Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew
Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew (russisch Владимир Афанасьевич Обручев, wiss. Transliteration Vladimir Afanas'evič Obručev; * 28. Septemberjul. / 10. Oktober 1863greg. in Klepenino, Gouvernement Twer; † 19. Juni 1956 in Moskau) war ein bedeutender sowjetischer Geologe, Geograph und Schriftsteller. Er ist vor allem als geologischer Erforscher Sibiriens und von Zentralasien bekannt.
Leben
BearbeitenHerkunft und Ausbildung
BearbeitenDer Vater Afanassij Alexandrowitsch Obrutschew († 1881) war ein russischer Offizier, die Mutter Paula Gaertner, eine deutsche Pfarrerstochter aus dem Baltikum. Die Familie wechselte in seinen ersten Lebensjahren öfter den Wohnort, da der Vater nach dem Polnischen Aufstand an verschiedene Orte wie Brest, Radom und Wilna abkommandiert wurde.[1] Wladimir besuchte das Realgymnasium in Wilna und studierte anschließend am Berginstitut in Sankt Petersburg, mit dem Abschluss 1886.
Wissenschaftliche Tätigkeiten 1887 bis 1918
BearbeitenDanach unternahm er Forschungsreisen nach Mittelasien, in die Mongolei und bis Nordchina, an denen auch seine Söhne Wladimir und Sergei teilnahmen. 1889 bis 1892 war er Geologe am Bergamt in Irkutsk. Ab 1901 lehrte er an der Bergbauabteilung des Sibirischen Technologischen Instituts in Tomsk. Aufgrund der politischen Wirren gab er das 1912 auf.
Wissenschaftliche Tätigkeiten 1919 bis 1956
BearbeitenVon 1919 bis 1921 war Wladimir Obrutschew Professor und Dekan der Universität Simferopol und 1921 bis 1929 Professor für Angewandte Geologie und Lagerstättenkunde an der Bergbauakademie Moskau. Ab 1928 war er wirkliches Mitglied der Sowjetischen Akademie der Wissenschaften, deren Geologisches Institut und Komitee zum Permafrost er bis zu seinem Rücktritt 1936 leitete. 1937 leitete er die russische Delegation auf dem 17. Internationalen Geologenkongress in Moskau.
Publikationen
BearbeitenWissenschaftliche Publikationen
BearbeitenWladimir Obrutschew veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Schriften über die Geologie von Sibirien, Zentralasien, Erz- und Goldlagerstätten und das Lößproblem. Außerdem schrieb er eine vierbändige Geschichte der geologischen Erforschung von Sibirien.
Phantastische Literatur
BearbeitenDaneben schrieb er noch eine Reihe vorwiegend phantastischer Romane für die Jugend, in denen er sein Wissen über Geographie, Geologie und Erdgeschichte einfließen ließ. Damit gilt er als einer der bedeutendsten Vertreter der frühen phantastischen Literatur der Sowjetunion.
- Plutonien (1924)
1924 schrieb er seinen wohl populärsten Roman „Plutonien“, den man mit „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ von Jules Verne und „Die vergessene Welt“ von Arthur Conan Doyle vergleichen kann. Anhand einer abenteuerlichen Handlung greift er die Hohlwelttheorie auf und nutzt sie zu einem spannenden Roman über die Erdgeschichte. Zusätzlich lässt er sein Wissen über urzeitliche Tiere einfließen.
- Das Sannikowland (1926)
1926 folgte der Roman „Das Sannikowland“, der nicht weniger erfolgreich werden sollte und 1972 verfilmt wurde. Diesmal griff er die Hypothese eines durch Vulkanismus eisfrei gehaltenen Landes innerhalb des Polarkreises auf, dessen Existenz von ihm und einigen anderen russischen Forschern immer wieder für nicht unmöglich gehalten worden war.
- Goldsucher in der Wüste (1928)
1928 schilderte er in „Goldsucher in der Wüste“ das Leben chinesischer Bergleute in der Dsungarei während der Dunganenaufstände. Der Erzählungsband „In der Felsenwildnis Innerasiens“ (1951) bildet zeitlich gesehen eine Fortsetzung dieses Bandes. Die locker aneinandergereihten Geschichten schildern die Abenteuer eines russischen Kaufmanns und Schatzgräbers, der Ende des 19. Jahrhunderts auf der Suche nach Goldbergwerken, Ruinenstädten und Klöstern die Dsungarei, das Tarimbecken und Tibet durchstreift.
Bibliographie
BearbeitenRomane
Bearbeiten- Плутония [Необычайное путешествие в недра Земли] (1924)
- Deutsch: Plutonien. Übersetzt von Herbert Strese. Mit Illustrationen von Gerhard Goßmann. Neues Leben (Das neue Abenteuer, spannend erzählt #4), Berlin 1953. Aktuelle Auflage: 2005, ISBN 3-355-01711-6.
- Земля Санникова (1926, auch als Земля Санникова, или Последние онкилоны)
- Deutsch: Das Sannikowland. Übersetzt von Bruno Pasch. Illustrationen von Gerhard Goßmann. Neues Leben (Das neue Abenteuer, spannend erzählt #5), Berlin 1953.
- Рудник «Убогий» (1926)
- Золотоискатели в пустыне (1949)
- Deutsch: Goldsucher in der Wüste. Übersetzt von E. und W. Wonsiatsky. Mit Bildern von Joachim Kölbel. Staackmann, Leipzig 1952. Auch: Mit Illustrationen von Eberhard Binder-Staßfurt. Neues Leben (Das neue Abenteuer, spannend erzählt #16), Berlin 1955.
Erzählungen
Bearbeiten- Коралловый остров (1947)
- В дебрях Центральной Азии (1951)
- Deutsch: In der Felsenwildnis Innerasiens : Abenteuerliche Reisen. Übersetzt von Marie Jacob und Sigrid Hoffmann. Greifenverlag, Rudolstadt 1955.
- Бодайбо — река золотая (1958)
- Тепловая шахта (1961, auch als Тепло земных недр, unvollendet)
- На Столбах (1986)
Kurzgeschichten
Bearbeiten- Море шумит (1888)
- Пустоцвет (1907)
- Происшествие в Нескучном саду (1940, auch als Событие в Нескучном саду)
- Путешествие в прошлое и будущее (1940, Fragment)
- Солнце гаснет (1946, Fragment)
- Видение в Гоби (1947)
- Загадочная находка (1947)
- Полёт по планетам (1950)
- Завоевание тундры (1961, Fragment)
- Сказание об Атлантиде (1961, Fragment)
Essays und Autobiografisches
Bearbeiten- Дневники (1899, 2 Bde.)
- Овладение простраством — вступление (1937)
- Как я стал геологом и писателем (1940)
- Через горы и пустыни (1955)
- Воспоминания (1958)
- Воспоминания о детстве и годах учения (1958)
- На горной разведке в старое время (1958)
Sammlungen
Bearbeiten- В старой Сибири (1958, Artikel, Memoiren und Briefe)
- Путешествия в прошлое и будущее (1961)
- За тайнами Плутона (1986)
Fachliteratur
Bearbeiten- Алтайские этюды (1914)
- Геологический обзор золотоносных районов Сибири (1915, 3 Bde.)
- Рудные месторождения (1920)
- Алтаиды (1926)
- Полевая геология („Feldgeologie“, 1930)
- Проблема лёсса (1933)
- Геология Сибири („Geologie von Sibirien“, 1938, 3 Bde.)
- От Кяхты до Кульджи. Путешествие в Центральную Азию и Китай (1938)
- Пограничная Джунгария (1939, 3 Bde.)
- Занимательная геология (1944)
- Основы геологии (1944)
- Восточная Монголия (1947)
- Происхождение гор и материков (1947)
- Путешествия Потанина (1947, auch als Григорий Николаевич Потанин. Жизнь и деятельность)
- Мои путешествия по Сибири (1948)
- По горам и пустыням Средней Азии (1948)
- История геологических исследований Сибири (1949, 5 Bde.)
- Русские исследователи Центральной Азии (1949)
- Справочник путешественника и краеведа (1949, 2 Bde.)
Deutsch:
- Über die Systematik der Erzlagerstätten (= Abhandlungen zur praktischen Geologie und Bergwirtschaftslehre. Band 4, ZDB-ID 501309-4). W. Knapp, Halle 1926.
- Die metallogenetischen Epochen und Gebiete von Sibirien (= Abhandlungen zur praktischen Geologie und Bergwirtschaftslehre. Band 6). W. Knapp, Halle 1926.
- Geologie von Sibirien (= Fortschritte Geologie und Paläontologie. Heft 15, ISSN 2700-6530). Gebr. Borntraeger, Berlin 1926.
- Die Verbreitung der Eiszeitspuren in Nord- und Zentralasien. In: Geologische Rundschau. Band 21, Nummer 4, 1930, S. 243–283, doi:10.1007/BF01812805.
Bearbeitete Texte
Bearbeiten- O. O.: Sibirische Briefe. Eingefùhrt von Paul von Kügelgen, Duncker & Humblot, Leipzig 1894 Digitalisat; herausgegeben von seiner Mutter Paula Obrutschewa, unter Verwendung seiner Briefe[2]
Ehrungen
BearbeitenWladimir Obrutschew gilt als einer der bedeutendsten Geologen der Sowjetunion. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen
- Orden
- Orden des Heiligen Wladimir (1895)[3]
- Mitglied der Leopoldina (1925)[4]
- Leninpreis (1926)[3]
- Orden des Roten Banners der Arbeit (1938)[3]
- Stalinpreis (1941, 1950)[3]
- Leninorden (1943, 1945, 1948, 1953, 1953)[3]
- Medaille „Für heldenmütige Arbeit im Großen Vaterländischen Krieg 1941–1945“[3]
- Held der sozialistischen Arbeit[3]
- Ehrenpräsident der Geographischen Gesellschaft der UdSSR.
- Namensgeber
- Namensgeber für die Obruchev Hills im Königin-Marie-Land, Antarktika (seit 1956)
- Namensgeber für den Mount Obruchev im Georg-V.-Land, Antarktika (seit 1958)
- Namensgeber für den Obrutschew-Gletscher im Königin-Marie-Land, Antarktika (Datum unbekannt)
- Namensgeber für den Asteroiden des äußeren Hauptgürtels (3128) Obruchev und den Mondkrater Obruchev[5]
Literatur
Bearbeiten- Nikolaus Polutoff: Pioniere geologischer Forschung in Russland. In: Geologische Rundschau. Band 31, Nummer 7/8, 1940, S. 457–487, doi:10.1007/BF01766468.
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn: Reclams Science-fiction-Führer. Reclam, Stuttgart 1982, ISBN 3-15-010312-6, S. 313.
- Hans Joachim Alpers, Werner Fuchs, Ronald M. Hahn, Wolfgang Jeschke: Lexikon der Science Fiction Literatur. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-02453-2, S. 763.
- John Clute: [XXX XXX.] In: John Clute, Peter Nicholls: The Encyclopedia of Science Fiction. 3. Auflage (Online-Ausgabe), Version vom XXX.
Weblinks
Bearbeiten- Wladimir Obrutschew Enziklopedia Narod (deutsch)
- Literatur von und über Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew in der Internet Speculative Fiction Database (englisch)
- Владимир Обручев, Eintrag auf FantLab (russisch, abgerufen am 12. Juni 2018)
- Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew bei IMDb
- Artikel Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew in der Großen Sowjetischen Enzyklopädie (BSE), 3. Auflage 1969–1978 (russisch)
- Werke von Wladimir Afanassjewitsch Obrutschew bei Open Library
- Die Briefe des Akademikers V.A. Obruchev. 2021.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Владимир Афанасьевич Обручев: Сочинения в чeтирьeх томах. Том 4. Терра, Москва 2009. S. 235ff.; mit Kindheitserinnerungen.
- ↑ Поступальская М. И.; Ардашникова, С. Д. Обручев Москва. Молодая гвардия, 1963.C. 49 (deutsch (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Juni 2024. Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.); über die Entstehung dieses Buches, das nur in deutscher Sprache erschien
- ↑ a b c d e f g Wladimir Obrutschew - Biografie. Abgerufen am 24. April 2018 (russisch).
- ↑ Johannes Walther (Hrsg.): Leopoldina. Berichte der Kaiserlich Deutschen Akademie der Naturforscher zu Halle. Quelle und Meyer, Leipzig 1926, S. 264.
- ↑ Lutz D. Schmadel: Dictionary of Minor Planet Names. Fifth Revised and Enlarged Edition. Hrsg.: Lutz D. Schmadel. 5. Auflage. Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 2003, ISBN 3-540-29925-4, S. 186, doi:10.1007/978-3-540-29925-7_3129 (englisch, 992 S., Originaltitel: Dictionary of Minor Planet Names. Erstausgabe: Springer Verlag, Berlin, Heidelberg 1992): “1979 FJ2. Discovered 1979 Mar. 23 by N. S. Chernykh at Nauchnyj.”
Personendaten | |
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NAME | Obrutschew, Wladimir Afanassjewitsch |
ALTERNATIVNAMEN | Обручев, Владимир Афанасьевич (russisch); Obručev, Vladimir Afanas'evič |
KURZBESCHREIBUNG | sowjetischer Geologe, Geograph und Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 10. Oktober 1863 |
GEBURTSORT | Klepenino, Gouvernement Twer |
STERBEDATUM | 19. Juni 1956 |
STERBEORT | Moskau |