R. McKitterick u.a. (Hrsg.): Old Saint Peter's

McKitterick, Rosamond; Osborne, John; Richardson, Carol M.; Story, Joanna (Hrsg.): Old Saint Peter's, Rome. . Cambridge 2013 : Cambridge University Press, ISBN 978-1-1070-4164-6 £ 100.00

Bolgia, Claudia; Rosamond McKitterick, John Osborne (Hrsg.): Rome across Time and Space. Cultural Transmission and the Exchange of Ideas, c. 500-1400. Cambridge 2011 : Cambridge University Press, ISBN 9780521192170 € 71,37

Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jochen Johrendt, Historisches Seminar, Bergische Universität Wuppertal

Der Sammelband geht auf eine Tagung zurück, die 2010 in Rom an der British School stattfand. Sie widmete sich der Geschichte der wohl bekanntesten Kirche der Christenheit aus historischer, archäologischer, liturgischer und – am stärksten berücksichtigt – kunsthistorischer Perspektive. Ein derartiges Unterfangen kann angesichts der monströsen Aufgabe selbstredend nur einzelne Mosaiksteine erfassen, auch wenn in den letzten Jahren die historische Erforschung der mit der Kirche verbundenen Institution, des Kapitels von St. Peter, erfreuliche Fortschritte gemacht hat.1 Einen umfassenden Überblick darf man dennoch von einem Sammelband sicherlich nicht erwarten. Und so liegt der Schwerpunkt klar auf der Zeit von Konstantin bis zum 9. und im 15. Jahrhundert. Das 12.–14. Jahrhundert findet damit – außer im Beitrag zur Veronika und en passant – keine Berücksichtigung und damit erstaunlicherweise die Zeit, in der immerhin zwei Kanoniker von St. Peter die Kathedra Petri bestiegen – Lothar von Segni als Innozenz III. und Benedetto Caetani als Bonifaz VIII. – sowie zwei Archipresbyter, Hugolino Conti als Gregor IX. und Giangaetano Orsini als Nikolaus III. Doch der Sammelband ist sehr stark auf das konkrete Objekt St. Peter konzentriert, was sich bei der Fülle möglicher Fragen und der Notwendigkeit, selbst bei 20 Beiträgen Aspekte auszuklammern, auch als gut erweist.

Zu den Beiträgen im Einzelnen: Paolo Liverani (S. 21–34) beschäftigt sich mit der Rolle von St. Peter für die urbane Entwicklung Roms, vor allem als Zentrum der Sozialfürsorge. Die Region um St. Peter scheint auch durch Spenden von Heiden unabhängig von kirchlichen Bestrebungen im 4. Jahrhundert ein Ort der Sozialfürsorge gewesen zu sein. Institutionell verfestigt in den „Armen von St. Peter“ sorgte auch Theoderich der Große explizit für deren Versorgung, unter dem die Peterskirche eine entscheidende Aufwertung erfuhr. Richard Gem (S. 35–64) zeichnet anhand von historiographischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnissen den Bau der Basilika von den 320er-Jahren bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts nach, als sie ihre endgültige Form erhalten habe. Lex Bosman (S. 65–80) untersucht die in Texten des 16. Jahrhunderts mehrfach dokumentierte Verwendung von Spolien in der Petersbasilika. Er verdeutlicht, dass etwa in Hinsicht auf die Säulen mit ihren Basen bei weitem nicht alle als Spolien angesprochen werden können. Sie dürften auf Material zurückgehen, das in Rom nach wie vor als unbearbeitetes Baumaterial vorhanden gewesen sei. Olof Brandt (S. 81–94) interpretiert das im Plan von Alfarano eingezeichnete Baptisterium im nördlichen Transept der Petersbasilika als Vestibül zu einem in Analogie zum Baptisterium am Lateran gestalteten Baptisterium. Rosamond McKitterick (S. 95–118) untersucht die Darstellung von St. Peter im Liber Pontificalis als Pilgerziel, Ort der Papstweihe und vor allem als Nekropole. Meaghan McEvoy (S. 119–136) deutet das Mausoleum des Honorius als ein klares Bekenntnis des Kaisers und seiner Familie zu Rom, als imperiale Prachtentfaltung in der Ewigen Stadt sowie als einen wichtigen Brückenschlag des Kaisers zum senatorischen und christlichen Adel Roms, der in der Nähe des Vatikans bestattet werden wollte. Alan Thacker (S. 137–156) geht dem kaiserlichen, päpstlichen und senatorischen Einfluss auf die Peterskirche anhand der unterschiedlichen fassbaren Ämter wie cubicularii, praepositi und mansionarii nach und sieht mit der Übertragung der Aufsicht an die Basilikalklöster durch Gregor III. das Ringen um Einfluss zugunsten der Päpste abgeschlossen. Peter Jeffery (S. 157–176) gibt zunächst vorrangig aus dem Liber Pontificalis heraus einen Überblick über die Entstehung der vier Basilikalklöster an St. Peter. Anschließend demonstriert er, dass der auf die vier Jahreszeiten ausgerichtete Ordo Romanus XIII als ein ganz auf St. Peter zugeschnittener Ordo zu begreifen sei, der gleichzeitig als Vorbild für alle anderen Kirchen in Rom und damit der Vereinheitlichung der römischen Liturgie dienen sollte. Éamonn ó Carragáin (S. 177–189) illustriert an drei Beispielen die Verbindung der Liturgie an St. Peter mit Entwicklungen weit außerhalb Roms. Antonella Ballardini und Paola Pogliani (S. 190–213) rekonstruieren ausgehend von der Zeichnung Giacomo Grimaldis Architektur und Mosaiken des Oratoriums Johannes’ VII. (705–707), wozu sie nicht nur auf Fragmente in den Vatikanischen Grotten verweisen, sondern zudem auch mehrere Bilder einer 3D-Computeranimation bieten. Charles B. McClendon (S. 214–228) postuliert, dass Alt-Sankt-Peter als Symbol der Orthodoxie galt und deswegen die Verurteilung des Ikonoklasmus durch Gregor III. in der Petersbasilika große Bedeutung gehabt habe; die Präeminenz der Petersbasilika – die einzige Kirche der Christenheit, die tatsächlich physisch auf dem Fels Petrus errichtet wurde – komme auch in der architektonischen Ausrichtung weiterer Kirchenbauten in Rom an St. Peter zum Ausdruck. Ann van Dijk (S. 229–256) beschäftigt sich mit der Herkunft der Veronika und erwägt, dass es sich um ein Tuch handeln könnte, das Leo III. dem Hauptaltar gestiftet hatte, das nach der Verwüstung der Peterskirche durch die Sarazenen im Jahre 846 dann in dem von Johannes VII. gestifteten Oratorium verwahrt wurde, das wiederum mit Szenen aus dem Leben Mariens ausgemalt war. Im 12. Jahrhundert sei es dann vermutlich zu einer Verschmelzung der Veronika-Legende mit dem besagten Tuch gekommen, was dann die Geburtsstunde des Vultus Christi sein könnte. Joanna Story (S. 257–273) widmet sich vor allem dem Epitaph auf Hadrian I., der Pilgerroute in St. Peter gemäß der ca. 760–780 entstandenen Notitia ecclesiarum Urbis Romae, der von Hadrian I. für Karl den Großen gestifteten Votivkrone und einem von Hildegard, der Gattin Karls des Großen, gestifteten Altartuch. Insgesamt komme den gezielten Schenkungen der Karolinger an das Oratorium Pastoris eine entscheidende Rolle zu. John Osborne (S. 274–286) skizziert die Umdeutung der antiken Obelisken mit christlichem Gedankengut und die Neuzuweisung von Sinnzusammenhängen. Dabei wurde beispielsweise der Obelisk bei St. Peter, der sich heute auf den Petersplatz befindet, Julius Caesar zugeschrieben. Als ersten Beleg für diese Zuschreibung führt er eine Urkunde Leos IX. an (JL 4292), die jedoch erst im 12. Jahrhundert verfälscht wurde2, so dass vermutlich die Mirabilia Urbis der erste eindeutige Beleg für eine Zuschreibung an Julius Caesar sein dürften, was wiederum erneut Fragen zur Verbindung von Mirabilia Urbis Romae und Peterskapitel aufwirft. Carmela Vircillo Franklin (S. 287–305) behandelt die drei hagiographischen Codices BAV, Archivio di S. Pietro A 2, A 4 und A 5, die jeweils drei Monate des liturgischen Kalenders abdecken und die Franklin zusammen mit einem verlorenen Codex als das Legendar von St. Peter bezeichnet. Zudem wird A 3, ein hagiographisches Lektionar mit 133 Texten, als Vergleichsmoment herangezogen. Es scheint sich teilweise eine von Gregor VII. und Urban II. eingeforderte Berücksichtigung der als heilig verehrten Päpste niederzuschlagen. Katharina Christa Schüppel (S. 306–323) untersucht die – vermutlich – originalgetreue Kopie eines 1550 auf Befehl Papst Julius III. eingeschmolzenen 1,6 m hohen Silberkreuzes, dessen Entstehungszeitraum zwischen Leo III. und Karl dem Großen sowie Innozenz II. eingeordnet wurde, wobei sich Schüppel für das 12. Jahrhundert ausspricht. Durch die Abbildung der beiden Apostelfürsten zu Füßen Christi stelle sich der Stifter in Anspielung auf die Silvesterlegende als ein zweiter Silvester dar. Carol M. Richardson (S. 324–347) beleuchtet den starken Einfluss Pietro Barbos auf St. Peter, der von 1445 bis 1471 Kardinalarchipresbyter an St. Peter war, bevor er als Paul II. die Kathedra Petri bestieg, und damit durchaus Giuliano della Rovere, dem späteren Julius II., vergleichbar ist, der von 1477 bis 1503 Kardinalarchipresbyter an St. Peter war. Robert Glass (S. 348–370) interpretiert die von Filarete im Auftrag Eugens IV. gestalteten Türen aus Alt-Sankt-Peter, die auch für die neue Basilika wieder verwendet wurden und an denen Filarete nach der Auftragserteilung im Jahre 1433 zwölf Jahre arbeitete. Catherine Fletcher (S. 371–385) verdeutlicht ausgehend vom Altar des heiligen Mauritius die unterschiedlichen, darum angelagerten Erinnerungsschichten, aber auch schlichte Erfindungen, die aufgrund seiner (fraglichen) Bedeutung in Zusammenhang mit der Kaiserkrönung Verbindungslinien zur europäischen Geschichte besitzen. Bram Kempers (S. 386–403) betont, dass die mit dem Neubau von St. Peter befassten Architekten allesamt ambitionierter waren als Julius II. selbst, der in diesem Lichte geradezu als konservativ in Hinblick auf den Neubau erscheine. Ein Appendix von Carol M. Richardson und Joanna Story (S. 404–415) bietet nach einer Einleitung eine Transkription und Übertragung eines Briefs der Kanonikern an Paul V. über die Zerstörung der alten Basilika (1605) ins Englische. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis (S. 416–465) sowie ein Register der Namen, Orte und wichtigen Sachen (S. 467–484) beschließen den Band.

Der auch optisch sehr hochwertig gemachte Band erweist sich damit als eine Reise durch Alt-Sankt-Peter, bei der in der Regel unterschiedliche Einzelobjekte zum Ausgangspunkt weiterer Fragen geworden sind. Dieser Eindruck der Reise wird auch dadurch verstärkt, dass am Beginn fast jedes Beitrags ein Ausschnitt aus dem Plan der alten Basilika abgebildet ist, so dass der Inhalt des Beitrags auch visuell an bestimmte Bereiche/Orte der Peterskirche rückgebunden wird. Generell sind die Abbildungen im Band in der Regel sehr gut, die Pläne sogar hervorragend.

Anmerkungen:
1 Dario Rezza / Mirko Stocchi, Il capitolo di San Pietro in Vaticano dalle origini al XX secolo, Bd. 1: La storia e le persone, Città del Vaticano 2008; Jochen Johrendt, Urkundenregesten zum Kapitel von St. Peter im Vatikan (1198–1304), Città del Vaticano 2010; Jochen Johrendt, Die Diener des Apostelfürsten. Das Kapitel von St. Peter im Vatikan (11.–13. Jahrhundert), Berlin/New York 2011. Lediglich der erste dieser Titel fand im hier anzuzeigenden Sammelband Berücksichtigung.
2 Jochen Johrendt, Die Anfänge des Kapitels von St. Peter im Vatikan? Zu den Urkunden Leos IX. für die Basilikalklöster der Peterskirche (1053), in: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters 65 (2009), S. 83–110.

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