer Journalisten, die unter widrigsten Umständen arbeiten: im Krieg und unter einer Hamas-Diktatur, die kritische Berichterstattung verhindert und auf Propaganda setzt.“
- ↑ deutschlandfunk.de: Israel: Zugang für Medien zum Gazastreifen bleibt eingeschränkt. 11. Januar 2024, abgerufen am 21. Juli 2024: „Objektive Informationen über die aktuelle Lage im Gazastreifen zu bekommen ist schwierig, denn überprüfen lassen sich viele Geschehnisse nur schlecht oder erst sehr spät. Das liegt zuallererst daran, dass Journalisten vor Ort fehlen und jene, die im Gazastreifen berichten, stark gefährdet sind.“
- ↑ Angriff im Gazastreifen: Journalisten im Visier Israels? In: zdf heute. 25. Juni 2024, abgerufen am 21. Juli 2024: „Nach ZDF-Recherchen hat die israelische Armee in den vergangenen Monaten mindestens 14 Journalisten angegriffen und teils sogar getötet, die durch entsprechende Schriftzüge auf ihren Schutzwesten klar als Berichterstatter erkennbar waren.“
- ↑ Christo Buschek, Maria Christoph, Muriel Kalisch, Dajana Kollig, Frederik Obermaier, Maria Retter: (S+) The Gaza Project: Sie berichten aus der Todeszone – viele kostet das ihr Leben. In: Der Spiegel. 25. Juni 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 21. Juli 2024]): „Mindestens 14 Journalisten sind durch israelische Angriffe verletzt oder getötet worden, die als Journalisten klar erkennbar waren, weil sie Splitterschutzwesten mit »Presse«-Schriftzug trugen. Entsprechend gekennzeichnete Autos von Journalisten und Medienbüros wurden beschossen.“
- ↑ ZDF-Korrespondent: Hamas-Angriff 9/11-Moment für Israel. 8. Oktober 2023, abgerufen am 8. Oktober 2023.
- ↑ James Rothwell, Nataliya Vasilyeva: Hamas terrorists butcher civilians as stunned Israel suffers ‘9/11’ moment. In: The Telegraph. 7. Oktober 2023 (telegraph.co.uk [abgerufen am 8. Oktober 2023]).
- ↑ Alexandra Föderl-Schmid: Israel erlebt einen 9/11-Moment – wie konnte es dazu kommen? 8. Oktober 2023, abgerufen am 8. Oktober 2023.
- ↑ Hamas-Angriff: Israel erlebt seinen 11. September. Abgerufen am 8. Oktober 2023.
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