Der Präsidenkonvent (lettisch Prezidiju Konvents) wurde 1919 gegründet. Heute umschließt er 23 Studentenverbindungen in Riga. Die 22 lettischen Korporationen und eine russische Verbindung sind an allen Hochschulen Lettlands akkreditiert. Bis zur Umsiedlung im Jahre 1939 bestand daneben der Chargierten-Convent (Ch!C!) der Deutsch-Baltischen Studentenverbindungen.

Baltische Studentenverbindungen am Freiheitsdenkmal (2007)

Geschichte

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Zug des Präsidenkonvents vor der Universität Lettlands (2013)

Lettonia, Selonia, Lettgallia, Talavija und die Fraternitas Lettica gründeten den Präsidenkonvent nach dem Lettischen Unabhängigkeitskrieg, als die Universität Lettlands entstand. In den 1920er Jahren wurden die deutsch-baltischen Studentenverbindungen Curonia, Fraternitas Baltica, Concordia Rigensis, Fraternitas Rigensis, Corps Rubonia und Gotonia in den Präsidenkonvent aufgenommen. Dass zwei der alten Dorpater Corps (Curonia und Fraternitas Rigensis) zum Rigaer Präsidenkonvent traten, war dem strikten landsmannschaftlichen Prinzip der vier ersten baltischen Corps geschuldet. Da in der Curonia nur Kurländer und in der Fraternitas Rigensis nur Rigenser aufgenommen wurden, übersiedelten diese beiden Corps nach den Staatsgründungen Lettlands und Estlands von der estnischen Universität Dorpat an die neugegründete Universität Riga. Das Polytechnikum Riga bestand schon seit 1862. Die Estonia und die Livonia waren wie andere Corps in Dorpat verblieben. Die in Dorpat beheimateten lettischen Korporationen Lettonia, Lettgallia und andere verlegten ihren Sitz ebenfalls von Dorpat nach Riga.[EN 1] Die deutsch-baltischen Corps schieden aber 1932 aus, weil bei den Conventen die Lettische Sprache auch für sie verbindlich werden sollte. Nach dem Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und der Annexion Lettlands wurden die Verbindungen, der Präsidenkonvent und andere Organisationen in der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1940 verboten. Im Kampf gegen die (zweimalige) Okkupation durch die Sowjetunion waren viele Letten Waldbrüder.

Wie viele Letten emigrierten die Mitglieder in die Vereinigten Staaten, nach Kanada, Australien, Schweden und Westdeutschland.[EN 2] Dort wurden 1947 sieben lettische Verbindungen gestiftet, fünf an der Baltischen Universität in Pinneberg und zwei in München.[A 1] 1949 wurde die Union of Latvian corporations gegründet.[EN 3] 1989, noch vor der Wiederherstellung von Lettlands Unabhängigkeit im Mai 1990, kehrten die ersten Bünder nach Riga zurück.

 
Chor und Orchester des Präsidenkonvents Riga in den 1930er Jahren

Das Vorbild der lettischen Studentenverbindungen waren die Corps der Deutsch-Balten, die sich ihrerseits an den deutschen Corps des frühen 19. Jahrhunderts orientierten; burschenschaftliche Tendenzen hat es im Baltikum nie gegeben.[A 2] Der Rigaer Comment ähnelt den ältesten SC-Comments.[EN 4]

Wie ganz Lettland von Patriotismus getragen, sind die Korporationen „prägende gesellschaftliche Organisationen“ und zentrale Stützen des jungen Nationalstaats.[EN 5] Mit den dreizehn Damenverbindungen haben sie etwa 10.000 Mitglieder. Mit der Kreismensur pflegen sie einen besonderen Fecht-Comment. Alle Bänder sind dreifarbig. Auf die Studentenmütze (den Deckel) ist der jeweilige Baltenstern gestickt. Die Füchse tragen nach baltischer Sitte kein Couleur, sondern nur einen schwarzen Deckel. Sie werden sehr viel später Bursche als in Deutschland. Im 21. Jahrhundert ist das Corpsstudententum in Lettland zu neuem Leben erwacht. Selonia steht bereits seit 2006 in einem Vorstellungsverhältnis mit dem Kösener Senioren-Convents-Verband. Dass die meisten Rigaer Studentenverbindungen einen Senioren-Convent gründen wollen, hat vier Bünder zum Austritt aus dem Präsidenkonvent bewogen – aus gegensätzlichen Gründen: Lacuania und Arctica wollen nicht fechten, Talavija und Lettonia wollen mehr fechten und einen Chargierten-Convent nach deutsch-baltischem Vorbild gründen.

Korporationen im Präsidenkonvent

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Verbindung Couleur Stiftung Wappen Zirkel Stern Anmerkungen
Lettonia[EN 6][EN 7]   19. Februar 1870
in Dorpat
     
Fraternitas Arctica[A 3]   7. November 1880      
Selonia   24. November 1880      
Lettgallia[EN 8]   8. Februar 1899
in Dorpat
     
Talavija[EN 9]   14. Dezember 1900      
Fraternitas Lettica[EN 10]   20. Oktober 1902
in Moskau
     
Latvia[EN 11]   17. Februar 1917
in Dorpat
     
Ventonia[EN 12]   21. November 1917
in Dorpat
     
Tervetia[EN 13]   30. April 1922      
Beveronija[EN 14][EN 15]   4. Mai 1922      
Philyronia[EN 16]   7. Juli 1924
in Libau
     
Fraternitas Metropolitana[EN 17]   6. Oktober 1924      
Fraternitas Vesthardiana   8. Oktober 1924      
Fraternitas Academica[EN 18]   4. Februar 1925      
Fraternitas Lataviensis[A 4][EN 19]   16. September 1926      
Patria[EN 20]   20. September 1926      
Fraternitas Livonica[EN 21]   29. Oktober 1926      
Vendia   20. März 1927      
Lacuania[EN 22]   7. Dezember 1927      
Fraternitas Imantica[EN 23]   18. Februar 1947
in Pinneberg
     
Gersicania[EN 24]   14. März 1947
in Pinneberg
     
Fraternitas Cursica[A 5][EN 25]   7. Mai 1947
in Pinneberg
     
Fraternitas Vanenica[EN 26]   20. Juni 1947
in München
     

Literatur

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  • Baltische Gesellschaft in Deutschland (Hrsg.): Baltisches Burschentum. Die studentischen Korporationen der Deutschbalten, Esten und Letten einst und jetzt, redigiert von Hans von Rimscha. Heidelberger Gutenberg-Druckerei 1968.
  • Karlis Dzirkalis: Die lettischen Corps einst und heute. Einst und Jetzt, Bd. 9 (1964), S. 91–103.
  • Hans-Dieter Handrack (Hrsg.): Die Korporationen als prägende gesellschaftliche Organisationen im Baltikum. 19. Baltisches Seminar, 2007, ISBN 978-3-923149-58-2.
  • Dietrich G. Kraus: Baltisches Burschentum in Dorpat und Riga. Jahrbuch des baltischen Deutschtums, Band XLV (1998).
  • Walter L. Lange: Über die Fraternitas Marcomannia zu Riga aus den Semestern 1902/I bis 1918/II und aus dem Hochschulleben Rigas. Einst und Jetzt, Bd. 22 (1977), S. 129–149.
  • Präsidenkonvent Riga: Der Lettische Studentenchor „Latvijas Universitätes Prezidiju Konventa Vīru Koris“ besucht Schweden und Norwegen, 3.–16. Juni 1937. Stockholm, Oslo, Bergen, Trondheim 1937.
  • Valters Ščerbinskis: Uzticīgi Draugam [treu dem Freund]. Prezidiju Konvents 2010, ISBN 978-9984-39-985-0.
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Anmerkungen

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  1. Von den drei Damenverbindungen wurden zwei in Pinneberg und eine in München gestiftet.
  2. Unter den deutsch-baltischen Verbindungen war man sich Anfang des 19. Jahrhunderts uneinig, ob die deutsche Studentenschaft sich nach dem Vorbild der Corps oder dem der Urburschenschaft organisieren sollte. Die Frage wurde zugunsten der Corps entschieden und nie wieder thematisiert (Dietrich G. Kraus, Berlin).
  3. Die Fraternitas Arctica ist derzeit die weltweit einzige russische Studentenverbindung.
  4. Der Name bezieht sich auf den Bezirk Latāva in Lettland.
  5. Cursica bezieht sich auf Kuren.

Einzelnachweise

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  1. Dietrich G. Kraus, Berlin
  2. CORPS Magazin (2005) (Memento vom 3. Mai 2013 im Internet Archive)
  3. lv:Latvijas Korporāciju apvienība
  4. Einst und Jetzt: Vierzehn der ältesten SC-Komments vor 1820. Sonderheft 1967
  5. H.-D. Handrack (2007)
  6. Lettonia
  7. Karlis Dzirkalis: Lettonia (1870–1970). Die hundert Jahre des ältesten lettischen Corps. Einst und Jetzt, Bd. 16 (1971). S. 155–159.
  8. Lettgallia
  9. Talavija
  10. Fraternitas Lettica
  11. Latvia
  12. Ventonia
  13. Tervetia
  14. Beveronija
  15. Fr. A. Pietzsch: Das Wappen des Corps Beveronia zu Riga. Aus der Sicht eines deutschen Heraldikers. Einst und Jetzt, Bd. 21 (1976), S. 89–94
  16. Philyronia
  17. Fraternitas Metropolitana
  18. Fraternitas Academica
  19. Fraternitas Lataviensis (Memento des Originals vom 10. Oktober 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lataviensis.lv
  20. Patria (Memento des Originals vom 26. Februar 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/patria.lv
  21. Fraternitas Livonica
  22. Lacuania (Memento des Originals vom 25. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.lacuania.lv
  23. Fraternitas Imantica
  24. Gersicania
  25. Fraternitas Cursica
  26. Fraternitas Vanenica