Waldvöglein

Gattung der Familie Orchideen (Orchidaceae)

Die Waldvöglein (Cephalanthera) sind eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Orchideen (Orchidaceae).

Waldvöglein

Rotes Waldvöglein (Cephalanthera rubra)

Systematik
Ordnung: Spargelartige (Asparagales)
Familie: Orchideen (Orchidaceae)
Unterfamilie: Epidendroideae
Tribus: Neottieae
Untertribus: Limodorinae
Gattung: Waldvöglein
Wissenschaftlicher Name
Cephalanthera
Rich.

Beschreibung

Bearbeiten
 
Illustration aus Abbildungen der in Deutschland und den angrenzenden gebieten vorkommenden grundformen der Orchideenarten, Tafel 57 des Weißen Waldvöglein (Cephalanthera damasonium)
 
Unreife aufrecht Kapselfrucht des Langblättrigen Waldvöglein (Cephalanthera longifolia)

Vegetative Merkmale

Bearbeiten

Die Waldvöglein-Arten sind schlanke, ausdauernde krautige Pflanzen. Das Rhizom ist kurz, kriechend und oft verzweigt. Die Wurzeln stehen gebüschelt, sind bei den autotrophen Arten zahlreich und teilen sich in senkrecht stehende, dickere Speicherwurzeln und waagrecht stehende verpilzte Wurzeln auf.[1][2]

Der Stängel ist aufrecht, unverzweigt, zylindrisch, gerillt,[3] bei den autotrophen Arten grün,[3] beblättert, kahl oder am oberen Ende behaart,[3] mit einer oder wenigen etwa kahnförmigen bis zylindrischen Blattscheiden am Grund. Die sitzenden Laubblätter sind grund- und wechselständig in spiraliger Anordnung. Die einfachen Blattspreiten sind eiförmig bis lanzettlich oder linealisch, längs gefaltet, längsnervig ohne erkennbare Quernerven, ganzrandig, grün, ungefleckt,[3] mit verschmälerter Spreitenbasis,[3] die den Stängel umscheidet; bei den mykotrophen Arten sind Blätter weiß[4] und zu häutigen Scheiden zurückgebildet.[2]

Generative Merkmale

Bearbeiten

Der endständige, traubige Blütenstand mit gerader, aufrechter, in etwa zylindrischer Achse enthält locker angeordnet[1] viele bis wenige Blüten, selten nur eine Blüte.[3] Die Tragblätter der unteren Blüten sind meist blattähnlich, aber nicht scheidig[3], und überragen die Blüten meist, die der oberen Blüten sind viel kürzer.[2]

Die Blüten sind um 180° verdreht, ziemlich aufrecht, mehr oder weniger sitzend.[3] Die zwittrigen Blüten sind zygomorph, wenig geöffnet und glockenförmig, selten weit geöffnet. Die Blütenfarben sind weiß, rosafarben oder gelb. Der Fruchtknoten ist leicht verdreht und kahl.[2] Die Kelchblätter (Sepalen) sind frei, einander ähnlich und etwa gleich groß. Die seitlichen Kronblätter (Petalen) sind etwas kürzer als die Sepalen und neigen mit diesen mehr oder weniger stark nach vorne zu einem Helm zusammen. Die Lippe ist am Grund der Säule angewachsen; sie ist zweigliedrig, selten einfach. Der hintere Abschnitt (Hypochil) ist konkav[3] und besitzt zwei aufrechte Seitenlappen, die die Säule umhüllen. Es ist am Grunde ausgesackt oder hat einen kurzen Sporn; Nektar wird nicht angeboten.[3] Der vordere Abschnitt (Epichil) ist von fester Struktur,[3] ausgebreitet, eiförmig-elliptisch mit stumpfem oder spitzem oberen Ende, die Oberseite besitzt drei bis sieben Längslamellen. Die Säule ist aufrecht, meist mit zwei schmalen, seitlichen Flügeln. Das Staubblatt ist aufrecht, herabklappbar, zweifächerig, mit zwei jeweils zweiteiligen, körnig-mehligen, ungestielten Pollinien, denen die Klebdrüsen (Viscidien) fehlen. Die Narbe ist konkav und gerundet, ohne ausdifferenziertes Rostellum.[2]

Die Kapselfrüchte sind aufrecht, länglich und enthalten viele Samen.[3] Die Samen sind flach und netznervig mit verbreiterten Maschen.[2][3]

Ökologie

Bearbeiten

Bei Cephalanthera-Arten handelt es sich um autotrophe oder voll myko-heterotrophe Rhizom-Geophyten. Über Adventivknospen kann eine vegetative Vermehrung erfolgen.[1]

Einige Arten sind selbstbestäubend.[2]

 
Cephalanthera austiniae
 
Cephalanthera falcata
 
Cephalanthera longibracteata
 
Cephalanthera ×schulzei

Systematik und Verbreitung

Bearbeiten

Taxonomie

Bearbeiten

Die Gattung Cephalanthera wurde im Jahr 1818 durch den französischen Botaniker Louis Claude Marie Richard in Mémoires du Museum d'Histoire Naturelle, Band 4, Seite 51 aufgestellt.[5][6] Der Gattungsname Cephalanthera setzt sich aus den altgriechischen Wörtern κεφαλή kephalē für „Kopf“ und ἀνθηρός anthērós für „blühend“ zusammen und weist darauf hin, dass die Anthere der Columna wie ein Kopf aufsitzt. Synonyme für Cephalanthera Rich. sind: Callithronum Ehrh., Dorycheile Rchb., Eburophyton A.Heller, Lonchophyllum Ehrh., Tangtsinia S.C.Chen, Xiphophyllum Ehrh.[5]

Arten und ihre Verbreitung

Bearbeiten

Das Verbreitungsgebiet erstreckt sich hauptsächlich in Nordafrika und Eurasien. Eine von drei mykotrophen Arten kommt aus dem westlichen Nordamerika.

Die Gattung Cephalanthera enthält seit 2023 etwa 20 Arten:[5]

Europa, Nordafrika und Vorderasien

Bearbeiten

Ostasien

Bearbeiten

Nordamerika

Bearbeiten

Naturhybriden

Bearbeiten
  • Cephalanthera ×mayeri (E.Mayer & Zimmerm.) A.Camus (Cephalanthera damasonium × Cephalanthera rubra)
  • Cephalanthera ×otto-hechtii Keller (Cephalanthera longifolia × Cephalanthera rubra)
  • Cephalanthera ×renzii B.Baumann, H.Baumann, R.Lorenz & Ruedi Peter (Cephalanthera caucasica × Cephalanthera longifolia)
  • Cephalanthera ×schaberi H.Baumann (Cephalanthera epipactoides × Cephalanthera longifolia)
  • Cephalanthera ×schulzei E.G.Camus (Cephalanthera damasonium × Cephalanthera longifolia)
  • Cephalanthera ×taubenheimii H.Baumann (Cephalanthera damasonium × Cephalanthera kotschyana)

Bildergalerie

Bearbeiten
  1. a b c Helmut Baumann: Cephalanthera. In: Arbeitskreise Heimische Orchideen (Hrsg.): Die Orchideen Deutschlands, Verlag AHO Thüringen, Uhlstädt – Kirchhasel 2005, ISBN 3-00-014853-1, S. 242.
  2. a b c d e f g h i Xinqi Chen, Stephan W. Gale, Phillip J. Cribb: In: Wu Zheng-yi, Peter H. Raven, Deyuan Hong (Hrsg.): Flora of China. Volume 25: Orchidaceae. Science Press / Missouri Botanical Garden Press, Beijing / St. Louis 2009, ISBN 978-1-930723-90-0, S. 174–177 (englisch). (Cephalanthera Richard. - textgleich online wie gedrucktes Werk).
  3. a b c d e f g h i j k l m M. L. Alarcón & Carlos Aedo: Cephalanthera. In Santiago Castroviejo, Carlos Aedo, Alberto Herrero Nieto (Hrsg.): Flora Ibérica. Plantas Vasculares de la Península Ibérica e Islas Baleares. Vol. XXI. Smilacaceae–Orchidaceae. Real Jardín Botánico, CSIC, Madrid 2005, ISBN 84-00-08305-9, S. 54–58. (PDF) (span.)
  4. a b Charles J. Sheviak, Paul M. Catling: In Flora of North America Editorial Committee (Hrsg.): Flora of North America North of Mexico. Volume 26: Magnoliophyta: Liliidae: Liliales and Orchidales. Oxford University Press, New York / Oxford u. a. 2002, ISBN 0-19-515208-5, S. 583–584 (englisch). Cephalanthera Richard. - textgleich online wie gedrucktes Werk.
  5. a b c d e f g h i j k l m n o p q r Cephalanthera. In: POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science
  6. Cephalanthera bei Tropicos.org. Missouri Botanical Garden, St. Louis, abgerufen am 29. Oktober 2024.
  7. Ronald A. Coleman, Dieter H. Wilken & William F. Jennings, 2012: Datenblatt Cephalanthera In: Jepson Flora Project (Hrsg.): Jepson eFlora.

Weiterführende Informationen

Bearbeiten

Literatur

Bearbeiten
  • Fritz Füller: Epipactis und Cephalanthera (Orchideen Mitteleuropas, 5. Teil). 4. Auflage (unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1986). Westarp Wissenschaften, Hohenwarsleben 2005 (Die Neue Brehm-Bücherei, Band 329), ISBN 3-89432-310-8.
  • Rudolf Schlechter: Die Orchideen 4 Bd. & Regist. 3. Auflage (überarb. Senghas, K., 1985–2003).
  • Hans Sundermann: Europäische und mediterrane Orchideen. 2. Auflage. Brücke-Verlag, Hildesheim 1975, ISBN 3-87105-010-5.
  • J.G. Williams et al.: Orchideen Europas mit Nordafrika und Kleinasien. BLV Verlag, München 1979, ISBN 3-405-11901-4.
Bearbeiten
Commons: Waldvöglein (Cephalanthera) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien