Johann Stüdl
Johann Stüdl (* 27. Juni 1839 in Prag; † 29. Jänner 1925 in Salzburg) war ein Prager Kaufmann und Förderer des Alpinismus in Österreich.
Leben
BearbeitenJohann Stüdl wurde als erstes Kind einer Prager Kaufmannsfamilie am 27. Juni 1839 geboren. Entgegen dem Rat seines Vaters nahm der naturwissenschaftlich interessierte Sohn 1856 ein Chemiestudium auf, zunächst in Prag, später an der Dresdener Polytechnischen Hochschule. Er gab das Studium jedoch auf, als sein Vater früh verstarb und er, in Prag, dessen Handel mit Wein und Kolonialwaren fortführen musste.
Trotz stärkster geschäftlicher Inanspruchnahme über Jahrzehnte war es Stüdl möglich, sich der alpinen Sache ganz hinzugeben, sowohl praktisch, als Alpinist, als auch theoretisch, als alpiner Schriftsteller wie Organisator.[1]
Johann Stüdl verheiratete sich 1872. Mit seiner Gattin[Anm. 1] hatte er zwei Töchter sowie einen Sohn, Max.
1919[2], bereits im 81. Lebensjahr stehend, sah sich Stüdl, als alter Vorkämpfer für das Deutschtum[1], gezwungen, seine Vaterstadt, Prag, zu verlassen. Er zog zu seinem Sohn und dessen Familie in die Stadt Salzburg[3], wo Max († 4. November 1921)[4] das Gasthaus Goldene Birne (Judengasse 1) erworben hatte.
Noch in den letzten Lebensjahren entwickelte Stüdl eine rege Tätigkeit in der Sektion Salzburg und stieg noch ein gutes halbes Jahr vor seinem Ableben zur Söldenhütte (Tennengebirge) auf.[5]
Die letzten Lebensjahre von seiner Schwiegertochter umsorgt, verstarb kaiserlicher Rat Johann Stüdl am 29. Jänner 1925 in Salzburg. Er wurde am 31. Jänner 1925 auf dem Salzburger Kommunalfriedhof an der Seite seines Sohnes sowie von Prag überführter Angehöriger zur letzten Ruhe bestattet.[2]
Wie in einem Nachruf festgehalten, war Johann Stüdl ein Mann von erprobter freiheitlicher Gesinnung gewesen, der zeitlebens gegen das Hineinzerren der Politik in die Alpinistik Stellung genommen hatte und in Wort und Schrift das gehässige Vorgehen gegen die ehemalige Sektion Donauland des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins verdammte.[6] Zum 1924 erfolgten Ausschluss der Sektion Donauland aus dem DuOeAV hatte Stüdl geäußert:
- „Das himmelschreiende Unrecht, das der Hauptausschuß in seiner törichten Angst vor dem Terror destruktiver Elemente und die irregeleiteten, verhetzten, nicht genügend informierten Sektionen an ‚Donauland’ zu begehen sich anschicken, wird dem Alpenverein nicht den Frieden, sondern den Fluch der bösen Tat bringen.“[7]
Leistungen
BearbeitenJohann Stüdl war maßgeblich an der touristischen Erschließung der Glockner- und Venedigergruppe in den Ostalpen beteiligt. Als er mit seinem Bruder Franz 1867 erstmals nach Kals am Großglockner kam, um von dort den höchsten Berg Österreichs zu besteigen, wurde er darauf aufmerksam, dass die Kalser einen Geldgeber für ihr Vorhaben suchten, eine neue Route auf den Großglockner über den Südwestgrat zu erschließen. Stüdl investierte nicht nur in die Errichtung einer Steiganlage mit Eisenstiften und Seilen, sondern finanzierte 1868 auch den Bau der nach ihm benannten Stüdlhütte am Fuß des Südwestgrates, die erste Schutzhütte in den Zentralen Ostalpen überhaupt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzte sich für den Südwestgrat zu Ehren Stüdls die bis heute gebräuchliche Bezeichnung Stüdlgrat durch.
Neben seiner Betätigung im Umfeld des Großglockners initiierte oder finanzierte er auch den Bau mehrerer anderer Schutzhütten im Alpenraum. Darunter befinden sich die Prager Hütte und die Clarahütte (benannt nach der Frau eines ihm bekannten Weinhändlers aus Prag) im Gebiet des Großvenedigers, sowie die Glorerhütte am Großglockner und die Payerhütte am Ortler.
Auf Anregung des Pfarrers Franz Senn aus Vent im Ötztal gründete Johann Stüdl 1869 in Kals am Großglockner den ersten Bergführerverein in den Ostalpen und legte somit den Grundstein für das heutige organisierte Bergführerwesen in Österreich. Außerdem war er Gründungsmitglied des Deutschen Alpenvereins (DAV) und 50 Jahre lang Obmann der Sektion Prag des DAV.
Erstbesteigungen
BearbeitenStüdl ist Erstbesteiger unter anderem des Schneewinkelkopfes, der Hohen Riffl, des Hinteren Bratschenkopfes, der Klockerin und des Großen Bärenkopfes in der Glocknergruppe. Außerdem suchte er lange nach einem Abstieg vom Gipfel des Großglockners direkt zum Pasterzengletscher, konnte einen solchen aber nicht finden. Dies gelang stattdessen im Jahr 1870 einem Freund Stüdls, dem Münchner Karl Hofmann.
Publikationen
Bearbeiten- Besteigung der Wildspitze. – Besteigung des Zuckerhütls. – Von der Habichtspitze durch das Mischbachthal nach Neustift.
In: Jahrbuch des Österreichischen Alpen-Vereines. Band 4.1868. Gerold, Wien 1868, OBV. [Anm. 2] - Ersteigung der Weißkugel. In: Jahrbuch des Österreichischen Alpen-Vereines. Band 5.1869. Gerold, Wien 1869, OBV. [Anm. 2]
- Die Untere Oedenwinkelscharte. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1869–70, (Band I), S. 117–139 (Online bei ALO).
- Kals. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 333–351 (Online bei ALO).
- Das Kalser Thörl. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 352–355 (Online bei ALO).
- Exkursionen im Jahre 1868. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 356–362 (Online bei ALO).
- Das Fuscherthal. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 376–387 (Online bei ALO).
- Ueber die Fuscherkarscharte nach Heiligenblut. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 363–375 (Online bei ALO).
- Das Berger Thörl. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 388–393 (Online bei ALO).
- Die Hohenburg. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 450–452 (Online bei ALO).
- Ersteigung des Grossen Wiesbachhorns vom Kapruner Thale aus. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 453–457 (Online bei ALO).
- Glockerin, Grosser und Kleiner Bärenkopf. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 458–465 (Online bei ALO).
- Der Schwarzkopf. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 466–471 (Online bei ALO).
- Von Ferleiten nach Kals. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins, Jahrgang 1871, (Band II), S. 472–473 (Online bei ALO).
- Ein interessantes Blatt. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins / Zeitschrift des Deutschen und (des) Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1877, (Band VIII), S. 136–137. (online bei ANNO).
- Ueber Hüttenbau. Mit Hüttenplänen (Tafel X). In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins / Zeitschrift des Deutschen und (des) Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1877, (Band VIII), S. 169–191. (online bei ANNO). – Hüttenpläne (Tafel X).
- Ueber Proviant-Depôts. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1881, (Band VII), S. 152 Mitte (Online bei ALO).
- Ein Gedenkblatt für Karl Hofmann. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1914, (Band XL), S. 232 ff. (Online bei ALO).
- Prof. Dr. Theodor Petersen †. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1919, (Band XLV), S. 1 f. (Online bei ALO).
Gemeinsam mit Eduard Richter – Wanderungen in der Venediger Gruppe:
- I. Der Gross-Venediger von Gschlöss aus. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1872, (Band III), S. 276–281 (Online bei ALO).
- II. Schlieferspitze. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1872, (Band III), S. 281–286 (Online bei ALO).
- III. Ordnung des Führerwesens in Prägraten. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1872, (Band III), S. 286–291 (Online bei ALO).
- IV. Umbalthal und Dreiherrenspitze. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1872, (Band III), S. 292–299 (Online bei ALO).
- V. Versuch auf die Daberspitze und Besteigung der Röthspitze (Welitz). In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1872, (Band III), S. 299–307 (Online bei ALO).
- VI. Besteigung des Hochgall. In: Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1872, (Band III), S. 307–316 (Online bei ALO).
Auszeichnungen, Ehrungen
Bearbeiten- Päpstlicher Silvesterorden [Anm. 3][1]
- Verdienstorden vom Heiligen Michael[Anm. 3][1]
- Roter Adlerorden [Anm. 3] [1]
- Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens[1]
- Ehrenbürgerschaften der Tiroler bzw. Südtiroler Gemeinden Kals sowie Matsch[1]
- Gedenktafel als Würdigung der Leistungen für das Suldental (22. August 1897)[8]
- k.u.k. Hoflieferant[9]
Literatur
Bearbeiten- Ch. Kanzler: Stüdl Johann. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 13, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2010, ISBN 978-3-7001-6963-5, S. 442.
- Johannes Emmer: Die Weg- und Hüttenbauten. In: Geschichte des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins. In: Zeitschrift des Deutschen und Oesterreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1894, (Band XXV), S. 230–351. (online bei ANNO).
- A(loys) Dreyer: Johann Stüdl. Ein Gedenkblatt zu seinem 70. Geburtstage (27. Juni 1919). In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1909, (Band XXXV), S. 142 f. (Online bei ALO).
- A(loys) Dreyer: Johann Stüdl. Zu seinem 80. Geburtstage (27. Juni 1919). In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1919, (Band XLV), S. 72 f. (Online bei ALO).
- (Nachruf:) Johannes Emmer: Johann Stüdl. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins / Zeitschrift des Deutschen und (des) Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1925, (Band LVI), S. 1–8. (online bei ANNO).
- Johann Stüdl † — Johann Stüdls Lebenslauf. — Stüdl als Alpinist. — Der alpine Schriftsteller. — Der Organisator. — Stüdls letzte Tage und letzte Fahrt. In: „Donauland-Nachrichten“. (Früher: Nachrichten der Sektion „Donauland“ des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins), Jahrgang 1925, Nr. 43, S. 24–28 (Online bei ANNO).
- Johannes Emmer: Johann Stüdl †. sowie An Stüdl’s Grab. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1925, (Band LI), S. 29 sowie 30 (Online bei ALO).
- Heinrich Hackel: Zu Johann Stüdl’s Begräbnis. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1925, (Band LI), S. 45 (Online bei ALO).
- R(aimund) v(on) Klebelsberg: Johann Stüdl †. In: Der Schlern. Monatszeitschrift für Südtiroler Landeskunde. Band 6.1925. Verlagsanstalt Athesia, Bozen 1925, S. 37–, OBV.
- Maria Hackel: Vater Stüdls letzte Bergfahrt. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1925, (Band LI), S. 120 ff. (Online bei ALO).
- Gerold Benedikter (Red.), Johann Stüdl: Kals, im Banne des Großglockners – herausgegeben zum 60. Todestag von Johann Stüdl und der Erstbesteigung des Großglockners von Kals aus vor 130 Jahren. 2. Auflage. OeAV-Dokumente, Band 1. Österreichischer Alpenverein, Innsbruck 1988, OBV.
- Margarete Rachbauer: Johann Stuedl und die Erschließung der Glocknergruppe unter besonderer Berücksichtigung geographischer Aspekte. Hausarbeit (aus Geographie). Universität Salzburg, Salzburg 1988, OBV.
- Wolfgang Pusch, Leo Baumgartner: Großglockner. 4. Auflage. Bergverlag Rother, München 2007, ISBN 3-7633-7509-0.
Weblinks
Bearbeiten- Gerhard Schirmer: Johann Stüdl – Der Glocknerkönig. In: bergnews.com, abgerufen am 18. Jänner 2011 – Biografie.
- Elfriede Klein (Urenkelin von Johann Stüdl): Johann Stüdl Sein Leben, sein Wirken im Alpenverein und die Stüdlhütte.
- Personenmappe zu Johann Stüdl (I) (PDF) im Historischen Alpenarchiv der Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol (temporär offline)
- Personenmappe zu Johann Stüdl (II) (PDF) im Historischen Alpenarchiv der Alpenvereine in Deutschland, Österreich und Südtirol (temporär offline)
- Ernst Platz: Johann Stüdl, nach einer Kreidezeichnung, 1925. In: Zeitschrift des Deutschen Alpenvereins / Zeitschrift des Deutschen und (des) Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1925, (Band LVI), S. 1, Titelei. (online bei ANNO).
- Johann Stüdl gestorben. In: Prager Tagblatt, 30. Jänner 1925, S. 4, unten rechts. (online bei ANNO).
- Tagesnachrichten. (…) Hans Stüdl †. In: Wiener Zeitung, 30. Jänner 1925, S. 7, Mitte unten. (online bei ANNO).
- Josef Braunstein: Johann Stüdl gestorben. In: Der Naturfreund, Jahrgang 1925, XXIX. Jahrgang, S. 13. (online bei ANNO).
- Werke von und über Johann Stüdl in der Deutschen Digitalen Bibliothek
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c d e f g Johann Stüdls Lebenslauf.
- ↑ a b Emmer: An Stüdl’s Grab.
- ↑ Friederike Zaisberger, Reinhard R. Heinisch (Hrsg.): Leben über den Tod hinaus … Prominente im Salzburger Kommunalfriedhof (= Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde. Ergänzungsband 23). Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, Salzburg 2006, OBV, S. 312.
- ↑ Max Stüdl †. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1921, (Band XLVII), S. 89, oben rechts (Online bei ALO).
- ↑ Hackel: Vater Stüdls letzte Bergfahrt, S. 120.
- ↑ Tod des hervorragenden Alpinisten Johann Stüdl. In: Neue Freie Presse, Morgenblatt, Nr. 21689/1925, 30. Jänner 1925, S. 6 Mitte (online bei ANNO).
- ↑ Martin Achrainer: „So, jetzt sind wir ganz unter uns!“ Antisemitismus im Alpenverein., in: Hanno Loewy, Gerhard Milchram (Hrsg.): „Hast du meine Alpen gesehen?“ Ein jüdische Beziehungsgeschichte, Ausstellungskatalog, Wien 2009, S. 288–317, dort S. 308.
- ↑ Die Stüdl-Feier in Sulden. In: Mitteilungen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, Jahrgang 1897 (Band XXIII), S. 216 f. (Online bei ALO).
- ↑ Dreyer: Johann Stüdl. Ein Gedenkblatt zu seinem 70. Geburtstage, S. 143.
Anmerkungen
Bearbeiten- ↑ Sie verstirbt viele Jahre vor ihrem Ehemann.
- ↑ a b Publikationshinweis in: Emmer: Johann Stüdl. (…) Der alpine Schriftsteller.
- ↑ a b c Klasse nicht bekannt.
Personendaten | |
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NAME | Stüdl, Johann |
KURZBESCHREIBUNG | Prager Kaufmann und Förderer des Alpinismus |
GEBURTSDATUM | 27. Juni 1839 |
GEBURTSORT | Prag |
STERBEDATUM | 29. Januar 1925 |
STERBEORT | Salzburg |