Corporate Finance 3rd Edition Berk Test Bank 1
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1
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4) Which of the following statements is FALSE?
A) The amount of each coupon payment is determined by the coupon rate of the bond.
B) Prior to its maturity date, the price of a zero-coupon bond is always greater than its face value.
C) The simplest type of bond is a zero-coupon bond.
D) Treasury bills are U.S. government bonds with a maturity of up to one year.
Answer: B
Diff: 2
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Conceptual
D) Coupon =
Answer: A
Diff: 2
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Conceptual
coupon interval.
Answer: B
Diff: 2
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Conceptual
Suppose the current zero-coupon yield curve for risk-free bonds is as follows:
Maturity (years) 1 2 3 4 5
YTM 3.25% 3.50% 3.90% 4.25% 4.40%
10) The price per $100 face value of a three-year, zero-coupon, risk-free bond is closest to:
A) $93.80
B) $90.06
C) $89.16
D) $86.39
Answer: C
Explanation: C) $100/(1.039)3 = 89.1566
Diff: 1
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Analytical
3
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11) The price per $100 face value of a four-year, zero-coupon, risk-free bond is closest to:
A) $90.06
B) $89.16
C) $86.39
D) $84.66
Answer: D
Explanation: D) $100/(1.0425)4 = 84.6634
Diff: 1
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Analytical
12) Suppose a five- year bond with a 7% coupon rate and semiannual compounding is trading for
a price of $951.58. Expressed as an APR with semiannual compounding, this bonds yield to
maturity (YTM) is closest to:
A) 7.0%
B) 7.5%
C) 7.8%
D) 8.2%
Answer: D
Explanation: D) PMT = 35, FV = 1000, PV = -951.58, N = 10, Compute I = 4.099949 × 2 =
8.199898%
Diff: 2
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Analytical
13) Suppose a ten-year bond with semiannual coupons has a price of $1,071.06 and a yield to
maturity of 7%. This bond's coupon rate is closest to:
A) 3.5%
B) 6.0%
C) 7.0%
D) 8.0%
Answer: D
Explanation: D) I = 3.5, FV = 1000, PV = -1,071.06, N = 20, Compute PMT = 40 × 2 = 80/1000
= 8.0%
Diff: 2
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Analytical
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14) A three-month treasury bill sold for a price of $99.311998 per $100 face value. The yield to
maturity of this bond expressed as an EAR is closest to:
A) 2.5%
B) 2.8%
C) 3.2%
D) 4.0%
Answer: B
Explanation: B) EAR = - 1 = 0.028
Diff: 2
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Analytical
15) Consider a zero coupon bond with 20 years to maturity. The price will this bond trade if the
YTM is 6% is closest to:
A) $215
B) $312
C) $335
D) $306
Answer: B
Explanation: B) FV = 1000
I=6
PMT = 0
N =20
Compute PV = 311.80
or, PV = = = 311.80
Diff: 1
Section: 6.1 Bond Cash Flows, Prices, and Yields
Skill: Analytical
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Eine Blockade! Soll ich mit dem Wort enden? Uns Deutsche muß das
Wort heute nachdenklich stimmen. Muß es uns nicht in der
schicksalsschweren Gegenwart, in der wir leben, unwillkürlich an unser
Deutschland erinnern? Auch wir sind ja bis heute blockiert, und es ist
uns ein Wort der Qual geworden. Wann kommt der Tag, wo wir, endlich
wieder ein freies Handelsvolk wie jene Alten, ein Schiff festlich
schmücken können, um es hinaus ins Meer zu treiben? Wir glauben an
keine Isis mehr. Aber wir glauben an den guten Geist in uns und über
uns, der uns zur rechten Stunde endlich doch das Gelingen geben wird.
Die Laus im Altertum.
Selbst ein Geist wie Homer löst dies Rätsel nicht; denn er ist zu erhaben
für solche Dinge. Die Läuse sind’s, um die es sich handelt; erst wenn sie
gefangen sind, hören sie auf, bei uns zu sein; die n i c h t gefangen sind, die
eben haben wir!
Diese Stelle steht fast einsam da in der griechischen Literatur. Die
Zoologie der Griechen, Aristoteles und seine Nachfolger, haben die Laus
natürlich beachtet und in ihr System aufgenommen. Aber ihr eigenartiges
Leben und Weben, ihr Kribbeln und Krabbeln, ihre Tücke und
blutgierige Menschenliebe uns lebendig zu schildern, dazu lassen sich
solche Autoren nicht herbei. Schon das Homer-Erlebnis aber verrät uns:
nur bei Fischern und anderen Leuten rein dörflichen Lebens, oder doch
nur da, wo vollkommene Armut herrscht, sind diese leidigen Parasiten zu
finden; nur da sind sie von uns vorauszusetzen; die schönheitssüchtige
Literatur der Griechen blickt selten in diese dörfliche Volksschicht hinab
und nimmt auch dann, wenn sie es tut, solcher Armseligkeiten nicht
wahr. Bei dem derben Lustspielschreiber Aristophanes tritt einmal die
„Armut“ als Person auf die Bühne, und von ihr heißt es da in der Tat: sie
bewirkt, daß um das Haupt des Armen Läuse, Wanzen und Flöhe sich
tummeln, so daß er aus dem Bett springt: „auf, an die Arbeit!“[140] Für
den, der solche Plage mit sich herumtrug, gab es auch ein besonderes
Wort, der „Läuseheger“ und „Läuseträger“. Wir reimen darauf noch: der
Läusejäger. Aber das Wort steht nur in den Lexika[141]; wir finden nicht,
daß es bei den Schriftstellern selbst in Gebrauch war.
Es gab außer den Dorfleuten in der älteren Zeit noch eine andere
Sorte von Menschen, auf die der Ausdruck paßte. Das waren gewisse
Anhänger des alten Pythagoras, die Pythagoristen, die so fromm sind,
daß Hades, der Gott der Unterwelt sie, wenn sie sterben, zum Lohn mit
an seinen Tisch zieht, obschon sie im Schmutz starren. Sie tun das aus
philosophischer Überzeugung. Wir hören, wie man in Athen diese
Sonderlinge, die nur Kräuter essen, nur Wasser trinken, sich aber nie
waschen und den Rock voll Läuse haben, verhöhnt hat[142]. Aber sie
standen außerhalb der Gesellschaft; das war kein wirkliches griechisches
Leben.
Höchst auffällig, daß sonst die ganze Literatur
von solcherlei Menschen nichts zu wissen scheint, Die Laus fehlt bei
Aristophanes u. sonst.
und zwar nicht nur die griechische, sondern Reinlichkeit der Städter.
nahezu ebenso auch die der Römer! Die antike
Literatur ist immun und von früh an insektenfrei. Aristophanes, derselbe
Dichter, den ich schon nannte, er war keineswegs nur der anmutige
Possenreißer, im Gegenteil: ein Unflat war er, der sonst wahrlich kein
Blatt vor den Mund nimmt, um in derbsten Tönen alle sexuellen
Realitäten wie auch die Dinge der Leibesnotdurft vorzuführen. Aber die
Insektenplage?
Den geflügelten Mistkäfer führt er zwar vor, in Riesengröße; der
Held des Stückes fliegt auf dem Mistkäfer gen Himmel unter Gestank.
Den Philosophen Sokrates läßt er ferner mit Flöhen umgehen; der Floh
ist der Aristokrat unter diesen Tieren, und Sokrates nützt ihn gleich zu
wissenschaftlich-experimentellen Zwecken aus; er will wissen, wie weit
Flöhe springen können. Ein Floh hopste vom Kopfe des Chairephon auf
den Kopf des Sokrates; nun werden die Flohfüße in Wachs abgegossen
und dann irgendwie die Sprungweite gemessen[143]. So heißt es noch
anderswo bei demselben Dichter, daß die jungen Mädchen tanzen wie
die Flöhe in den wollenen Bettdecken[144]. Ja, auch Schaben und Wanzen
fehlen da nicht und sitzen im Haus am Mauerwerk fest[145]. Insonderheit
der Reisende fürchtet sich vor den Wanzen in den Nachtherbergen[146].
Aber Läuse? Nein! Die Weiber ziehen sich in naturwüchsigstem Gebaren
bei Aristophanes aus und an und reden dabei die natürlichsten Dinge.
Läuse fehlen. Auch eine Rasierszene ist da, wo alles voll Ulk und sehr
umständlich hergeht; Anlaß genug, solche Gäste in den Barthaaren zu
finden; sie finden sich nicht[147]. Der bäuerische Volksmann Dikäopel
sitzt frühmorgens einsam in der leeren Volksversammlung, wartet, daß
die anderen Bürger kommen, und gähnt und rekelt sich derweilen, zupft
sich die Haare und tut sonst noch, was wenig anständig ist; aber er laust
sich nicht.
Nur Andeutungen gestattet sich der Dichter; sein Stück „die Wolken“
fängt bei Nacht an; ein alter Athener liegt da zur Nachtruhe und kann
nicht schlafen; „will es noch nicht Tag werden? mich beißen die
Sorgen,“ seufzt er, und nochmals: „mich beißt die Sorge vor dem
Exekutor aus dem Bett heraus!“ Da haben wir die beißende Sorge als
Ersatz.
Aber wie bei Aristophanes, so steht es auch sonst. Die Hirtenpoesie
des Theokrit, die sich unter Ziegen und Kuhherden bewegt, wahrt auch
sonst gern allerlei realistische Züge; erst recht tut dies die Tierfabel des
Aesop (Phädrus, Babrius). Aber nur Mücken und Ameisen erscheinen
da; vom Biß der Ameise wird da gehandelt. Weiter greift auch die
Fabeldichtung nicht hinab.
Wohl aber verrät uns Aristophanes an einer Stelle, daß es in der
groben Bühnendichtung früherer Zeiten doch anders hergegangen war.
Da, wo er stolz vor sein athenisches Publikum tritt und darlegt, wodurch
er all seine Vorgänger übertreffe und wie er es sei, der das Lustspiel zu
etwas Neuem, Großem und Herrlichem gemacht, da lesen wir, daß die
früheren rohen Volksdichter Athens sich begnügten, Leute aus dem Volk,
die in Lumpen gehen, vorzuführen, und solche, die da „mit Läusen
fechten“[148].
Da taucht also die Laus auf, nach der wir mit der Lupe suchten, und
sogar ein Gefecht, eine Phtheiromachie; aber nur, um wieder fast völlig
für uns zu verschwinden. Aristophanes hat an der angegebenen
bedeutsamen Stelle das Programm der ganzen klassischen Literatur
aufgestellt: das Programm der Läuselosigkeit.
Woran liegt das? Die Antwort kann nur sein:
an der außerordentlichen Reinlichkeit der Städter, Bad; Gymnastik;
Rasieren. Die
die selbst für die kleineren Stadtgemeinden griechischen Frauen.
(„Poleis“) Altgriechenlands bezeugt oder doch
vorauszusetzen ist. Das leidet keinen Zweifel. Denn nicht nur in den
Gymnasien allerorts war Wasch- und Badegelegenheit; es gab auch noch
besondere Badeanstalten mit Wannen[149], und auch selbst in den
Häusern der kleinen Bürger gab es regelmäßig Badetröge, Badewannen,
Badestuben. Man lese dafür solche Stellen wie in des Aristophanes
Wespen (v. 141) und Thesmophoriazusen (v. 559). Ein
unzurechnungsfähiger, unruhiger Alter will aus seinem Haus; er wird
aber nicht herausgelassen; die Tür ist abgeschlossen. Da fürchtet man, er
könne von seiner Badestube aus durch den Wasserablauf schlüpfen und
so den Ausgang finden. Ein andermal hat sogar angeblich ein Mord in
der Familie stattgefunden, und unter der Badewanne im Haus hat man
den Ermordeten eingescharrt. Das gibt uns Einblick in die bescheidenen
bürgerlichen Wohnhäuser Alt-Athens im 5. Jahrhundert v. Chr., in denen
sonst die Hühner und Schweine mit herumliefen. Ein vielgescholtener
Demagog Athens war damals Kleon; von ihm wird uns berichtet, wie er
den „Demos“ auf das schlaueste gängelt und verzieht; er läßt ihn
morgens Gericht halten, schickt ihn dann ins Bad, dann zum Essen und
zahlt ihm dazu Tagegelder aus der Staatskasse. Der „Demos“ aber ist das
Gesamtvolk der Stadt; ganz Athen badete, wenn der geschäftige
Vormittag vorüber[150]!
Was die Männerwelt betraf, so kommt nun die Nackt-Turnerei in den
geschlossenen Räumen der Gymnasien dazu; und dazu diente das Öl. Ein
Turner ohne Einölung der gesamten Körperhaut war für die Griechen
nicht denkbar; ständig wurde deshalb auch nach dem Abschluß der
Sportübungen mit dem Striegel Öl und Schweiß vom ganzen Körper
abgeschabt. Wo war da noch Raum, ein geruhsamer Wirkungskreis für
Insekten? Man denke an den marmornen „Schaber“ des Lysipp im
Vatikan. Wie können an solchem Jüngling Parasiten haften?
Eine gleichsam absolute Reinlichkeit, die sich noch steigerte, als nun
gar auch das Rasieren Pflicht wurde. Durch 500 Jahre geht das ganze
Altertum, und zwar auch die alten Herren, mit so ausrasiertem Gesicht
wie Napoleon, Goethe und Schiller. Man denke an den Alexanderkopf,
an Julius Caesar, Augustus, Menander. Im Bartwuchs aber findet sonst
das lausige Getier gern Unterschlupf, wie das Wild im Walde[151]. Der
Unterschlupf war damit niedergelegt. Nur gewisse Fanatiker des
Naturwüchsigen, Philosophen und dergleichen, fügten sich der neuen
Mode nicht.
Etwas anders steht es mit den Frauen. Sie badeten zwar fleißig, aber
sie turnten nicht und ölten sich nicht ein[152], und insbesondere ihre
Frisur konnte leicht zur Heimstätte des Gefürchteten werden. Es bestand
die Redensart, wenn eine Frau in Trauer war und darum ihr Haupthaar
sich glatt wegscheren ließ, sie werde bis auf die Laus geschoren[153]. Das
läßt freilich tief blicken.
So begegnet uns denn in der Tat ein einziges Mal eine Dame der
feinen Welt, die auch wirklich an diesem Übel litt. Die bessere
griechische Gesellschaft und ihr Geistesleben war nicht denkbar ohne die
schöne Halbwelt; die Hetären waren, wie allbekannt, Vertreterinnen der
besten Bildung, des guten Tons und des Geschmacks, und Künstler,
Dichter, Politiker und Philosophen wurden von ihrer Lebenskunst
gefesselt. Daher besitzen wir ganze Kataloge von Namen dieser
anziehenden Schönheiten. Eine einzige unter ihnen, die Phanostrate,
führte den Spitznamen „die am Läusetor“ (Phtheiropyle, gebildet wie
Thermopyle), warum? Weil sie die Gewohnheit hatte, vor ihre Haustür
zu treten und sich dort die Läuse abzusuchen. Es war gewiß gut, daß sie
dies Geschäft nicht in ihrem Hause besorgte. Demosthenes hat in seinen
Reden diese Person erwähnt; aber er gibt uns den garstigen Spitznamen
nicht; ein Demosthenes nimmt den nicht in den Mund. Nur das Volk
Athens hat die Dame so gerufen[154]!
Nichts ist auffallender als Sokrates, den uns
Plato in unzähligen Schriften schildert und Sokrates. Kyniker.
Läuse fehlen auch in
hinstellt, als ob er vor uns lebte. Plato weiß ganz der röm. Literatur.
wohl, daß es Läuse gibt, und da, wo er über
verschiedene Künste handelt, stellt er einmal auch mit der Kunst der
Strategie und der Jagd die Kunst des Läusefangs zusammen; neben der
Strategie und Thereutik steht also die P h t h e i r i s t i k [155]. Man sollte sich
diesen Ausdruck merken, da wir für alle guten Künste so gern
griechische Fremdwörter brauchen! Von Sokrates nun aber versichert uns
Plato, daß er sich, mit wenigen glorreichen Ausnahmen, nie wusch und
badete und daß er immer barfuß ging. Trotzdem kann der Verdacht, eine
Laus an Sokrates zu finden, nicht aufkommen. Plato selbst läßt solchen
Verdacht nicht zu. Ist es nur Pietät? sollte von ihm nur deshalb, weil er
der erhabene Träger aller edelsten Gedanken ist, das gemein Triviale
ferngehalten werden? Vielmehr ist Sokrates in Wirklichkeit sauberer als
sein Ruf gewesen. Er war durchaus hoffähig, so schlicht er auftrat. Die
eklen Standesunterschiede, die heute leider dem Adligen und Landbaron
mit dem Fabrikarbeiter, dem Professor mit seinem Flickschuster einen
täglichen Verkehr nicht gestatten, gab es in jenem glücklichen Athen
noch nicht. Ob reich ob arm, der Männerverkehr stand ausschließlich auf
Du und Du: selbst den Kaiser Roms hat jeder armseligste Eckensteher
geduzt; und Sokrates, der dürftige, zieht also auch, ohne Anstoß zu
geben, die ersten Größen der Stadt, wo er will und so oft er will, in seine
Gespräche und tritt, wie er ist, als gern gesehener Gast in die
vornehmsten Häuser Athens ein. Er hat durch das, wonach wir suchen,
sicherlich keinen Anstoß gegeben; er war immun.
Und was von ihm galt, gilt nun auch von den eigentlichen
Straßenphilosophen, die sich deshalb die Hundsphilosophen, die Kyniker
nannten, weil sie bedürfnislos wie die Tiere leben wollten. In der Tat
sind die Kyniker für die Bettelmönche des Mittelalters, insbesondere für
das Mönchtum der griechisch-orthodoxen Kirche, die eigentlichen
Vorgänger gewesen. Aber wenn diese christlichen Mönche die Läuse,
mit denen Gott der Herr sie plagt, als eine Zuwendung des Höchsten
sorglich hüten, die wahren Läuseheger und Läuseträger, so läßt sich das
von einem Diogenes und seinesgleichen keineswegs behaupten. Es ist
jener Diogenes, der in Athen in einem tönernen Faß auf dem
Tempelgrundstück des Metroons seine Wohnung aufschlug. Sehen wir
näher zu, so erfahren wir, daß der Mann badete wie jeder andere, ja daß
er sich auch einölte, wie ein rechter Grieche. Er war eben Städter und
kein Dorfbewohner. Überdies stellte er sich gelegentlich nackt in den
Winterregen, so daß alle über seine Abhärtung staunten. Als er in eine
Badeanstalt kommt, die nicht sauber genug gehalten ist, fragt er: „Wo
reinigen sich die, die hier baden[156]?“ Ein beredteres Zeugnis für die
Bedeutung des Bades bei den Griechen, als dieses, kann es nicht geben.
Mit dem Römervolk steht es nun aber nicht anders als mit den
Griechen. Wer kann es wagen, einen Cicero, Vergil, Seneca und Tacitus
in Zusammenhang mit diesen Dingen zu bringen? Der Stich der
Wassermücke war unangenehm; der wird in einem kleinen Epos von
Vergil oder einem Vergilnachtreter einmal wirklich gefühlvoll
besungen[157]: ein schlafender Hirte wird durch den Stich der
Wassermücke geweckt, als gerade eine Schlange im Gras auf ihn lauert,
und das Tierchen hat so dem Menschen das Leben gerettet; aber eine
Laus naht sich dem Hirten nicht. O nein! Begreiflich genug. Denn die
römische Kultur war eben im Geistigen und Technischen, in allem
Nützlichen und Schönen griechisch. Ja, gerade für das Badewesen hat
der Römer nicht nur in der Tiberhauptstadt, sondern auch in den
kleinsten Nestern Italiens und allen Provinzialstädten wie Trier, auch in
den Soldatenlagern wie im Kastell der Saalburg noch viel mehr getan als
der Grieche. Es war ein Schlemmen in wohliger Nässe in den
öffentlichen römischen Thermen, die gerade nur für das niedere Volk
bestimmt gewesen sind und, um große Volksmassen aufzunehmen, die
Größe unserer größten Kirchenbauten durch ihren Umfang weit
übertrafen. Kleine Badeanstalten von Privatunternehmen gingen noch
nebenher; der Reiche hatte seine eigenen Marmorbäder in seinen Villen
und Palästen und protzte damit, so daß die Ärzte warnen: es wird zuviel
gebadet, das Volk wird verweichlicht! Die weit über Land geführten
römischen Wasserleitungen waren womöglich noch großartiger als ihre
berühmten Militärstraßen. In all dem Wasser mußte das Fußvolk der
Läuse zu Grunde gehen.
Spottdichter, die auch das Widerwärtigste
heranziehen, hat Rom genug gehabt; alte Vetteln, Fehlen bei d.
Spottdichtern, anders in
die bei lebendigem Leibe verfaulen[158], mit d. älteren Zeit Roms.
grünen Zähnen und krankem Zahnfleisch; Grind
und Aussatz am Kopfe und übler Mundgeruch; Bocksgeruch der
Männer; Triefäugige; einer, der sich mit Urin die Zähne putzt; vergoldete
Nachtstühle und ihre Benutzung[159], und noch Ärgeres sind ihre
Themen. Nicht nur Catull und Horaz, vor allem hat uns Martial zwölf
ganze Bücher voll schlimmster Anzüglichkeiten hinterlassen. Daß aber
vor Unsauberkeit sich jemand einmal jucken muß, wird von ihnen
niemals irgend jemandem aufgemutzt. Die Laus fehlt[160]. Jemand sitzt
einsam; es wird gefragt: „Ist jemand bei ihm?“ Antwort: „Nicht einmal
eine Fliege!“ Über die Fliege geht die Phantasie nicht hinaus[161].
Einmal taucht allerdings auch die Wanze auf. Im Haus des Furius,
sagt Catull, herrscht ein solches Hungersystem, daß sogar die Wanze
auswandert, weil sie da ihr Dasein nicht fristen kann[162]. Diese Plage
fand sich also allerdings in vielen Häusern; aber sie gehört nicht zu
unserem Gegenstand.
Hieran reiht sich die Beobachtung, daß ja auch die Tiere Läuse
haben. Auch das entzog sich natürlicherweise der Kenntnis der Alten
nicht; vielmehr gingen sie so weit, wo es nötig schien, auch an den
Tieren die Läuse sorglich zu entfernen. Hoch entwickelt war die
Pferdezucht, Fischzucht, Geflügelzucht, und betreffs der Hühner galt nun
die Vorschrift, daß man den Kücken in der Zeit, wo die Federn sich
bilden, die Läuse „häufig“ absuchen soll; so schreibt es der gelehrte
Landwirt Varro in seinen landwirtschaftlichen Gesprächen vor (De re
rustica III, 9, 14). Das förderte die gesunde Entwicklung der Tiere.
So viel von der Sauberkeit des Römers. Aber so war es nun doch
nicht immer in Rom. Ganz anders steht es auffälligerweise in der
altrömischen Poesie, als sie noch in ihren Anfängen steckte. Da regte
sich wirklich das Tierleben noch auf der Menschenhaut. In den alten
Bühnenstücken, da regt es sich. Woher kommt das? Das Bäderwesen
fehlte nachweislich zu jenen Zeiten in Rom noch, oder es war noch ganz
unentwickelt; ich meine die Zeiten der Scipionen und Gracchen, das 3.
und 2. Jahrhundert v. Chr., und damit wird es um so klarer, daß am
Bäderwesen alles liegt.
„Du hast ja eine einsame Laus von ungeheurer Größe auf deiner
Nase sitzen!“ so wird in jenen Theaterstücken gerufen[163]. Es war
natürlich sehr auffallend, daß es nur e i n e war, denn man traf sonst
immer viele gesellig beisammen. „Der Lausbedeckte“ ist eine
altlateinische Wendung, die an Anschaulichkeit nichts zu wünschen
übrig läßt[164], und ein solcher Mensch kam damals in den Volksstücken
des Titinius auch wirklich auf die Bühne, wo es hieß: solcher
Dreckmensch gehört aufs Land[165]. In den Liebeshändeln, die Plautus
uns vorführt, sind die bösen Kuppler, die schöne Mädchen anpreisen und
von den Jünglingen Geld erpressen, ständige Figuren. Plautus nennt
diese Kuppler, diese Aussauger, die Läuse, Wanzen und Flöhe der
Großstadt[166].
Noch älter als er ist der Dichter Livius Andronicus, der ein
Soldatenlustspiel „Das Schwertlein“ (Gladiolus) schrieb; wir besitzen es
nicht; aber eine Stelle ist uns daraus erhalten, die uns so viel erkennen
läßt. Der Kriegsmann prahlt immer in hohen Tönen und wird deshalb
immer zum Narren gehalten. Hier prahlte er in einem Schlachtbericht,
den er gab, ungefähr so:
An fünfhundert, nein, an tausend schlug ich tot an einem Tag!
Tafel 5
Lesender Mann.
Von einem Marmorrelief.
(Paris, Münzkabinette.)
Jetzt endlich hatten die Griechen also ein Buch gewonnen, das sich in
der Tat leicht hundertfach vervielfältigen ließ. Der Großbetrieb konnte
einsetzen: Abschriften der besseren Werke in beliebiger Anzahl,
Buchverkauf, Buchhandel.
Und so beginnt eben jetzt, im 6. Jahrhundert, wirklich die griechische
Prosaschriftstellerei, die schlechthin das Buch voraussetzt, da Prosa sich
nicht nach Art eines epischen Gedichtes auswendig lernen läßt. Aber
auch die griechische Dichtkunst veränderte nun sogleich ihr Wesen und
bereicherte sich wunderbar; denn auf einmal entsteht jetzt die große
Lyrik, und es entsteht die Tragödie, Oratorium und Oper; d. h. auch die
Musik kann sich jetzt plötzlich auf das reichste entwickeln. Das Wesen
der griechischen Musik erkennen wir an den Versmaßen. Kunstvolle
Versmaße werden jetzt möglich, eine Rhythmik mit mannigfachem
Wechsel der Taktarten, die ohne sorgliche Niederschrift des Textes und
auch der Musiknoten nicht denkbar war. Ich nenne nur den großen
S t e s i c h o r o s , der jetzt — um das Jahr 600 beginnend[187] — auf Sizilien
seine gewaltigen, ausgedehnten, halbdramatischen, oratorienartigen
Chordichtungen schreibt, und Ä s c h y l u s , der in Athen bald danach die
Tragödie schafft. Auch diese Offenbarung des griechischen Kunstgenies,
die Tragödie, war erst jetzt möglich. Weiter aber: auch der H o m e r t e x t
wurde nunmehr in der Form, wie wir ihn haben, endlich zum erstenmal
in Buchform redigiert und gesichert, und auch dies ist, wie jetzt
unbedingt feststeht, in Athen geschehen[188]. Es ist dies das erste
unvergängliche Verdienst, das sich Athen um die Weltliteratur erworben
hat.
Und nun taucht auch H e r o d o t , der Vater der Geschichte, vor uns auf.
Herodot und andere seinesgleichen schreiben jetzt in Prosa die
Sagengeschichte und Staatengeschichte ihres Landes, A n a x a g o r a s und
andere Philosophen vor ihm ihre kühnen und ewig denkwürdigen
Entwürfe über Sein und Werden und die Natur und Entstehung des Alls.
Der wundervoll treibende Griechengeist hatte jetzt einen Boden
gewonnen, auf dem er blühen und wuchern konnte, so wie, wo sich
frische Erdkrume bildet, sogleich eine Vegetation entsteht. Plato,
Demokrit, Aristoteles erhoben ihre breiten Wipfel. Das Buch erzeugte
die Literatur.
Und wie geschmeidig war dies Buch! Federleicht lag es in der Hand.
Fliegende Blätter hatte man, und wer deren viele zusammenklebte,
erhielt eine Fläche von beliebiger Länge, die er beschrieb und leicht
zusammenrollte. Denn das Buch war nur Rolle. Heftung kannte man
nicht.
Und wie fest und klar stand die tief dunkle
Schrift auf dem hellen Grunde! Das Papier war Buchhandel der
Griechen. Herstellung
weiß, aber nicht blank und warf keine Reflexe: des Papyrus.
eine Wohltat für das Auge. Das Schreiben war
jetzt auch kein Gravieren und Ritzen mehr; es war Farbenauftrag. Mit
der weichen Feder malte man die Buchstaben. Und das ging rasch.
Massenkopien gab es gleich. Buchunternehmer hielten sich ein
Sklavenpersonal, das die Kopien nach Diktat schnell genug lieferte; denn
leicht konnten so nach Diktat 50 Exemplare auf einmal, 1000 in einer
Woche hergestellt werden. Und man kaufte sich jetzt also die
Platodialoge oder die Euripidesstücke, nahm sie auf die Seereise mit und
las sie auf dem Schiffsdeck. Der Buchhandel und Versand ging von
Athen überall hin, nach Sparta, Kleinasien, zu den Städten des
Schwarzen Meeres. Dabei verwahrte man die Rollen in hübschen
Kapseln aus Holz. Auch in der Schule hatte jetzt schon jeder Knabe sein
Lernbuch, und der Gebildete konnte sich darin nicht genug tun; er kaufte
sich schon lesehungrig alle möglichen Autoren, Homer, Epicharm,
Tragödien, Schriften über Baukunst, Kochbücher u. a. zusammen, und
vereinzelt entstehen schon wohlgeordnete kleine Büchereien. Sie sind
vorläufig nur Privatbesitz. Mit der ersten Bibliothek aber war auch der
erste Überblick über den Bestand der griechischen Literatur gegeben; das
Griechentum wurde sich seines geistigen Besitzes bewußt; eine
Literaturgeschichte konnte entstehen[189].
So ging die Entwicklung zunächst durch drei Jahrhunderte, vom 6.
bis zum 4. Jahrhundert v. Chr.
Im Nildelta, und zwar in den breiten und schlammigen Seitenarmen
des Nil, da wuchs und gedieh das Papyrusschilf in ganzen Wäldern.
Inselartig standen diese Wälder in den seichten Wasserflächen. Sie
wuchsen jedoch nicht etwa wild; vielmehr wurde das Schilf sorglich
gepflanzt, gehegt und jeder Ausfall ersetzt; ein Riesenvermögen steckte
für die Besitzer in diesen Wasserpflanzungen. Es waren hohe Schäfte mit
graziös gefiederten Wipfeln und Blätterbüscheln, die im Seewind
rauschen und leicht sich wiegen; der Schaft mehr als armstark. Fußpfade,
die so schmal waren, daß nur ein Mann hindurch konnte, und auf denen
der Heger sich bewegen und die Ernte eingebracht werden konnte,
führten durch die Dickichte hindurch[190].
Jahrtausendelang hat dort im Altertum diese wichtige Kultur
bestanden. Wie anders jetzt! Seitdem die Pflege fehlt, ist der Papyrus
dort im Nil völlig verschwunden.
Für die Fabrikation war die Stadt Saïs, die Residenz des Königs
Psammetich, der Hauptsitz, und eine ganze Reihe von Sorten der Charta
wurden hergestellt, die sich nach der Qualität, nach Größe, Färbung,
Feinheit und Dauerhaftigkeit unterschieden. Denn für wichtige
Aktenstücke der Staatsverwaltung und für schöne Gedichtbücher
brauchte man bessere Qualitäten, als der Kaufmann sie in seinem Laden
zum Rechnungschreiben nötig hatte.
Anschauung von dieser „Charta“ kann heute jeder haben, der einmal
unsere größeren Museen und Universitätsbibliotheken besucht, wo
Proben davon in Glas und Rahmen ausgestellt werden. Die Fabrikation
aber war schwierig und erforderte viel Zeit und ein beträchtliches
Personal. Denn das feste Mark des Schilfs wurde auf das mühsamste in
möglichst lange und möglichst dünne Streifen zerlegt und diese Streifen
dann glatt zusammengeklebt, indem man sie netzförmig
übereinanderlegte. Leicht lösten sich aber die Fasern wieder, und
wiederholte Pressung und erneutes Kleben, endlich ein sorgliches
Trocknen der Ware war immer nötig. Damit war aber zunächst nur ein
Einzelblatt von etwa 34 × 20 cm Größe gewonnen, und aufs neue mußten
die Kleber mit ihrem feinen Leim daher, um aus je 20 Blättern die
Buchfahnen, die in den Handel kamen, zusammenzufügen. Auf die
Fahne setzte man die Schrift in Spalten nach Art der Spalten unserer
Zeitungen. Reichten für das beabsichtigte Buch 20 Blätter nicht aus, so
klebte man wieder etliche Fahnen aneinander, je nach Bedürfnis.
Schon aus dieser Art der Herstellung erklärt
sich, daß das Papier im Altertum sehr teuer Papierpreise. Umfang
und Ausstattung der
gewesen ist[191]; und je mehr die Nachfrage Rollen. Buchteilung.
zunahm, je teurer mußte es werden. Denn bald
sollte für die ganze damalige gebildete Welt, für Griechenland, Syrien,
Mazedonien, Italien, Spanien, Südfrankreich das kleine Nildelta allein
das Papier liefern. Ja, die Fabrikanten im Delta bildeten einen Trust und
trieben obendarein die Preise gemeinsam künstlich höher, wie Strabo uns
meldet. Ungeheure Werte steckten also in den großen Büchereien des
Altertums, wie sie die römische Kaiserzeit besaß. Die Literatur war auch
im Hinblick auf das Papier, auf dem sie stand, eine Kostbarkeit.
In Großstädten wie Rom lagerte das Papier, die unbeschriebenen
Rollen, auf Vorrat in großen Speichern, die der Staat beaufsichtigte. War
die Papyrusernte am Nil schlecht ausgefallen, so trat in der Welt
Papiernot ein, die fast so schlimm war wie die Hungersnot, die drohte,
wenn das Korn nicht aus Ägypten kam, und die Behörde mußte alsdann
eingreifen und den Verkauf regulieren. Auf dem Lande war oft gar kein
Papier zu haben. Auch wir wissen seit dem jüngst erlebten Kriege davon
zu erzählen, wie die Regierung alle Vorräte der Waren an sich nimmt, um
der größten Not zu steuern.
In Rollen zu lesen, denken wir uns heute sehr unbequem, und
anfangs herrschten auch wirklich noch große Mißstände im Bücherwesen
der Griechen. Erträglich war die Sache, wenn es sich um Rollen von
etwa 20 Seiten handelt. Herodot aber wird heute auf 600 Seiten
abgedruckt, und für solch umfangreiche Werke ergaben sich damals
Rollen von 50, 70 oder 100 Meter Länge. Als solche endlose Konvolute
haben wir uns die ersten Ausgaben des Herodot, des Thukydides zu
denken; so hatte noch Alexander der Große Ilias und Odyssee in Händen.
Eine einschneidende Reform war darum nötig. Kallimachos war es, der
den berühmten Ausspruch tat: „ein großes Buch ein großes Übel.“
Seitdem, d. i. seit dem 3. Jahrhundert v. Chr., wurde es Sitte, die
größeren Bücher zu zerschneiden (davon kommt der Ausdruck Tomus,
„der Schnitt“), d. h. die Buchteilung in der Schriftstellerei wurde Sitte;
sie wurde erzwungen[192]. In 12 Rollen ließ darum Vergil seine Äneide,
in 3 Rollen ließ Cicero sein Werk „vom Redner“ erscheinen; und die
Kunst des Disponierens steigerte sich dabei wunderbar. Man lernte fortan
seinen Stoff jedesmal so einzuteilen, daß womöglich in jeder kleineren
Rolle ein in sich abgeschlossener „Abschnitt“ des Werkes stand, der für
sich allein gelesen, genossen werden konnte.
Aus diesem sehr äußerlichen Grunde erklärt sich die sonst so
befremdliche Durchführung der Buchteilungen in den alten Autoren.
Besonders die Dichter las man in möglichst
dünnen Rollen; ein Odenbuch des Horaz stand auf Bibliothek. Bildliche
Darstellung:
einer Papierfahne von nur 20 Seiten, kaum mehr. Schreibende.
Das ist auch heute noch so; man denke an Mirza-
Schaffy und Frauen-Liebe und Leben; auch wir wollen für unsere
zärtlichen Dichter keine großen Formate. Wollte man überdies noch
Effekt machen, so stattete man das Röllchen hübsch prunkvoll aus, schob
es in einen farbigen Mantel (so wie wir unsere Tischservietten) und
steckte noch ein vergoldetes Stäbchen mitten hinein. Besonders reizvoll
und glanzvoll müssen die Bilderbücher gewesen sein; wer die Rolle
auseinandernahm, sah eine Folge farbiger Bilder, Porträts, Kampfszenen
aus den Römerkriegen u. a. Vor allem hing nun noch aus den Rollen
immer ein festes, pergamentenes Zettelchen heraus, das man gern
purpurn färbte und auf dem der Titel zu finden war. Dieser Zettel selbst
hieß der „Titel“. Im Bibliothekszimmer standen Schränke oder an den
Zimmerwänden zogen sich „Nester“ hin; darin lagen die Rollen wie die
Vögelchen beisammen, bereit auszufliegen, allemal hübsch mit dem
Kopf nach vorn, an dem der Titel hing. Es war gewiß allerliebst, in
solchem Bücherzimmer sich aufzuhalten; alles, Bücher und Borte und
Wände, bunt bemalt und in Farben strahlend; dazu edler
Statuenschmuck; auch gemalte Porträts der Lieblingsdichter. Die Nester
waren nur in bequemer Höhe angebracht, auch die Schränke nur niedrig,
zu 3 Borten. Man brauchte nicht auf Leitern zu steigen, um seinen Plato
oder Livius zu finden[193].
Wie nun der lesende Mensch mit dem Buch umging? Dem modernen
Menschen fehlt dafür jede Anschauung; aber die reiche antike Kunst
kann sie uns geben[194]. Hier ist der Ort, die Plastik und Malerei der
Alten heranzuziehen. Selten ist uns Gelegenheit gegeben, die
Zweckmäßigkeit und Sinngemäßheit der künstlerischen Motive,
insbesondere in bezug auf die Haltung der Hände, so festzustellen wie in
diesem Falle.
Auch unsere modernen Künstler kommen bisweilen in die Notlage,
einen Menschen mit dem Buch darstellen zu müssen. Aber ihnen fehlt
dafür eine Tradition oder die Achtsamkeit, und sie irren sich oft seltsam.
Wer z. B. die schöne Goethe-Statue Schwanthalers in Frankfurt a. M.
betrachtet, wird mutmaßlich wenig darauf achtgeben, daß der Dichter
den Kranz in der Linken, das Buch aber in der Rechten hält. Warum sind
die Gegenstände auf die Hände nicht anders, nicht umgekehrt verteilt?
Eine müßige Frage! Wer hat Zeit, sich damit aufzuhalten? Der Künstler
macht das eben, wie es am besten aussieht. So machte man es aber im
Altertum nicht, und die moderne Kunst der Porträtstatue ist doch ein
Erbe aus dem griechischen Altertum. Wer das Buch in der Rechten hat,
will vorlesen; wer es in der Linken hält, hat vorgelesen. Goethe aber
kann seinen Kranz erst erworben haben, nachdem er sein Werk vortrug.
Die griechische Kunst hätte Kranz und Buch somit anders verteilt, und
so ist es tatsächlich geschehen auf einem Pompejanischen Wandgemälde
(Helbig, Campanische Wandgemälde, Nr. 1454).
Viele lieben es heute, sich mit dem Buch photographieren zu lassen,
die strebsame höhere Tochter, der Schulmann, Gelehrte und Diplomat
„in seinem Heim“, schließlich aber auch die Metzgersfrau und der
Sergeant und Ladenjüngling. Warum auch nicht? Wir alle haben heute
Schulbildung, und das Buch ist unser! Meistens wirkt dabei freilich die
Verlegenheit mit: die Hände müssen irgendwie beschäftigt sein, wenn sie
nicht gerade in Handschuhen stecken. So kann die Laune des
Photographen den Kellner zum Gelehrten machen und die Putzmacherin
zur Dichterin.
In der antiken Porträtkunst war das anders, und zwar schon in der
ägyptischen. Da ist alles sinngemäß und zweckmäßig. Im alten Ägypten
unterschieden sich die Stände darnach, wer schreiben und wer nicht
schreiben kann. Das Buch adelt. Wer nicht lesen kann, ist der Esel, wer
lesen kann, der Eseltreiber: so dachte man. Man gestatte, daß ich hier
von „Buchhaltern“ rede, ich meine die Personen, die sich mit dem Buch
zeigen. Die „Buchhalter“ auf den ägyptischen Bildwerken sind da die
höheren Beamten. Mit eigensinniger Konsequenz und massenhaft sieht
man daher die Buchrolle oder das Schreibgerät in der festgeballten Hand
gerade nur der Vornehmen auf den Reliefs der großen Tempelwände, der
Gräber und Pylonen des Pharaonenlandes. Berühmt und wundervoll
realistisch auch so manche Schreiberstatue, wie die im Louvre: wohl nie
ist ein hoher Bureaubeamter und vortragender Rat so verherrlicht worden
wie da; sie zeigt ihn angespannt in seiner Tätigkeit. Freilich ist er sehr
dürftig bekleidet. Ein Schurz genügt.
Der freie Grieche dachte anders. Er hatte kein Königtum,
ebensowenig eine Bureaukratie, die in Staffeln bis zum Monarchen
hinaufging und sich auf das Buch gründete. Bei den Griechen wurden
Buchabschriften zumeist nur von der unfreien Dienerschaft angefertigt.
Sah sich der Freie gezwungen, selbst einen Text zu kopieren, so schämte
er sich dessen und hat sich nicht schreibend abbilden lassen. Die ganze
überreiche griechisch-römische Kunst vermeidet es, einen Menschen
darzustellen, der ein Buch schreibt. Denn das Schreiben in Rollen war
mühsam und erzeugte eine unedle Haltung. Die Hilfe des Tisches wurde
beim Lesen und Schreiben stets vermieden. Man schrieb auf der Hand.
Dazu kam, daß man mit dem flüssigen Farbstoff die Finger sich
beschmutzt hätte. Der Vornehmere schrieb daher auf Wachstafeln
(codices, codicilli), in deren eingerahmte Wachsfläche er mit dem
dolchartig spitzen Metallstift die Buchstaben nur zu ritzen brauchte. Das
war saubere Arbeit; sie „fleckte“, aber sie befleckte nicht. Auf
Wachstafeln schrieb der Bankier seine Kontos und Quittungen, schrieb
der Liebhaber sein Billett an die Dame, die gleich in dieselbe Tafel auch
die Antwort ritzte, schrieb endlich der Dichter seine Entwürfe, die dann
sein Amanuensis kopieren durfte.
Also keine Schreiber, wohl aber Leser zeigt
uns die alte klassische bildende Kunst. Man las Bildliche Darstellung:
Lesende.
aber allemal nur in Rollen; denn nicht nur in
Ägypten beherrschte die Rolle das Bücherwesen durch Jahrtausende;
auch bei den Griechen und Römern ist sie von etwa 600 v. Chr. bis 400
n. Chr. so gut wie der alleinige Träger aller Lesebücher und wohl auch
Bilderbücher gewesen. Das ergibt wiederum ein Jahrtausend. Das
Prinzip des Heftens der Bücher ist zwar schon im Altertum, aber doch
erst merkwürdig spät aufgetaucht, und es fand alsdann im wesentlichen
nur für Pergamenthandschriften Anwendung, die den ärmeren
Volksschichten dienten[195]. In gehefteten Handschriften liest kein
einziger Mensch auf den unzähligen Bildwerken der Alten, die hierfür in
Betracht kommen. Die jüdische Synagoge hat die Rolle bekanntlich bis
auf den heutigen Tag beibehalten. Dabei dienen Stäbe dazu, die Rolle
anzufassen; denn die heiligen Schriften dürfen nicht mit der Hand
berührt werden. Die Griechen im Profanleben wußten von solcher Scheu
natürlich nichts; die Hände sind es, die mit dem Buch umgehen.
Tafel 6
Man muß den Akt des Lesens selber kennen, um die Motive zu
verstehen, die die antike Kunst hierfür verwendet. Wer zu lesen beginnen
will, hält die geschlossene Rolle zunächst in der rechten Hand. Die Linke
öffnet dann das Konvolut, löst das Band und Siegel, falls ein solches
vorhanden (man denke an das Buch mit sieben Siegeln der Apokalypse)
und zieht die erste offene Seite zu sich nach links. Eine Textspalte nach
der anderen zieht also die linke Hand zu sich herüber, indem sie das
Gelesene zugleich wieder zusammenrollt. Am Schluß der Lektüre ruht
die Rolle somit allemal, aufs neue geschlossen, in der linken Hand.
Daraus ergibt sich die Auffassung, die wir an alle Bildwerke
herantragen: die Gestalt, die das Buch in der Rechten hält, will erst lesen,
abgesehen von den Fällen, wo sie es einem anderen Menschen
überreichen will (denn man überreicht stets mit der rechten Hand); die
Gestalt, die es in der Linken hält, ist mit dem Lesen jedenfalls fertig; sie
hat nicht die Absicht zu lesen. Und das letztere finden wir nun ganz
überwiegend dargestellt. Es handelt sich eben fast immer um
Repräsentationsfiguren. Das Buch soll da nur andeuten; es ist für den
Moment gleichgültig; nur die Würde der Person drückt sich in dem
Schriftstück aus. Nicht sinnend oder in sich gekehrt steht solch ein
römischer Konsular mit dem Buch vor uns; er wendet sich mit offener
Seele an das Publikum, das ihn betrachtet.
Und das Lesen selber? Es sah graziös genug aus, und es schmückte
gleichsam den Menschen. Nichts ist reizender als solch eine lesende
griechische Frau, die mit dem weit offen hängenden Rollenband
zwischen den Händen einherwandelt (Neapel, National-Museum), oder
als die Muse, die als Konzertsängerin auf das Zeichen zum Einsetzen
wartet, das der Saitenspieler, der die Begleitung spielt, ihr geben soll,
und die dabei das Blatt tief gesenkt zwischen den Händen hält wie unsere
Sängerinnen, wenn sie warten, daß das unleidlich lange Vorspiel zu Ende
gehe (Vase in Athen). Nichts ist schöner als der vorlesende Homer der
Bilderchronik (Antiquarium in Berlin), nichts lebendiger als der die
Lektüre unterbrechende, in Nachrechnen versunkene Mathematiker des
Codex Arcerianus in Wolfenbüttel; nichts ergreifender als der Christus
mit der gleichsam himmelweit aufgerissenen Rolle zwischen den
Händen, von Jüngern umgeben, wie ihn die Lipsanothek von Brescia
zeigt[196].
Aber dies Lesen war zugleich unbequem und anstrengend; es war
eine Fesselung des Lesers im eigentlichsten Sinne, und ein Bedauern
erfüllt uns, wenn wir uns klar machen, daß man das durch Jahrtausende
hat ertragen müssen. Man denke, daß jede Nebenhandlung unmöglich
war. Denn nicht nur die rechte Hand war beschäftigt; die linke durfte
zudem die abgerollte Papiermasse nie fahren lassen, und es wurde auf
das strengste vermieden, daß die Charta sich auflöste und zum Boden
niederfloß; denn ihre Fasern waren zart und splitterten leicht, und die
Gefahr, daß ein Blatt und damit das ganze Buch zerriß, war ständig. Wir
trinken beim Zeitungslesen oder schlürfen Eis im Café, wenn wir durstig
sind. Der Grieche hatte keine Hand frei. Er konnte das nicht. Ein Glück,