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Unterschriften-Bschiss: Allianz im Parlament mit Vorschlag

Matthias Michel, FDP-ZG, Mitte, diskutiert mit Nationalrat Gerhard Andrey, GP-FR, rechts, neben Johanna Gapany, FDP-FR, links, an der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 10. Septemb ...
Sie schmiedeten die Sechs-Parteien-Allianz: FDP-Ständerat Matthias Michel aus Zug (Bildmitte) und der Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey von den Grünen.Bild: keystone

Unterschriften-Bschiss: Breite Allianz im Parlament setzt Bundesrat mit revolutionärem Vorschlag unter Druck

Der Skandal um mutmasslich gefälschte Unterschriften bei Initiativen und Referenden schlägt weiter Wellen. Nun macht eine Allianz aus sechs Parteien einen Vorschlag, Unterschriftensammlungen sicherer gemacht werden könnten.
18.09.2024, 15:30
Stefan Bühler / ch media
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«Die jüngsten Enthüllungen über die Fälschung von Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden durch fragwürdige kommerzielle Anbieter sind alarmierend und beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit der direkten Demokratie.» Das schreiben sechs Nationalrätinnen und Nationalräte und ein Ständerat in sieben gleichlautenden Vorstössen, die am Mittwoch im Parlament eingereicht wurden. Gemeinsam fordern sie den Bundesrat auf, Konsequenzen zu ziehen aus dem Debakel – und eine technologische Revolution einzuleiten: die elektronische Unterschriftensammlung.

«E-Collecting kann die Sicherheit bei der Unterschriftenabgabe substanziell erhöhen und damit das Vertrauen in die Wahrnehmung der politischen Rechte wieder herstellen», argumentieren Gerhard Andrey (Grüne), Min Li Marti (SP), Beat Flach (GLP), Marcel Dobler (FDP), Nik Gugger (EVP) und Dominik Blunschy (Mitte) sowie der Zuger FDP-Ständerat Matthias Michel in ihren Motionen

Es ist ein wuchtiges Signal des Parlaments an den Bundesrat: Es ist selten, dass im Nationalrat sechs Parteien die gleiche Forderung stellen. Im Ständerat, wo das Begehren vom Zuger Freisinnigen Matthias Michel eingereicht wird, haben sogar Vertreterinnen und Vertreter aus allen Parteien den Vorstoss unterschrieben. Sowohl im Ständerat als auch im Nationalrat haben auch SVP-Mitglieder die Motionen unterzeichnet.

Konkret fordern die Parlamentsmitglieder den Bundesrat auf, «ein Pilotprojekt zu initiieren, um das elektronische Sammeln von Unterschriften und Referenden, E-Collecting, zu erproben.» Das auf der technischen Grundlage des elektronischen Identitätsausweises, der E-ID, deren Entwicklung beim Bund weit fortgeschritten ist.

Im 2021 sagte das Volk trotz auffälliger Ja-Kampagne Nein zu einer privaten E-ID. Das staatliche Nachfolgeprojekt soll nun bei den Volksrechten zum Einsatz kommen.
Im 2021 sagte das Volk trotz auffälliger Ja-Kampagne Nein zu einer privaten E-ID. Das staatliche Nachfolgeprojekt soll nun bei den Volksrechten zum Einsatz kommen.Bild: CH Media (Bern, 26. 2. 2024)

Wir treffen Nationalrat Gerhard Andrey und Ständerat Michel in der Wandelhalle. Sie haben das Projekt in den beiden Räten in den letzten Tagen vorangetrieben und sind auf viel Zuspruch gestossen. «Wir wollen zeigen, dass wir im Parlament nicht nur Probleme bewirtschaften, sondern Lösungen für die Bevölkerung finden können», sagt Andrey.

Nach Jahrzehnten des Zögerns gebe es nun endlich in fast allen Parteien ein Einvernehmen, mit E-Collecting den nächsten Schritt vorwärtszumachen. Insofern habe der Skandal um die mutmasslich massenhaft gefälschten Unterschriften auch etwas Gutes: «Wir sehen, dass das heutige System fehleranfällig ist, zugleich steht mit E-Collecting eine zeitgemässe Alternative bereit, die dazu geeignet ist, Missbrauch, wie er nun offenbar stattgefunden hat, zu unterbinden», erklärt IT-Unternehmer Andrey.

Doch wie würde das ganz genau funktionieren mit der elektronischen Unterschriftensammlung? Ständerat Michel verweist auf die E-ID, die der Bund ab 2026 allen Bürgerinnen und Bürgern der Schweiz anbieten will. «Diese belegt, dass eine Person tatsächlich diese Person ist, die sie zu sein angibt, zweifelsfrei.» Für eine Unterschriftensammlung könne künftig beispielsweise ein QR-Code des Initiativkomitees eingelesen und die Unterschrift digital abgeben werden, das natürlich nur einmal.

«Man muss sich das ähnlich vorstellen wie ein elektronisches Ticket für ein Fussballspiel oder ein Konzert», erklärt Michel. «Wenn ich es einmal eingelesen habe, erkennt das System später, dass ich schon erfasst bin – ich kann also meine Unterschrift nicht doppelt abgeben.»

Für Andrey ist ein weiterer Vorteil, dass die E-ID, wie sie nun vom Bund entwickelt wird, «dezentral und datensparsam» angelegt ist: «Die Informationen werden nicht zentral gesammelt, sie bleiben bei mir, bei meiner E-ID. Sie ist es, die feststellt, wenn ich die gleiche Initiative irrtümlicherweise ein zweites Mal unterschreiben möchte.» Das System habe sogar den Vorteil, «dass wir neu ein Unterschriften-Geheimnis etablieren können», erklärt der Freiburger Nationalrat: «Wenn ich mit E-Collecting unterschreibe, sollen die Initiativkomitees von mir nur die Information erhalten, dass ich eine stimmberechtigte Person bin, die ihr Anliegen unterstützt.» Es seien aber wie bisher immer noch letztlich die Gemeinden, welche die Gültigkeit der digitalen Zustimmung überprüfen und bestätigen.

Was hier für Laien nach Science-Fiction tönt, ist schon weit fortgeschritten. Nachdem das Volk 2021 in der Abstimmung eine von privaten Anbietern betriebene, staatlich anerkannte E-ID ablehnte, lancierte eine breite Allianz einen Neustart auf rein staatlicher Basis. Die neue E-ID soll vom Bundesamt für Polizei, Fedpol, herausgegeben werden. Und: Wer eine E-ID besitzt, soll die Kontrolle über seine Daten behalten.

Appenzell testet die E-ID bereits beim Lernfahrausweis

Bereits läuft ein erster Pilotversuch mit der neuen E-ID: In Appenzell Ausserrhoden kann der Lernfahrausweis seit Mai auch elektronisch bezogen werden. Er wird auf dem Smartphone abgespeichert, in einer Art elektronischen Brieftasche. Wer ihn vorweisen will – zum Beispiel zu Beginn einer Fahrstunde oder in einer Verkehrskontrolle – kann das via QR-Code tun. Anhand der übermittelten Daten können zum Beispiel Fahrschulen oder die Polizei die Gültigkeit des Ausweises überprüfen.

Auch für einen Versuch der elektronischen Unterschriftensammlung ist nach Ansicht der Motionäre die rechtliche Grundlage gegeben. Es gehe nicht darum, E-Collecting nun sofort und flächendeckend einzuführen, sagen Andrey und Michel, vielmehr um einen Pilotbetrieb in begrenztem Umfang. Denkbar wäre etwa, den E-Collecting-Versuch vorerst auf eine maximale Quote zu beschränken, welche digital gesammelt werden dürfen. «Wir sollten jetzt rasch Erfahrungen sammeln und sehen, wo das System noch verbessert werden muss», sagt Andrey.

Den Einwand, dass mit dem E-Collecting Initiativen und Referenden noch einfacher und damit häufiger zustandekommen, lässt Michel nicht gelten: «Statt dass ich auf der Strasse spontan ein Volksbegehren unterschreibe, weil mich jemand überredet, kann ich zu Hause in aller Ruhe entscheiden, ob ich meine elektronische Unterschrift gebe.» Andrey wird grundsätzlich: «Mit E-Collecting können wir die Teilhabe an den Volksrechten erleichtern und zugleich das Verfahren wesentlich verbessern, das ist eine wichtige Weiterentwicklung unserer direktdemokratischen Kultur.»

Die breite Unterstützung der Vorstösse im Parlament spricht für diese Einschätzung. Wie auch öffentliche Aussagen von Bundeskanzler Viktor Rossi, in dessen Zuständigkeit die Prüfung von Unterschriften fällt. Er sei daran, technische Methoden zu prüfen, wie Unterschriftensammlungen besser abgesichert werden könnten. Er nannte ausdrücklich die E-ID als Option. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier dürften bei der Bundeskanzlei offene Türen einrennen. (aargauerzeitung.ch)

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84 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Gen X
18.09.2024 16:26registriert August 2023
Der Grund, weshalb die E-ID 2021 abgelehnt wurde war nicht, dass die Stimmbürger*innen grundsätzlich gegen die E-ID waren. Zumindest die meisten.
Sondern dass eine private Firma ein zum Staat gehörendes Projekt entwickelt und die Daten der Teilnehmer zentral bei sich gespeichert hätte, womöglich noch in einer chinesischen Cloud, wie es der Bundesrat auch schon machen wollte.
Dazu war das Misstrauen in die Privatwirtschaft zu gross und anhand der Erfahrungen mit persönlichen elektronischen Daten Seitens Google und Co. durchaus berechtigt.
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Zeit_Genosse
18.09.2024 16:01registriert Februar 2014
Das voranzutreiben macht Sinn. Aber auch Bevölkerungsgruppen ohne digitale Kompetenzen und Zugänge müssen einbeziehbar sein/bleiben.
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