Die Balbronner Hand (frz.: main de Balbronn) ist eine passive, linke Unterarmprothese aus dem 16. Jahrhundert, deren Überreste 1907[1] oder 1908[2] – neben menschlichen Knochen – bei Renovierungsarbeiten im Chor der Kirche von Balbronn (Elsass) gefunden wurden.[1] An der Fundstelle befand sich früher die Grabplatte des laut Aufschrift 1564 verstorbenen Ritters Hans von Mittelhausen (Jean de Mittelhausen).[2] Die Kunstschmiede A. und O. Zschokk aus Straßburg schufen Anfang des 20. Jahrhunderts im Auftrag Robert Forrers zwei Nachbildungen,[3] die heute in der protestantischen Kirche von Balbronn[4] und im Musée Historique in Straßburg ausgestellt werden. Dort wird auch das nur teilweise erhaltene Original gezeigt.

Balbronner Hand, Nachbau im Musée Historique

Aufgrund der großen konstruktiven Ähnlichkeit mit der wesentlich bekannteren „Eisernen Hand“ des Götz von Berlichingen ist anzunehmen, dass beide vom selben Hersteller stammen.[5]

Konstruktion

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Die Prothese ersetzte die linke Hand, den Unterarm und den Ellenbogen – Götz von Berlichingen hingegen fehlte die rechte Hand. Von der „Götzhand“ unterscheidet sich die Hand von Balbronn dementsprechend hauptsächlich in einem beweglichen Ellbogengelenk, das durch ein 1,6 cm starkes Zahnrad von 4 cm Durchmesser einstellbar ist. Zur Gewichtsreduktion war der Unterarm der Balbronner Hand wie bei der Altruppiner Hand durchbrochen ausgeführt und nicht aus Vollblech. Das Gewicht der Kopie liegt dennoch bei 1675 g.[5]

Die Finger sind in drei Gelenken (Daumen in zwei Gelenken) unabhängig voneinander beweglich ausgeführt. Die Arretierung der Gelenke erfolgte wie auch bei der „Götzhand“ und einfacheren zeitgenössischen Prothesen über einen Verriegelungsmechanismus mit Sperrklinken. Wie diese musste die Balbronner Prothese mit der gesunden Hand oder durch Aufstützen eingestellt werden und sprang bei Betätigen einer Taste durch Federkraft wieder in die (offene) Ausgangsposition. Die Mechanismen der Balbronner Hand und der um 1530[6] entstandenen jüngeren Götzhand sind weitgehend identisch.[5] Kleine stilistische Unterschiede der Plattnerarbeit lassen darauf schließen. dass die Balbronner Hand möglicherweise etwas jünger ist.[5]

Mechanismus der künstlichen Hand, Original im Musée Historique.

Literatur

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  • Un bras méchanique au XVIe siècle. In: Le Journal, 15. Dezember 1907. Nachgedruckt in: La Chronique médicale: revue bi-mensuelle de médecine historique, littéraire & anecdotique. Nr. 15, Paris 1908, S. 527 (Digitalisat).
  • Robert Forrer: Die eiserne Hand von Balbronn (Elsaß). In: Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde. Band 7: 1915–1917, S. 102–107 (Digitalisat).
  • Ernest Wickersheimer: Un appareil alsacien de prothèse du XVIe siècle: La « main de fer » de Balbronn. In: Augustin Gilbert (Hrsg.): Paris médical: la semaine du clinicien. Nr. 32, Baillière & Fils, Paris 1919, S. 179f. (Digitalisat).
  • Liebhard Löffler: Neues von alten Händen: Neuentdeckte und bisher kaum beachtete Arm- und Handprothesen. In: Orthopädie-Technik. Nr. 5, 1981, S. 75–81.
  • Liebhard Löffler: Der Ersatz für die obere Extremität: die Entwicklung von den ersten Zeugnissen bis heute. Dissertation. Enke, Stuttgart 1984, ISBN 3-432-94591-4.
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Commons: Main de Balbronn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Un bras méchanique au XVIe siècle.
  2. a b Robert Forrer: Die eiserne Hand von Balbronn (Elsaß).
  3. Beschreibung im Musée Historique in Straßburg
  4. Kirche von Balbronn auf itinerairesprotestants.fr
  5. a b c d Liebhard Löffler: Der Ersatz für die obere Extremität. S. 56f.
  6. Günter Quasigroch: Die Handprothesen des fränkischen Reichsritters Götz von Berlichingen. 2. Fortsetzung: Die Zweithand. In: Waffen- und Kostümkunde. Bd. 25, 1983, S. 118.