Klimaarchiv

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Temperaturkurve des Phanerozoikums.[1]
Der Silberwurz (Dryas octopetala) ist in Europa ein arkto-alpines Glazialrelikt. Nach der Art ist die letzte Phase im Spätglazial, die Dryas-Zeit benannt. Im Bild: Standort in einem Kaltluftsee der Mediterraneis (Opuvani do, Jastrebica).

Ein Klimaarchiv gibt Auskunft über die klimatische Vergangenheit, die Klimageschichte der Erde. Als Klimaarchiv wird somit alles bezeichnet, was Informationen über frühere Klimaverhältnisse speichert.

Man unterteilt Klimaarchive[2][3]

  • nach ihrem Ursprung in Archive der Natur und Archive der Gesellschaft (auch menschliche Archive),
  • im Fall menschlicher Archive danach, ob es sich um Schriftzeugnisse, wie zum Beispiel historische Darstellungen und Chroniken, bildliche Darstellungen oder archäologische Quellen handelt,
  • danach, ob die meteorologische Information über ein Klimaelement direkt durch Beobachtung oder Messung oder indirekt aus anderen Daten über einen Klimaproxy gewonnen wird,
  • im Fall indirekter Daten, ob sie sich auf organische, anorganische oder – speziell bei menschlichen Archiven – kulturelle oder materielle Phänomene beziehen.

Natürliche Erscheinungsformen, die auf der Erdoberfläche gespeichert sind und anhand derer man auf klimatische Verhältnisse zur Zeit ihrer Entstehung rückschließen kann, nennt man auch Klimazeugen. Hierzu gehören einige Verwitterungsbildungen, Sedimente, Fossilien und viele mehr.[4][5]

Klimaarchive (Beispiele) natürliche menschliche
direkte Beobachtungen  n. a.
instrumentelle
Messungen
 n. a.
  • Temperatur
  • Niederschlag
  • Luftdruck
indirekte organische
anorganische
  • Wasserpegel
  • Schneefall, Schneebedeckung
  • Vereisung von Gewässern
kulturelle  n. a.

Diese „Archive“ werden mit den unterschiedlichsten Methoden analysiert und liefern so wichtige Daten, sogenannte Proxydaten, aus denen sich quantitativ Elemente der Klimageschichte in der Paläoklimatologie und Historischen Klimatologie rekonstruieren lassen.

Klimaarchive unterscheiden sich im Hinblick auf ihre beste zeitliche Auflösung, d. h. welches die kleinsten Zeitintervalle zwischen zwei Datenpunkten sind, über welche Zeiträume und über welche Klimaelemente sie Auskunft geben können.[8][9]

Archiv beste zeitliche Auflösung Reichweite Information über 1)
Historische Dokumente Stunden/Tage Jtsd. T,H,B,V M,L,S
Baumringe Jahreszeit/Jahr 10 Jtsd. T,H,CA,B,V,M,S
Seesedimente 1–20 Jahre 10 Jtsd. – Mio. J. T,H,CW,B,V,M
Eisbohrkerne Jahr 100 Jtsd. T,H,CA,B,V,M,S
Pollen 100 Jahre 100 Jtsd. T,H,B
Löss 100 Jahre Mio. J. H,B,M
Meeressedimente Jtsd. 10 Mio. J. T,CW,B,M
Korallen Jahr 10 Jtsd. CW,L
Paläoboden 100 Jahre 100 Jtsd. T,H,CS,V
geomorphe Merkmale 100 Jahre 10 Mio. J. T,H,V,L
Sedimentgesteine Jahr Mrd. J. H,CS,V,M,L
1) 
T: Temperatur, H: Feuchtigkeit/Niederschlag, CA/W/S: chemische Zusammensetzung von Luft/Wasser/Boden, B: Biomasse und Vegetationsmuster, V: Vulkanausbrüche, M: geomagnetische Änderungen, L: Meeresspiegel, S: Sonnenaktivität

Wichtige Klimaarchive, darunter Gletscher in den Tropen und mittleren Breiten, gehen gegenwärtig durch die globale Erwärmung und andere Faktoren verloren. Auch betroffen sind natürliche Archive, die für die Kalibrierung der aus den Klimaarchiven gewonnenen Messwerte wichtig sind, so etwa Korallen oder Bäume.[10]

  • Heinz Wanner: Klima und Mensch – eine 12'000-jährige Geschichte. Haupt Verlag, 2016, ISBN 978-3-258-07879-3, Abschnitte „Der geheimnisvolle Weg zur Klimarekonstruktion“ und „Die wichtigsten Klimaarchive“ (Einführung, auch an Laien adressiert).

Einzelnachweise

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  1. Nach Abb. 13 in: Christopher Scotese, Haijun Song, Benjamin J.W. Mills, Douwe G. van der Meer: Phanerozoic paleotemperatures: The earth’s changing climate during the last 540 million years. In: Earth-Science Reviews. Band 215, April 2021, doi:10.1016/j.earscirev.2021.103503.
  2. Christian Pfister: Wetternachhersage. 500 Jahre Klimavariationen und Naturkatastrophen (1496-1995). 1999. nach Rudolf Brazdil, Christian Pfister, Heinz Wanner, Hans von Storch, Jürg Luterbacher: Historical Climatology in Europe - The State of the Art. In: Climatic Change. Band 70, Nr. 3, 2005, S. 372, doi:10.1007/s10584-005-5924-1.
  3. Franz Mauelshagen: Klimageschichte der Neuzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-534-21024-4, S. 40.
  4. Klimazeugen. In: Lexikon der Geowissenschaften. Spektrum akademischer Verlag, abgerufen am 12. August 2016.
  5. Klimazeugen. In: PG-Net. Das Lernportal zur Einführung in die Physische Geographie. Freie Universität Berlin, Fachbereich Geowissenschaften, abgerufen am 12. August 2016.
  6. Dryas-The Discovery of Global Warming
  7. Z. B. am Boden des Antarktischen Ozeans
  8. Frank M. Chambers: natural archives. In: John A Matthews (Hrsg.): Encyclopedia of Environmental Change. SAGE, 13. Dezember 2013.
  9. Für häufig verwendete Reichweiten vgl. auch: Manfred Mudelsee: Climate Time Series Analysis. Springer, September 2010, 1.1 Climate archives, variables and dating, doi:10.1007/978-90-481-9482-7.
  10. D. M. Chen, B. H. Rojas, B. H. Samset, K. Cobb, A. Diongue Niang, P. Edwards, S. Emori, S. H. Faria, E. Hawkins, P. Hope, P. Huybrechts, M. Meinshausen, S. K. Mustafa, G. K. Plattner, A. M. Tréguier: 2021, Framing, Context, and Methods. In: V. Masson-Delmotte, P. Zhai, A. Pirani, S. L. Connors, C. Péan, S. Berger, N. Caud, Y. Chen, L. Goldfarb, M. I. Gomis, M. Huang, K. Leitzell, E. Lonnoy, J.B.R. Matthews, T. K. Maycock, T. Waterfield, O. Yelekçi, R. Yu, B. Zhou (Hrsg.): Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. August 2021, Abschnitt Data, Tools and Methods Used across the WGI Report., 1.5.1.