Amt Hungen
Das Amt Hungen war ein Amt der Fürsten von Solms-Braunfels und nachfolgend im Großherzogtum Hessen (Hessen-Darmstadt).
Funktion
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In der Frühen Neuzeit waren Ämter eine Ebene zwischen den Gemeinden und der Landesherrschaft. Die Funktionen von Verwaltung und Rechtsprechung waren hier nicht getrennt. Dem Amt stand ein Amtmann vor, der von der Landesherrschaft eingesetzt wurde.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Amt Hungen ist ab 1384 nachgewiesen, wobei für die ersten Jahrhunderte nicht immer deutlich wird, welchen Umfang es jeweils hatte. In der frühen Neuzeit gehörte es zum Fürstentum Solms-Braunfels.[1]
Mit der Rheinbundakte[2] von 1806 fiel die staatliche Hoheit über das Fürstentum Solms-Braunfels dem Großherzogtum Hessen zu. Dieses gliederte das Gebiet in das Fürstentum Oberhessen (ab 1816: „Provinz Oberhessen“) ein. Dies geschah aber mit der Einschränkung, dass dem Fürsten der Rang eines Standesherren verblieb und er dort weiter hoheitliche Rechte in Verwaltung und Rechtsprechung ausübte. Diese eigenständige Souveränität störte selbstverständlich den Anspruch des Großherzogtums auf das staatliche Gewaltmonopol.
Ab 1820 kam es im Großherzogtum Hessen zu Verwaltungsreformen. 1821 wurden auch auf unterer Ebene Rechtsprechung und Verwaltung getrennt und alle Ämter aufgelöst. Für die bisher durch die Ämter wahrgenommenen Verwaltungsaufgaben wurden Landratsbezirke geschaffen, für die erstinstanzliche Rechtsprechung Landgerichte.[3]
Wegen der querliegenden Rechte der Standesherren dauerte das in einigen der von ihnen regierten Gebiete bis 1822, so auch im Bereich Solms-Braunfels: Mit Allerhöchster Entschließung seiner Königlichen Hoheit des Großherzogs vom 24. April 1822 wurde das ehemalige fürstlich solms-braunfeldische Amt Hungen aufgelöst und dessen Verwaltungsaufgaben auf den neu gebildeten Landratsbezirk Hungen, dessen Aufgaben in der Rechtsprechung dem Landgericht Hungen übertragen.[4]
Bestandteile
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Zum Amt Hungen gehörten zum Zeitpunkt seines Übergangs an das Großherzogtum Hessen 1806:
- Bellersheim[5],
- Bettenhausen[6],
- Birklar[7],
- Hungen[1],
- Langsdorf[8],
- Muschenheim[9],
- Niederbessingen[10],
- Nonnenroth[11],
- Röthges[12] und
- Villingen[13].
Recht
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Im Amt Hungen galt das Solmser Landrecht. Das Gemeine Recht galt nur noch, wenn das Solmser Landrecht für einen Sachverhalt keine Bestimmungen enthielt. Das Solmser Landrecht blieb auch, als das Amt Hungen zum Großherzogtum Hessen (Hessen-Darmstadt) gehörte, dort weiter geltendes Recht[14], das erst zum 1. Januar 1900 das einheitlich im ganzen Deutschen Reich geltende Bürgerliche Gesetzbuch ablöste.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Ludwig Ewald: Beiträge zur Landeskunde. In: Grossherzogliche Centralstelle für die Landes-Statistik (Hg.): Beiträge zur Statistik des Grossherzogthums Hessen. Bände 1–5. Jonghaus, Darmstadt 1862. (Digitalisat)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ a b Hungen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 21. Januar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Art. 24 Rheinbundakte.
- ↑ Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
- ↑ Die neue Landeseintheilung und Organisation der untern Justiz und Verwaltungsbehörden – insbesondere in den fürstlich und gräflich Solmsischen Besitzungen betreffend. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 10. Mai 1822, S. 182.
- ↑ Bellersheim, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. Januar 2019). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Bettenhausen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 15. Januar 2020). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Birklar, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Langsdorf, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Muschenheim, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Nieder-Bessingen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Nonnenroth, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 5. Juni 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Röthges, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Villingen, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- ↑ Arthur Benno Schmidt: Die geschichtlichen Grundlagen des bürgerlichen Rechts im Großherzogtum Hessen. Curt von Münchow, Gießen 1893, S. 106, beiliegende Karte (Digitale Ansicht).