Umweltschutz
Ur-Gestein der Neustrelitzer Naturschützer muss kürzertreten
Neustrelitz / Lesedauer: 3 min
Wenn sich Erwin Hemke etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er es durch. Der mehr als 24 Tonnen schwere Findling, den er im Frühling von einem Kieswerk bei Neustrelitz auf den Reiherberg bei Feldberg verfrachten ließ, gehört zu seinen spektakulärsten Aktionen. Seit knapp 70 Jahren widmet der Neustrelitzer einen Großteil seines Lebens dem Naturschutz. Sein Ehrenamt als Vorsitzender des NABU Mecklenburg-Strelitz hat er krankheitsbedingt niedergelegt.
Eigen Stiftung gegründet
„In der Region ist der Schutz der Arten und Lebensräume und der NABU eng mit dem Namen Erwin Hemke verbunden“, sagte Hans-Jürgen Spieß vom Landesvorstand des Naturschutzbundes Deutschland in seiner Laudatio. Erwin Hemke habe mitgeholfen, Naturschutzgebiete auszuweisen und sie betreut. „Er war und ist unermüdlich tätig, Wissen über die Zerbrechlichkeit der Natur, über deren Schönheit und die Notwendigkeit ihres Schutzes zu verbreiten.“ Vielen in Not geratenen Tieren hat er geholfen, verletzte in seinem Haus in der Hohenzieritzer Straße aufgepäppelt. 2005 gründete er unter Einsatz seines Ersparten die Erwin Hemke-Stiftung zum Schutz der Natur.
Jugend in Anklam
Geboren wurde Erwin Hemke 1932 in Hinterpommern. „Ich stamme aus einem naturverbundenen Bauerngeschlecht“, erzählt er. Schon als Achtjähriger sah er eine Kreuzotter. „Ein sehr einprägsames Erlebnis.“ 1945 flüchtete er mit seiner Mutter nach Anklam, wo Tiere zunächst vor allem zum Verzehr Beachtung fanden. „Mit Schlingen jagten wir Rebhühner, Fasane und Biber. In den überschwemmten Peenewiesen fingen wir Hechte und verkauften sie auf dem schwarzen Markt in Berlin. An einem Tag habe ich 72 Hechte mit bloßen Händen gefangen.“
Für den Seeadler zur Stasi
Beruflich wurde er Landwirt. Später absolvierte er ein Fernstudium zum Biologielehrer. In Neustrelitz lebt er seit 1955. Auch politisch war Erwin Hemke aktiv, war unter anderem viele Jahre Stadtvertreter. Keinen Hehl macht er aus seiner Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter bei der Staatssicherheit. Für den Schutz der Seeadler sei er der Stasi beigetreten. „1973 rückte die NVA in ein Seeadler-Brutgebiet ein. Genau unter dem Horst bauten die Soldaten ihre Gulaschkanone auf. Man kann sich denken, wie das ausging. Die Brut misslang.“
Der Naturschützer beschwerte sich beim Wehrbereichskommando. Man einigte sich darauf, dass Erwin Hemke künftig jedes Jahr die besetzten Horste meldet, damit die Armee die Bereiche meiden kann. „Zehn Jahre habe ich die Liste der Brutplätze dem Wehrbereichskommando geliefert. 1983 wurde gesagt, du musst jetzt in die Stasi, sonst darfst du nicht mehr liefern. Ich wurde IM für das Obere Havelgebiet bei Kratzeburg und verpflichtete mich, jedes Jahr einen Bericht über die Situation der Seeadler zu erstellen.“ Die Adler habe er genau im Auge behalten, Menschen hingegen nie bespitzelt.
Schwieriger Rückzug aus der ersten Reihe
Dem pensionierten Biologielehrer ist es nicht leicht gefallen, den Vereinsvorsitz in andere Hände zu legen. „Seit 1953 habe ich mich nie vor Verantwortung gedrückt.“ Auf jeden Fall bleibe er Mitglied im NABU. Es gebe noch viel zu tun. So wolle der NABU eine Wiese an der Lieps bei Usadel kaufen, um sie als Storchenfutterwiese vorzuhalten. Außerdem wolle er in der Kalkhorst zwei Rastplätze für Wanderer anlegen. Darüber hinaus arbeite er an einer Chronik über den Naturschutz in Mecklenburg-Strelitz, die beim Verbot, im Park Nachtigallen zu fangen, im Jahr 1700 beginnt. Zudem hoffe er, das Stiftungsvermögen auf 100 000 Euro zu bringen.
Die Naturschutzarbeit höre nie auf. Wenn er an die Zukunft denke, habe er kein gutes Gefühl. Weltweit sei viel zu wenig erreicht worden. „Ich bin ziemlich pessimistisch. Wir steuern mit Kraft auf die Liquidation zu.“