Melbourne House

australischer Publisher von Computerspielen
(Weitergeleitet von Beam Software)

Melbourne House war ein australischer Publisher von Computerspielen, der von 1977 bis 1987 existierte.

Melbourne House

Logo
Rechtsform Kapitalgesellschaft („Ltd.“)
Gründung 1977
Auflösung 1987
Sitz Melbourne (Australien)
Leitung Alfred Milgrom

Der Markenname war danach unter wechselnden Eigentümern noch bis 2006 in Gebrauch.

Geschichte

Bearbeiten

Melbourne House wurde 1977 von Alfred Milgrom und Naomi Besen als Buchverlag gegründet; der Firmenname ist von ihrer Heimatstadt Melbourne abgeleitet. Milgrom hatte einen Informatik-Hintergrund, Besen kam aus dem Marketing.[1] Zu Beginn der Verlagstätigkeit hatte die Firma fünf Angestellte und neben dem Firmensitz in Melbourne eine Zweigstelle im Londoner Vorort Richmond.[2] Ursprüngliches Geschäftsfeld waren Sachbücher zu damals gängigen Heimcomputern mit leichtem Fokus auf Büchern über Computer der britischen Firma Sinclair Research.[3] Die Firma verlegte anfangs aber auch Belletristik wie The Healers von Gerald Green oder The Treasure Hunter von Robin Moore. Nachdem ein Buch über den noch neuen ZX80 ein durchschlagender finanzieller Erfolg wurde, konzentrierte sich der Verlag auf Bücher zu Computern.

Im Februar 1981 gründeten Milgrom und Besen eine Tochterfirma von Melbourne House, Beam Software, deren Geschäftszweck die Erstellung von Computerspielen war, die dann über die Mutterfirma vertrieben werden sollten. Personal und Firmensitz von Melbourne House und Beam Software waren identisch.[2] Die Tochterfirma war Australiens erstes Entwicklungsstudio, und sie war erfolgreich: Zwei frühe Veröffentlichungen, Penetrator und The Hobbit, waren 1983 die erfolgreichsten Computerspiele für den ZX Spectrum.[1] The Hobbit, 1982 erstmals veröffentlicht, beruhte auf dem gleichnamigen Roman von J. R. R. Tolkien. Das damals als technisch innovativ geltende Spiel gilt zumindest in der ZX-Spectrum-Version als Klassiker der Spielegeschichte[4] und wurde für zahlreiche damals gängige Heimcomputer portiert. Für The Hobbit gewann Melbourne House 1983 den Golden Joystick Award des britischen Spielemagazins Computer and Video Games – in der Kategorie „Strategy Game of the Year“;[5] die Kategorie „Best Adventure Game of the Year“ wurde erst 1984 eingeführt. Melbourne House war die erste Firma, die von Tolkien Estate eine Lizenz für ein Computerspiel bekam.[6] Gemeinsam mit Autor Philip Mitchell monetarisierte Melbourne House den Erfolg des Spiels mit weiteren Lizenzprodukten wie Lord of the Rings: Game One oder The Shadows of Mordor. Erfolgreich war auch die Zusammenarbeit mit dem Autorenduo Trevor Lever und Peter Jones (Lever/Jones), die eigentlich als Stand-up-Comedians tätig waren.[7] Durch den Kauf eines Programms zur Entwicklung und Erstellung von Textadventures (The Quill) kamen sie zur Computerspielentwicklung und produzierten drei durch eigenwilligen Humor geprägte Textadventures für Melbourne House. Um 1985 herum hatte Melbourne House unter den in Großbritannien tätigen Softwarehäusern eines der größten Budgets für Forschung und Entwicklung.[8] Eine Zweigstelle im US-amerikanischen Nashville kam dazu, und für das Büro in London, dessen Aufgaben Marketing und Vertrieb waren, wurde im Mai 1985 Geoff Heath von Activision abgeworben. 1986 wurde die Firma von den Lesern des Aktuellen Software Markts zum "besten Softwarehaus" des Jahres 1985.[9]

1986 geriet Melbourne House trotz einiger Erfolgstitel wie The Way of the Exploding Fist in finanzielle Schwierigkeiten. Geoff Heath setzte sich im Oktober 1986 zum britischen Publisher Mastertronic ab.[10] Im Februar 1987 wurde Melbourne House aufgekauft – ausgerechnet durch Mastertronic, die bis dato primär im Billigsegment tätig waren und sich durch den Zukauf auch im Premiumsegment positionieren wollten. Kaufbestandteil waren die britische Niederlassung sowie die Namensrechte an der Marke Melbourne House; nicht betroffen war mithin die Tochtergesellschaft Beam Software, die als unabhängiges Entwicklerstudio weiterexistierte.[11] Der ehemalige Firmensitz in Großbritannien wurde aufgelöst, die Angestellten in den Mastertronic-Firmensitz im Zentrum Londons versetzt. Der Markenname Melbourne House existierte als Label weiter und wurde von wechselnden Eigentümern bis 2006 verwendet, darunter zunächst von Virgin Games (die mit den finanziell angeschlagenen Mastertronic fusionierten). Von 1996 bis 1999 reservierte sich nach dem Auslaufen des Markenschutzes ironischerweise Beam Software die Markenrechte und nutze sie für ein Entwicklungsstudio in Melbourne, was die Besitzverhältnisse der 1980er-Jahre umdrehte. 1999 verkaufte Beam Software Studio und Markenrechte an Infogrames, die das Studio in Infogrames Melbourne House umbenannten. Nach der Neufirmierung von Infogrames als Atari waren diese die Markeninhaber. 2006 veräußerte Atari das Melbourner Studio an die australische Firma Krome Studios, die es in Krome Studios Melbourne umbenannten, womit der Name Melbourne House endgültig unterging.

Mitgründerin Naomi Besen, die Alfred Milgrom zwischenzeitlich geheiratet hatte, wurde durch ein Erbe Chefin einer australischen Modekette und ist mittlerweile eine der reichsten Australierinnen.[12]

Veröffentlichte Spiele (Auswahl)

Bearbeiten
Jahr Titel Genre Systeme Studio
1981 Penetrator Shoot ’em up C64, MicroBee, TRS-80, ZX Spectrum Beam Software
1982 The Hobbit Textadventure Diverse Beam Software
1983 Horace Goes Skiing Geschicklichkeit C64, Dragon 32/64, Timex Sinclair 2068, ZX Spectrum Psion
1984 Hampstead Textadventure Acorn Electron, BBC Micro, C64, ZX Spectrum Lever/Jones
1984 Sherlock Textadventure C64, ZX Spectrum Beam Software
1985 Castle of Terror Textadventure C64 Beam Software
1985 Fighting Warrior Beat ’em up C16, C64, Commodore Plus/4, Schneider CPC, ZX Spectrum Studio B
1985 Gyroscope Geschicklichkeit BBC Micro, C64, Schneider CPC, ZX Spectrum Catalyst Coders
1985 Terrormolinos Textadventure BBC Micro, C64, Schneider CPC, ZX Spectrum Lever/Jones
1985 The Way of the Exploding Fist Beat ’em up Diverse Beam Software
1986 Asterix and the Magic Cauldron Actionspiel C64, Schneider CPC, ZX Spectrum Beam Software
1986 Dodgy Geezers Textadventure BBC Micro, C64, Schneider CPC, ZX Spectrum Lever/Jones
1986 Judge Dredd Actionspiel C64, ZX Spectrum Beam Software
1986 Lord of the Rings: Game One Textadventure Diverse Beam Software
1987 The Mystery of Arkham Manor Textadventure Schneider CPC, ZX Spectrum Melbourne House
1987 The Shadows of Mordor Textadventure Apple II, C64, MS-DOS, Schneider CPC, ZX Spectrum Beam Software
Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b Hobbit, Hurg and Holmes. In: Crash Magazine. Nr. 3, April 1984, S. 56 (englisch, archive.org [PDF]). (PDF, 36 MB)
  2. a b Filfre.net: The Hobbit. Abgerufen am 2. Januar 2018.
  3. ComputingHistory.org.uk: Computing Books published by Melbourne House. Abgerufen am 2. Januar 2018.
  4. Sinclair User: Top 50 Software Classics. Abgerufen am 2. Januar 2018.
  5. Thomas A. Christie: The Spectrum of Adventure. Extremis Publishing, Stirling 2016, ISBN 978-0-9934932-1-8, S. 11.
  6. Filfre.net: The Many Faces of Middle-earth, 1954-1989. Abgerufen am 6. Januar 2018.
  7. Dave Reeder: Unsung Heroes. In: Computer Gamer. Nr. 24, März 1987, S. 94 (spectrumcomputing.co.uk).
  8. Sean Masterson: A Leprichaun in London – Sitting in on a Melbourne House Working Lunch. In: Crash Magazine. Nr. 23, Dezember 1985, S. 43 (englisch, archive.org).
  9. Das ASM-Ergebnis. In: ASM. Nr. 7, 1986, S. 20.
  10. Geoff Heath Hikes over to Mastertronic. In: Popular Computing Weekly. 23. Oktober 1986, S. 6 (online abrufbar – Internet Archive).
  11. Mastertronic Buys Melbourne House. In: Popular Computing Weekly. 12. Februar 1987, S. 4 (online abrufbar – Internet Archive).
  12. Forbes.com: Asia's Power Businesswomen, 2014: Naomi Milgrom Is All About the Logo. Abgerufen am 7. Januar 2018.