Als Erhängen wird die Tötung eines Menschen durch Aufhängen in einer – in der Regel laufenden (d. h. sich durch den Zug des Körpergewichts zusammenziehenden) – um den Hals gelegten Schlinge bezeichnet, wobei die Schlingenbildung durch einen geeigneten Knoten, eine Öse o. ä. erreicht wird. Das Erhängen ist eine der häufigsten Methoden des Suizids und zugleich eine der ältesten Hinrichtungsarten, es findet Verwendung bei Mordtatbeständen und kommt manchmal versehentlich bei bestimmten Praktiken vor, etwa im Rahmen eines autoerotischen Unfalls.
Begriffsdefinition
Wie bei anderen Verben, die für Gewalt- bzw. Schadenseinwirkungen stehen, bezeichnet auch beim Hängen die Vorsilbe Er- einen tödlichen Ausgang (vergleiche z. B. würgen – erwürgen, frieren – erfrieren, stechen – erstechen, schlagen – erschlagen usw.). Strenggenommen versteht man unter Hängen (veraltend auch: Henken[1]) lediglich die Tätigkeit des Henkers, wovon sich auch seine Berufsbezeichnung ableitete, nämlich das Aufhängen eines zum Tode Verurteilten in einer Schlinge um den Hals an einem geeigneten Gegenstand, etwa einem Baumast oder einem Galgen. Rein begrifflich ist dabei über den „Erfolg“ der Maßnahme nichts ausgesagt. Tatsächlich sind bis ins 20. Jahrhundert Fälle belegt, wo jemand durch Hängen nicht unmittelbar zu Tode gekommen ist, etwa weil der Strick gerissen ist. Eine solche Person gilt also als gehängt, aber nicht als erhängt.[2] Andere populäre, jedoch im juristsich-gehobenen Sprachgebrauch eher unübliche Ausdrücke sind „Aufhängen“ oder (salopp) „Aufknüpfen“.
Medizinische Aspekte
Seit den Selbstversuchen von Nicolae Minovici Anfang des 20. Jahrhunderts ist bekannt, dass die Zusammenschnürung der Halsweichteile zu erheblichen Schmerzen führt.[3] Unabhängig von dieser generellen Erkenntnis kommt es zum Tod durch eine der drei folgenden Mechanismen (oder auch eine Kombination daraus), was zu großen Unterschieden hinsichtlich der Länge und der Empfindung des Sterbeprozesses führt.
Zum Tode führende Mechanismen
1. Verletzung der oberen Halswirbelsäule
Fällt jemand mit umgelegter, oberhalb befestigter Schlinge mit hinreichend großer Energie (was durch eine entsprechend große Fallhöhe bzw. – seltener – eine Beschwerung mit Gewichten erreicht wird) nach unten, so führt das plötzliche Abbremsen beim Erreichen der Seillänge zu Brüchen und Subluxationen im Bereich der obersten Halswirbel, was wiederum die Zerstörung des verlängerten Rückenmarks (Medulla oblongata) zur Folge hat. Die hiermit verbundene Zerstörung der Regulationszentren für Atmung und Kreislauf führt – soweit dies überhaupt beurteilbar ist – zu einem schlagartigen Verlust des Bewusstseins, es finden sich in einem solchen Fall keine mimischen oder andersartigen Lebensäußerungen mehr. Entgegen andersartiger Behauptungen unterscheidet sich diese Hinrichtungsart pathophysiologisch deutlich vom Enthaupten, da hierbei „lediglich“ das Halsmark an einer mehrere Zentimeter tiefer liegenden Stelle durchtrennt wird, was zwar einer hohen Querschnittslähmung gleichkommt, jedoch nicht die augenblickliche Ausschaltung des Bewusstseins zwangsläufig zur Folge hat; dies wird durch entsprechende Berichte von verschiedenen Hinrichtungsfällen und auch Tierversuche bestätigt.[4][5][6]
Pathoanatomisch kommt es im Einzelnen häufig zu einem doppelseitigen Bruch der pars interarticularis des zweiten Halswirbels („Kopfdreher“, Axis), verbunden mit einer Scherbewegung gegenüber dem dritten Halswirbel; dies wird im angelsächsischen Schrifttum als „hangman's fracture“ („Erhängungsbruch“) bezeichnet. Alternativ kann auch der „Zahn“ (lat. dens) des Kopfdrehers abbrechen („klassischer“ Genickbruch); dies kommt zum Beispiel dann vor, wenn (was eher selten ist) der Knoten der Schlinge unter dem Kinn befestigt wird.[7]
Inwieweit es zu einem Wirbelbruch kommt, hängt nicht nur von der Fallhöhe ab, sondern auch von der Positionierung und Dimensionierung von Strick und Knoten. Ein seitlich, etwa im Bereich des Warzenfortsatzes, angebrachter, hinreichend großer Henkersknoten, gewährleistet eher einen Wirbelbruch als ein relativ kleiner Knoten im Nackenbereich.
Ein Sonderfall ist gegeben, wenn die kinetische Energie beim Fall in die Schlinge so groß ist, dass der Kopf abreißt. Ein solches Ereignis fand z. B. bei der Hinrichtung des Halbbruders von Saddam Hussein, Barsan al-Tikriti, statt.[8]
Im Gegensatz zu den beiden nachfolgend beschriebenen Sterbevorgängen ist der so Gehenkte sofort unwiderruflich tot, jegliche Wiederbelebungsmaßnahmen wären zwecklos.
2. Verschluss der großen Blutgefäße des Halses
Ist die Energie beim Fallen in die Schlinge nicht groß genug, kann die Halswirbelsäule unbeschädigt bleiben. Gleichwohl kommt es bei entsprechender Positionierung der Schlinge im oberen Halsbereich zu einer Abschnürung der großen Halsschlagadern (Karotiden) und damit zu einer Unterbrechung der Blutzufuhr in den Kopf. Hierdurch tritt zwar nicht augenblicklich, jedoch nach einigen Sekunden eine Bewusstlosigkeit und nach einigen Minuten der Individualtod ein. Gleichwohl kann die Herzaktion noch bis zu etwa einer halben Stunde fortdauern.[9] Insofern ist hier der Todeseintritt mit dem bei der Enthauptung vergleichbar, der ebenfalls durch mangelnde Sauerstoffzufuhr ins Gehirn zustande kommt.[10] Bemerkenswert hierbei ist, dass die betreffende Person nicht frei am Seil hängen muss; es gibt zahlreiche Berichte zu Auffindesituationen von Erhängten in knieender oder halbsitzender, ja teils sogar liegender Stellung. Nicht in jedem Fall müssen beide großen Halsschlagadern verschlossen sein, insbesondere bei Karotisstenosen reicht nämlich die Versorgung durch die verbleibende Arterie möglicherweise nicht aus, um das Überleben zu sichern. Häufig kommt es bei dieser Erhängungsform zum Bruch des Zungenbeins.
Im Übrigen kommt es zugleich mit dem Verschluss der großen Halsschlagadern auch zum Verschluss der Drosselvenen (Venae jugulares), wodurch kein Rückstrom des Blutes mehr zum Herzen stattfindet; dies ist allerdings pathophysiologisch von untergeordneter Bedeutung, spielt andererseits jedoch in der Forensik eine wichtige Rolle.
Die erforderlichen Suspensionsgewichte für einen Verschluss der Halsgefäße beim Erwachsenen sind etwa 2 kg für die Drosselvenen, 5 kg für die Halsschlagadern und 15–30 kg für die Wirbelarterien.[11]
Ein weiterer Effekt, der gelegentlich eine Rolle spielen kann, ist ein reflektorischer Herzstillstand durch Druck auf das Glomus caroticum (Hering-Reflex, Karotissinusreflex).[12]
Der Verschluss der Halsgefäße ist die häufigste Todesursache beim Erhängen in suizidaler Absicht. Bemerkenswert ist, dass dieser Mechanismus des Erhängungstodes erst durch die Selbstversuche des oben erwähnten Arztes Nicolae Minovici nachgewiesen wurde. Inzwischen ist der Fall eines Tracheotomierten bekannt geworden, der sich durch Erhängen selbst tötete, wobei natürlich ein Verschluss der Atemwege nicht die geringste Rolle spielen konnte.[11]
Wird ein so Erhängter innerhalb der ersten Minuten aufgefunden, können unmittelbare Reanimationsmaßnahmen erfolgversprechend sein.
3. Ersticken
Bei entsprechender Positionierung der Schlinge und nur geringer Fallhöhe werden die oberen Atemwege zusammengedrückt und allmählich (durch das Körpergewicht des Betreffenden, verstärkt durch die panik- und schmerzbedingten Bewegungen des Betreffenden) völlig verschlossen, so dass es zu einem langsamen, äußerst qualvollen Ersticken kommt. Oftmals brechen die Kehlkopfknorpel. Da sich die Schlinge nur langsam zuzieht, dauert der Todeskampf oft wesentlich länger als bei einem kompletten Sofortverschluss der Atemwege, wo nach etwa drei Minuten Bewusstlosigkeit eintritt. Beispielsweise dauerte der Sterbevorgang bei allen Verurteilten des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher 15 Minuten und länger (wobei bis heute weder widerlegt noch bewiesen werden konnte, inwieweit dies so beabsichtigt war).[13][14] Gleiches gilt auch für die Erhängung weiblicher Aufseher des KZ Stutthof am 4. Juli 1946 mit kurzem Fall, wobei hier der entsetzliche 10-20 minütige Todeskampf (im Beisein der Öffentlichkeit) beabsichtigt war, weswegen die Verurteilten in einem zeitlichen Abstand von 12 Minuten gehängt wurden, damit sie sehen, was ihnen in Kürze bevorstehen wird. - Diese Erhängungsmethode ist dem Tod durch Garottieren bzw. Erdrosseln vergleichbar.
Von dieser Erhängungsart, die im Mittelalter gang und gäbe war, leiten sich verschiedene Redewendungen ab, etwa, dass sich „die Schlinge (langsam) zuzieht“ oder auch, dass etwas „mit Hängen und Würgen“, also nur mit äußerster Mühe, gelungen ist.
Forensische Aspekte
Rechtsmedizinisch wird zwischen typischem und atypischem Erhängen unterschieden. Beim typischen Erhängen hängt der Körper in einer frei schwebenden Position und der über die Strangfurche nachweisbare Aufhängepunkt befindet sich hinten in der Mitte des Nackens, so dass die Strangfurche annähernd symmetrisch verläuft. Im Gegensatz zu dem, was der Begriff „typisch“ suggeriert, weichen tatsächliche Erhängungen (sowohl in suizidaler Absicht als auch durch fremde Hand) meistens von diesem Muster ab, und zwar in mindestens einem der beiden folgenden Aspekte: Zum einen kann die Position des Knotens (bzw. der Durchschlauföse oder -schlaufe) an einer anderen Stelle als der Nackenmitte sein, und zum anderen kann der Erhängungstod, wie oben beschrieben, auch dann eintreten, wenn der Körper nicht freischwebend hängt, sondern zumindest teilweise den Untergrund berührt. Daher spricht man sowohl bei „atypischer“ Stranglage als auch bei nicht-freiem Hängen von „atypischem Erhängen“.[15]
Hinsichtlich der Knotenposition ist die Definitionslage in der Rechtsmedizin allerdings nicht völlig einheitlich; manche Autoren verstehen nur eine solche Strangposition als atypisch, bei der sich der Knoten vor dem Ohr befindet. Die Knotenpositon ist insofern bedeutsam, als der Verschluss der großen Halsschlagader (Arteria carotis communis) unvollständig sein kann, woraus Stauungsblutungen resultieren. Stimmt dieser Zusammenhang zwischen Knotenposition und Stauungsblutung bei einer Leiche nicht überein, muss von einer Fremdeinwirkung ausgegangen werden, die üblicherweiseeine ausführliche polizeiliche und forensische Abklärung erfordert.[16]
Körperliche Reaktionen
Verschiedene „archaische“ körperliche Reaktionen sind im Zusammenhang mit der eintretenden Asphyxie beschrieben, etwa der Abgang von Harn und Stuhl. Bei Männern kommt es in Erhängungsfällen, die durch Asphyxie herbeigeführt werden, recht häufig zu einer Erektion und schließlich auch einer Ejakulation, weshalb immer wieder geltend gemacht wurde, der Tod beim Erhängen sei mit einem Lustgewinn verbunden (engl. „angel lust“); tatsächlich wurde dies von in letzter Minute geretteten Selbstmordkandidaten bestätigt.[17] Inzwischen sind zahlreiche Fälle von versehentlicher Selbsttötung dokumentiert, bei denen sich masturbierende Männer in der Hoffnung, dadurch einen besonders intensiven Orgasmus zu bekommen, mittels einer um den Hals gelegten Schlinge einen künstlichen Sauerstoffmangel im Gehirn erzeugten, was dann aber zur Bewusstlosigkeit und zum vollständigen Hineinfallen in die Schlinge, mithin zum versehentlichen Erhängen, führte. Unter den unfreiwilligen Todesopfern dieser Praktiken befinden sich auch eine Reihe Prominenter, etwa Politiker oder Popstars. Der genaue Pathomechanismus des Lustgewinns durch Sauerstoffmangel („Hypoxyphilie“) ist noch nicht ganz geklärt.[18][19][20]
Erhängen als Vollzugsmethode der Todesstrafe
Geschichtliche Entwicklung
Seit alters her wurde das Erhängen als Hinrichtungsart praktiziert. Verurteilte wurden teils an Bäume gehängt, aber bereits zur Zeit des Alten Testaments ist die Rede von speziell für die Hinrichtung vorgesehenen Galgen, etwa im Buch Esther.
Den Vollzug der Todesstrafe durch Erhängen nannte man auch „Richten mit trockener Hand“ im Gegensatz zum Enthaupten, dem „Richten mit blutiger Hand“. Die Tötung durch Erhängen erfordert – im Unterschied zum Enthaupten – kein besonderes Geschick, wodurch die Suche nach Henkern (und auch deren Ausbildung) erleichtert war. In der Regel erfolgte das Hängen mit geringen Fallhöhen, wobei sich die Schlingen nur langsam zuzogen und dem Verurteilten einen langen Todeskampf bescherten (siehe oben), der häufig als Massenspektakel galt.[21] Nach dem Vollzug blieben die Leichen oft eine Zeitlang hängen, ehe sie in ungeweihter Erde – also außerhalb des Kirchhofs – bestattet wurden. Bekannt ist, dass sie zuvor häufig durch Vogelfraß verstümmelt wurden, insbesondere von Kolkraben, die ihnen die Augen auspickten, was ihnen ihren Ruf als Galgenvögel eintrug.[22]
Bereits im Alten Testament steht davon geschrieben, dass ein Erhängter verflucht ist (5. Mose 21,23), ein Umstand, den auch Paulus in seinem Galaterbrief aufgreift (Gal. 3,13). Die Hinrichtung durch Erhängen galt also bereits seit alter Zeit als besonders schmachvoll.
Im Gegensatz zur ehrenvolleren Enthauptung, die meistens Verurteilten höheren Ranges vorbehalten blieb, wurde das unehrenhafte Erhängen solchen niederen sozialen Ranges oder Vogelfreien, die dann oft auch am Galgen verbleibend den Vögeln zum Fraß überlassen wurden, zuteil. Dieses wirkte teilweise bis ins 20. Jahrhundert fort.
Aus dem 17. Jahrhundert ist ein Fall aus Brilon bekannt, bei dem ein bereits verstorbener Delinquent gehängt wurde.[23]
Seit 1871 war im Deutschen Reich ausschließlich die Enthauptung als Hinrichtungsmethode vorgeschrieben, welche in der Praxis mittels Handbeil oder Fallbeil durchgeführt wurde. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde durch das Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe vom 29. März 1933 auch die Methode des Hängens wieder zugelassen. Diese war aus Sicht der NS-Justiz besonders unehrenhaft und wurde im Kerngebiet des Deutschen Reiches bis Ende 1942 nicht angewandt. Im Dezember 1942 wurden die führenden Widerstandskämpfer des „Schulze-Boysen/Harnack-Kreises“ auf Befehl Hitlers jedoch erhängt, worauf in Deutschland wieder regelmäßig Exekutionen auf diese Art durchgeführt wurden[24] (z. B. nach dem 20. Juli 1944). Im Zusammenhang mit den zu erwartenden Todesurteilen wurde am 15. Dezember 1942 im Hinrichtungsraum der Haftanstalt Berlin-Plötzensee eine Eisenschiene mit Fleischerhaken angebracht,[24] und bis Mitte 1943 wurden Vorkehrungen zum Vollzug der Todesstrafe durch Hängen auch in nahezu allen anderen zentralen Hinrichtungsstätten getroffen. Der Galgen wurde dabei zumeist im selben Raum wie das Fallbeilgerät installiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war das Erhängen die häufigste Hinrichtungsart für verurteilte Kriegsverbrecher; von solchen Exekutionen existiert umfangreiches Filmmaterial.
In Deutschland wurden letztmalig im Juni 1951 in Landsberg am Lech Hinrichtungen durch Erhängen durchgeführt, und zwar durch die amerikanische Besatzungsmacht – gegen den ausdrücklichen Protest der Bundesregierung. Auch in diesen Fällen waren die Betroffenen als Kriegsverbrecher verurteilt worden.
Zum Vollzug der Todesstrafe in den Vereinigten Staaten wurde das Erhängen zuletzt am 25. Januar 1996 an Billy Bailey in Delaware praktiziert.
Hinrichtungen durch Erhängen werden weiterhin in zahlreichen Staaten der Erde durchgeführt, zum Beispiel ist dies die übliche Exekutionsmethode im Iran.[25]
In Österreich-Ungarn war es üblich, den Delinquenten an einem Richtpfahl hochzuheben, ihm die Schlinge um den Hals zu legen und dann den Körper ruckartig nach unten zu ziehen. Dadurch wurden Halsschlagadern und Wirbelarterien zusammengepresst. Manchmal drückte auch der Zungengrund gegen die Rachenhinterwand und verlegte so die Atemwege. Der Verurteilte verlor rasch das Bewusstsein und starb durch Unterbrechung des Blutflusses im Gehirn (auch der venöse Abfluss des Blutes wird durch die äußere Kompression unterbunden).
Varianten
Meist erfolgten Hinrichtungen an einem Galgen, woran der Delinquent frei zu hängen kam. Wie bereits oben erwähnt, kann der Sterbeprozess sehr unterschiedlich ablaufen, und diesem Umstand versuchte man durch konstruktive Lösungen Rechnung zu tragen. Folglich etablierten sich verschiedene Hinrichtungsvarianten:[26][27]
Kurzer Fall
Beim kurzen Fall wird der Verurteilte auf einem Lastwagen, Karren, Pferd oder sonstigen Gegenstand so positioniert, dass dieser Gegenstand unter ihm wegbewegt werden kann. Je nach Positionierung und Dimensionierung von Strick und Knoten können alle drei oben aufgeführten Mechanismen zum Tode führen. Im für den Delinquenten „günstigsten“ Fall kommt es zu einer Kompression der arteriellen Gefäße im Hals, d. h. der Hals- und der Wirbelsäulenschlagadern mit einem sofortigen Durchblutungsstopp des Gehirns, was meist innerhalb von 5 bis 10 Sekunden zur Bewusstlosigkeit führt.[28] Das eigene Körpergewicht ist dabei mehr als ausreichend, um den Verschluss dieser Gefäße zu bewirken. Eine Stauung tritt nur auf, wenn die Kompression nicht vollständig ist, was beim freien Hängen in der Regel nicht der Fall ist. Der Tod tritt durch den Sauerstoffmangel im Gehirn ein, der bereits nach 3–5 Minuten zu irreversiblen Schäden führt.[29] Dieser Mechanismus ist jedoch – trotz mancher gegenteiliger Behauptungen – eher die Ausnahme, da es in vielen Fällen gar nicht zu einer direkten Kompression der Blutgefäße kommt, schon gar nicht beidseits. Dies erklärt, warum bei dieser Methode fast regelhaft von langen Todeskämpfen berichtet wird.[27] Andererseits kann es aber auch bei Hinrichtungen an der kurzen Schlinge gelegentlich zu Brüchen der Halswirbelsäule mit augenblicklichem Todeseintritt kommen, wie entsprechende Hinrichtungsvideos beweisen. Vor 1850 wurde hauptsächlich die Methode des kurzen Falls angewandt.
Standardfall
Im Jahr 1866 studierte der irische Arzt und Gelehrte Samuel Haughton die vorliegende Literatur über das Erhängen (bis zurück zu Homers Odyssee) aufmerksam und kam zu dem Schluss, dass die grausame und langwierige Hinrichtung an der kurzen Schlinge nicht mehr zeitgemäß sei. Stattdessen plädierte er für eine größere Fallhöhe zwischen 4 und 6 Fuß (was etwa 1,20 bis 1,80 Meter entspricht), um möglichst einen Genickbruch zu erreichen. Diese Fallhöhe etablierte sich in der Folgezeit als Standard und wurde entsprechend benannt.
Langer Fall
Samuel Haughton, der bereits den Standardfall eingeführt hatte, war von 1886 bis 1888 Mitglied des britischen Todesstrafen-Komitees („Capital Sentences Committee“), welches sich mit der Entwicklung einer Methode befasste, die den Genickbruch noch zuverlässiger gewährleisten sollte. Man kam zu der Ansicht, dass die kinetische Energie beim Fall in die Schlinge 1708 Joule (entsprechend einer Fallhöhe von etwa 2,50 m bei 70 kg) betragen sollte (bei einer höheren Energie befürchtete er das Abreißen des Kopfes). Der Henker William Marwood, der sich bereits vorher um möglichst „humane“ Hinrichtungen bemüht hatte, entwickelte auf der Grundlage der Empfehlungen des Komitees eine Tabelle, anhand derer die erforderliche Fallhöhe (und damit verbunden, die Länge des Stricks) in Abhängigkeit des Gewichts des Todeskandidaten bestimmt werden konnte, so dass ihm das Genick gebrochen, aber eine Enthauptung vermieden wurde. Die empfohlene Energie, und damit einhergehenden Fallhöhen wurden 1892 zunächst auf etwa 1140 Joule (entsprechend einer Fallhöhe von etwa 1,65 m bei 70 kg) verringert, und 1913 wieder auf etwa 1400 Joule (entsprechend einer Fallhöhe von etwa 2,00 m bei 70 kg) erhöht. In Nachfolgestaaten des britischen Empires bilden diese Empfehlungen noch heute die Grundlage für Exekutionen.
Österreichischer Würgegalgen
In Österreich-Ungarn – und nach dem Zerfall der Donaumonarchie auch in einem Teil ihrer Nachfolgestaaten bis nach dem Zweiten Weltkrieg – war seit 1870 der Würgegalgen das offizielle Hinrichtungsinstrument. Hierbei handelt es sich um einen Richtpfahl, an dem der Todeskandidat mit unter den Achseln durchgezogenen Stricken hochgezogen wurde und anschließend eine kurze Schlinge um den Hals gelegt bekam, woraufhin man ihn wieder herunterrutschen ließ. Während es in der ursprünglichen, seit dem Dreißigjährigen Krieg praktizierten Form regelhaft zu einem langsamen Ersticken – vergleichbar mit dem Garottentod – kam, bemühte man sich später, den Todeseintritt zu beschleunigen, indem man den Delinquenten nicht nur einfach rutschen ließ, sondern ihn kräftig an den Beinen nach unten zog, so dass die Blutgefäße des Halses sich verschlossen. Der bekannte Henker Josef Lang erreichte auf diese Weise, dass der Tod innerhalb von einer Minute eintrat. Er hielt seine Methode – auch aufgrund von Versuchen, die er an sich selbst hatte vornehmen lassen – für wesentlich humaner als die in den angelsächsischen Ländern praktizierte.
Sonderform
Für Juden war in der frühen Neuzeit das Kopfüberhängen an den Füßen bestimmt, die sogenannte Judenstrafe, wobei als Verschärfung oft Hunde mitgehängt wurden, wie ein Holzschnitt aus der 1586 in Augsburg erschienenen Schweizer Chronik des Johann Stumpf zeigt. Dies geschah auch, um den Delinquenten zum Übertritt zum Christentum zu zwingen. Tat er dies, wurde die Strafe in Enthauptung umgewandelt und der Leichnam regulär beerdigt.[30]
Aberglaube
Das Verbleiben der Leichen am Galgen konnte zur Folge haben, dass Leichenteile entfernt wurden, denn ihr „Schelmbein“ (Knochen) oder „Armsünderschmalz“ (Fett) galten im Mittelalter als heil- und zauberkräftig. Der Daumen eines Diebes etwa sollte im Spiel Glück bringen, und der Galgenstrick diente zum Zähmen wilder Pferde.[31] Von Alraunen, die ebenfalls für magische Praktiken eingesetzt wurden, glaubte man, sie entstünden durch herabtropfenden Urin und Ejakulat der Gehängten. Sie wurden daher auch „Galgenmännchen“ genannt.
Erhängen von Tieren
Aus verschiedenen Gründen gibt es bis in jüngste Zeit Fälle, bei denen Säugetiere erhängt wurden – sei es in krimineller Absicht, als Alternative zum „Einschläfern“ oder auch als juristisch begründete Hinrichtung.[32] Einige Beispiele:
- Im spätmittelalterlichen Frankreich gab es eine Reihe von gerichtlich angeordneten und vollstreckten Todesurteilen an Tieren, wobei eine ähnliche Vielfalt an Vollstreckungsmethoden wie bei Menschen zur Anwendung kam. Unter anderem wurde 1386 in Falaise ein Schwein (nachdem man es vorher wie einen Menschen mit Jacke und Hose bekleidet und dann verstümmelt hatte) erhängt, welches einen Säugling zu Tode gebissen hatte.[32][33]
- Am 13. September 1916 wurde in der Nähe von Erwin (Tennessee) die asiatische Zirkuselefantenkuh Mary an einem Eisenbahnkran durch Erhängen „hingerichtet“, nachdem sie zuvor ihren (im Umgang mit dem Tier völlig unerfahrenen) Wärter zu Tode getrampelt hatte.[34][35][36]
- Bis in jüngste Zeit werden in Spanien Hunde der Jagdhunderasse Galgo Español getötet, wenn sie für Jagdaufgaben zu alt oder aus anderen Gründen nicht mehr geeignet sind. Die Tötung erfolgt in einer Reihe von Fällen durch Erhängen, wobei je nach der „Lebensleistung“ des betreffenden Tieres das der „lange Fall“ oder aber eine Strangulation (kurzer Fall) angewandt wird. Der im letzteren Fall lange Todeskampf mit zappelnden Bewegungen wird „Klavierspielen“ genannt.[37][38]
- Erhängen wird als Tötungsmethode in kambodschanischen Hundeschlachthöfen geübt.[39]
- Immer wieder werden Fälle von Erhängungen von Hunden bekannt, auch in Deutschland – sei es, dass Hundebesitzer sich auf diese Weise ihrer ihnen lästig gewordenen Tiere entledigen wollten, sei es, dass kriminelle Täter in tierquälerischer Absicht die Taten begehen. Solche Fälle werden, wenn sie bekannt werden, regelmäßig auf der Grundlage des Tierschutzgesetzes strafrechtlich verfolgt.[40][41][42]
Literatur
- Richard J. Evans: Rituale der Vergeltung. Die Todesstrafe in der deutschen Geschichte 1532–1987. Kindler, Berlin 2001, ISBN 3-463-40400-1 (Originaltitel: Rituals of retribution. Übersetzt von Holger Fliessbach).
- Heiner Lück: Galgen. In: Albrecht Cordes, Heiner Lück, Dieter Werkmüller, Ruth Schmidt-Wiegand (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, Aachen–Geistliche Bank. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. Band 1. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-503-07912-4, Sp. 1917–1926.
- Charles Duff: A Handbook on Hanging. The History Press, Stroud 2011, ISBN 0-7524-6068-4.
- Vic A. C. Gatrell: The Hanging Tree, Execution and the English People 1770–1868. Oxford Univ. Press, Oxford/New York 1996, ISBN 0-19-285332-5.
- Fred Harvey Harrington: Hanging Judge. University of Oklahoma Press, Norman 1996, ISBN 0-8061-2839-9.
- Traugott Vitz: Langes Seil, schneller Tod. Wie Großbritannien seine Mörder hängte. Verlag Kirchschlager, Arnstadt 2016, ISBN 978-3-934277-66-3.
- R. Michael Wilson: Legal Executions in the Western Territories, 1847–1911. Arizona, Colorado, Idaho, Kansas, Montana, Nebraska, Nevada, New Mexico, North Dakota, Oklahoma, Oregon, South Dakota, Utah, Washington and Wyoming. Mcfarland & Co Inc., Jefferson, N.C. 2010, ISBN 0-7864-4825-3.
Weblinks
- Erhängen. In: Meyers Konversations-Lexikon. 4. Auflage. Band 5, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig/Wien 1885–1892, S. 780.
- Der österreichische Galgen. In: todesstrafe.at, 2003 (Beschreibung und Abbildung des österreichischen Richtpfahls zur Strangulierung)
- Exekution des Saddam-Halbbruders: Welche Fehler der Henker gemacht haben muss. In: Spiegel Online. 15. Januar 2007 (Bericht über die schlecht ausgeführte Erhängung Barsan al-Tikritis)
- Schweizerische Gesellschaft für Rechtsmedizin (Hrsg.): Schädigung durch Strangulation. Mai 2012 (sgrm.ch [PDF]).
Einzelnachweise
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- ↑ Hans-Peter Duerr: Die dunkle Nacht der Seele. Insel Verlag, 2015, ISBN 978-3-458-17631-2, S. 13–28.
- ↑ Andreas Glas: Autoerotische Abenteuer: Tödliche Lust. In: Süddeutsche Zeitung. 8. Juli 2014, abgerufen am 27. Januar 2024.
- ↑ Pia Volk: Der letzte Kick. In: Frankfurter Rundschau. 25. Januar 2019, abgerufen am 27. Januar 2024.
- ↑ Daniel Huber: Gefährliche Sex-Spiele. In: 20 Minuten. 5. Juni 2009, abgerufen am 27. Januar 2024.
- ↑ Gerd Althoff, Hans-Werner Goetz, Ernst Schubert: Menschen im Schatten der Kathedrale. Primus Verlag, Darmstadt 1998, ISBN 3-89678-090-5, S. 341.
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- ↑ Vgl. den Artikel Melchior Berthold.
- ↑ a b Peter Koblank: Harro Schulze-Boysen. Rote Kapelle: Widerstand gegen Hitler und Spionage für Stalin. Online-Edition Mythos Elser, 2014 (mit zahlreichen Dokumenten).
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- ↑ Hanged by the neck until dead. The process of judicial hanging. In: Capitalpunishment. Abgerufen am 27. Januar 2024 (britisches Englisch).
- ↑ a b Vasudevan Mukunth: Gruesome, Clumsy and Irreversible: The Science Behind ‘Hanging By the Neck’ – The Wire Science. 20. März 2020, abgerufen am 27. Januar 2024 (britisches Englisch).
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- ↑ Wolfgang Schild: Die Geschichte der Gerichtsbarkeit. Nikol Verlagsgesellschaft, Hamburg 1997, ISBN 3-930656-74-4, S. 66. Lizenz von: Verlag Georg D. W. Callwey, München 1980.
- ↑ Gerd Althoff, Hans-Werner Goetz, Ernst Schubert: Menschen im Schatten der Kathedrale. 1998, S. 339.
- ↑ a b Elke Bodderas: Tierprozesse: Schuldig! – Tiere auf der Anklagebank. In: Welt. 21. März 2014, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ J. H.: Die Sau von Falaise oder ‚Ein Exempel wird statuiert‘. In: altmod. 20. Februar 2017, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ Bernhard Gusenbauer: Mary – Die grausame Hinrichtung eines Elefanten. In: Motivationsgeschichten. 11. Mai 2015, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ Murderous Mary the elephant. In: Traveling the strange South through storytelling. 9. April 2009, abgerufen am 24. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Joan Vannorsdall Schroeder: From The Archive: The Day They Hanged an Elephant in East Tennessee. 17. Juni 2017, abgerufen am 24. Januar 2024 (amerikanisches Englisch).
- ↑ Natasha Daly: Gezüchtet, um zu sterben: Spaniens todgeweihte Jagdhunde. In: National Geographic Deutschland. 4. März 2020, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ Sarah Schonert: Galgos: die Geschichte hinter ihrem Leid. In: Veto Tierschutz. 6. Februar 2020, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ Martin Bauer: Was in Kambodschas Hundeschlachthöfen passiert. In: Vier Pfoten. 4. November 2019, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ Schöffengrund: Mann erhängt seinen Hund im Wald. In: Der Spiegel. 10. Februar 2017, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 24. Januar 2024]).
- ↑ Rabea Erradi: Hesse (27) erhängt seinen Hund – trotz „besonderer Grausamkeit“ der Tat ist die Strafe ein Witz. In: DerWesten.de. 8. Mai 2018, abgerufen am 24. Januar 2024.
- ↑ DerWesten: Tierquäler erhängen in Dortmund vier Schäferhunde im Zwinger. 14. Februar 2011, abgerufen am 24. Januar 2024.