Clearview AI

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Clearview AI Inc.

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Rechtsform Corporation
Sitz New York City, Vereinigte Staaten
Leitung Hoan Ton-That
Branche Bilderkennung
Website https://clearview.ai

Clearview AI ist ein US-amerikanisches Start-up, das sich mit Hilfe sehr großer Bilddatenmengen und von maschinellem Lernen auf die Gesichtserkennung mit Computersystemen spezialisiert hat. Es ist im Handelsregister eingetragen und hat seinen Sitz in New York City.[1] Die Abkürzung „AI“ steht für den englischsprachigen Ausdruck für Künstliche Intelligenz („Artificial Intelligence“).

Das Unternehmen hatte 2020 etwa drei Milliarden Porträtfotos von Personen aus Quellen im Internet wie zum Beispiel Facebook oder YouTube durch Screen Scraping gesammelt.[2][3][4] Im Jahr 2022 besteht die Datenbasis nach Firmenangaben aus über 20 Milliarden Fotos.

Die von Clearview AI durchgeführten Bildanalysen wurden im Jahre 2020 ca. 600 Kunden, zumeist Strafverfolgungsbehörden in den USA, zur Verfügung gestellt; hauptsächlich um Personen zu identifizieren, die Straftaten begangen haben.[5][2] Auch in Belgien, Frankreich, Irland, Italien, den Niederlanden, Spanien, Schweden[6] und der Schweiz kommt die Software zum Einsatz.[2] Weltweit haben mehr als 200 Unternehmen und Organisationen Lizenzen von Clearview gekauft oder die Software kostenlos ausprobiert.[2]

Der Investor Peter Thiel hat das Projekt 2017 finanziell unterstützt.[5][7]

Clearview AI gibt an, dass seine Technologie nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist und nur von Strafverfolgungsbehörden genutzt werden kann. Die Demonstrationsbeispiele ermutigen die Nutzenden jedoch, nach Familienangehörigen, Bekannten oder Prominenten zu suchen. Clearview AI gab ferner an, auch auf private Sicherheitsfirmen abzuzielen.[8] Clearview plante die Expansion in viele Länder, darunter Brasilien, Kolumbien und Nigeria sowie in Staaten, die BuzzFeed als „autoritäre Regimes“ bezeichnet, wie Vereinigte Arabische Emirate, Katar und Singapur, sowie die der europäischen Datenschutz-Grundverordnung unterliegenden Länder wie Italien, Griechenland und Niederlande.[9]

Obwohl die Anwendungssoftware von Clearview AI nur für Kunden privat zugänglich sein soll, fand Gizmodo das Android-Programmpaket in einem ungesicherten Bereich von Amazon S3. Neben der Datenverkehrsanalyse durch entsprechende Anwendungen (Google Analytics, Crashlytics) enthält es Verweise auf Google-Play-Dienste (Firebase oder AppMeasurement), fordert genaue Standortdaten der Hardware an und scheint Funktionen für die Spracherkennung, die Freigabe kostenloser Demonstrationskontos für andere Nutzer, die Integration erweiterter Realität mit Vuzix, das Versenden von Bildergalerien und die Aufnahme von Fotos zu enthalten. Es gab auch Hinweise auf das Scannen von Strichcodes auf einem Führerschein und den Zugriff auf Datenbrillen.[10]

TechCrunch fand die Anwendung in einem ungesicherten Bereich von Amazon S3 ebenfalls für Apple iOS-Geräte. Die Anweisungen zeigten, wie ein digitales Zertifikat geladen werden kann, damit die App installiert werden kann, ohne im App Store veröffentlicht zu werden. Der Zugang von Clearview AI wurde gesperrt, da dies gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Apple für Entwickler verstieß.[11] Dadurch sei die App effektiv deaktiviert.[12]

Buzzfeed fand heraus, dass Clearview AI mit Insight Camera ein weiteres Unternehmen betreibt, das Überwachungskameras anbietet, die mit Verfahren der künstlichen Intelligenz ausgestattet sind. Diese Geräte sollen im Einzelhandel, in Banken und für Wohngebäude eingesetzt werden.[13]

Der US-amerikanische Senator Ron Wyden forderte, dass die Bürger der Vereinigten Staaten wissen müssen, wenn ihre Bilddaten für die Gesichtserkennung des Unternehmens eingesetzt werden.[5]

In den USA haben eine Feuerversicherung und mehrere Einzelpersonen insgesamt sieben Klagen gegen die Praktiken des Unternehmens angestrengt.[4] Die amerikanische Bürgerrechtsunion ACLU hat im Mai 2020 vor einem US-Bundesgericht Klage gegen Clearview AI wegen Überschreitung ethischer Grenzen erhoben.[14]

Laut Clearview AI dürfen nur autorisierte Behörden die Software verwenden.[15] Allerdings nutzen behördliche Kunden die App nicht nur für berufliche, sondern auch für private Zwecke, beispielsweise um die Funktionen bei Dates oder Partys zu zeigen.[16] Zudem dürfen exklusive Unternehmer die App zu Testzwecken oder aus privaten Gründen nutzen.[17][18]

Nach Auffassung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Johannes Caspar verstößt Clearview AI gegen europäisches Recht. Er stellt fest, dass die DSGVO anwendbar sei, obwohl Clearview AI keine europäische Niederlassung hat und bemängelt, dass es keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Verarbeitung der biometrischen Daten gebe.[19] Der Datenschutzbeauftragte hatte im März 2020 die Kundenliste von Clearview AI angefordert, da auch für diese datenschutzrechtliche Pflichten gelten würden.[20] Im Januar 2021 ordnete Caspars Behörde die Löschung der biometrischen Daten eines Betroffenen an. Der Datenschutzorganisation NOYB geht diese Anordnung nicht weit genug.[21]

Auch der Datenschutzbeauftragte von Kanada, Daniel Therrien, verurteilte das Geschäftsmodell von Clearview AI und bezeichnet es als Massenüberwachung und illegal.[22] Nach einer gemeinsamen Untersuchung mit den kanadischen Behörden hat der britische Informationsbeauftragte im Mai 2022 eine Strafzahlung von gut 7,5 Millionen britischen Pfund angeordnet, weil Bilder von britischen Bürgern ohne deren Wissen im Internet gesammelt wurden, um eine biometrische Datenbank für die Erkennung von Gesichtern zu füttern. Gleichzeitig wurde angeordnet, diese Praxis zu beenden und alle bereits gespeicherten Daten zu löschen.[23]

Nachdem sich Clearview AI geweigert hatte, Fotos französischer Bürger aus ihrer Gesichtsdatenbank zu entfernen verhängte die oberste Datenschutzbehörde CNL (Commission Nationale de l’Informatique et des Libertés) am 20. Oktober 2022 eine Strafe über 20 Millionen Euro über das Unternehmen.[24]

Verbreitung und Reichweite

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Laut einer Recherche der New York Times vom Januar 2020 gelingt es mithilfe der Software von Clearview, die auf eine Datenbank von drei Milliarden Fotos zugreift, Menschen durch deren Gesichtsmerkmale innerhalb weniger Sekunden zu erkennen.[25][3]

Entgegen früherer Behauptungen von Clearview wurden nach Presserecherchen vom Februar 2020 die Datenbanken des Unternehmens auch bedeutenden amerikanischen Handelsketten gegen Bezahlung zugänglich gemacht. Diese suchen damit nach eigenen Aussagen nach bekannten Ladendieben und Betrügern.[26]

In Europa gehörten verschiedene Sicherheitsbehörden zu den Nutzern von Clearview. Anhand geleakter Kundenlisten wurden Anfang Februar 2020 Sicherheitsbehörden in Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Litauen, den Niederlanden, Norwegen, Portugal, Serbien, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz und die des Vereinigten Königreichs als Clearview AI Nutzer identifiziert.[26]

Die Polizeibehörde Interpol war in den Unterlagen mit über 320 Suchanfragen gespeichert.[26] Dennoch besteht keine Geschäftsbeziehung zwischen Interpol und Clearview AI, stattdessen wurde ein kostenloser 30-Tage-Probeaccount verwendet.[27]

Im Mai 2020 verkündete Clearview AI, dass die App nur noch für Sicherheitsbehörden verfügbar ist und alle anderen Verträge, etwa Banken und Schulen, die auf der Kundenliste standen[28], aufgelöst werden.[29][30] Außerdem werden alle Verträge in Illinois gekündigt und keine Fotos oder Daten mehr verwendet von Websites, die im Zusammenhang mit Illinois oder Chicago stehen.[29][30]

Ende März 2022 gab der Vizepremierminister Mykhailo Fedorow der Ukraine bekannt, dass sie die Gesichtserkennungssoftware einsetzt, um die Leichen gefallener russischer Soldaten zu identifizieren und ihre Familien ausfindig zu machen.[31] Man mache Aufnahmen von den Toten und lasse die Bilder durch verschiedene soziale Netzwerke, Plattformen sowie Medien laufen. Auf diesem Weg lasse sich herausfinden, wer die Toten seien und woher sie kämen. So könne man die Hinterbliebenen auf eigens eingerichteten Social-Media-Kanälen über das Schicksal ihrer im Krieg gefallenen Angehörigen verständigen.[32]

Einzelnachweise

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  1. Clearview AI Kontaktdaten. abgerufen am 20. Januar 2020
  2. a b c d DER SPIEGEL: Gesichtserkennung: Clearviews Kunden sind Banken, Schulen und europäische Behörden - DER SPIEGEL - Netzwelt. Abgerufen am 28. Februar 2020.
  3. a b Kashmir Hill: The Secretive Company That Might End Privacy as We Know It. In: New York Times, Jan. 18, 2020
  4. a b Stefan Krempl: Gesichtserkennung: Mit dem Urheberrecht gegen Clearview vorgehen. In: heise online, 10. April 2020, abgerufen am 15. April 2020.
  5. a b c Gewaltige Fotodatenbank zeigt, wie gefährlich Gesichtserkennung ist, Die Zeit vom 19. Januar 2020, abgerufen am 20. Januar 2020
  6. Mikael Grill Pettersson, Linnea Carlén: Polisen: Utsatt barn kunde identifieras med hjälp av omdiskuterade AI-tjänsten. In: SVT Nyheter. 11. März 2020 (svt.se [abgerufen am 3. Februar 2021]).
  7. Clearview AI, PitchBook, abgerufen am 20. Januar 2020
  8. Mark Gruetze, CDC Gaming Reports: G2E: New generation of facial recognition enhances security, raises questions. Abgerufen am 28. Juli 2022 (amerikanisches Englisch).
  9. Caroline Haskins, Ryan Mac, Logan McDonald: Clearview AI Wants To Sell Its Facial Recognition Software To Authoritarian Regimes Around The World. Abgerufen am 28. Juli 2022 (englisch).
  10. We Found Clearview AI's Shady Face Recognition App. 28. Februar 2020, abgerufen am 28. Juli 2022 (amerikanisches Englisch).
  11. Apple has blocked Clearview AI’s iPhone app for violating its rules. In: TechCrunch. Abgerufen am 28. Juli 2022 (amerikanisches Englisch).
  12. Logan McDonald, Ryan Mac, Caroline Haskins: Apple Just Disabled Clearview AI's iPhone App For Breaking Its Rules On Distribution. Abgerufen am 28. Juli 2022 (englisch).
  13. Caroline Haskins, Ryan Mac, Logan McDonald: The Facial Recognition Company That Scraped Facebook And Instagram Photos Is Developing Surveillance Cameras. Abgerufen am 28. Juli 2022 (englisch).
  14. Albtraum-Szenario: ACLU verklagt Clearview wegen illegaler Gesichtserkennung. 31. Mai 2020, abgerufen am 1. Juni 2020.
  15. Clearview Is Not A Consumer Application. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Juli 2020; abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/blog.clearview.ai
  16. Clearview AI: Kunden nutzen Gesichtserkennung als Party-Gag - Golem.de. Abgerufen am 9. Juni 2020 (deutsch).
  17. Tomislav Bezmalinovic: Clearview: Gesichtserkennung diente als Hightech-Spielzeug für Superreiche. In: MIXED | News zu VR, AR und KI. Abgerufen am 9. Juni 2020 (deutsch).
  18. Kashmir Hill: Before Clearview Became a Police Tool, It Was a Secret Plaything of the Rich. In: The New York Times. 5. März 2020, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 9. Juni 2020]).
  19. Patrick Beuth, DER SPIEGEL: Gesichtserkennung: Hamburger Datenschützer will Clearview zur Datenlöschung zwingen. Abgerufen am 3. Februar 2021.
  20. Patrick Beuth, DER SPIEGEL: Hamburgs Datenschützer leitet Prüfverfahren gegen Clearview ein. Abgerufen am 3. Februar 2021.
  21. NOYB: Clearview AIs biometrische Fotodatenbank in der EU illegal, aber nur begrenze Löschungsanordnung. 28. Januar 2021, abgerufen am 3. Februar 2021.
  22. Office of the Privacy Commissioner of Canada: News release: Clearview AI’s unlawful practices represented mass surveillance of Canadians, commissioners say. 3. Februar 2021, abgerufen am 3. Februar 2021.
  23. ICO fines facial recognition database company Clearview AI Inc more than £7.5m and orders UK data to be deleted. 23. Mai 2022, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 23. Mai 2022; abgerufen am 24. Mai 2022 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/ico.org.uk
  24. Clearview AI muss 20 Millionen Euro Geldstrafe in Frankreich zahlen. In: Der Spiegel. 20. Oktober 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. Oktober 2022]).
  25. Jannis Brühl und Simon Hurtz: Eine App schockiert Amerika. In: Süddeutsche Zeitung, 20. Januar 2020 (SZPlus)
  26. a b c Ryan Mac, Caroline Haskins, Logan McDonald: "Clearview’s Facial Recognition App Has Been Used By The Justice Department, ICE, Macy’s, Walmart, And The NBA" buzzfeednews.com vom 27. Februar 2020
  27. Matthias Monroy: Clearview AI - Wozu nutzt Interpol Gesichtserkennung? In: netzpolitik.org. 9. März 2020, abgerufen am 9. Juni 2020 (deutsch).
  28. DER SPIEGEL: Gesichtserkennung: Clearviews Kunden sind Banken, Schulen und europäische Behörden - DER SPIEGEL - Netzwelt. Abgerufen am 11. Juni 2020.
  29. a b Nick Statt: Clearview AI to stop selling controversial facial recognition app to private companies. 7. Mai 2020, abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).
  30. a b Clearview AI Says It Will No Longer Provide Facial Recognition To Private Companies. Abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).
  31. Ukraine-News am 24.03.: Schröder: Krieg in der Ukraine ist Konsequenz politischen Versagens. In: Der Spiegel. 24. März 2022, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 25. März 2022]).
  32. Die Ukraine setzt im Krieg auf Gesichtserkennungs-Software, In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26. März 2022