Stiftung Sammlung E. G. Bührle

Kunstsammlung in Zürich (Schweiz)

Die Stiftung Sammlung E. G. Bührle wurde von den Erben des Waffenproduzenten Emil Georg Bührle eingerichtet, um wesentliche Teile seiner Kunstsammlung der Öffentlichkeit zu zeigen. Von 1960 bis 2015 konnten diese Werke in einem eigenen Haus in der Zollikerstrasse in Zürich besichtigt werden. Seit dem 9. Oktober 2021 werden sie im Kunsthaus Zürich in einem neu erstellten Erweiterungsbau von David Chipperfield ausgestellt.

In Räumen mit Oberlicht werden im zweiten Obergeschoss auf 960 Quadratmeter Ausstellungsfläche die Kunstwerke der Sammlung seit Oktober 2021 mit einem Jahr Unterbruch präsentiert.

Geschichte

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Emil Bührle starb 1956 ohne ein Testament oder eine entsprechende Verfügung zu hinterlassen. Der seinerzeit reichste Schweizer hinterliess einen Nachlass, der auf 250 Millionen Franken geschätzt wurde.[1] Hierzu gehörte eine bedeutende Kunstsammlung, die er für etwa 38,5 Millionen Franken erworben hatte. Sie machte demnach nur einen kleinen Teil des Vermögen aus. Erst später entwickelten sich am Kunstmarkt enorme Preissteigerungen, sodass sich der Wert der Kunstsammlung in den Folgejahrzehnten vervielfachte.

Seine umfangreiche Kunstsammlung erbten seine Ehefrau Charlotte Bührle sowie seine Kindern Dieter Bührle und Hortense Anda-Bührle. Es blieb zunächst unklar, was nach Bührles Tod mit seiner Kunstsammlung geschehen sollte. Bereits zu Lebzeiten hatte er zwar dem Kunsthaus Zürich verschiedene Kunstwerke geschenkt, so 1949 einen Bronzeguss des Höllentors von Auguste Rodin, 1952 die beiden grossen Seerosenbilder von Claude Monet und 1956 ein vormals Tizian und nunmehr Callisto Piazza zugeschriebenes Bildnis eines Herrn mit Hund, eine Schenkungsabsicht bezüglich seiner Sammlung an das Kunsthaus ist hingegen nicht bekannt. In einem Vortrag von 1954 hatte er jedoch erklärt, dass zur Eröffnung des von ihm mit sieben Millionen Franken[2] finanzierten Anbaus des Kunsthauses, dort seine Kunstsammlung gezeigt werden solle.[3] 1958 wurde der Anbau entsprechend mit einer Schau von 321 Werken der Sammlung Bührle eröffnet.[4] Anschliessend gingen die Werke an die Erben zurück.[5] Zur Zürcher Ausstellung erschien im deutschen Nachrichtenmagazin Der Spiegel ein Artikel über Bührle und seine Sammlung. Darin wurde seine Rolle als Rüstungsindustrieller zusammenfassend beschrieben: „Bührle lieferte seine Kanonen während des Zweiten Weltkrieges an jeden, der sie bezahlen konnte, sowohl an die Achsenmächte als auch an die Alliierten.“ Zudem wies der Artikel bei einigen Altmeistergemälden auf problematische Zuschreibeungen hin.[6] Vor dem Hintergrund des Artikels waren zwei im selben Jahr in Deutschland geplante Ausstellungen mit Werken der Sammlung zunächst gefährdet, entsprechende Bedenken konnten aber nach Kontakten zwischen der Familie und dem Berliner Museumsdirektor Leopold Reidemeister sowie Senator Joachim Tiburtius ausgeräumt werden. Schliesslich zeigte die Famlie eine Auswahl von 77 Werken im Berliner Schloss Charlottenburg und anschliessend eine Auswahl von 180 Werken im Münchner Haus der Kunst.[7]

Schwerpunkt der Sammlung Bührle waren Werke ausländischer Künstler vom Barock bis zum 20. Jahrhundert. Weiterhin sammlete er spätmittelalterliche Skulpturen. Allein in diesen Sammelgebieten erwarb er 633 Kunstwerke, den Grossteil davon im Zeitraum von 1951 bis 1956.[8] Hinzu kamen rund 100 Werke Schweizer Künstler[9] sowie Arbeiten des Kunsthandwerks und antike Objekte, die jedoch nicht Eingang in die spätere Bührle-Stiftung fanden. Zwischenzeitlich erworbene 110 Altmeistergemälde der Sammlung Han Coray hatte Bührle von der Sammlung getrennt bis 1949 wieder verkauft.[10]

Die Erben verkauften in den ersten Jahren nach Bührles Tod einigen Werke, so von Paul Signac das bedeutende Bildnis Felix Fénéon (heute Museum of Modern Art, New York) und ein Seerosenbild von Claude Monet (Privatbesitz), kauften aber im Gegenzug drei Altmeistergemälde hinzu. Von den 633 Werken ausländischer Kunst und mittelalterlicher Skulptuen waren nach Veräusserungen, Tauschgeschäften und Schenkungen durch Emil Bührle und seinen Erben noch 563 Werke im Bestand, als 1960 die Stiftung Sammlung E.G. Bührle gegründet wurde. Die Erben einigten sich auf eine Aufteilung der Sammlung zwischen der Familie und der neuen Stiftung. Hierbei wurde die Familie vom Kunsthändler Arthur Kauffmann beraten.[11] Die Werke der Stiftung sollten dabei „den Charakter der von Herrn Emil Georg Bührle geschaffenen Sammlung in konzentrierter Form wiedergeben“.[12] Insgesamt erhielt die Stiftung 225 Kunstwerke, davon galten 198 als unveräusserlich, 27 Werke sollten als verkäufliche Werke dem Unterhalt der Stiftung dienen.[13] Die Erbengemeinschaft erhielt 338 Objekte. Quantitativ machte der Anteil der Werke der Stiftung zwei Fünftel aus, gemäß den Schätzungen von Kauffmann betrug der Wert jedoch 60 Prozent der Sammlung.[14] Bis 2016 verkaufte die Stiftung 25 der dafür vorgesehenen Kunstwerke, zudem auch einige von den zunächst als unveräusserlich geltenenden Werken. Die Erben überliessen der Stiftung darüber hinaus in den Folgejahren weitere Werke zum Verkauf. Dem stehen drei Werke gegenüber, die die Stiftung mit vorherigen Veerkaufserlöen auf dem Kunstmarkt hinzu gekauft hat.

Zwar gingen bei der Aufteilung zahlreiche bedeutende Werke in den Besitz der Stiftung über, jedoch behielten auch die Erben wichtige Werke in ihrem Besitz. So gelangte das Gemälde Die geheimnisvolle Quelle von Paul Gauguin in das Eigentum der Tochter Hortense, während der Sohn Dieter das Kornfeld mit Zypresse von Vincent van Gogh erbte. Er verkaufte das Gemäldevan Goghs 1993 für 57 Millionen US-Dollar an den Sammler Walter Annenberg, der es dem Metropolitan Museum of Art überliess.[15] Allein dieses Bild erzielte am Kunstmarkt mehr, als der Wert, auf den gesamte Sammlung nach dem Tod des Sammlers geschätzt wurde. Im Besitz der Erben blieben auch zahlreiche bis 1945 getätigten Ankäufe, da sie meist in den Wohnräumen der Familie hingen, während spätere Erwerbungen überwiegend im Depot des Sammlers untergebracht waren. Vor diesem Hintergrund scheitere Kauffmann in seinen Bemühungen die bedeutende Landschaftsdarstellung Montagne Sainte-Victoire von Cézanne in die Stiftung zu überführen und auch ein Stillleben des Künstlers, dass im Esszimmer des Sammlers hing, sollte im Besitz der Erben verbleiben.[16] Nach dem Tod des Sohnes Dieter Bührle erhielt die Stiftung 2016 nochmals einen Zuwachs von zehn Gemälden[17], sodass sich der Bestand auf 203 Werke erhöhte. Dies entspricht einem Drittel der von Bührle in diesem Sammlungsbereich ursprünglich erworbenen Werke.[18]

Die rechtlich selbstständige Stiftung hat laut Satzung die Aufgabe, die darin aufgeführten Kunstwerke „der Stadt Zürich als Ganzes zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.[19] Dem ersten Stiftungrat gehörten neben den Familienmitgliedern der Kunsthistoriker Erwin Gradmann und Regierungsrat Rudolf Meier an.[20] Präsidentin der Stiftung war zunächst Bührles Witwe Charlotte, danach bis zu ihrem Tod 2014 Bührles Tochter Hortense. Ihr Nachfolger als Präsident des Stiftungsrates war Christian Bührle, ein Enkel von Emil Georg Bührle. Seit 2021 steht der Rechtsanwalt Alexander Jolles den Stiftungsrat vor.[21] Direktor der Stiftung war von 2002 bis Ende 2021 Lukas Gloor.[22] Die Vereinbarung mit dem Kunsthaus Zürich vom 28. Mai 2012 zur Überlassung der Sammlung unterzeichneten die beiden Kinder des Sammler Hortense Anda-Bührle und Dieter Bührle sowie die Enkelkinder Gratian Anda, Christian Bührle und Carol Franz-Bührle.[23]

 
Ehemaliges Ausstellungshaus der Sammlung Bührle in der Zollikerstrasse 172 in Zürich (2007)

Seit April 1960 wurden die Werke der Stiftung neben dem ehemaligen Wohnhaus Bührles in einer Villa in der Zollikerstrasse 172 in Zürich gezeigt. Darüber hinaus stellte die Stiftung Sammlungsteile in verschiedenen Ausstellungen aus. Unter dem Titel Masterpieces of French Painting from the Bührle Collection waren Werke der Stiftung zusammen mit Arbeiten aus dem Besitz der Familie in der Royal Scottish Academy in Edinburgh und in der National Gallery in London zu sehen.[24] Es folgte eine Präsentation mit Werken der Stiftung und aus Familienbesitz im Kunstmuseum Luzern.[25] Weiterhin war eine Auswahl der Werke der Stiftung Teil der Ausstellung Chefs d’œuvre de collections suisses de Manet à Picasso im Palais de Beaulieu im Rahmen der Expo 64 in Lausanne.[26] 1990 startete eine Ausstellungstournee mit Werken der Stiftung und ergänzt durch Bilder aus dem Besitz der Familie Bührle in der National Gallery of Art in Washington, D.C. Die unter dem Titel The Passionate Eye. Impressionist and other Master Paintings from the E.G. Bührle Collection gezeigte Schau war anschliessend bis 1991 auch im Musée des beaux-arts de Montréal, der Royal Academy of Arts in London und im Yokohama Museum of Art zu sehen.[27]

Am 10. Februar 2008 erbeuteten bewaffnete Räuber vier Gemälde im Gesamtwert von geschätzten 180 Millionen Franken: Der Knabe mit der roten Weste von Paul Cézanne, Blühende Kastanienzweige von Vincent van Gogh, Mohnfeld bei Vétheuil von Claude Monet und Ludovic Lepic und seine Töchter von Edgar Degas aus dem Ausstellungshaus der Sammlung Bührle in der Zollikerstrasse 172 in Zürich. Es war der bis dato wohl größte Kunstraub Europas.[28] Am 18. Februar 2008 fand die Polizei zwei Bilder (jene von van Gogh und Monet) in einem Auto mit gestohlenen Kennzeichen auf dem Parkplatz der Psychiatrischen Klinik Burghölzli unbeschädigt wieder auf und konnte diese dem Museum zurückgeben. Die beiden anderen Bilder blieben derweil verschwunden. Ob für die Bilder ein Lösegeld bezahlt wurde, war unklar.[29][30] Am 11. April 2012 wurde in Belgrad Cézannes Knabe mit der roten Weste wieder aufgefunden.[31] Am 27. April 2012 teilte die Staatsanwaltschaft Zürich mit, das Bild Ludovic Lepic und seine Töchter sei bereits mehrere Monate zuvor nach Zürich zurückgeführt worden.[32][33]

2010 stellte die Stiftung ihren gesamten Bestand – bis auf die gestohlenen Bilder von Cézanne und Degas – im Bührle-Saal des Kunsthauses Zurich aus. Unter dem Titel Van Gogh, Monet, Cézanne – die Sammlung Bührle zu Gast im Kunsthaus Zürich zog die Schau 130'000 Beuscher an. In einem Dokumentatiosraum der Ausstellung wurden die Biografie des Sammlers vorgestellt und erste Hinweise zu den Provenienzen aufgezeigt.[34] Die Schau diente auch zur Vorbereitung der Volksabstimmung 2012 über den Erweiterungsbau des Kunsthauses.[35] 2015 wurde das Mueum der Stiftung in der Zollikerstrasse geschlossen. Als Grund hierfür wurde fehlender Brand- und Diebstahlschutz genannt.[36] Aus dem Vermächtnis des verstorbenen Sohnes Dieter Bührle erhielt die Stiftung 2016 zehn weitere Gemälde, darunter das Bildnis Emil Bührle von Oskar Kokoschka.[37] Im selben Jahr lieh die Stiftung zahlreiche Werke für die Ausstellung Von Dürer bis van Gogh – Sammlung Bührle trifft Wallraf an das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud in Köln aus.[38] 2017 zeigte die Stiftung eine grosse Werkgruppe der Sammlung in der Ausstellung Chefs d’œuvre de la collection Bührle. Manet, Cézanne, Monet, van Gogh... in der Fondation de l’Hermitage in Lausanne.[39] Es folgte 2018 eine Japantournee mit Werken der Stiftung im Nationalen Kunstzentrum in Tokio, im Nationalmuseum Kyushu in Fukuoka und im Nagoya City Art Museum in Nagoya. Die Ausstellung wurde an den drei Stationen von insgesamt 800.000 Besuchern gesehen.[40] 2019 folgte die erste grössere Präsentation der Sammlung Bührle in Paris. In der Ausstellung im Musée Maillol waren 56 Gemälde und die Skulptur Kleine vierzehnjährige Tänzerin von Edgar Degas zu sehen.[41]

Im Oktober 2021 erfolgte der Umzug der Sammlung Bührle in den neu errichteten Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich. Im November 2012 hatte das Zürcher Stimmvolk zugestimmt, den Neubau mit 88 Millionen Schweizer Franken mitzufinanzieren.[42] Der entsprechende Entwurf des Architekten David Chipperfield aus dem Jahr 2010 sah zwölf Prozent der Nutzfläche des Neubaus für die Sammlung Bührle vor.[43]

Kontroversen zur Herkunft von Kunstwerken

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Noch vor Beendigung des Zweiten Weltkrieges 1945 fahndete der britische Offizier Douglas Cooper in der Schweiz nach Raubkunst aus dem von Deutschland besetzten Frankreich. Aus diesen Ermittlungen resultierte eine Liste mit 77 Kunstwerken, davon etwa die Hälfte aus dem Besitz des Kunsthändlers Paul Rosenberg. Zur Klärung der Ansprüche der französischen Vorbesitzer richtete der Schweizer Bundesrat im Dezember 1945 eine Raubgutkammer am Schweizer Bundesgericht ein. Nach einem vielbeachteten Musterprozess über 37 Werke aus dem Besitz Paul Rosenbergs wurden Emil Bührle und sechs weitere Angeklagte am 3. Juni 1948 zur Rückgabe der Kunstwerke verurteilt. Bührle war hiervon mit sechs Gemälden und einer Zeichnung betroffen.[44] Weiterhin musste Bührle sieben Werke aus den Privatsammlungen Alphonse Kann, Moïse Lévy de Benzion, Alfred Lindon und Alexandrine de Rothschild zurückgeben. Durch Verhandlungen mit Rosenberg und den Kunstsammlern oder deren Erben gelang es Bührle neun der 13 Werke erneut – diesmal legal – zu erwerben.[45] Anschliessend versuchte Bührle bei den Schweizer Kunsthändlern, die ihm die Werke verkauft hatten, den ursprünglichen Kaufpreis zurückzubekommen. Dies gelang ihm zumindest teilweise. Mit Urteil vom 5. Juli 1951 musste der Kunsthändler Theodor Fischer über 680'000 Franken an Bührle erstatten. Von den neun nach Restitution zurückgekauften Werken befinden sich heute acht Werke in der Sammlung der Stiftung.[46]

Der Autor Erich Keller wies darauf hin, dass Emil Georg Bührle einige gotischen Skulpturen bei Benno Griebert erwarb, der Mitglied der NSDAP war und als überzeugter Nationalsozialist gegolten habe.[47] Der Kauf der Skulpturen erfolgte zwischen 1951 und 1956. Sechs der von Griebert erworbenen Skulpturen gehören heute zum Bestand der Stiftung.[48] Bezüglich des seit 1941 in der Sammlung Bührle befindlichen Monet-Bildes Mohnfeld bei Vétheuil besteht wegen seiner Provenienz der Verdacht, es sei in den Jahren 1940/1941 Gegenstand eines möglicherweise fragwürdigen Geschäfts zwischen Bührle und dem nach Südamerika emigrierten Erben des jüdischen Kaufmanns Max Emden gewesen.[49] Eine Anzahl weiterer Bilder hat eine ungeklärte Provenienz, es kann sich bei ihnen ebenfalls um Raubkunst oder Fluchtgut handeln.[50][51] Provenienzforscherin Laurie A. Stein arbeitet für die Stiftung seit 2002.[52]

Am 14. Juni 2024 verkündete die Stiftung Bührle in einer Medienmitteilung, dass sie fünf Bilder der Sammlung aus der Ausstellung im Erweiterungsbau des Kunsthauses Zürich entfernen werde und dass sie bestrebt sei, «für diese Werke, den ‹Best Practices› folgend, nach einer fairen und gerechten Lösung mit den Rechtsnachfolgern der ehemaligen Besitzer zu suchen.» Hierzu gehörten aus der Sammlung von Walter Feilchenfeldt die Bilder Georges-Henri Manuel von Henri de Toulouse-Lautrec und Der alte Turm von Vincent van Gogh, Aus der Sammlung Lisbeth Malek-Ullstein das Gemälde Der Bildhauer Louis-Joseph Leboeuf von Gustave Courbet, aus der Sammlung Franz Ullstein Monets Garten in Giverny von Claude Monet und aus der Sammlung Richard Semmel das Werk Die Strasse von Paul Gauguin. Zudem sei die Bührle-Stiftung bereit, für das Bild La Sultane von Édouard Manet aus dem Besitz von Max Silberberg eine symbolische Entschädigung zu leisten.[53] Obwohl diese Vorgehensweise durch die Stiftung Sammlung Emil G. Bührle im Widerspruch zum Dauerleihvertrag zwischen ebendieser und der Zürcher Kunstgesellschaft steht, konnten die Verantwortlichen die Bilder im Einvernehmen mit dem Kunsthaus Zürich abhängen.[23] Bereits 2021 hatte sich Walter Feilchenfeldt junior, Sohn eines Vorbesitzers, zur möglichen Restitution eines Kunstwerks aus dem vormaligen Besitz der Familie geäussert und erklärte: „Ich fände es aber völlig unmoralisch, das Bild zurückzufordern“. Er betonte, dass seine Eltern Bührle dankbar gewesen seien: „Das erhaltene Geld war für meine Eltern von existenzieller Bedeutung.“ Zudem hob er hervor: „Das war ein rechtmässiger Verkauf, Bührle hat einen korrekten Preis bezahlt.“ Feilchenfeldt geht davon aus, dass dies auch in den meisten anderen Fällen der Fall gewesen sei.[54]

Sammlung

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Der Kunsthistoriker Thomas W. Gaehtgens bezeichnete Bührle als einen „der profiliertesten Sammler des 20. Jahrhunderts“ und lobte die „durchgängig erlesene Qualität der Werke“, die sich im Besitz der Stiftung Sammlung E.G. Bührle befinden.[55] Bührle selbst wies 1954 in seinem an der Universität Zürich gehaltenen Vortrag Vom Werden meiner Sammlung auf seine erste Begegnung mit Werken von Édouard Manet, Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir, Edgar Degas und Paul Cézanne hin, die er 1913 in der Nationalgalerie in Berlin gesehen hatte. Hierbei entstand der Wunsch, solche Werke einmal selbst zu besitzen.[56] Die ersten entsprechenden Ankäufe – eine Zeichnung von Degas und ein Stilllebengemälde von Renoir – folgten jedoch erst 1934, als Bührle entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung standen.[57] Bis zu seinem Tod 1956 gelang es Bührle zahlreiche Werke des Impressionismus und des Spätimpressionismus zu erwerben, von denen später eine große Gruppe in den Besitz der Stiftung Bührle überging. Zu den herausragenden Gemälden dieser Stile gehören Degas' Madame Camus am Klavier, Renoirs Porträt von Irène Cahen d’Anvers und Zwei Mädchen und Manets Der Selbstmörder und Im Garten der Villa Bellevue. Hinzu kommen von Cézanne das Selbstbildnis mit Palette, Madame Cézanne mit dem Fächer und Der Knabe mit der roten Weste, von Pierre Puvis de Chavannes Der verlorene Sohn, von Paul Signac Die Hutmacherinnen, von Vincent van Gogh neben dem Frühwerk Kopf einer Bäuerin die späteren Arbeiten Die Seine-Brücken von Asnières, Sebstbildnis, Kastanienzweig und Der Sämann sowie von Paul Gauguin neben dem Frühwerk Die Strasse auch das späte Südseemotiv Die Opfergabe.

Bührle entwicketle seine Sammlung später auf nachfolgende Stile weiter bis hin zu den Werken der Fauves und des Kubismus. Zu den bekannten Gemälden des 20. Jahrhunderts in der Sammlung gehören Liegender Akt von Amedeo Modigliani, Lastschiff auf der Seine bei Le Pecq von Maurice de Vlaminck, Interieur von André Derain, Das Paar in der Loge von Georges Rouault und Jahrmarkt von Raoul Dufy. Hinzu kommen Der Hafen von L’Estaque und Violinspieler von Georges Braque sowie Blumen und Zitronen und Die Italienerin von Pablo Picasso.

Die französische Malerei des 19. Jahrhunderts vor dem Impressionismus ist ebenso mit beduetenden Werken im Bestand der Stiftung vertreten. So gibt es von Jean-Auguste-Dominique Ingres das Bildnis Hippolyte-François Devillier, von Henri Fantin-Latour ein Selbstbildnis mit Palette, von Jean-Baptiste Camille Corot Das lesende Mädchen, von Eugène Delacroix das Motiv Christus auf dem See Genezareth, von Gustave Courbet das Bildnis eines Mannes und von Honoré Daumier Die zwei Advokaten.

Als Bührle seine Sammlung aufbaute, wurden Altmeistergemälde deutlich höher bewertet als Werke des Impressionismus und nachfolgender Stile. Die hohen Preise und auch die geringe Verfügbarkeit der Werke auf dem Kunstmarkt führten dazu, dass der Sammler erst spät und im geringer Zahl Werke älterer Malerei erwarb. Sein besonderes Interesse galt niederländischen Barockmalern wie Frans Hals und Rembrandt van Rijn. Während er von Hals ein bedeutendes Herrenbildnis erwerben konnte, das sich heute im Bestand der Stiftung befindet, schlugen seine Bemühungen bei Rembrandt mehrmals fehl. Ein seinerzeit von Experten gelobtes und von Bührle 1945 hochbezahltes Selbstbildnis Rembrandts[58] erwies sich wenige Jahre später als falsche Zuschreibung. Das Bild gehört heute zum Bestand der Stiftung, wird dort jedoch als zu verkaufendes Werk geführt.[59] Weiterhin beindet sich in der Sammlung ein als «Rembrandt» bezeichnetes Jagdstillleben mit Rohrdommel sowie vom Rembrandtschüler Govert Flinck das Bildnis Dame im orientalischem Kostüm. Hinzu kommen Gemälde von anderen holländischen sowie flämischenn Künstlern der Zeit wie Das Innere von St. Baco in Haarlem von Pieter Jansz. Saenredam, Gewitter über Dordrecht von Aelbert Cuyp, Landschaft mit rastendem Wanderer von Philips Koninck, Der Besuch von Gerard ter Borch und Flussufer mit Dorf von Salomon van Ruysdael. Weitere Werke älterer Kunst in der Sammlung der Stiftung sind die Geburt Mariä von El Greco und das Das Bad der Diana von Giambattista Tiepolo. Des Weiteren gibt es die Venedigansichten Die Bucht von San Marco von Francesco Guardi sowie Santa Maria della Salute und Canal Grande von Canaletto. Der befreundete deutsch-britische Kunsthändler Arthur Kauffmann beriet ihn schließlich beim Kauf von spätmittelalterlichen Skulpturen, von denen sich eine Gruppe im bestand der Stiftung befindet.[60]

Literatur

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Commons: Sammlung E.G. Bührle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 213.
  2. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  3. Emil Georg Bührle: Vom Werden meiner Sammlung, Redemanuskript. In Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 305.
  4. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  5. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 203.
  6. [https://www.spiegel.de/politik/grosse-kaliber-a-8236a05b-0002-0001-0000-000041761961 Große Kaliber. Artikel in Der Spiegel vom 22. Juli 1958.
  7. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  8. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 35.
  9. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 36.
  10. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 253.
  11. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  12. Auszug aus der Stiftungsurkunde. In Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 213.
  13. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  14. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  15. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 220.
  16. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 210.
  17. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 238.
  18. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 36.
  19. Eintrag zur Stiftung Sammlung E.G. Bührle stiftungschweiz.ch
  20. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 216.
  21. Informationen zum Stiftungsrat auf der Website stiftungschweiz.ch.
  22. Der Streit um die Bührle-Sammlung: Das müssen Sie wissen, Beitrag im SRF vom 17.aa.2021,
  23. a b Neue Vereinbarung zwischen Zürcher Kunstgesellschaft und Stiftung Sammlung E. G. Bührle ersetzt Vertrag 2012. Kunsthaus Zürich, Sammlung Emil Bührle, 24. Februar 2022, abgerufen am 29. Juni 2024 (Medienmitteilung, mit Werkverzeichnis sowie altem und neuem Vertrag im Anhang; PDF; 12,4 MB).
  24. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 216.
  25. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 216.
  26. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 216.
  27. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 219.
  28. Tages-Anzeiger, 11. Februar 2008: Der wohl grösste Kunstraub Europas. (Memento vom 5. Mai 2008 im Internet Archive)
  29. Tages-Anzeiger, 19. Februar 2008: Bilder auf Parkplatz entdeckt.
  30. Tages-Anzeiger, 19. Februar 2008: Rätseln über wiedergefundene Raubbilder.
  31. Gestohlener Cézanne in Belgrad aufgespürt. In: Neue Zürcher Zeitung online, abgerufen am 12. April 2012.
  32. Alle vier gestohlenen Bührle-Bilder zurück. NZZ vom 27. April 2012.
  33. Ermittlungen im Bührle-Raub – Zürcher Polizisten als Porno-Unternehmer in Mafia eingeschleust. SRF DOK vom 24. März 2023.
  34. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 234.
  35. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 234.
  36. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 238.
  37. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 238.
  38. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 238.
  39. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 238.
  40. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 240.
  41. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 240.
  42. Jvo Cukas: Kunsthaus-Erweiterung: Zürcher sagen Ja zum Ausbau. In: Tages-Anzeiger Online / Newsnet. 26. November 2012, abgerufen am 15. April 2013.
  43. Kunsthaus-Erweiterung (Memento des Originals vom 4. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.kunsthaus.ch auf der Website des Kunsthauses Zürich, abgerufen am 11. April 2012.
  44. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 95.
  45. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 97.
  46. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 258–262.
  47. Erich Keller: Das Kontaminierte Museum. 2021.
  48. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 284–288.
  49. Monets Mohnfeld mit Erblast. swissinfo.org, 27. Februar 2008.
  50. Thomas Buomberger, Guido Magnaguagno (Hrsg.): Schwarzbuch Bührle. Raubkunst für das Kunsthaus Zürich? Rotpunkt, Zürich 2015, ISBN 978-3-85869-664-9; Guido Magnaguagno: Altlasten im Neubau. In: Tages-Anzeiger vom 21. August 2015, abgerufen am 30. August 2015.
  51. Christoph Heim: Überprüfung der Sammlung Bührle: Bührle kaufte vorzugsweise aus jüdischen Sammlungen. Tagers-Anzeiger online, 28. Juni 2024.
  52. http://www.buehrle.ch/provenance.php?lang=de
  53. Victor Schmid: Medienmitteilung Sammlung Emil Bührle In: Kunsthaus Zürich, 14. Juni 2024, abgerufen am 29. Juni 2024.
  54. Rico Bandle: «Ich fände es völlig unmoralisch, das Bild zurückzufordern». Artikel in der SonntagsZeitung vom 20. November 2021.
  55. Thomas W. Gahtgens: Der künstlerische Blick: Emil Bührles Impressionismus. In Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 13.
  56. Emil Georg Bührle: Vom Werden meiner Sammlung, Redemanuskript. In Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 304.
  57. Emil Georg Bührle: Vom Werden meiner Sammlung, Redemanuskript. In Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 304.
  58. Der genaue Betrag lässt sich nicht mehr feststellen. Angenommen werden mindestens 500'000 Franken. Siehe Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 262.
  59. Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 301.
  60. Emil Georg Bührle: Vom Werden meiner Sammlung, Redemanuskript. In Lukas Gloor: Die Sammlung Emil Bührle: Geschichte, Gesamtkatalog und 70 Meisterwerke, S. 304.

Koordinaten: 47° 21′ 11″ N, 8° 33′ 42″ O; CH1903: 684853 / 245293