Taschenbuch der Mathematik
Das Taschenbuch der Mathematik, umgangssprachlich meist als „Bronstein“ bezeichnet, ist ein mathematisches Nachschlagewerk, das auf dem russischsprachigen „Taschenbuch der Mathematik für Ingenieure und Studenten Technischer Hochschulen“ (Справочник по математике для инженеров и учащихся втузов) der sowjetischen Mathematiker Ilja Nikolajewitsch Bronschtein (Bronstein, 1903–1976, russisch Илья Николаевич Бронштейн)[1] und Konstantin Adolfowitsch Semendjajew (1908–1988, russisch Константин Адольфович Семендяев)[2] basiert.[3]
Inhalt und Umfang
BearbeitenHauptgegenstand ist die Darstellung der Mathematik in Definitionen, Beispielen und zahlreichen Tabellen. Das Buch zeichnet sich durch eine nahezu vollständige Auflistung aller analytisch auflösbaren Integrale, d. h. in geschlossener Form darstellbaren Stammfunktionen, aus.
Bronstein-integrabel
BearbeitenWegen der nahezu vollständigen Auflistung aller analytisch auflösbaren Integrale spricht man an Universitäten scherzhaft in Anlehnung an Begriffe wie Riemann-integrabel oder Lebesgue-integrabel auch von Bronstein-integrablen Funktionen, sofern deren Integral im Taschenbuch der Mathematik zu finden ist.[4][5][6]
Die Bestimmung der Integrale mit herkömmlichen Mitteln der Integralrechnung ist oft langwierig, weswegen in entsprechenden Lehrveranstaltungen auf den Bronstein verwiesen wird.
Geschichte
BearbeitenDie beiden Autoren verfassten das Werk 1939/40,[3] die sowjetische Erstausgabe des Справочник по математике для инженеров и учащихся втузов (Sprawotschnik po matematike dlja inschenerow i utschaschtschichsja wtusow) erschien dann 1945 (die Druckplatten waren während der Belagerung Leningrads verschollen, tauchten dann aber wieder auf). Die deutsche Übersetzung von Viktor Ziegler (1922–1980) erschien erstmals 1958 bei B. G. Teubner in Leipzig. Der westdeutsche Verlag Harri Deutsch führte das Taschenbuch ab der 3. Auflage (1961) in der DDR-Übersetzung.[7] In den 1970er Jahren wurde das Buch im Auftrag des Teubner Verlags unter Leitung von Ziegler und Günter Grosche (Universität Leipzig) durch Mathematiker in der DDR völlig neu bearbeitet. Die Neuausgabe erschien 1979 und seitdem in mehreren Auflagen. Damals wurde auch eine neue russische Ausgabe herausgebracht (1986 in 13. Auflage). Der sowjetische Verlag Nauka hatte 1967 die russischen Ausgaben mit der 11. Ausgabe auslaufen lassen, da er lieber ein US-amerikanisches Handbuch in Übersetzung herausbrachte, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.[8] Aufgrund seiner ausführlichen Darstellung gilt der „Bronstein“ als Standardwerk für die höhere Mathematik. Übersetzungen ins Englische und Japanische liegen vor.
1979 erschien ein Ergänzungsband, der sich u. a. mit der mathematischen Informationsverarbeitung befasst.
Das Werk wurde von anderen fortgesetzt und erscheint heute in zwei Verlagen (B. G. Teubner sowie Verlag Europa-Lehrmittel), wobei die Aufspaltung auf zwei Verlage ihre Wurzeln in der Teilung der beiden deutschen Staaten bzw. im Urheberrecht hatte.
Die vierbändige Ausgabe unter Leitung von Eberhard Zeidler bei Springer (übernommen von Teubner) ist eine völlige Neubearbeitung und geht von den behandelten Teilgebieten der Mathematik, dem Umfang und der Durchdringung her weit über den Inhalt des alten Bronstein hinaus.
Seit Mitte der 1990er Jahre wird der Bronstein von beiden Verlagen unabhängig voneinander weiterentwickelt, weshalb sich beide Ausgaben mittlerweile sehr unterscheiden. Dabei entspricht die Ausgabe des Verlags Europa-Lehrmittel (welcher 2013 Verlag Harri Deutsch übernommen hat[9][10]) am ehesten dem Original „Bronstein“, da sie auf der 1977 erschienenen russischen Originalausgabe im Verlag FIZMATLIT, Moskau, basiert.[11]
Ausgaben (Zusammenfassung)
BearbeitenEs existieren (Stand 2022) fünf Werke, die als Taschenbuch der Mathematik genutzt werden, davon drei in deutscher Sprache.
- Taschenbuch der Mathematik (Bronstein) – Hauptbuch in aktueller Auflage (11., 28. Juli 2020)
- Springer-Taschenbuch der Mathematik – Basierend auf Bronstein, angepasste Inhalte z. B. Finanzmathematik
- Teubner-Taschenbuch der Mathematik – Eigenständiges Werk
- Oxford user's guide to mathematics – Übersetzung des Teubner-TBM
- Handbook of Mathematics – Übersetzung, ähnlich Bronstein
Grundsätzlich kann man die Ausgaben den Herausgebern (Zeidler oder Musiol/Mühlig) zuordnen; jene Ausgaben haben Ähnlichkeiten, aber verschiedene Stände der Auflagen und damit auch Inhalte, siehe Details.
Ausgaben (Details)
BearbeitenTitel | Verlag | Herausgeber | Koautoren | Jahr | Auflage | Sprache | Inhaltsverzeichnis | Bemerkung | Referenz |
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Taschenbuch der Mathematik (Bronstein)[12] | Europa-Lehrmittel | Gerhard Musiol | H. Nickel
L. Marsolek J. Brunner et al. |
2020 | 11. | Deutsch |
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Ilʹja N. Bronštejn, Konstantin A. Semendjaev, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig: Taschenbuch der Mathematik (= Edition Harri Deutsch). 11., aktualisierte Auflage. Verlag Europa-Lehrmittel, Nourney, Vollmer, Haan-Gruiten 2020, ISBN 978-3-8085-5792-1. |
Springer-Taschenbuch der Mathematik[15] | Springer Spektrum | Eberhard Zeidler | Weitergeführt von: Günter Grosche, V. Ziegler[16] und D. Ziegler[3] Koautoren:
Hans Rudolf Schwarz et al. |
2013 | 3. (Taschenbuch) | Deutsch |
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Taschenbuch:[15]
Einzelbände (I–IV):
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Teubner-Taschenbuch der Mathematik[18] | Springer | Eberhard Zeidler | Wolfgang Hackbusch Hans Rudolf Schwarz | 2003 | 2. | Deutsch |
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W. Hackbusch, H. R. Schwarz, E. Zeidler: Teubner-Taschenbuch der Mathematik. Hrsg.: Eberhard Zeidler. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-322-96782-4 (springer.com [abgerufen am 10. Januar 2022]). |
Oxford user's guide to mathematics[19] | Oxford | Eberhard Zeidler | Wolfgang Hackbusch | 2003
(Reprint 2013)[20] |
Unbekannt | Englisch |
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Eberhard Zeidler (Hrsg.): Oxford user's guide to mathematics. Oxford University Press, Oxford 2013, ISBN 978-0-19-968692-6. |
Handbook of Mathematics[21] | Springer | Gerhard Musiol Heiner Mühlig | H. Nickel
L. Marsolek J. Brunner et al. |
2015 | 6. | Englisch |
|
I. N. Bronshtein, K. A. Semendyayev, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig: Handbook of Mathematics. Springer, Berlin/ Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-46220-1 (springer.com [abgerufen am 10. Januar 2022]). |
Siehe auch
BearbeitenWeblinks
Bearbeiten- Hans-Joachim Girlich: Von Pascals Repertorium zum Springer-Taschenbuch der Mathematik. (PDF; 2,9 MB)
- Jonathan M. Borwein: The Oxford users' guide to mathematics siam review. 2005. (englisch, PDF; 0,3 MB)
- Bronshteĭn, I. N./Semendjajev, K. A. & Beckmann, P. (1985): Handbook of mathematics. Thun; Frankfurt am Main; New York [u. a.]: VanNostrand Reinhold, 1985.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Bronstein arbeitete an der Moskauer Staatlichen Technischen Universität MAMI, Geschichte des Lehrstuhls der Mathematik an der MAMI (russisch) ( vom 3. April 2016 im Internet Archive)
- ↑ Semendjajew arbeitete unter anderem in der Abteilung Angewandte Mathematik des Steklow-Instituts in Moskau. Er leistete Pionierarbeit in der numerischen Wettervorhersage in der Sowjetunion. Russische Biographie (PDF).
- ↑ a b c Dorothea Ziegler: Der „Bronstein“.
- ↑ Mathe-Lexikons WH54: Bronstein integrierbar. Abgerufen am 20. April 2020.
- ↑ Dietrich Paul: Was ist an Mathematik schon lustig? Vieweg+Teubner Verlag, 2011, ISBN 978-3-8348-0466-2, S. 32.
- ↑ Jürgen Beetz: 1+1=10: Mathematik für Höhlenmenschen. Springer Spektrum, Berlin/ Heidelberg 2013, ISBN 978-3-8274-2927-8, S. 259.
- ↑ Nachweis im gateway bayern (eingesehen am 29. Juli 2024)
- ↑ Das US-amerikanische Buch war: Granino A. Korn, Theresa M. Korn: Mathematical Handbook for Scientists and Engineers. McGraw Hill, New York 1961. Es wurde auch bei Dover neu aufgelegt.
- ↑ Europa-Lehrmittel übernimmt Verlagsrechte. Abgerufen am 10. Januar 2022.
- ↑ Verlag Harri Deutsch gibt aktives Verlagsgeschäft auf / Europa Lehrmittel übernimmt | BuchMarkt. 17. Mai 2013, abgerufen am 10. Januar 2022 (deutsch).
- ↑ a b Ilja N. Bronstein, Konstantin A. Semendjajew: Taschenbuch der Mathematik. 5., überarb. und erw. Auflage. unveränd. Nachdr. Deutsch, Thun 2001, ISBN 3-8171-2005-2.
- ↑ Ilʹja N. Bronštejn: Taschenbuch der Mathematik. 11., aktualisierte Auflage. Haan-Gruiten 2020, ISBN 978-3-8085-5792-1.
- ↑ Ilʹja N. Bronštejn, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig: Taschenbuch der Mathematik. 7., vollst. überarb. und erg. Auflage. Frankfurt am Main 2008, ISBN 978-3-8171-2017-8.
- ↑ I. N. Bronshtein, K. A. Semendyayev, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig: Handbook of Mathematics. Springer, Berlin/ Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-46220-1, doi:10.1007/978-3-662-46221-8 (springer.com [abgerufen am 10. Januar 2022]).
- ↑ a b Springer-Taschenbuch der Mathematik. Springer Fachmedien, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-8351-0123-4, doi:10.1007/978-3-8348-2359-5 (springer.com [abgerufen am 10. Januar 2022]).
- ↑ Ziegler Viktor. Abgerufen am 10. Januar 2022.
- ↑ Ilʹja N. Bronštejn, Wolfgang Hackbusch, Eberhard Zeidler: Springer-Taschenbuch der Mathematik. 3., neu bearb. u. erw. Auflage. Springer Spektrum, Wiesbaden 2013, ISBN 978-3-8348-2359-5.
- ↑ W. Hackbusch, H. R. Schwarz, E. Zeidler: Teubner-Taschenbuch der Mathematik. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2003, ISBN 3-322-96782-4, doi:10.1007/978-3-322-96781-7 (springer.com [abgerufen am 10. Januar 2022]).
- ↑ a b Eberhard Zeidler, W. Hackbusch, Hans Rudolf Schwarz, Bruce Hunt: Oxford user's guide to mathematics. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-850763-1.
- ↑ Oxford Users' Guide to Mathematics. Oxford University Press, Oxford, New York 2013, ISBN 978-0-19-968692-6 (oup.com [abgerufen am 10. Januar 2022]).
- ↑ I. N. Bronshteĭn, K. A. Semendi︠a︡ev, Gerhard Musiol, Heiner Mühlig: Handbook of mathematics. 6. Auflage. Heidelberg 2015, ISBN 978-3-662-46221-8.