Prozess in Graz

9 Messerstiche: Brutaler Mordversuch oder Notwehr?

Steiermark
29.07.2024 14:33

Verschiedene Wahrheiten gibt es am Montag bei einem Prozess in Graz um einen versuchten Mord: Während der Angeklagte (45) beteuert, voller Todesangst in Notwehr zugestochen zu haben, erklärt das Opfer, dass es sich nicht einmal erinnern kann, den Messerstecher überhaupt attackiert zu haben. 

Der angeklagte Grazer wird als eher zurückhaltender Typ mit einer ruhigen Persönlichkeitsstruktur beschrieben. Und doch soll der IT-Techniker seinem Kontrahenten neun Messerstiche in den Operkörper versetzt haben. „Eine sehr, sehr brutale Tat. Das Opfer hat den Angriff nach eine dreistündige Not-OP mit vielen Spezialisten aber Gott sei Dank überlebt“, schildert Staatsanwältin Katharina Tauschmann in ihrem Eröffnungsplädoyer.

„Er wollte Schlussstrich ziehen“
Doch was bringt einen schüchternen, kleinen, schmächtigen Mann dazu, einen versuchten Mord zu begehen? „Der Hintergrund war Verliebtheit, vielleicht Liebe, gepaart mit Eifersucht und dem Wunsch, für die Frau der strahlende Held zu sein“, so die Anklägerin. „Enthemmt durch Alkohol war er endlich der starke Mann. Er wollte einen Schlussstrich ziehen unter eine Beziehung, die in seinen Augen für seine Freundin eine Belastung, ja eine Zumutung war.“

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Das Motiv war Verliebtheit, vielleicht sogar Liebe, gepaart mit Eifersucht und dem Wunsch, für die Frau der strahlende Held zu sein.

(Bild: Christian Jauschowetz)

Staatsanwältin Katharina Tauschmann

Zur Erklärung: Das spätere Opfer und seine Frau leben getrennt. Die Steirerin hat sich beim Angeklagten ausgeweint und erzählt, dass ihr Mann sie schlagen würde und auch jeden, der ihr zu nahe komme. Außerdem hätte es Betretungsverbote und Wegweisungen gegeben. Kurzfristig entstand zwischen den beiden sogar eine Art Beziehung. „Wir waren gemeinsam mit den Kindern in der Therme, aber dann ist es ihr doch zu schnell gegangen“, erzählt der Angeklagte.

„Wollte nicht, dass Situation eskaliert“
Am Tattag hätte sie „kinderfrei“ gehabt. Und wollte mit ihm unbedingt fortgehen. Der Noch-Ehemann hat auf die Kinder (2 und 11) aufgepasst. „Dann hat aber der Sohn angerufen und erzählt, dass der Papa wieder ausrasten würde“, schildert der 45-Jährige. Gemeinsam mit einem Bekannten machten sie sich auf den Weg zur Wohnung. Dort angekommen wartete der Angeklagte aber im Auto: „Ich wollte nicht, dass die Situation eskaliert, weil der Ehemann mich schon einmal angegriffen hat.“ Außerdem hätte er Angst vor ihm gehabt.

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Ich bin schon zügig auf ihn zugegangen, weil ich ja aus der Wohnung rauswollte. Vielleicht hat ihm das Angst gemacht. Ich bin ja schon größer und schwerer als er. 

Das Opfer

Doch als die Streitereien in der Wohnung immer lauter wurden, sei er doch hineingegangen. „Warum?“, interessiert Richterin Kornelia Philipp. „Wenn Sie doch solche Angst vor ihm hatten.“ – „Ich dachte, ich könnte den Streit schlichten.“ Doch das „Schlichten“ endete mit neun Messerstichen in Bauch und Rücken des Gegners. „Er ist wie ein Berserker auf mich losgegangen. Ich dachte, er will mich schwer verletzen“, sagt der Angeklagte. Als er bemerkte, dass er den 39-Jährigen gestochen hat, sei er in Panik davon gerannt. Die Tatwaffe, sein eigenes Taschenmesser, warf er in die Mur.

Das Opfer, das zugesteht, Probleme schon mal mit der Faust zu lösen („Wegen jeder Watsch‘n geh ich nicht zur Polizei“), schildert die Geschichte anders. „Meine Frau ist heim und hat nur herumgeschrien. Ich wollte nur weg, weil mich die Streiterei nicht interessiert hat.“ Er habe seine Zigaretten und sein Feuerzeug genommen, und dann sei plötzlich der Angeklagte in der Tür gestanden.

„Habe ihn sicher nicht geschlagen“
„Kann schon sein, dass ich ihm einen ,Schupfer‘ gegeben habe.“ - „Er stand Ihnen im Weg?“, fragt der beisitzende Richter Florian. „Ja“, zuckt der Angeklagte mit den Schultern. „Warum hätte er vor Ihnen Angst haben können?“ – „Vielleicht, weil ich größer und schwerer bin.“ Dass er ihn geschlagen hätte, schließt er aus. 

Verteidiger Michael Dietrich betonte, dass sein Mandant nur so gehandelt hat, weil er dem Angreifer massiv unterlegen war. „Er hatte Angst und sah keine andere Möglichkeit.“ – „Ich wollte nur, dass er mich loslässt, dass er weggeht.“ Ein Urteil der Geschworenen soll am Donnerstag fallen.

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