Die Erforschung des (kur-)fürstlichen Ranges im 13. und 14. Jahrhundert steht im Mittelpunkt der von Jörg Peltzer verfassten und 2011 an der Philosophischen Fakultät Heidelberg eingereichten Habilitationsschrift. Geographisch eingegrenzt ist die Studie auf das spätmittelalterliche Heilige Römische Reich. Entstanden ist die Arbeit aber vor dem Hintergrund eines deutsch-englischen Vergleichs, dessen Veröffentlichung zu einem späteren Zeitpunkt ebenfalls geplant ist. Ein Grund für die Wahl der Pfalzgrafen bei Rhein als Hauptakteure dieser Studie liegt in ihrer engen Beziehung zum König und ihrer als königsnah beurteilten Pfalzgrafschaft. Als mächtige Landesherrn gestalteten die Reichsgrafen die ‚Politik‘ im Reich aktiv mit, übernahmen eine Vielzahl wichtiger Ämter und waren auf diese Weise einer ständigen Konkurrenz untereinander um die Festigung und Aufwertung des eigenen Ranges ausgesetzt. Zwar ist die Quellenlage im Hinblick auf die Pfalzgrafen an einigen Stellen recht dünn; dies eröffnet aber die günstige Möglichkeit, den Blickwinkel zu weiten und den König sowie die weiteren Kur- und Reichsfürsten mit in die Analyse einzubeziehen.
Jörg Peltzer geht in seiner Arbeit zwei Hauptfragestellungen nach: Zum einen analysiert er die Ausdifferenzierungsprozesse innerhalb des spätmittelalterlichen Hochadels und knüpft hieran weitere Untersuchungen hinsichtlich der Kriterien (kur-)fürstlicher Rangunterschiede sowie der Festigung des fürstlichen Ranges an. Ebenfalls eingebettet in diesen Kontext ist die Frage, wie das Kurrecht das Ranggefüge innerhalb der stimmführenden Familie mitbestimmte.
Zum anderen legt er seiner Arbeit eine Untersuchung „über den Einfluss des (kur-)fürstlichen Ranges auf die Entwicklung der politischen Ordnung des Reichs“ (S. 34) zugrunde, um hierauf aufbauend sowohl nach den Funktionen der Kurfürsten als auch ihrer Stellung gegenüber dem König, dem Reich und den übrigen Fürsten zu fragen. Vervollständigt wird die Erforschung des pfalzgräflichen Ranges durch das Aufgreifen der Vorstellungen über den Platz der Pfalzgrafen innerhalb des Reichsgefüges, der Verfasstheit dieses Personenverbandes sowie der Frage, ob das römische Kaisertum den Kurfürsten den Weg zum königsgleichen Rang bereitete. Im Hinblick auf die zeitgenössischen Juristen des 14. Jahrhunderts wird ausgelotet, ob ein Gegensatz zwischen ihrer Vorstellung, die Kurfürsten als Kolleg anzusehen, und der politischen Praxis bestand.
Während im ersten Abschnitt des Buches die Hauptakteure kurz vorgestellt und sowohl geographisch als auch sozial und politisch in den historischen Kontext eingeordnet werden, folgt im zweiten Kapitel eine nähere Betrachtung der Würde und der Ämter der Pfalzgrafen bei Rhein. Das Amt des Reichsfürsten war eine Würde, die seinen Träger der politisch-sozialen Elite des Reichs angehören und ihn, gemeinsam mit dem König, in die politische Öffentlichkeit des Reichs treten ließ. Als Argument für eine Erhebung in den reichsfürstlichen Stand nannte die königliche Kanzlei den Dienst für den König.
Das Recht der Königswahl eröffnete dem pfalzgräflichen Kurfürsten die Möglichkeit, aktiv in die ‚Politik‘ des Reichs einzugreifen und an Entscheidungsverfahren zu partizipieren. Die Teilnahme an der „wichtigsten politischen Entscheidung auf Reichsebene“ (S. 161) war verbunden mit der Chance, die eigene Position durch Absprachen mit dem Bewerber zu stärken und Vorteile und Privilegien auszuhandeln. Zu einer weiteren Stärkung des Ranges der Pfalzgrafen bei Rhein und einem Zugewinn an Ehre kam es durch die Bekleidung des Richteramtes über den König. Damit hatte der Pfalzgraf eine Position inne, die tief im Denken der Zeit verwurzelt war und es ihm selbst bei Nichtausübung seines Amts ermöglichte, eine Position vor allen anderen Fürsten des Reichs einzunehmen. Zu einer weiteren Aufwertung des pfalzgräflichen Ranges durch einen Zugewinn an dignitas kam es durch die Zuerkennung des Amtes des Reichsvikars, das entweder im Fall des Todes oder in der Zeit der Abwesenheit des Königs von einem Stellvertreter ausgeübt wurde. Obwohl Ruprecht I. eine königliche Bestätigung als Vikar absente rege erhielt, gelang es ihm nicht, dieses Amt auf Dauer an die Pfalzgrafenwürde zu binden.
In einem nächsten Kapitel wendet sich Jörg Peltzer der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Pfalzgrafen zu. Zu den von ihm herangezogenen Quellen zählen neben Urkunden auch Siegel und Wappen, durch deren Auswertung er ein hohes Maß an Übereinstimmung zwischen den pfalzgräflichen Selbstbezeichnungen und ihrer Betitelung durch Dritte herausarbeiten kann. Neben der großen äußeren Akzeptanz der Selbstbetitelung scheint auch die Positionierung innerhalb der eigenen Familie ein wichtiger Bezugspunkt für die Gestaltung von Titeln und Siegeln gewesen zu sein. Ein weiterer Indikator für die Bedeutung des eigenen Ranges war die Auswahl eines Ehemanns oder einer Ehefrau. Während die Pfalzgrafen innerhalb des Reichs eine sehr erfolgreiche Heiratspolitik betrieben, spielten sie als Ehepartner/-innen aus Sicht der Königsfamilien in- und außerhalb des Reichs keine bedeutende Rolle. Dieser Befund spricht gegen eine königliche Stellung der Reichsfürsten.
Neben dem Konnubium werden – im letzten Kapitel – die Reichsversammlungen angesprochen, die die „soziale Identität der Mitglieder des Hochadels“ formten (S. 336). Auf ihnen versammelten sich, oft in unterschiedlicher Zusammensetzung, König, Adel und Vertreter der Städte. In diesem Rahmen wurde die politisch-soziale Ordnung des Reichs repräsentiert und abgebildet, der eigene Rang musste öffentlich aufgezeigt und ausgehandelt werden. Dies konnte im Rahmen von Prozessionen, Festmählern und Verhandlungen stattfinden. Eine weitere Gelegenheit, sich vor den anderen Mitstreitern auszuzeichnen, bot das officium, das königliche Hofamt des Erztruchsessen, das den zeremoniellen Rang des Pfalzgrafen verdeutlichte.
Mit seiner systematischen Analyse des Ranges der Pfalzgrafen bei Rhein greift Jörg Peltzer ein Forschungsdesiderat auf. In seiner Ranganalyse betrachtet Peltzer auch die verschiedenen Ämter der Pfalzgrafen und ergänzt durch die Auswahl seiner pfalzgräflichen Protagonisten die bisherige Forschung um einen weiteren Aspekt – tritt doch hierdurch zur Auswertung des Reichsvikariats aus der Sicht des Königs und des Reichs nun die pfalzgräfliche Perspektive hinzu. Besonders sinnvoll erscheint dieser Perspektivwechsel deshalb, weil das Amt des Reichsvikars besonders eng mit den Pfalzgrafen bei Rhein verbunden war.
Neben schriftlichen Quellen zieht Jörg Peltzer Siegel, Krönungsbilder, Miniaturen aus Handschriften, Portraits und Stifterfiguren heran, die in Form von farbigen Abbildungen dem Buch beigegeben sind. Insgesamt ist Jörg Peltzer mit seiner Arbeit eine hervorragende Untersuchung der Visualisierung und Formierung des Ranges der Pfalzgrafen bei Rhein gelungen, die den Blick auch auf weitere, an diesem Thema partizipierende Akteure richtet.