Lerntyp

Unterscheidung von Personen hinsichtlich des Lernverhaltens

Der Begriff Lerntyp bezeichnet eine wissenschaftlich abgelehnte Unterscheidung von Personen hinsichtlich besonders effizienten Lernverhaltens nach der Idee bevorzugter Wahrnehmungskanäle. Insbesondere in den Kognitionswissenschaften wird diese Typologie nicht gestützt; in der Psychologie werden Typenlehren grundsätzlich als überholt betrachtet. Ungeachtet dessen sind Lerntypologien populär, da sie vermeintlich dem „Interesse einer Effektivierung von Lernprozessen“ folgen.[1]

Nach Pashler u. a. existieren im Jahr 2008 insgesamt 71 unterschiedliche Modelle von Lerntypologien, dabei genügten „fast alle Studien den fundamentalen Kriterien wissenschaftlicher Forschung“ nicht.[1]

Von Lerntypen abzugrenzen sind personenunabhängige Lernstile. Diese beschreiben individuelle Präferenzen in verschiedenen Phasen eines Lernprozesses und können beispielsweise bei der Reflexion eigenen Lernverhaltens hilfreich sein.[1]

Allgemeines

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Lerntypologie wird in folgenden Kontexten gebraucht:

  • Lerntypologie nach Vester: Die Einteilung von Lernern nach Lerntypen aufgrund ihrer bevorzugten Lernaktivität wurde von Frederic Vester in seinem Buch Denken, Lernen, Vergessen propagiert. Lerneffektivität kann nach dieser Auffassung gesteigert werden, indem der jeweils richtige Wahrnehmungskanal (visueller, auditiver, haptischer, kognitiver) angesprochen wird. Der Ansatz wird oft im Zusammenhang mit ganzheitlichem Lernen, handlungsorientiertem Lernen und Neuro-Linguistischem Programmieren genannt. Aufgrund ihrer Oberflächlichkeit und Inkonsistenz wird Vesters Typologie von der Lernpsychologie nicht ernst genommen. Oberflächlich ist Vester, da er unbestimmt lässt, ob sich seine Typisierung auf Präferenzen für bestimmte Informationsangebote oder für bestimmte mentale Formate und Prozesse bezieht. Inkonsistent ist seine Theorie, da er drei der Lerntypen über Wahrnehmungskanäle charakterisiert, während sich der vierte auf den Verstehensprozess bezieht – was die Frage aufwirft, woher der Lerner kognitiven Typs seinen Lernstoff bezieht und was die anderen Lerner mit ihren Sinnesdaten anfangen: „Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind“ (Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft).

Hintergrund der theoretischen Arbeit zu Lerntypen

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Eine allgemeine Vorstellung von Lehre ist, dass es sich hierbei nicht nur um die Vermittlung von Stoff und somit um das Fragmentieren und Aufbereiten von Inhalten handelt (s. hierzu eine Vielzahl von Didaktikmodellen). Bei theoriegeleitetem Lehren sollen Lehrende vor Augen behalten, zu welchem Ziel (Lehr-/Lernziel) ein jeweiliger Inhalt vermittelt wird und welche Voraussetzungen bei der inhaltlichen und methodischen Gestaltung der Lehr-/Lernsituation berücksichtigt werden müssen.

Zu den Voraussetzungen, die von Lehrenden erhoben und berücksichtigt werden sollten, gehören unter anderem

  • soziokulturelle Bedingungen (wie bereits erfahrene oder vernachlässigte Förderungen durch das familiäre oder schulische Umfeld),
  • vorhandenes Methodenrepertoire (Methodenkompetenzen, Soziale Kompetenzen, wie z. B. Textlesefähigkeiten, Visualisierungsfähigkeiten, Präsentationstechniken, Techniken der Materialbeschaffung und -bewertung für die Erarbeitung von Inhalten, Methodenkenntnisse für die Arbeit im Team und mit einem Partner, Methoden der (selbständigen) Sicherung von Lerninhalten, Techniken der Zusammenarbeit im Plenum),
  • Generische Voraussetzungen für die Erarbeitung neuer Inhalte ('Welche Aufnahmekanäle können angesprochen werden?', 'Auf welche Verarbeitungsmechanismen kann zurückgegriffen werden?').

Zum letztgenannten Punkt haben sich verschiedene theoretische Positionen und Grundannahmen unter Überschriften mit teilweise überschneidenden Bedeutungshöfen entwickelt.

Einige der Theorien sind eher allgemein auf die Persönlichkeit ausgerichtet, andere fokussieren speziell Lernen und Denken.

Ablehnung des Begriffs und Kritik (Lernpsychologie)

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Aufgrund mangelnder empirischer Belege[1] oben genannter Ansätze bevorzugt die Lernpsychologie das Konzept der Lernstile, hier besonders die Untersuchungen von Kolb oder Honey & Mumford. Aus Sicht der Lernpsychologie werden Lerntypen im Sinne Vesters aus mehreren Gründen kritisiert:

  • Die Einteilung von Personen anhand ihres Lerntyps basiert auf einem unzulässigen Schluss von Präferenzen in bestimmten Situationen auf überdauernde Merkmale.[2]
  • Der überwiegende Teil menschlicher Gedächtnisinhalte ist völlig unabhängig von irgendeiner Sinnesmodalität gespeichert.[3]
  • Es konnte empirisch nicht nachgewiesen werden, dass die Berücksichtigung des eigenen Lerntyps zu einer Verbesserung der Lernleistung führt.[4][5] Ebenso gibt es keine Hinweise dafür, dass die Berücksichtigung von verschiedenen Lerntypen durch Lehrkräfte zu einem Anstieg positiver Lerneffekte führt.[5][6]

Siehe auch

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Literatur

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  • Bernd Weidenmann: Multicodierung und Multimodalität im Lernprozess, in Information und Lernen mit Multimedia im Text, 1995, Seite 53, kritisch.
  • Maike Looß: Lerntypen?- Ein pädagogisches Konstrukt auf dem Prüfstein, Die Deutsche Schule, 93 (2) 186–198 (2001).
  • Grotehusmann, Sabine: „Der Prüfungserfolg. Die optimale Prüfungsvorbereitung für jeden Lerntyp.“ Offenbach, GABAL-Verlag, 2008, ISBN 978-3-89749-859-4
  • Meeker, M.N. (1969). The Structure of Intellect. Columbus, OH: Merrill.
  • Stangl, W. (2005). Lernstile – was ist dran? Praxis Schule 5–10, 31 Jg., Heft 3.

Historische Quellen

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  • Frederic Vester: Denken, Lernen, Vergessen, 1975, als Taschenbuch 1978, 36. Auflage dtv 2014, ISBN 978-3-423-33045-9; zumindest für den deutschen Sprachraum das Grundlagenbuch.
  • Smith, Donna M., and David A. Kolb. 1986. The User's Guide for the Learning-Style Inventory: A Manual for Teachers and Trainers. McBer & Company. Boston, MA.
  • Lewin, Kurt (1942) Field Theory and Learning in D Cartwright (ed.) Field Theory in Social Science: selected theoretical papers, London; Social Science Paperbacks, 1951

Einzelnachweise

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  1. a b c d Erich Schäfer: Welche Mythen existieren über das Lernen im Erwachsenenalter? In: Lebenslanges Lernen. Kritisch hinterfragt. Springer, Berlin, Heidelberg, 2017, S. 1–17. doi:10.1007/978-3-662-50422-2_1; ISBN 978-3-662-50422-2.
  2. Benedikt Wisniewski: Der Unsinn von den Sinnen in: B. Wisniewski & A. Vogel: Schule auf Abwegen - Mythen, Irrtümer und Aberglaube in der Pädagogik, Schneider Verlag, Baltmannsweiler, 2013, ISBN 978-3-8340-1256-2.
  3. Daniel T. Willingham: "Do visual, auditory and kinesthetic learners need visual, auditory and kinesthetic instruction?" in: American Educator, 29(2), 31–35, 2005.
  4. John Hattie: Visible Learning - A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement, Routledge, London, 2009, ISBN 978-0-415-47618-8.
  5. a b Harold Pashler, Mark McDaniel, Doug Rohrer, Robert Bjork: Learning Styles: Concepts and Evidence. In: Psychological Science in the Public Interest. Band 9, Nr. 3, Dezember 2008, ISSN 1529-1006, S. 105–119, doi:10.1111/j.1539-6053.2009.01038.x (sagepub.com [abgerufen am 2. Juni 2023]).
  6. Kenneth A. Kavale, Steven R. Forness: "Substance over style: Assessing the efficacy of modality testing and teaching" in: Exceptional Children, 54(3), 228–239, 1987. https://doi.org/10.1177/001440298705400305