Tauschhandel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Druckversion wird nicht mehr unterstützt und kann Darstellungsfehler aufweisen. Bitte aktualisiere deine Browser-Lesezeichen und verwende stattdessen die Standard-Druckfunktion des Browsers.
Tauschzentrale in der sowjetischen Besatzungszone: Eine Mutter tauscht die zu klein gewordenen Schuhe ihres Sohnes gegen größere

Der Tauschhandel ist eine Form des Handels, bei der Waren oder Dienstleistungen direkt gegen andere Waren oder Dienstleistungen getauscht werden, ohne dass als Gegenleistung Geld eingesetzt wird. Eine alte Bezeichnung hierfür ist Barattohandel.

Allgemeines

Wenn allgemein der Käufer an Geld- oder Devisenmangel leidet oder speziell in einer Wirtschaftskrise das Vertrauen in den Geldwert schwindet, tritt Tauschhandel auf oder es entstehen Ersatzwährungen wie z. B. die Zigarettenwährung im Nachkriegsdeutschland. So erlebte während der Versorgungskrise in Venezuela ab 2015 der Tauschhandel in Venezuelas ländlichen Gegenden eine zweite Jugend,[1] während in den Städten eher Ersatzwährungen in der neuen Form von Kryptowährungen gesucht wurden.[2]

In Deutschland gelten nach § 480 BGB für den Tauschvertrag dieselben Vorschriften wie für den Kauf.

Geschichte

1947 in Berlin: Tausch von Kartoffelschalen gegen Brennholz
Tauschhandel im 17. Jahrhundert vor Groß Friedrichsburg, heutiges Ghana

Vor der Etablierung von Märkten wurden Gegenstände ohne konkrete Bepreisung und Fälligkeitstermin in losen, solidarischen Schuldbeziehungen und gegenüber Fremden in Form von Gaben und Gegengeschenken ausgetauscht. Erst nach der Etablierung von Märkten tritt der Tauschhandel als Randform des Handels in Erscheinung, der immer dann vermehrt genutzt wird, wenn Geldsysteme zusammenbrechen, weil er dann als einzige Möglichkeit des Warenaustauschs angesehen wird.[3]

Händler oder Landwirte tauschten zwecks Bedarfsdeckung Gegenstände oder Nutztiere gegen Lebensmittel oder sonstigen Alltagsbedarf ein. Für die alten Babylonier bestand zwischen Kauf und Tausch kein großer juristischer Unterschied, denn sie wurden als wesensgleiche Rechtsgeschäfte mit dem Ziel des Güterumsatzes angesehen.[4] Bereits das Alte Testament verlangte im 3. Buch Mose, dass der Tauschwert beider Tauschobjekte annähernd gleich sein sollte: „Man soll ein Tier nicht auswechseln noch tauschen, ein gutes gegen ein schlechtes oder ein schlechtes gegen ein gutes. Wenn aber jemand auswechselt ein Tier gegen das andere, so sollen sie beide heilig sein“ (Lev 27,10 EU). Ein in besonderen Situationen praktizierter Tauschhandel, erstmals von Herodot im 5. Jahrhundert v. Chr. erwähnt, war der stumme Handel. Diskutiert wird, inwieweit die Beschreibungen über einen Warentausch, bei dem sich die Handelspartner weder zu Gesicht bekamen noch miteinander sprachen, historisch zutreffend oder eher legendär sind.

Die Römer kannten den Tauschhandel (lateinisch permutatio mercium, „Vertauschung der Waren“), denn bis zur Einführung des Geldes existierte auf der Grundlage des Tauschhandels lediglich der Tauschvertrag, bei dem die Vertragsparteien gegenseitig Sachen mit einem ungefähr gleichen Tauschwert austauschten. Cicero verstand unter der „permutatio“ noch den Umsatz.[5] Beim Tausch musste später Iulius Paulus zufolge für beide Vertragsparteien dem jeweiligen Empfänger an der Sache Eigentum verschafft werden.[6] Für ihn war klar, dass beim Tausch nicht zwischen Käufer und Verkäufer unterschieden werden könne. Im frühen römischen Recht begann bereits die Verdrängung des Tauschvertrages durch den Kaufvertrag (lateinisch emptio venditio; wörtlich: „Kauf/Verkauf“). Der hochklassische Jurist des 2. Jahrhunderts, Gaius, verlangte in seinen Institutionen, dass der Kaufpreis „in klingendem Geld“ zu bestehen habe,[7] der Tauschvertrag galt nun als überholt. Seitdem wurde der bisherige Tauschwert durch den objektiveren Geldwert ersetzt. Doch der Geldmangel, der bereits unter Augustus begann, hielt den Tauschvertrag am Leben.[8] So verschafften sich die Griechen Wein durch die Hingabe von Bronze, Eisen, Fellen und Sklaven.[9]

Im frühen Mittelalter überwog weiterhin der Tauschhandel, Waren wechselten den Besitzer, ohne dass Geld für sie bezahlt wurde.[10] Das mittelhochdeutsche Wort „tûsch“ („Spaß, Gespött, Täuschung, Betrug, Tausch“) etablierte sich erstmals 1172 in Priester Wernhers „Drei Liedern von der Magd“ („Driu liet von der maget“).[11] Das mittelhochdeute Wort wies bereits darauf hin, dass man beim Tausch durch unterschiedlich eingeschätzte Tauschwerte auch getäuscht oder betrogen werden kann. Im Mittelalter blieben trotz des vorhandenen Geldes auch Tauschgeschäfte neben Kaufverträgen üblich. Dabei kam es vor, dass innerhalb Deutschlands bei Tauschgeschäften doppelte Zollgebühren verlangt wurden.[12] Auch der Tausch von Grundstücken war üblich, auf diese Weise betrieben Grundstücksnachbarn private Flurbereinigung.

Bis Mitte des 18. Jahrhunderts gab es im deutschen Buchhandel einen als „Verstechen“ oder „Change“ genannten Tauschhandel. Dabei wurden Bücher und andere schriftliche Erzeugnisse auf Buchmessen zwischen den einzelnen Druckern bzw. Verlegern nur nach deren Quantität getauscht, wobei nach dem Prinzip „Bogen gegen Bogen“ bzw. „Buch gegen Buch“ gehandelt wurde. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wurde diese Handelsart erst vom sogenannten Nettohandel und kurze Zeit später vom noch heute gültigen Konditionsverkehr abgelöst. Das Allgemeine Preußische Landrecht (APL) vom Juni 1794 nannte die beiden Tausch-Kontrahenten Käufer und Verkäufer (I 11, § 364 APL) und räumte beiden die Möglichkeit ein, bei ungleichem Tauschwert „vom Tausch wieder abzugehen“ (I 11, § 365 APL).[13] Das österreichische ABGB vom Januar 1812 definierte den Tausch als einen Vertrag, „wodurch eine Sache gegen eine andere Sache überlassen wird“ (§ 1045 ABGB).

Der im Oktober 1952 gegründete Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft förderte den Handel mit Osteuropa. Der so genannte „Osthandel“ hatte die Devisenschwäche der östlichen COMECON-Mitglieder zu berücksichtigen, sodass Kompensationsgeschäfte die bedeutsamsten Transaktionen deutscher Exporteure mit dem Ostblock darstellten. Auf ihn gingen auch die Deutsch-sowjetischen Röhren-Erdgas-Geschäfte seit Februar 1970 zurück, ein Barter, der deutsche Großröhren und Bankkredite gegen sowjetische Erdgaslieferungen austauschte. Ab 1976 kam es wegen drastisch gestiegener Rohkaffepreise zur Kaffeekrise in der DDR, die nur teilweise durch Tauschgeschäfte „Rüstung gegen Kaffee“ etwa mit Äthiopien behoben werden konnte. Etwa zur gleichen Zeit baute Frankreich seine Atomstreitmacht ab 1974 durch Uranimporte aus der Zentralafrikanischen Republik im Austausch gegen Waffen aus.[14]

Devisenschwachen Entwicklungsländern ohne ausreichende Marktmacht bleibt als Möglichkeit, ihre Rohstoffe zu exportieren, indem sie im Gegenzug Fertigerzeugnisse der Industriestaaten importieren.[15]

Arten

Man unterscheidet folgende Arten:

Diese Arten des Tauschhandels beinhalten keinen Zahlungsvorgang, auch nicht teilweise.

Abgrenzung

Zuweilen werden Tauschhandelsgeschäfte als Synonym für Kompensationsgeschäfte angesehen.[20] Der Tauschhandel setzt jedoch stets voraus, dass keine Geldzahlung – auch nicht als Teilleistung – als Gegenleistung erbracht wird. Es gibt jedoch auch Kompensationsgeschäfte, bei denen teilweise eine Geldzahlung erfolgt.

Literatur

Siehe auch

Commons: Tauschhandel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Tauschhandel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Crisis en Venezuela: cómo funcionan los mercados del trueque en el país, BBC, 15. April 2019
  2. Nichts zu essen, aber kostenlos Benzin, SPON, 5. Februar 2019
  3. David Graeber, interviewt von Alex Bradshaw: An Interview With David Graeber: Debt’s History, Implications, and Critical Perspective. In: ImagineNoBorders.org. April 2011, abgerufen am 4. September 2020 (englisch; deutsche Übersetzung. syndikalismus.wordpress.com).
  4. Mariano San Nicolò, Die Schlussklauseln der altbabylonischen Kauf- und Tauschverträge, 1974, S. 109
  5. Gaius, Institutiones, 2, 4, 2
  6. Iulius Paulus, Digesten, 19, 4, 1
  7. Gaius, Institutionen, 3, 139–141
  8. Karl Friedrich Thormann, Der doppelte Ursprung der Mancipatio, 1969, S. 125
  9. Gaius, Digesten, 3, 141
  10. Neil Grant, Das Mittelalter, 2006, S. 27
  11. Ulrike Köbler, Werden, Wandel und Wesen des deutschen Privatrechtswortschatzes, 2010, S. 245
  12. Dietrich Denecke/Helga-Maria Kühn (Hrsg.), Göttingen: Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, Band I, 1987, S. 423
  13. Christian Friedrich Koch, Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten, Band 1, Ausgabe 1, 1852, S. 684
  14. Annette Weber/Markus Kaim, Die Zentralafrikanische Republik in der Krise, in: Stiftung Wissenschaft und Politik Aktuell 10 vom 10. März 2014, S. 5
  15. Axel J. Halbach/Rigmar Osterkamp, Die Rolle des Tauschhandels für die Entwicklungsländer, 1988, S. 117; ISBN 978-3803903679
  16. Rolf Stober/Marian Paschke (Hrsg.), Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht, 2017, Rn. 808
  17. Dieter Hoppen, Vertriebsmanagement, 1999, S. 302
  18. Michael Thierhoff/Renate Müller (Hrsg.), Unternehmenssanierung, 2016, S. 228 f.
  19. Christian Bachem, Fernsehen in den USA: Neuere Entwicklungen von Fernsehmarkt und Fernsehwerbung, 1995, S. 106 f.
  20. Rudolf Sachs, Leitfaden Außenwirtschaft, 1990, S. 41